MM: Liebe Fatima und Abdul Karim Grimm.
Sie gehören zweifelsohne zu den deutschen Muslimen der ersten Stunde. Und
sicherlich war und ist die häufigste Frage, die Sie im Laufe von mehreren
Jahrzehnten Islam beantworten mussten die Frage nach den Gründen Ihrer
Konversion zum Islam. Auch wir kommen in diesem Interview nicht Drumherum
danach zu fragen. wie würden Sie heute rückblickend die Frage beantworten,
und würden sie heute immer noch zum Islam übertreten, wenn sie noch keine
Muslime wären?
Muhammad Abdul Karim Grimm:
Ich war im Dritten Reich Schüler in einer
privilegierten Schule. Als der Krieg zu Ende war, versuchte man, uns hier
in Deutschland einzureden, dass das NS-Regime ein verbrecherisches Regime
gewesen sei. Als aufmerksamer Schüler hatte ich gelernt, nicht auf
Feindpropaganda zu achten. Für mich also waren die Vorwürfe, die gegen
das Dritte Reich erhoben wurden, nicht des Beachtens wert. In der Zeit
meiner Lehre wurde ich Mitglied der Metaller-Gewerkschaft und trat in den
Sportverein der Gewerkschaft ein. Dort hatten wir zwei Jugendbetreuer, die
als alte Gewerkschaftler den Krieg über im Konzentrationslager gesessen
hatten. Durch den näheren Kontakt mit diesen Personen und durch das Kennenlernen ihrer Lebens- und Leidensgeschichte stellte ich fest, dass die
Anschuldigungen, die die Siegermächte gegen das Dritte Reich erhoben,
keine Feindpropaganda waren, sondern mehr oder weniger der Wahrheit
entsprechen. Ich konnte nicht begreifen, wieso man Menschen verfolgt und
tötet, weil sie einer anderen Rasse oder einer anderen Religion oder
Überzeugung angehörten. Von christlicher Seite hörte ich, dass man die
Juden als Gottesmörder bezeichnete. Also müsste ich doch, um der Sache auf
den Grund zu gehen, die Antwort in der Bibel finden. Ich nahm daraufhin
das Bibelstudium auf. Ganz alleine für mich, und zwar drei Übersetzungen,
die Elberfelder Bibel, die Übersetzung von Martin Luther und die
Übersetzung von Alexander von Eß. Die Bibel ist eine höchst interessante
und spannende Lektüre. Ich habe diese Bibeln nach und nach ich glaube im
Zeitraum von zwei Jahren mehrmals durchgelesen von vorne bis hinten. Die
für mich wichtigen Stellen habe ich mit Unterstreichungen versehen, um
nachzufragen und nachzulesen, welche Erklärung es dafür gibt in den
Kommentaren. Ich war in dieser Zeit ein richtiger Bibelwurm geworden.
Eines Tages lese ich zum x-ten Male im fünften
Buch Mose, Deuteronomium, Kapitel 5 Verse 6-22 die Satzung des ersten
Gebotes. Ich bin der Herr, dein Gott..., du sollst keine anderen
Götter haben neben mir... Da ich mich mittlerweile in der
christlichen Theologie etwas auskenne, beginnen meine Fragen: Du
sollst keine anderen Götter haben neben mir... Was ist also mit Jesus
als Sohn Gottes, was ist mit der Dreieinigkeit?
Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein
Gleichnis machen... Was ist jetzt mit den vielen Kruzifixen mit den
Altarbildern. Das heißt, die christlichen Theologen kennen dieses Phänomen
und nennen es die Schwelle des ersten Gebotes. Ich stolpere also über
diese Schwelle und nun erst beginnt mein Fragen und Hinterfragen. Das war zu
Ende der Vierzigerjahre des 20. Jahrhunderts und zu Beginn der Fünfziger,
eine unruhige Zeit voller Ängste und Zweifel. Kein erhellender Moment in der
Auseinandersetzung mit evangelischen und katholischen Theologen. Ich bin
plötzlich Monotheist, habe den Glauben an die Dreieinigkeit verloren und
suche eine christliche Gemeinde, die monotheistisch ausgerichtet ist. Ich
habe sie nicht gefunden. Wahrscheinlich steht und fällt das Christentum mit
dem Dogma der Dreieinigkeit. Jüdische Freunde oder Bekannte hatte ich nicht,
mit denen ich dieses mein Dilemma diskutieren konnte und so blieb die Unruhe
in mir.
1950 war ich das erste Mal in Alexandrien und ich
schloss Bekanntschaft mit zwei Studenten, die ich in einem Tischtennisclub
kennen gelernt hatte. Wir sprachen über die Schönheit der Stadt und sie
zeigten mir die Katakomben und andere Sehenswürdigkeiten. Eines Abends kurz
nach Sonnenuntergang äußerte ich den Wunsch, eine Moschee auch einmal von
innen zu sehen. Es war zur Zeit des salat-ul-maghrib (Abendgebets), als wir
diese Moschee betraten. Meine beiden Begleiter stellen sich in die Reihe und
bedeuteten mir, mich neben sie zu stellen und das zu tun, was sie tun
würden. So betete ich mit ihnen in der Reihe. Nach dem Fard-Teil
(Pflicht-Teil) nahmen sie mich etwas an die Seite und erklärte mir den
Ablauf der zwei Rakaat Sunna (Gebetsabschnitte - freiwillige Gebete). Das
waren die ersten zwei Rakaat (Gebetsabschnitte) welche ich bewusst gebetet
habe. Unsere Reise führte uns im selben Monat noch nach Istanbul und es ist
ein phantastisches Panorama, wenn man vor der Galata-Brücke vor Anker geht.
Die Reede von Istanbul war damals sehr nahe an der Stadt. Wie gesagt, das
überwältigende Panorama machte einen tiefen Eindruck auf mich und das erste,
was ich tat, als wir an Land gingen war, dass ich versuchte, in eine Moschee
zu kommen. Das gelang mir auch ohne weiteres, weil ich aus Alexandrien den
Ablauf für einen Moscheebesuch kannte.
Es dauerte weitere vier Jahre des Zweifelns und der
Suche, bis ich auf einer Reise entlang der westafrikanischen Küste,
folgendes Erlebnis hatte: Wir nahmen in Dakar Passagiere an Bord und unter
ihnen war ein junger Mann, der ganz ungeniert seine Gebete in aller
Öffentlichkeit verrichtete. Ich hatte die Gelegenheit, ihn tagelang zu
beobachten, mit welcher Intensität er seine Gebete sprach. Ich wurde an
meinen Großvater erinnert, der ähnlich diesem jungen Mann ganz konzentriert bei
seinen Gebeten war. Eine gewisse seelische Verbindung wuchs in mir zu diesem
Mann und seiner Gebetshaltung. Und eines Tages kamen wir ins Gespräch. Wir
setzten unsere Gespräche fort bis zu dem Abend, an dem wir in Duala in
Kamerun eintreffen sollten. An dem Abend, bevor er also von Bord ging, hatte
ich den Entschluss gefasst, Muslim zu werden, weil der Islam mir all die
Antworten gab, die mich so lange beschäftigt hatten.
Am 10. September 1954 war es dann soweit ich
wurde in der Moschee des Compound Senegalese in Duala Muslim.
Wie sich herausstellte, war dieser junge Bruder
Muhammad Makkital, der Sohn des obersten Schariat-Richters von Senegal.
Nach diesem Ereignis in Duala trafen wir nur noch einmal im Leben
aufeinander, als ich ihn etwa drei Jahre später in Dakar besuchte. Wir haben
noch öfters miteinander telefoniert, vor allem, wenn er in Paris war.
Also, der Grund meines Übertritts war der, dass ich
eines Tages die Schwelle des ersten Gebotes nicht mehr überschreiten konnte.
Fatima Grimm: Im Gegensatz zu Abdul Karim,
der immer wieder betont, dass es keinen Tag in seinem Leben gegeben hat,
an dem er nicht gebetet hat, bin ich eigentlich schon sehr früh auf der
Suche nach einem religiösen Halt gewesen. Denn in meinem Elternhaus
spielte Religion überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil, meine vier Jahre
ältere Schwester redete mir vor, dass es überhaupt keinen Gott gibt und
dass alles auf der Welt durch Zufall entstanden sei und ich plapperte es
artig nach, weil ich ja nicht als rückständig gelten wollte.
In meinen Tagebüchern allerdings fand ich beim
späteren Durchblättern immer wieder Sätze wie: Ich danke dir, lieber
Gott, dass mir dies oder jenes Gute widerfahren ist. Heute wird mir klar,
dass ich einfach nach einem Weg gesucht habe, meinen Dank abzustatten.
Aber wie macht man das, wenn man sich nicht einmal sicher ist, ob es Gott
überhaupt gibt? Es hat einige Umwege in meinem Leben gegeben, seien es die
Zeugen Jehovas, das protestantische oder das katholische Christentum, ja
sogar die Gralsritter und die Unitarier schienen mir beachtenswert. Aber
als ich dann mit 24 Jahren erstmals einen Koran in Händen hatte, dazu
Muhammad Asads Weg nach Mekka las und begriff, dass sich der Islam ja
nicht als neue Religion sondern als Fortsetzung von Judentum und
Christentum versteht, da erwischte ich mich immer und immer wieder dabei,
dass ich während meiner Koran-Lektüre unwillkürlich zu mir sagte: Ja, ja,
das ist es, was ich immer gesucht habe, das bestätigt, was ich halb
unterbewusst schon selbst gedacht und empfunden habe.
Zunächst war ich noch misstrauisch, ob es sich beim
Islam nicht womöglich nur um eine schöne Theorie handelte, die in die Praxis
umzusetzen aber kaum möglich ist. So probierte ich erst mal das Fasten aus
mit wenig Hoffnung, dass ich das durchhalten würde. Aber siehe da, wenn ich
Gott versprochen hatte, diesen Fastentag einzuhalten, erschien mir alles gar
nicht mehr schwierig und abends schmeckte ein einfaches Glas Wasser, ein
Stück trockenes Brot so köstlich, dass ich die vielen mit dem Fasten
verbundenen Absichten Erlangung von Gottes Wohlgefallen, Förderung der
Selbstdisziplin, Mitgefühl mit Armen, die ständig mit Hunger und Durst zu
kämpfen haben vorbehaltlos verinnerlichen konnte. Und mit dem Gebet ist es
mir ähnlich ergangen. Ich glaubte, in diesem Alter unmöglich das Gebet auf
Arabisch erlernen zu können. Doch mit einem kleinen Gebetsbuch in Umschrift
in der Hand wurde aus dem anfänglichen Stottern allmählich ein flüssiges
Rezitieren. Und anstatt diese religiöse Pflichtübung als Belastung oder
Beeinträchtigung meiner persönlichen Freiheit zu empfinden, begann ich mich
nach den Gebetszeiten förmlich zu sehnen.
Zwei Jahre lang habe ich den Islam studiert, Koran
gelesen, ausprobiert, wie es sich anfühlt, wenn man sich an die islamischen
Pflichten hält, und dann wusste ich das ist der richtige Glaube für mich.
An meinem 26. Geburtstag habe ich am Küchentisch in der Wohnung eines
geflüchteten russischen Imams mein Glaubensbekenntnis abgelegt. Das ist
inzwischen 44 Jahre her und der Islam ist mit jedem Jahr noch schöner,
reicher, beglückender für mich geworden. Wenn ich es manchmal auch kaum
glauben kann wie etwa auf der Pilgerfahrt nach Mekka -, dass Allah
ausgerechnet mich, eine Frau aus Deutschland, dafür ausersehen hat
alhamdu-li-llah.
MM: Ihr gehört beide sozusagen zur ersten
Stunde der deutschen und deutschsprachigen Muslime nach dem Weltkrieg.
Seither ist sehr viel geschehen. Wenn Ihr zurückblickt, könnt ihr Euch an
irgendeine Zeit erinnern, in denen Muslime in diesem Land es so schwer
hatten wie heute?
Muhammad Abdul Karim Grimm:
Wie ich bereits in meiner Übertrittsbeschreibung
sagte, bin ich noch in der Zeit der Weimarer Republik geboren. Zwölf Tage
trennten meinen Geburtstag von dem Tag der "Machtübernahme" Hitlers. Ich habe als
wehrloses Kind die Schrecken des Krieges miterlebt, dazu die für uns "Otto
Normalverbraucher" nicht deutlich sichtbaren Gräuel der Nazi-Herrschaft; alles in allem, die Bombennächte in den engen
Luftschutzkellern, die Todesangst, nachdem das Haus über uns
zusammengebrochen war und wir verschüttet waren. Dann zum Ende des Krieges
der Einmarsch der Roten Armee in meine Heimatprovinz Ostpreußen, das alles
wirkt bis heute in den Menschen meiner Generation nach, sofern sie noch
leben.
Die Siegermächte übten an uns Übriggebliebenen
bittere Rache. Vor allem beim Einmarsch der Russen in Deutschland passierten
mit uns unglaubliche Dinge. Diese Traumata werden in der heutigen Zeit
kleingeredet. Unsere Klage und Anklage tritt in Konkurrenz zu dem, was
unsere jüdischen Mitmenschen bei ihrer Deportation und Inhaftierung erlitten
haben. Wir standen doch zusammen auf der Liste derer, die geopfert werden
sollten. Wenn Holocaust Brandopfer bedeutet, dann stand ich in derselben
Reihe wie der David Rosenbaum in Warschau und der Pjotr Iwanowitsch in
Leningrad. Was macht es für ein zehnjähriges Kind aus, ob es an den Folgen
der Phosphor-Bomben stirbt oder durch Artilleriebeschuss in Leningrad? Das
Resultat bleibt dasselbe. Diese Kinder wurden sinnlos vernichtet in einem
blinden Hass der Menschen gegeneinander.
Mich überrascht immer wieder, wie all das vergessen
werden konnte, wie man heutzutage immer noch mit Menschen umgeht.
Mein Mitgefühl ist heutzutage international
engagiert. Seien es die Opfer der Tsunami-Katastrophe. Oder die bedrängten
Menschen in Afghanistan und Tschetschenien. Aber womit ich überhaupt nicht
klarkomme, ist die Situation, welche die Menschen, Christen sowie Muslime,
in Palästina betrifft.
In Palästina leiden unschuldige Menschen dafür, welche
Gräuel an den jüdischen Mitmenschen in Europa verübt wurden. Mir ist ganz
und gar verständlich, dass die überlebenden Juden in Europa nach einem
eigenen Staat verlangten. Jedoch, das Land, das sie besiedeln wollten, war
nicht unbewohnt, wie Izhak Rabin sagte: Wir kamen in ein Land, das nicht
leer und entvölkert war. Dieses Volk, das darin wohnte und wohnt, war
aber unschuldig an dem Horror, welchen die jüdische Diaspora in Europa
erlebt hatte. Wofür müssen diese Menschen also jetzt leiden, wofür büßen,
frage ich mich? Die ganze Wut, die sich beim jüdischen Volk gegen Menschen
anderen Glaubens und anderer Ethnie im Laufe der Jahrhunderte in der
Diaspora aufgespeichert hat, dieser eiserne Wille, der daraus erwuchs, ein
jüdisches Land für jüdische Menschen zu haben, entlädt sich voll und ganz
auf die arabische Bevölkerung in Palästina. Aus der Sicht der Juden und aus
der Sicht eines Europäers völlig verständlich, trifft es die Araber völlig
zu Unrecht. Die Araber sind ja nicht schuld an den Unmenschlichkeiten,
welche die Juden in Europa erfahren haben.
Der verstorbene König Abdul Aziz von Saudi Arabien
sagte bei seinem Zusammentreffen mit Präsident Roosevelt im großen
Bittersee, dass man den jüdischen Staat auf deutschem Boden errichten
sollte, weil die Deutschen ja an der Vernichtung der Juden schuld seien.
Ich möchte dazu sagen: Zweimal Unrecht getan ergibt
wie wir alle wissen kein Recht. So geht es doch nicht: Wir Juden haben
Unmenschlichkeit erfahren, nun sind die Araber dran, mit unserer Wut und
Entschlossenheit Erfahrung zu machen. An der Situation dieser armen Christen
und Muslime in Palästina verzweifle ich fast.
Dieses als background für das, was jetzt auf uns
einstürzt.
Die Situation in Deutschland, wie wir sie nach dem
11.9.2001 miterleben, ist die, dass man nach dem Fall der Sowjetmacht ein
neues Feindbild brauchte. Die Geheimdienste, die Waffenindustrie und ihre
Zulieferer, also jeder, der interessiert ist, schnell und sicher Geld zu
verdienen, braucht dieses Feindbild, um weiterhin bestehen zu können. Nur
mit dem Feindbild kann man die horrenden Einkünfte sichern. Der Super-GAU
für diese Art von Institutionen wäre der ? , dass die Menschen der Welt sich
vertragen würden, dass sie in fairer Diskussion ein Miteinander erreichen.
Das Feindbild Islam dient nun dazu, die Ansprüche
der eingewanderten Muslime in Europa und in den Vereinigten Staaten auf ein Minimum herunterzuschrauben.
Arbeitslosigkeit und Defizit an Steuereinnahmen führen dazu, dass es nur
noch wenig zu verteilen gibt. Integration aber kostet Geld und von
daher bemerkt Herr Schily ganz richtig: Die beste Integration ist die
Assimilation. Die Assimilation geht nur zu Lasten der Einwanderer.
Integration verlangt dagegen Investition von beiden Seiten. Diese
Investition will man nicht mehr oder kann man nicht mehr erbringen.
Nun aber stellt man fest, die Muslime lassen sich
nicht so leicht assimilieren. Das macht sie zu Buh-Männern und vor allen
Dingen jetzt zu Buh-Frauen in Europa. Gerade bei unseren Frauen zeigt es
sich, wie manipulierbar manche Doktrin im Moralgebäude Europas ist. Mit dem
Slogan Keine Gewalt gegen Frauen! übt man Zwang auf die
muslimischen Frauen aus. Die Bekleidungskultur wird weltweit von der
Religion für uns Muslime bestimmt. Sie gilt für Männer und für Frauen. Wenn eine Frau sich
also daran halten möchte, sollte man ihr diese Entscheidung überlassen und
sie ernst nehmen.
Am Kampf von Fereschta Ludin, die bis zum
Bundesverfassungsgericht ihr Recht auf Selbstbestimmung erstreiten wollte,
und anderen vorbildlichen muslimischen Frauen in Europa, sieht man doch
eindeutig, wie ernst die Frauen die Vorschriften unserer Bekleidungskultur
nehmen.
Das was früher die Juden auf ihrem langen
Leidensweg in Europa erdulden mussten, trifft jetzt die Muslime mit
ungehinderter Härte. Studieren wir den Daseinskampf der jüdischen
Bevölkerung in der Diaspora Europas, so sehen wir, dass die gleichen
Mechanismen, die für den Antisemitismus verwandt wurden, in den Massenmedien
jetzt auf die Muslime zur Anwendung kommen. Das belegt eindeutig die Studie
von Frau Dr. Sabine Schiffer Der Islam in den deutschen Massenmedien.
Wie schlimm sich alles wiederholt, zeigt uns der
11. September 2001. Dieser Tag war die Radio Gleiwitz-Inszenierung in
Amerika, die dort zum Pearl Harbour-Erlebnis mutiert wurde.
Radio Gleiwitz-Inszenierung plus Islam als Feindbild lieferten den Grund für die
Kriege und das Bombardement auf Afghanistan und den Irak.
Fügt man all diese Fakten zusammen und fragt: Wer
hat einen Nutzen von so einem Anschlag? So kommt man sehr schnell zu der
Antwort: Das alles nutze keinem Muslim auf der Welt. Kein Kind in Palästina,
kein Kind in Tschetschenien und kein Kind in Afghanistan profitierte von
diesem katastrophalen Szenario. Im Gegenteil, wir Muslime sind seitdem die
Prügelknaben für all diejenigen Politiker, die es versäumt haben, eine
gerechte Verteilungsordnung auf dieser Welt zu schaffen. Wer hat also diese
Anschläge in Szene gesetzt?
Es geht noch weiter mit den Gegenüberstellungen aus
der Geschichte jüdischen Lebens in Europa und dem Vergleich zu der
muslimischen Situation heute. Der frustrierte jüdische Emigrant Grünspan
erschoss einen reichsdeutschen Legationsrat in Paris und lieferte den Nazis
den Vorwand für die "Reichskristallnacht" und in deren Folge, den Holocaust in Deutschland einzuleiten. Ein aus Marokko
stammender Holländer ermordet den Filmemacher van Gogh und islamische
Einrichtungen werden in ganz Europa attackiert. Es sind bisher 167 Anschläge
auf muslimische Einrichtungen in Europa gezählt worden. Also, dieses sollte doch
jedem denkenden Menschen ein Anlass der Besinnung sein.
Die Deutsche Muslim-Liga feierte am 4. Dezember
2004 ihr 50-jähriges Bestehen. 1954 war die Eintragung ins Hamburger
Vereinsregister erfolgt, die Gemeinschaft bestand aber schon länger. Der
Festakt wurde in einem feierlichen Rahmen in der Patriotischen Gesellschaft
in Hamburg an der Trostbrücke begangen. Als wir zu dieser Veranstaltung
gehen wollten, wurden zwei Zufahrtsstrassen blockiert und vor dem Gebäude
der Patriotischen Gesellschaft standen etwa 30 Personen, bewaffnet mit den
Flaggen Israels und der Bundesrepublik sowie mit einem riesigen Transparent,
auf dem zu lesen war: Gegen Antisemitismus und Antizionismus - Deutschland denken heißt Auschwitz denken.
Wir haben diese Leute und das Transparent photographiert, weil man sonst
nicht glauben würde, was uns Muslimen da widerfahren ist.
Durchdenkt man den Inhalt dieses Satzes
Deutschland denken heißt Auschwitz denken, so kann man zu mehreren
Schlüssen gelangen. Mit dem Hintergrund meiner Lebenserfahrung aber
durchfuhr mich natürlich bei dem Namen Auschwitz ein Schrecken. Will man
jetzt für die Muslime ein Auschwitz bauen? Ein Birkenau, ein Treblinka? Ist
für die Muslime ein Ghetto wie in Warschau vorgesehen? Ich weiß nicht,
welchen Gedanken diese jungen Menschen hegten. Allem Augenschein nach waren
sie Sympathisanten des Staates Israel. Aber war ihnen auch im Gedächtnis,
dass die Muslime nicht schuld an der Ermordung und Austreibung der Juden aus
Europa waren? Alles in allem schien mir das sehr konfus und von
Verdrängungsmechanismen gesteuert. Wrong or right, my country!
Auch habe ich mich gewundert, welch eine Macht
diese Demonstranten hatten. Sie blockierten in der engen Innenstadt die
einzigen Zufahrtsstraßen zum Gebäude der Patriotischen Gesellschaft, ohne
dass die Polizei eingeschritten wäre. Jede andere Organisation wäre bestimmt
daran gehindert worden, die Strassen zu blockieren. Lag es an den Flaggen
Israels? Die Demonstranten verteilten an jeden, der in das Gebäude wollte,
ein Flugblatt, in dem unsere Festredner Prof. Dr. Udo Steinbach und
Professor Dr. Tariq Ramadan verunglimpft wurden. Das Flugblatt war mit den
Worten überschrieben: Keinen Dialog mit Islamisten. Nun bin ich der
Ansicht, dass gerade mit Menschen anderer Denkungsart der einzige Weg, mit
ihnen ins Reine zu kommen, der des Dialoges ist. Kein Dialog bedeutet in der
Konsequenz Auschwitz.
Also, wie gesagt, die Situation der Muslime wird
zunehmend gefährlicher. Menschen reagieren sich bereits an uns ab, wie die
Brandanschläge in muslimische Einrichtungen zeigen. Dass unsere Kopftuch
tragenden Mädchen auf der Straße beschimpft und sogar angespuckt werden wo
soll das bloß enden, Herr Schily, Herr Beckstein? Herr Schily ist doch meine
Generation, er ist genau so alt wie ich. Politisch gesehen stammt er aus der
linken Bewegung. Das heißt also, er müsste das Ohr am Volke haben. Was Herrn
Beckstein bewegt, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ist es die Angst
vor den Ausgaben, welche eine ernsthaft durchgeführte Integrationspolitik
mit sich brächten? Ist es Angst vor Überfremdung? Oder ist es gar Religionsfeindlichkeit? Aufgehängt
an der Metapher Feindbild Islam. Herr Beckstein wird mir wohl diese Fragen
nicht ehrlich beantworten wollen. Wenn, dann höchstens in einer äußerst
diplomatischen Verklausulierung. Die Erfahrung der Deutschen mit dem Dritten
Reich schreckt die Politiker natürlich ab von eindeutiger Konfrontation zu
den Muslimen. Sie verstecken ihre wahren Gedanken und Vorhaben immer mehr
hinter Metaphern. Der Pauschalverdacht gegen die Muslime ist schon gang und
gäbe. Mit den Metaphern Fundamentalismus, Islamismus, Dschihadismus
transportiert man nicht nur Islamfeindlichkeit in das Unterbewusstsein der
europäischen Bevölkerung, sondern Religionsfeindlichkeit allgemein. Auf
diese Umstand möchte ich gerade meine gläubigen jüdischen und christlichen
Mitmenschen aufmerksam machen. Es geht gegen Religiosität überhaupt, nicht
nur um die Religiosität der Muslime.
Die Frage, die an mich gestellt wurde, war doch, ob
wir schon mal ähnlich schwere Zeiten in Deutschland durchlebt haben. Als
deutscher Staatsangehöriger, der den Krieg und die Nachkriegszeit miterlebt
hat, habe ich wohl schwere Zeiten durchlitten. Aber ich durchlitt sie mit
meinem Volk gemeinsam. Und ich als Bürger dieses Landes habe mit ihnen
gemeinsam Deutschland aus einem Trümmerfeld wieder aufgebaut. Nun aber steht
mein Volk gegen mich, weil ich ein anderes Glaubensbekenntnis habe, oder für
manche, weil ich überhaupt ein Bekenntnis habe. Als deutscher Muslim
allerdings fühlte ich mich in
der Bundesrepublik doch recht gut aufgehoben und am richtigen Ort lebend.
Jedoch, was auf uns zukommt, das macht mir Angst. Läuft alles auf eine
Wiederholung der Geschichte hinaus?
Müssen wir wirklich dasselbe miterleben, was unsere
jüdischen Mitbürger durchgemacht haben? Soll Auschwitz wiedererstehen?
Vielleicht mit einem anderen Namen versehen, wie zum Beispiel Guantanamo,
Abu Ghraib und Bagram?
Ich habe also die Frage mit einer Gegenfrage
beantworten müssen. Natürlich habe ich die Hoffnung, dass alles gut gehen
wird, denn wer seine Hoffnung nicht hegt und pflegt, der verlässt den Boden
unserer Religion.
Fatima Grimm: In den ersten 40 Jahren meines
Muslimseins gab es natürlich auch sehr schmerzliche Momente. Ich denke da
vor allem an die Ereignisse um die Olympischen Spiele in München im Jahr
1972. Und ich erinnere mich an den sogenannten ersten Golfkrieg, oder
besser, die Zeit unmittelbar davor, als ich zur Umra, also zur kleinen
Pilgerfahrt, in Mekka weilte. Da wurden bei den Gebeten in der großen
Moschee vor der zweiten Ruku, der zweiten Verbeugung, unglaublich lange
Bittgebete zur Abwendung der befürchteten kriegerischen Handlungen
gesprochen, etwas eigentlich absolut Unübliches in der sunnitischen
Gebetspraxis. Nach Deutschland zurückgekehrt war ich allerdings erstaunt,
wie viele Kirchengemeinden uns Muslime zu gemeinsamen Friedensgebeten
einluden man hatte deutlich das Gefühl, dass man in einem Boot sitzt.
Generell muss ich jedoch zugeben, so bedrückt wie
heute habe ich mich noch nie vorher gefühlt. Vor allem weil ich den Eindruck
habe, gegen Windmühlenflügel anzukämpfen. Wie immer ich argumentiere, was
immer ich auch vorbringen mag, es wird stets negativ ausgelegt, ich finde
mich alsbald in der Feindbild-Schublade wieder.
Es tröstet mich allerdings ungemein, dass die Leute
aus unserem nicht-muslimischen Umkreis, die uns schon länger kennen, keine
Vorbehalte zu haben scheinen sie begegnen uns genau so freundlich und
unvoreingenommen wie bisher. Ja es gibt sogar welche darunter, die uns
förmlich zu trösten versuchen, uns versichern, dass es Missbrauch von
Religion bei allen Glaubensgemeinschaften gibt und gegeben hat und dass man
die Menschen, die dabei ihre Finger im Spiel haben, nicht mit der Idee oder
den Idealen der betreffenden Glaubensgemeinschaft verwechseln darf.
MM: Werfen wir abschließend den Blick in
eine hoffnungsvolle Zukunft. Was sind ihre Wünsche für die
Mehrheitsgesellschaft der Nichtmuslime und was wünschen sie von den
Muslimen, um das Zusammenleben in diesem Land konstruktiv zu gestalten?
Muhammad Abdul Karim Grimm:
Was diese Frage anbetrifft, so ist sie leicht zu
beantworten. Ich habe festgestellt, wenn es meinen Landsleuten gut geht,
wenn sie ihren Lebensunterhalt ohne Sorge bestreiten können, dann sind sie
bereit, sich auch um die Probleme von Minderheiten zu kümmern. Die Jahre
vor 1933 aber haben es gezeigt, dass der Hass gegen Minderheiten dann
besonders Nahrung findet, wenn die wirtschaftliche Lage des Volkes nicht
zum besten steht. Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte der
Menschheit, dann ist genau das immer das Kriterium, welches auf das
Zusammenleben, auf das Miteinander der Menschen nachhaltige Wirkung hat.
So betrachtet, haben wir mit großen Schwierigkeiten
zu rechnen. Ein paar Arbeitslose mehr, ein paar Neonazis mehr, und es gibt
eine Pogromstimmung. Die eingewanderten Muslime schleppen die Probleme ihrer
Heimatländer mit ihrem Gepäck nach Europa hinein. Sie tragen in ihrem Herzen
Feindbilder und suchen eine Möglichkeit, ihren Feinden von hier aus zu
schaden. Das stellt die Innenministerien der Länder und des Bundes natürlich
vor Aufgaben, die sie polizeitechnisch zu lösen haben. Die Motivation
unserer Glaubensgeschwister ist nicht immer rein islamischer Natur.
Nationalismen spielen eine Rolle. Religion und daraus gebastelte
Befreiungsideologien sind ein unheilvolles Mittel, Krisen auf der Welt zu
beseitigen. Manche Menschen auf unserem Erdenrund, nicht nur Muslime, halten
die Religion für eine Lizenz zum Töten. Andere sehen in der Religion eine
Anleitung, den Märtyrertod zu suchen. Islam leben kommt doch darauf, wo ich
Islam lebe. Geographische, klimatische und politische Umstände im Lande sind
ein Lebensrahmen. Die Religion gibt Anweisung für den Lebensvollzug, in
welchem auch immer wie gearteten Rahmen der Muslim zu leben hat.
Wir hier in Europa, zumal die Staatsbürger
islamischen Glaubens, haben eine Verpflichtung zur Loyalität gegenüber
diesem Heimatland. Sie haben aber auch eine Verpflichtung der
Ummat-ul-Muslimin gegenüber. Ganz klare Richtlinien diesbezüglich gibt es im
Koran. Die europäische Staatengemeinschaft muss ganz selbstverständlich die
Sicherheit ihrer Bewohner garantieren. Wenn dort Störenfriede sind, welche
diese Sicherheit gefährden, dann müssen sie damit rechnen, bekämpft zu
werden. Ich empfehle also jedem Muslim, der sich in Europa um eine
Staatsbürgerschaft bemüht, die Landesgesetze einzuhalten. Und sein Leben als
ein gläubiger Muslim einzurichten, wie Allah ihm das befiehlt.
In diesem Zusammenhang sind vier Begriffe zu
nennen, welche bei den Muslimen nicht mit der Klarheit definiert werden, mit
der man sie jedoch definieren sollte:
1. Begriff: Dar-ul-Islam das ist das Land, mit
einer nach islamischen Grundsätzen ausgerichtete Regierung.
2. Begriff: Dar-ul-Harb das ist das Land, mit dem
sich diese islamische Regierung in einem Kriegzustand befindet.
3. Begriff: Dar-ul-Ahd das sind die Völker, mit
denen die Muslime einen Vertrag eingegangen sind, wie auch immer dieser
geartet sein mag: Handelsverträge, Beistandsverträge etc., und dann gibt es
als
4. Begriff: Dar-ul-Schahada das ist die
Erkenntnis des gläubigen Muslims, dass die ganze Welt, das ganze Universum
Allah gehört und dem Menschen dieses Land und die Meere nur in
Treuhandschaft überlassen worden sind.
Also, der Muslim muss auf der ganzen Welt und in
jeder dieser Positionen, die oben angegeben sind, Zeugnis dafür ablegen,
dass er ein verantwortungsbewusstes Leben führt als Khalifa-ul-Llahi fi-l
Ard, als Statthalter Gottes auf Erden.
Dem Muslim ist es verboten, von sich aus Fasad
fi-l-Ard, das heißt Unheil auf Erden, zu stiften. Fasad fi-l-Ard ist eines
der schwersten Verbrechen, neben Schirk, Gott etwas oder jemand anderen zur
Seite zu stellen / beizugesellen, weil es das friedliche Zusammenleben der
Menschen untereinander unmöglich macht. Der Muslim aber ist verpflichtet,
Frieden zu machen. Ahmad von Denffer benutzt in seiner Koran-Übersetzung
diese Wortneuschöpfung für Muslim: Unser Herr, und mache uns Dir
friedenmachend Ergebene, und von unserer Nachkommenschaft eine Dir
friedenmachend ergebene Gemeinschaft... (Sure 2 Vers 128)
Die Richtung ist klar vorgegeben. Dann klappt es
auch mit dem Nachbarn. Wenn ich auf der ganzen Welt als Muslim dazu
verpflichtet bin, ein Zeugnis für die Religion Gottes abzugeben, dann kommt
es doch sehr darauf an, wie ich persönlich die Botschaft meinem Nachbarn
verständlich, erfahrbar mache. Denn der Nachbar hat ein Recht darauf, von
mir beachtet zu werden. Seine Sicherheit darf ich nicht gefährden. Wenn der
Nachbar weiß, dass ich ein Muslim bin, dann wird er sich fragen: Wie wirkt
diese Religion in diesem Menschen? Nun liegt es an mir, ihm zu beweisen,
dass der Islam durch mich für ihn keine Gefahr bedeutet im Gegenteil, er
hat einen hilfsbereiten, friedfertigen Nachbarn gefunden.
Ich habe noch drei Indikatoren, an denen sich
feststellen lässt, wann der Islam in Europa angekommen ist.
1. Indikation: Wenn wir aus der Verbannung ins
Hinterhof-Milieu an die lichte Öffentlichkeit treten.
2. Indikation: Wenn die Toiletten und Waschräume in
unseren Moscheen das Niveau eines zumindest Vier-Sterne-Hotels erlangt
haben, und vor allen Dingen, wenn die Benutzer dieser Anlagen
gesittet-reinliche Örtlichkeiten hinterlassen.
3. Indikation: Wenn ich auf den Raststätten an der
Autobahn Waschmöglichkeiten für meine Ausscheidungsorgane vorfinde und auf
jedem Rastplatz an der Autobahn ein sauberer, nach Mekka ausgerichteter
Gebetsplatz bereitgehalten wird.
Dann sind die Muslime tatsächlich in Europa
angekommen.
An meinen Ausführungen kann man klar erkennen, dass
es immer auf die Einzelperson Muslim ankommt. Jeder von uns muss auf der
ganzen Welt Zeugnis ablegen für die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit seiner
Religion. Bei verbalen Bekenntnissen kann man das nicht bewenden lassen.
Glaube und Tat sind im Islam eine Einheit.
Nun möchten manche von Europhilie geplagte Muslime
den Islam weichspülen. Auch zu diesem Punkt müssen wir Stellung beziehen,
wenn wir das Zukunftsbild des Islam ausmalen wollen. Der Islam ist nicht
militant. Der Islam ruft die Menschen nicht zur Militanz auf. Aber er ruft
sie dazu auf, dass sie wehrhaft sind, dass sie sich verteidigen mögen, wenn
sie angegriffen werden. Der Koran ist das Heiliges Buch, in dem meines
Wissens nach das erste Mal davon die Rede ist, dass ein Angriffskrieg nicht
mit der Religion begründet werden kann. Verteidigung ist denen geboten, die
angegriffen werden, so steht es wörtlich im Koran. Ein Islamischer Staat
hätte also nie einen Kriegsminister in seiner Regierung, sondern das wäre
immer ein Verteidigungsminister.
Welch ein Zukunftsbild, wenn sich alle Menschen
darauf einigen könnten, den Nachbarn nicht anzugreifen, aus welchen
fadenscheinigen Gründen auch immer. Die Gründe für einen Angriffskrieg sind
immer fadenscheinig vom Standpunkt der Menschlichkeit gesehen. Es gibt
Armeen, die Siege errungen haben. Aber gewonnen hat noch niemand durch einen
Krieg.
Fatima Grimm:
Mein größter Wunsch an die Nicht-Muslime ist, dass sie begreifen: Religion
kann etwas sehr Schönes, Bereicherndes sein. Sie will nicht die Freiheiten
beschneiden, vielmehr sie in gesunde, insbesondere für die Familie
förderliche Bahnen lenken. Und sie kann ansteckend auf eine Weise sein, die
dem Einzelnen hilft, seine Lebensaufgabe zu bewältigen.
Wenn sich eine muslimische Frau bedeckt, will sie
nicht Fanatismus zur Schau stellen, sondern sich und ihre Familie schützen
und anderen signalisieren: ich will nur für die verfügbar sein, die zu den
Meinen gehören, will andere in Ruhe lassen und selbst in Ruhe gelassen
werden. Wenn also eine Nicht-Muslima einer Frau mit Kopftuch begegnet, soll
ihr sogleich bewusst sein: Diese Frau möchte nicht die Aufmerksamkeit meines
Mannes, meines Sohns erregen. Sie will durch ihre Zurückhaltung zum Frieden
und zur Eintracht in der Gesellschaft beitragen. Darum ist sie mir eine
liebe Schwester.
Und von uns Muslimen wünsche ich mir, dass wir
unseren Glauben verinnerlichen und erst an uns selber arbeiten, bevor wir
die größten Weltverbesserungsmodelle entwerfen. Dazu gehört, dass wir echtes
Wissen über unsere Religion suchen und dieses Wissen dann auch in die Tat
umsetzen. Was wird im Koran nicht alles den Geduldigen, Standhaften,
Friedfertigen versprochen? Neben dem ewigen Lohn ist es vor allem das reine
Gewissen, das uns nachts ruhig schlafen und tags zielstrebig unseren
Pflichten und zur rechten Zeit unseren erholsamen Freizeitbeschäftigungen
nachgehen lässt.
Was mir wirklich Hoffnung macht, sind die jungen
Muslime. Dazu ein Beispiel: Viele junge Leute aus den muslimischen Gemeinden
in Hamburg sind durch ihre Vereine Mitglieder in der Schura Hamburg. In
diesem Dachverband sind 85 Prozent der in der Hansestadt ansässigen
muslimischen Vereine, Moscheen und Institutionen vereinigt, um den Behörden
gegenüber mit einer Stimme sprechen zu können, wenn es um muslimische
Belange geht. Diese jungen Leute hatten beschlossen, unter der Federführung
der Schura, vor Jahresende Mahnwachen unter dem Motto Muslime gegen Terror
abzuhalten. Während der letzten vier Wochen im Dezember ließen sie sich dazu
einen Platz an der Einkaufszeile Mönckebergstraße zuweisen. Zweimal
wöchentlich führten die jungen Menschen, unter ihnen auch Studenten und
Studentinnen der Islamischen Hochschulgemeinde Hamburg, Gespräche mit
Passanten, boten warmen Tee und Kekse an und versuchten so, Vorbehalte
abzubauen und Brücken zu einem besseren Miteinander zu schlagen. Hier ein
paar Eintragungen aus dem Gästebuch, die beweisen, dass diese Mühe nicht
umsonst war: Wir haben auf so ein Zeichen gewartet!! Wir finden es
super, dass endlich so eine Aktion stattfindet. Oder: Missbrauch
gibt es in allen Religionen danke dass Ihr deutlich macht, dass Ihr nicht
in denselben Terror-Topf gehört ich wünsche Euch Mut, Kraft, Ausdauer und
ganz viel Unterstützung von allen Menschen guten Willens! Gott mich Euch!
Und: Ich liebe Euch, dass Ihr stark seid in dieser Kälte. Nur für Gott
und Frieden.
Gebetsnische in der Bauernrosenmoschee auf dem
Grundstück der Grimms
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