Antworten
der FDP
FDP-Fraktion im Landtag NRW
Sehr geehrter Herr Dr. Özoguz,
für Ihre Email vom 01.03.2005 bedanke ich mich ganz herzlich. Gerne
beantworte ich Ihre Fragen auf Basis des FDP-Wahlprogramms Das neue NRW
und der aktuellen Beschlusslage der FDP-Landtagsfraktion. Anbei die
Antworten der FDP zur Veröffentlichung auf Ihrer Homepage .
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ute Dreckmann
f.d.R Tina Pannes
Welche Rolle spielt Gott bei der
Entscheidungsfindung in Ihrer Partei?
Die FDP lässt sich bei allen Entscheidungen leiten von einem
Wertekatalog, der der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entspricht,
das heißt den in unserer Verfassung niedergelegten Werten. Für viele
Menschen ist Ihre Religion und damit letztlich Gott die Quelle dieser
Werte. Die FDP ist als freiheitliche Partei jedoch nicht auf einen Glauben
festgelegt. Die Werte und Normen unserer Verfassung sind das gemeinsame
Fundament liberaler Politiker. Dies bedeutet auch Toleranz gegenüber allen
Glaubensrichtungen und Religionen, die diese Werte teilen.
Was versteht Ihre Partei unter dem Begriff
"Integration" und welche Konzepte streben Sie insbesondere für die
Integration von Muslimen in Ihrem Bundesland an?
Für die FDP ist Integration das Erlangen der Chance, am
gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilzunehmen. Dazu gehören
gleiche Chancen in der Ausbildung, im Beruf und im sozialen Leben.
Integration fordert Anstrengungen sowohl von der aufnehmenden Gesellschaft
als auch von Seiten der Migrantinnen und Migranten.
Unterschiedliche Lebensweisen in einer Gesellschaft müssen
selbstverständlich gewährleistet sein, - Integration ist nicht
"Gleichmacherei". Sie muss an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
orientiert sein. Diese bildet den Rahmen für das gesellschaftliche
Zusammenleben und gleichsam die Grenze falsch verstandener Toleranz. Die
FDP hat in diesem Punkt stets eine klare Position bezogen und sich damit
abgehoben von nebulösen "Multikulti-" oder "Leitkultur"-Debatten.
Grundvoraussetzung für Integration ist das Erlernen der deutschen
Sprache. Die FDP ist deshalb für ein flächendeckendes Angebot an
Sprachkursen, - im vorschulischen und schulischen Bereich, für
Neuzuwanderer und ebenso für Menschen mit Migrationshintergrund, die schon
länger hier leben, aber noch Sprachprobleme haben.
Die FDP tritt ein für einen interkulturellen sowie einen
interreligiösen Dialog. Musliminnen und Muslime können sich gegen falsche
Interpretationen ihres Glaubens am Besten verwahren, wenn sie ihren
Glauben erklären und sich dabei von allen, - sicherlich meist
fälschlicherweise mit dem Islam als solchem in Verbindung gebrachten -,
extremistischen oder frauenfeindlichen Positionen distanzieren.
Ist für Sie Islam ein Teil deutscher Kultur
oder eine "Ausländerreligion"?
Da die Menschen muslimischen Glaubens das gesellschaftliche
Zusammenleben mitprägen und damit zu einem Teil deutscher Kultur geworden
sind bzw. werden, ist auch der Islam ein Teil der modernen deutschen
Kultur.
Denkt Ihre Partei an eine Anerkennung der
großen muslimischen Dachverbände als direkten Ansprechpartner zumindest
auf Landesebene?
Die FDP würde einen Ansprechpartner der Muslime auf Landesebene
außerordentlich begrüßen. Ein Ansprechpartner, der mit Legitimation für
alle Musliminnen und Muslime in NRW sprechen könnte, würde dem
angesprochenen Dialog und damit der Umsetzung von Integrationsmaßnahmen
förderlich sein.
Welche Position vertritt Ihre Partei bezüglich
Lehrerin mit Kopftuch an einer öffentlichen Schule und dem sonstigen
öffentlichen Dienst (z.B. Polizistinnen, Richterinnen, wissenschaftlichen
Mitarbeiterinnen an Universitäten usw.), unabhängig davon, ob es eine
christliche Nonne (im Fall der Lehrerin) oder muslimische Frau ist und wie
stehen Sie zur Neutralität bezüglich der Religionen?
Die FDP sieht die Gefahr der Instrumentalisierung des Kopftuches als
politisches oder weltanschauliches Symbol - ausdrücklich durch eine
Minderheit der Musliminnen und Muslime. Vor diesem Hintergrund und mit dem
Hinweis auf die verfassungsrechtlich gebotene Neutralität des Staates
befürwortet die FDP ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen
Schulen. Für andere Bereiche, in denen die weltanschauliche Neutralität
Priorität hat, gilt Ähnliches. Ein generelles Kopftuchverbot für
wissenschaftliche Mitarbeiterinnen fällt jedoch sicherlich nicht darunter
und würde aus Sicht der FDP zu weit gehen. Selbstverständlich muss die
Gleichbehandlung aller Religionen gewährleistet werden. Die FDP-Fraktion
hat deshalb den Gesetzesentwurf der CDU-Fraktion für ein Kopftuchverbot
für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen abgelehnt.
Welche Position vertritt Ihre Partei bezüglich
Schülerinnen mit Kopftuch an einer öffentlichen Schule?
Das Tragen eines Kopftuchs von Schülerinnen fällt grundsätzlich unter
die Religionsfreiheit. Die Entscheidung für ein Kopftuch bleibt jeder
Schülerin überlassen.
Welche Lösungen strebt Ihre Partei bezüglich
koedukativem Schwimmunterricht an, an dem muslimische Mädchen über 9
Jahren nicht mehr teilnehmen können? Können Sie sich vorstellen, das
Schwimmlernalter auf 7-8 Jahre herabzusetzen?
Aus Sicht der FDP ist der Schulpflicht grundsätzlich nachzukommen, dies
beinhaltet auch alle allgemein verbindlichen Unterrichtsinhalte. Ausnahmen
sind in engen Grenzen möglich, darunter fällt sicherlich auch der
Schwimmunterricht. Gegen eine mit den Eltern muslimischer Schülerinnen
vereinbarte Lösung etwa durch geschlechtergetrennten Sportunterricht ist
aus Sicht der FDP nichts einzuwenden. Auch andere im Einvernehmen
getroffene Alternativen sind in diesem speziellen Fall grundsätzlich
denkbar.
In wie weit würden Sie muslimische
Frauenvereinigungen bei der Umsetzung ungewöhnlicher
Integrationskonzepte unterstützen, wie z.B. einem monatlichen
Schwimmunterricht nur für Frauen in öffentlichen Schwimmbädern, oder der
Zulassung eines Ganzkörperschwimmanzugs für muslimische Frauen oder
striktem Alkoholverbot auf Klassenreisen (auch für Lehrer) und ähnlichen
in Kooperation erarbeiteten Lösungsvorschlägen?
Grundsätzlich unterstützt die FDP alle auf die Integration von
Musliminnen und Muslimen zielenden Konzepte, insbesondere wenn sie in
Kooperation umgesetzt werden. Dabei sind selbstverständlich auch
ungewöhnliche Initiativen zu begrüßen, die den interkulturellen Dialog
befördern und die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse in diesem einer
fairen Aushandlung zukommen lassen.
Welche Konzepte verfolgt Ihre Partei bei der
Bewältigung von Migrantenproblemen, wie z.B. Zwangsehe und ähnliche
Unterdrückungsmechanismen? Streben Sie zur Lösung der Probleme eine
Kooperation mit Muslimen an?
Entsprechend dem unter 1. dargelegten Rahmen des Zusammenlebens und der
klaren Grenzen falscher Toleranz ist jegliche Unterdrückung welcher Art
und welchen Urhebers auch immer nicht zu akzeptieren. Die FDP-Fraktion hat
zu der Problematik der Zwangsheirat einen Antrag eingebracht (Drucksache
13/6205), der die Forderung nach einem erweiterten Aufklärungs- und
Beratungsangebot enthält. Selbstverständlich ist bei allen Themen eine
Kooperation anzustreben.
Welche Einstellung haben Sie zum Begehren
muslimischer Vereine und Verbände, in Ihrem Bundesland weitere Moscheen zu
errichten?
Die Frage nach dem Bau weiterer Moscheen ist wie jedes andere
Bauvorhaben unter baurechtlichen Gesichtspunkten zu betrachten.
Grundsätzlich spricht aus Sicht der FDP nichts gegen den Bau weiterer
Moscheen.
Welche Position vertritt Ihre Partei bezüglich
islamischen Religionsunterrichtes an Schulen in NRW?
Die FDP spricht sich nachdrücklich für einen islamischen
Religionsunterricht in deutscher Sprache an den Schulen aus. Hierzu sind
Lehrerinnen und Lehrer an den Universitäten auszubilden.
Was gedenken Sie auf Landesebene dazu
beizutragen, dass Unternehmen mit Rekordgewinnen nicht noch mehr Arbeiter
entlassen?
Grundsätzlich sind solche Entscheidungen den Unternehmen in einer
freien Marktwirtschaft überlassen. Selbstverständlich sind die Unternehmen
jedoch auch an ihre soziale Verantwortung zu erinnern. Die FDP hat mit
ihrer breiten Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-Programmatik viele Vorschläge
für eine bessere Gestaltung des Wirtschaftssystems und für mehr Wachstum
und Beschäftigung unterbreitet (z.B. Entschließungsantrag zur
Sondersitzung des Landtags zur Millionenarbeitslosigkeit in NRW,
Drucksache 13/6695).