Und wenn es 10 Millionen Juden waren?
von Dr. Yavuz Özoguz
Die in jeder Hinsicht aufrüttelnde Worte des iranischen Präsidenten
Ahmadinejad der letzten Zeit liegen im Rahmen des Medienhorizonts zwar
schon etwas zurück aber haben dennoch in der westlichen Welt die
üblichen nachhaltigen Abwehrreflexe zur Verteidigung des Zionismus
hervorgerufen: Vorwurf des Antisemitismus, Verteidigungsgarantien an
Israel, Bekräftigung der Holocaust-Schuld der Deutschen usw. usw..
Zweifelsohne hat Hitler ein Unrechtsregime angeführt, dass für die
Ermordung von über 50 Millionen Menschen in der Welt maßgeblich
verantwortlich ist. Sicher könnte man die Schuld der Deutschen
relativieren, indem man auf die Versailler Knebelverträge verweist und
zurückgeht auf den ersten Weltkrieg und dessen Ursachen usw. Aber warum
sollte man dort aufhören, man kann weiter zurückgehen bis hin zu Kain
und Abel. Der eine Bruder ermordet den Anderen, weil er ihn neidet und
denkt, er selbst sei besser als sein Bruder - die urteuflische Sünde.
Im Anschluss an den zweiten Weltkrieg ist mitten im damaligen
Palästina der vorher nicht existierende Staat Israel entstanden als
"Heimstätte" für das "Jüdische Volk". Das Konzept dafür wurde Jahrzehnte
vorher beschrieben als "Judenstaat". Das gesamte angebliche
Existenzrecht Israels ist unlösbar verknüpft mit der Judenverfolgung
durch das Nazi-Regime! Die andere Existenzrechtsargumentation, dass vor
soundsovielen tausend Jahren es schon ein Israel an jenem Ort gegeben
hat, ist kaum haltbar, denn es ist ein willkürlicher Zeitpunkt der
Geschichte herausgegriffen, um die Staatsgründung argumentativ zu
belegen. Würde man einen anderen Zeitpunkt der Geschichte wählen, vorher
oder nachher, so würde das Argument wegfallen.
Nein, ohne Holocaust gäbe es nicht einmal aus westlicher Sicht
jegliche Rechtfertigung für Israel. Selbst vor den eigenen Bevölkerungen
könnte man die unaufhörliche militärische, politische und finanzielle
Unterstützung Israels kaum aufrecht erhalten, noch dazu über so viele
Jahre. Aber genügt der Holocaust als Argumentation? Muss Israel kleiner
werden, wenn nicht sechs sondern nur eine Million Juden vernichtet
wurden? Und hat das heutige Israel mehr Recht auf Unterstützung, wen es
nicht sechs sondern 10 Millionen waren?
Aus deutscher Sicht vereinfacht sich obige Frage, da jeglicher
Zweifel am Ausmaß des Verbrechens nach Unten bezüglich der sechs
Millionen vernichteter Juden mit Strafandrohung verboten ist. Aber eine
Frage nach oben wird sicherlich niemand verbieten! Was also, wenn es
nicht sechs Millionen sondern zehn Millionen Juden waren, die vernichtet
wurden? Kann man solch ein Verbrechen jemals wieder gut machen? Die
Antwort darauf lautet klipp und klar: "Nein"! Genausowenig, wie man die
Ausrottung der Indianer oder der Ureinwohner Australiens durch den
weißen Herrenmenschen jemals wieder gut machen kann, genauso wenig kann
man die industrielle Vernichtung von Juden durch da Nazi-Regime jemals
wieder gut machen! Man kann aber auch die Massaker an Muslimen während
der Inquisition in Spanien nicht wieder "gut" machen.
Aber genau so, wie die damaligen Mörder auf der iberischen Halbinsel
für die dortigen Massaker verantwortlich sind, genau so sind die
damaligen Cowboys für die Massaker an so genannten Indianern und die
weißen Einwanderer in Australien für der Ausrottung der Aborigines
verantwortlich! Könnte man heute die Spanier dafür verantwortlich
zeichnen, dass ihre Urahnen einstmals so viele Muslime massakriert
haben, oder gar alle Europäer oder alle Christen? Viele heute lebende
Spanier dürften Nachkomme so mancher der damaligen Mörder sein! Und
wollte man die heutigen US-Amerikaner allesamt bestrafen für die
Verbrechen, die ihre Vorfahren (zumindest der Meisten von Ihnen) an den
Ureinwohnern durch "Siedler" begangen haben?
Und genausowenig sind heutige Deutsche verantwortlich für die
Massaker Hitlers und seiner Schergen, ob es der Welt passt oder nicht!
Es gibt keine Erbschuld! Und kein halbwegs gerechtes juristisches System
der Welt überträgt eine Strafe des Vaters nach seinem Ableben auf den
Sohn. Sippenhaft gibt es nur in Unrechtsregimen! Nazi-Deutschland hat
Unrecht begangen, nicht nur gegen Juden, aber in erheblichen Maß gegen
sie! In unserer Betrachtung geht es immerhin um die unvorstellbare Zahl
von sechs oder zehn Millionen vernichteter Juden! Wenn also
Nazi-Deutschland sechs Millionen Juden vernichtet hat oder sogar zehn,
dann sind die damaligen Deutschen dafür verantwortlich, ihnen ein Stück
Land zu geben, das dieses Unrecht teilweise kompensieren oder zumindest
sühnen kann.
Es gibt da aber eine uralte Regel, die heute noch in zivilisierten
Gesellschaften gültig ist: Man kann nur das verschenken, was einem
selbst gehört! Kein Volk der Erde, kein Land, kein Staat, nicht einmal
die UNO haben das Rech, etwas zu verschenken, was ihnen nicht gehört!
Palästina gehört seinen eigenen Einwohnern! Das waren Juden, Christen,
vor allem Muslime und auch Andersgläubige, es waren Palästinenser gemäß
heutigem Sprachgebrauch, oder Araber, wie sie damals hießen, unter ihnen
auch jüdische Araber! Niemand in der Welt hat ein Recht dazu, jenes Land
zu enteignen, um es anderen zu schenken, sei das Verbrechen des
Schenkenden noch so unvorstellbar, und das Leid des Beschenkten noch so
groß! Es spielt keine Rolle, ob Deutschland sechs Millionen Juden
vergast hat oder zehn Millionen, Palästina gehörte ihnen nicht! Es
gehörte auch nicht den Briten oder den anderen Ländern, die in der zu
diesem Zweck geschaffenen UNO mitgestimmt haben. Sie hatten kein Recht
dazu! Und genau hier liegt das Problem und an keiner anderen Stelle! Der
Holocaust war gerade zu Ende, da hat die westliche Welt ein neues
Unrecht aufgebaut, das bis heute anhält, ein imperialistisches
Staatsgründungsprojekt, das bis heute nicht abgeschlossen ist und das
bis heute als Ursache und Symbol für sehr viel Leid in dieser Welt
steht!
Die Wahrheit ist so klar und so unerschütterlich, dass sie
unbesiegbar ist! Und wenn ein iranischer Präsident seinen Finger in
diese offenen Wunde westlicher Imperialpolitik legt, dann wehren sich
alle Vertreter des Unrechts zusammen mit der Gewalt und Macht von
Waffendrohungen, Embargos uns sonstigen Unschönheiten! Die Ursache für
den Konflikt liegt aber in der westlichen Welt, nicht im Iran! Niemand
erbt das Unrecht seines Vaters. Aber niemand hat das Recht das
unrechtmäßig erworbene Diebesgut seines Vaters zu behalten. Gibt er es
zurück, dann ist und bleibt er unschuldig. Behält er es aber und besteht
zudem darauf, es zu behalten, dann wird auch er zum Dieb und somit zum
Verbrecher.
So ist die Situation im heutigen Israel! Israel ist gestohlenes Land.
Es ist derart grausam gestohlenen, dass nicht einmal der ursprüngliche
Name des gestohlenen Landes, nämlich "Palästina" genannt werden darf. Es
heißt nur noch "Palästinensergebiete". Und so lange dieser Diebstahl
aufrecht erhalten wird, so lange dieses Unrecht mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln brutalst unterstützt wird, so lange wird es kein
Frieden in der Region geben, für niemanden, weder für Muslime, noch für
Christen Juden oder Andersgläubige!
Auch deutsche Politiker, die heute das Existenzrecht Israel in seiner
heutigen Form als "Judenstaat" wortlaut garantieren, sind weder Schuld
an den Verbrechen der Nazis, noch an der unrechtmäßigen Staatsgründung
Israels. Aber wenn sie sich heute auf die Seite des Unrechts stellen,
wenn sie heute den Raubmord rechtfertigen und die gewaltsame
Rechtfertigung von Diebesgut mittragen, dann werden sie Mitschuld,
völlig unabhängig von der Zahl jüdischer Opfer in der Nazizeit!
Heute ist im Mittleren Osten ein System im Iran entstanden, dessen
Repräsentanten etwas seit Jahrhunderten unvorstellbares in der
Weltpolitik verlangen: Ein Minimum an Gerechtigkeit. Der Staatspräsident
jenes Staates hat das Unrecht Israels angeprangert, dass jeder, der
Augen hat, erkennen kann! Der Imam im Iran hat schon vor mehreren
Jahren, noch lange bevor der Name Ahmadinejad im Westen bekannt war,
mehrfach Vorschläge unterbreitet, wie das Unrecht Israels überwunden
werden kann.
Wenn die westliche Welt glaubt mit noch so vielen finanziellen
Mitteln, mit noch so hohen Mauern, mit noch so viel Unterstützung des
Unrechts, Israel verteidigen zu können, dann haben sie absolut NICHTS
aus den sechs oder zehn Millionen Juden gelernt, die grausam vernichtet
wurden. Kein Unrechtsregime der Welt hat ewig gewährt, und viele von
ihnen waren noch viel mächtiger, als die USA und Israel sich heute
zusammen einschätzen!
Wer aber von Auschwitz lernen will, der muss gegen das Unrecht
ankämpfen, unabhängig davon, ob es in Deutschland erfolgt oder in
Palästina! Wenn sich ein Deutscher ernsthaft und aufrichtig von
Auschwitz distanzieren will (obwohl er selbst gar nichts dafür kann),
dann muss er gegen das Unrecht in Form von Israel mit erlaubten Mitteln
angehen! Stellt er sich auf die Seite von Israel, dann steht er nicht
auf der Seite von Juden sondern auf der Seite des Unrechts, dass den
Namen des Judentums missbraucht! Nichts weiter hat Ahmadinejad versucht
zu sagen! Nichts weiter wollte er, als das Nachdenken über dieses zum
Himmel schreiende Unrecht. Er hat es provozierend formuliert, aber er
hat niemanden gedroht! Dass schon immer sowohl die Wahrheit als auch die
Übermittler der Wahrheit mit allen mitteln bekämpft wurden, entspricht
der Vorstellung Kains, der glaubte, etwas besseres zu sein und Abel
deshalb tötete. Er war es aber nicht und ist es auch heute nicht. Und
seine Unterstützung für das Unrecht ist der beste Beweis dafür! Er kann
Kain töten, aber nicht die Wahrheit sein eigenes Unrecht!
In Palästina werden erst dann Juden, Christen und Muslime in Frieden
miteinender leben, wenn es keinen Judenstaat, keinen Christenstaat und
keinen Muslimenstaat gibt sondern einen Staat der einheimischen Menschen
mit gleichberechtigten Bürgern! Warum das so schwer zu verstehen ist in
der westlichen Welt ist der eigentliche Skandal in der ganzen Affäre!