Der Papst im Dienste des Kulturkampfes
Muslim-Markt 14.9.2006 - Es ist geradezu eine tragische
Unverschämtheit unserer Zeit, dass jetzt auch der sonst so besonnen
wirkende Papst sich zum Werkzeug des Kulturkampfes macht, und das noch
dazu mit den Mitteln der Unwahrheit, die ausgerechnet ein Papst nicht
nutzen sollte. Dass er dafür von der Main-Stream-Presse zum Star gemacht
wird, sollt ihm selbst zu denken geben.
Zunächst seien die entscheidenden Passagen der Vorlesung des Papstes
wiedergegeben: "In dieser Vorlesung möchte ich nur einen - im Aufbau
des Dialogs eher marginalen - Punkt behandeln, der mich im Zusammenhang
des Themas Glaube und Vernunft fasziniert hat und der mir als
Ausgangspunkt für meine Überlegungen zu diesem Thema dient. In der von
Professor Khoury herausgegebenen siebten Gesprächsrunde kommt der Kaiser
auf das Thema des Djihad (heiliger Krieg) zu sprechen. Der Kaiser wusste
sicher, dass in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen - es ist
eine der frühen Suren aus der Zeit, in der Mohammed selbst noch machtlos
und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran
niedergelegten - später entstandenen - Bestimmungen über den heiligen
Krieg."
Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von
"Schriftbesitzern" und "Ungläubigen" einzulassen, wendet er sich in
erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem
Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner.
Er sagt: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du
nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben
hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten". Der
Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt
widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen
der Seele. "Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß
????) zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht
der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will,
braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber
Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man
nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel,
durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann…".
Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung
durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes
zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den
Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner
ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott
absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien
gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine
Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf
hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht
durch sein eigenes Wort gehalten sei und dass nichts ihn dazu
verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse
der Mensch auch Idolatrie treiben.
Hier tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der
konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz
unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, dass
vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das
immer und in sich selbst? Ich denke, dass an dieser Stelle der tiefe
Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist und dem auf der
Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird."
Die gesamte Vorlesung war einsehbar unter:
http://www.kath.net/detail.php?id=14655
Bevor auf die Einzelheiten eingegangen wird, soll zunächst die
Methode seines Vorgehens betrachtet werden. Da wird die Islamkritik
eines brutalen Gewaltherrschers der Geschichte herangezogen als
authentische Darstellung des Islam, um ausgehend von jener Darstellung
den Islam zu kritisieren. Was würde jeder vernünftige Mensch denken,
wenn ein Muslim die Ansichten eines Christentumhassers als Basis dafür
nimmt, seine Kritik am Christentum zu begründen? Genau auf jenes Niveau
begibt sich der Papst bedauerlicherweise! Zunächst einmal stellt sich
die Frage wie ein Gewaltherrscher wie der byzantinische Kaiser Manuel
II. (hier nicht zitiert) vom Papst so geehrt werden kann?
Der entscheidende inhaltliche Satz aber, den man dem Papst vorwerfen
kann, ist "Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut
transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und
sei es die der Vernünftigkeit." Die absolute Transzendenz steht in
keinem Widerspruch zur Vernunft! Ganz im Gegenteil ist absolute
Transzendenz ein Beweis für Vernunft, und jegliche Einschränkung würde
der Vernunft widersprechen. Eine sehr bekannte Aussage des Propheten
Muhammad ist:
"Der erste Prophet des Menschen ist die Vernunft (Verstand)"
Das, was der Papst zitiert hat mit "dem" Islam nicht zu tun. Er
zitiert hier nur die Glaubensvorstellung der Wahhabiten und einiger
vorangegangener Gewaltherrscher unter Muslimen, die ihre
Willkürherrschaft gegenüber dem muslimischen Volk damit zu rechtfertigen
suchten! Ansonsten gibt es kaum Muslime, die glauben, dass Gott
unvernünftig handelt! In der Schia z.B. ist die Gerechtigkeit Gottes
eines der wichtigsten Glaubensprinzipien, ohne das Gottes Einheit
unverständlich bleibt und bei Sunniten gibt es unter den 99 schönsten
Namen nicht einen einzigen Unvernünftigen, einmal abgesehen davon, dass
seine Gerechtigkeit auch dort erwähnt wird! Die Tatsache, dass
vernunftwidriges Handeln dem Wesen Gottes zuwiderläuft ist ein
entscheidendes Merkmal des Islam und nicht der Lehre, die jener Papst
vertritt! Die Konvertiten zum Islam vom Christentum nehmen genau aus
diesem Grund den Islam an, denn ein allmächtiger Gott, der ohnehin alles
erschaffen hat, hat keinen Sohn, und es widerspricht jeglicher Vernunft,
dass Gott einen Menschen schaffen muss, um die Sünden der Menschheit auf
ihn zu laden, wenn doch er allein die Sünden vergibt!
Und die Tatsache, dass der Papst eine der heiligsten Frauen aller
Zeiten als "Gottesmutter" diffamiert und damit gleichzeitig
Gotteslästerung betreibt, haben Muslime im Rahmen des gegenseitigen
Respekts und der Toleranz immer hinuntergeschluckt. Und die Tatsache,
dass der Papst mit seinem Verhütungsverbot und dem Scheidungsverbot für
viel Unheil unter den Menschen sorgt und mit dem Zölibat in den Augen
vieler Muslime sich sogar mitverantwortlich macht für die kriminellen
Entgleisungen von Menschen, die ihre Bedürfnisse zwanghaft unterdrücken
mussten, haben Muslime in letzter Zeit nicht zum Thema gemacht. Der
gemeinsame Glaube an den Schöpfer erschien wichtiger. Aber wenn ein
Papst es auf die verbale Konfrontation anlegt, dann sind Muslime sofort
dazu bereit darzulegen, welche Religion auf Vernunft basiert und welche
nicht!
Mit Unwahrheit und Verleumdung ist der Glaubensdiskurs genau so wenig
zu gewinnen, wie mit dem Schwert! Während praktizierende Muslime der
Gegenwart die muslimischen Gewaltherrscher der Vergangenheit offen
verurteilen, die im missbrauchten Namen des Islam Gewalt verbreitet
haben, scheint der Papst einen Gewaltherrscher, der sich noch dazu
Kaiser nannte, als Kronzeugen zu nutzen und ehrt ihn verbal auch noch
ausdrücklich! Jene Vorlesung des Papstes wird letztendlich noch mehr
Katholiken zum Islam führen, als es ohnehin schon der Fall ist. Denn
schon lange lassen sich die Menschen nicht mehr so leicht in die Irre
leiten, wie es die Machthaber aller Arten gerne hätten! Und mit derart
eklatanten Unwahrheiten, wie sie der Papst über den Islam verbreitet,
werden sich jetzt noch mehr Menschen fragen, warum er das tut. Und
andere werden sich fragen, warum denn ausgerechnet jene Presse, die
sonst genüsslich jeden Papst auseinander nimmt und jedes Wort des
Papstes zu Ehe, Familie, Abtreibung und Homosexualität ins Reich des
Mittelalters verbannt, ihn jetzt zum Superstar erhebt. Was ist der Grund
dafür, dass selbst jene so verhassten Vorstellungen des Papstes zu all
den Themen nebensächlich werden, dass man sie ihm nachsieht? Der Grund
ist ganz einfach. Wer heute berühmt werden will, wer heute das Ansehen
der Reichen, der Mächtigen, der Gewalttätigen, der Weltherrscher, der
Imperialisten und Raubtierkapitalisten erlagen will und in ihrer Gunst
stehen will, der braucht nur irgendetwas gegen den Islam zu sagen oder
zu schreiben, sei es noch so wissenschaftlich unhaltbar, sei es noch so
erlogen, sei es noch so unwahr!
Doch eine Frage muss sich selbst der Papst stellen! Glaubt er
ernsthaft, dass Jesus - Gottes Friede sei mit ihm und seiner heiligen
Mutter - sich auf jene Seite stellen wird, die der Papst jetzt gewählt
hat, wenn Jesus zurück kommt? Muslime jedenfalls können dankbar sein,
dass der Papst sein wahres Gesicht gezeigt hat, denn das ist in jeden
Fall hilfreich und erspart Illusionen!
Wenn Liebe die Basis des Glaubens ist, wenn Liebe das Wesen der
Wahrheit ist, wenn Liebe das Herz eines wirklich gläubigen erfüllt, dann
wird genau jene Liebe auch die Unwahrheit verachten, denn die Unwahrheit
sucht danach die Liebe zu zerstören! Liebe und Wahrheit sind aber nicht
voneinander trennbar.
Dem Muslim-Markt steht es nicht zu das Oberhaupt der Katholiken zu
kritisieren, und das ist auch niemals zuvor unsere Absicht gewesen. Aber
wir werden in aller Deutlichkeit jede Unwahrheit benennen, mit der
jemand versucht, das Licht der Wahrheit zu verdunkeln, selbst wenn es
der Papst ist!
Möge Gott ihm die Wahrheit zeigen und ihm vergeben, falls der
Schaden, den er für das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen
angerichtet hat, nicht böswillig geschehen ist.
Mit herzlichen Grüßen von
Ihrem Muslim-Markt-Team