Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit M. Djavad Salari
 

Muslim-Markt interviewt 
Dr. Mohammad Djavad Salari,
ehemaliger Botschafter Irans in Deutschland 

10.8.2004

Dr.-Ing. Mohammad Djavad Salari (Jahrgang 1945) hat in Deutschland Maschinenbau studiert. Unmittelbar im Anschluss an sein Studium, kurz nach der Islamischen Revolution im Iran, als es noch keine ausgebildeten Diplomaten gab, übernahm er in der Zeit 1983 bis 1987 die Aufgabe als Botschafter des Landes in Deutschland. Im Anschluss daran vervollständigte er seine Ausbildung mit einer Dr.-Arbeit in Deutschland und kehrte zurück an seine Stelle als Hochschullehrer an der Iran University of Science and Technology (IUST) Teheran. Herr Dr. Salari ist verheiratet und hat zwei Kinder.

MM: Herr Dr. Salari, vielen Dank für Ihre Bereitschaft zu diesem Interview. Wie ergeht es Ihnen als Hochschullehrer im Iran, blicken Sie mit Wehmut auf die Zeit als Botschafter zurück?

Salari: So wichtig und wertvoll die Stelle eines Botschafters für ein Land auch ist, so war es nie mein angestrebter Traumberuf, denn ich bin ausgebildeter Ingenieur. Als aber in der dramatischen Zeit nach der islamischen Revolution und dem fürchterlichen durch Saddam angezettelten Krieg das Land jede fähige und loyale Person für den Staatsdienst brauchte, habe ich mich vor meiner Verantwortung nicht gedrückt. Inzwischen haben wir - Gott sei Dank - eine ganz neue Generation von ausgebildeten Diplomaten, denen ich viel Erfolg bei ihren Tätigkeiten wünsche, und ich fühle mich im Bereich der Universität als Hochschullehrer viel besser aufgehoben.

MM: Was konkret machen Sie an der Universität?

Salari: Der Iran ist ein aufstrebendes Entwicklungsland mit der jüngsten Bevölkerung in der Welt und enormen Wachstumsraten in allen Bereichen. Diesen großen Anforderungen ist das historisch gewachsene und in Zeiten der Schah-Diktatur vernachlässigte Ausbildungssystem noch nicht gewachsen. Wir müssen unsere Ausbildungswege konzipieren und entwickeln, sei es in der Ausbildung der Facharbeiter oder die universitäre Ausbildung. Meine Aufgaben bestehen u.a. darin die Ausbildungssysteme unterschiedlicher Länder miteinander zu vergleichen und das Beste daraus auch für den Iran vorzuschlagen. Dabei genügt es allerdings nicht, die Erfahrungen anderer Länder zu kopieren, sondern wir müssen maßgeschneiderte Lösungen für den Iran erarbeiten, um bestehende Rückstände aufzuholen. Die Ausbildungssysteme Deutschlands bietet hierbei einige gute Diskussionsgrundlagen.

MM: Klappt denn die Zusammenarbeit mit Deutschland?

Salari: Sicherlich gibt es reichlich Zündstoff zwischen den Ländern, wenn es nach den Medien geht, aber die unterschiedlichen Ministerien versuchen auf Basis einer immerhin traditionell historisch langfristigen Zusammenarbeit die Beziehungen auszubauen, auch wenn es dabei Hochs und Tiefs gibt. Und wenn es einmal mit Deutschland nicht so gut klappt, dann sind Andere, z.B. die Österreicher, sofort zur Stelle.

MM: Deutsche Politiker, die vor haben, in den Iran zu reisen oder mit Iran zu sprechen, geben in den Medien immer das Statement ab, dass sie auch über Menschenrechte sprechen würden. Wirkt so etwas nicht befremdlich im Iran?

Salari: Ach wissen Sie, wir im Iran schauen lieber auf die konkreten Handlungen, als auf das Gerede! Deutsche Politiker können wahrscheinlich nicht anders, als dem Druck ihrer Medien dadurch zu entgehen, indem sie immer wieder davon erzählen, sie würden mit unseren Politikern über Menschenrechte diskutieren. Tatsächlich ist mir in den letzten Jahren kein einziger Fall bekannt, in dem irgendwer mit unseren Verantwortlichen über Menschenrechte diskutiert hätte. In Wirklichkeit diskutieren sie ausschließlich über Geschäfte, denn das ist die Welt, in der sie leben. Uns soll es recht sein, denn auch wir sind and fairen Handlesbeziehungen interessiert. Die Doppelmoral des Westens bezüglich Menschenrechten haben aber kaum einen Einfluss auf die Handelsbeziehungen. Und die Erwähnung der Menschenrechte hat schon eher einen protokollarischen Charakter als einen inhaltlichen.

MM: Warum kündigen denn iranische Politiker und Diplomaten bei ihren Auslandsreisen nach Deutschland nicht an, dass sie hier über Menschenrechte diskutieren wollen?

Salari: Da müssen Sie schon die heutigen Politiker und Diplomaten fragen. Aber letztendlich hängt es wohl damit zusammen, dass wir die gegenseitigen Beziehungen mehr respektieren. Und genauso wenig, wie wir bestimmte Geschäfte an das Verhalten der Länder gegenüber ihren eigenen Bevölkerungen abhängig machen, wünscht sich kein halbwegs anständiger Iraner eine äußere Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes, nicht einmal die sogenannten Oppositionellen, außer sie arbeiten direkt für die USA. Sehen sie, mich wundert es, dass kein einziger deutscher Politiker wenn er nach Israel reist, von den Journalisten über Menschenrechtsfragen befragt wird, das sind doch nur Machspiele der Massenmedien.

MM: Stichwort Israel. Iran gilt laut westlichen Medien als Bedrohung für Israel, teils durch die Unterstützung der Hisbollah, teils durch die Ablehnung des israelischen Existenzrechtes.

Salari: Die Hisbollah hat doch nicht der Iran geschaffen, sondern sie ist durch den israelischen Einmarsch und die Besatzung des Libanon entstanden. Man sollte die historischen Tatsachen nicht verdrehen! Und bis heute hat die Hisbollah von sich aus nie Israel angegriffen sondern ausschließlich manchmal reagiert, wenn einmal mehr israelische Kampfbomber libanesisches Gebiet bombardiert haben. Auch hält der Libanon oder die Hisbollah keine fremden Gebiete besetzt, sondern Israel! Es ist immer wieder schade, dass Ursache und Wirkung derart vertauscht werden. Was das Existenzrecht Israels angeht, so gibt es doch keinen Zweifel, dass die einheimischen Juden ein gesichertes Recht dort haben, aber das gleiche Recht haben auch die einheimischen und vertriebenen Palästinenser. Warum sollten die einen solch ein Recht genießen und die anderen nicht? Tatsache ist, dass wenn alle rechtmäßigen Einheimischen der Region die gleichen Rechte genießen würden, der Charakter des heutigen Israel so nicht mehr bestehen bleiben würde. Diese Tatsache ist eigentlich jedem Kenner der Region bekannt und dennoch darf sie nicht all zu deutlich ausgesprochen werden. Die Islamische Republik Iran hat sich immer gegen klares Unrecht gestellt, und daher ist die Politik des Iran durch alle Regierungen hindurch immer konstant und überschaubar gewesen.

MM: Bezüglich der Atomenergieambitionen Irans gibt es große Sorgen in den USA und Israel aber auch in Europa, können Sie das nachvollziehen?

Salari: Was die Ansichten Israels und den USA angeht, die ohnehin identisch und austauschbar sind, so muss man feststellen, dass es sich um die am schlimmsten bewaffneten Atommächte der Welt handeln. Mir ist nicht bekannt, dass Israel überhaupt irgendjemanden zu irgendwelchen Inspektionen zulässt. Insofern ist eine Kritik aus der Richtung geradezu infam und absurd zugleich! Was Europa angeht, so glaube ich persönlich, dass Europa selbst stark unter einem israelischen bzw. US-Druck steht. Anders kann ich mir das jüngste Verhalten Europas nicht erklären, bei dem sie letztendlich eine Vereinbarung mit dem Iran ohne die geringste Erklärung gebrochen haben! Iran strebt keine Atomwaffen an, erhebt aber Anspruch auf technischen Fortschritt!

MM: Die Kritik am Iran reißt nicht ab. Am Anfang des Jahres waren es die Parlamentswahlen, dann waren es Journalisten, die demonstrieren und die verschärfte Durchsetzung der Kopftuchrichtlinien in der Öffentlichkeit. Irritieren Sie solche Kritik?

Salari: Eigentlich könnten alle Beteiligten von einem konstruktiven Dialog profitieren. Aber die derzeitige Kritik erscheint eher wie eine Kriegsberichtserstattung bzw. dessen Vorbereitung. Denn schauen sie doch auf so manch anderes Land in der Region: In manchen Ländern dürfen Frauen vieles nicht, was im Iran selbstverständlich ist, dort gibt es überhaupt keine Wahlen sondern eine Diktatur, und Zeitungen werden nur deshalb nicht verboten, weil es ohnehin keine unabhängigen Zeitungen geschweige denn freie Journalisten gibt. Kurz und gut, obwohl alle bei uns kritisierten Verhältnisse in jenen Ländern aus westlicher Sicht unvergleichlich kritikwürdiger sein müssten, gibt es kaum Kritik gegen die jeweiligen Regime, denn sie sind Verbündete in der Hegemonialpolitik der USA. Und das darf doch kein Maßstab für Journalismus sein, ist es aber offensichtlich!

MM: Und was ist mit den Parlamentswahlen?

Salari: Was die Parlamentswahlen angeht, so ist doch deutlich festzustellen, dass insbesondere diejenigen von den Wahlen ausgeschlossen wurden, die eine Systemänderung initiieren wollten. Sie haben doch auch gar kein Hehl daraus gemacht! So sehr man in Europa die Westfans und Verfassungsfeinde im Iran auch liebt, so sehr fehlt ihnen doch jegliche Basis im Volk in unserem Land. Wer die Berichterstattung im Iran und Europa, sowie die Prosteste und Anteilnahme der jeweiligen Bevölkerung beobachtete, konnte sich des Eindrucks nicht erwähren, dass der Rückhalt der ausgeschlossenen Kandidaten in Europa größer war als in dem Land, in dem sie kandidieren wollten. Mit der Sympathiebekundung der Medien zu derartigen Politikern werden die tatsächlichen Verhältnisse völlig falsch eingeschätzt! 

MM: Woran liegt das ihrer Meinung nach?

Salari: Die europäischen Journalisten, die in den Iran kommen, residieren in Fünf-Sterne-Hotels. Sie haben Kontakte zu ganz bestimmten Kreisen, die sicherlich nicht repräsentativ für die Bevölkerung sind. Die wenigsten Journalisten, die hierher kommen, haben persische Sprachkenntnisse. Viele kennen noch nicht einmal das ABC des Islam. Da ist es nur all zu natürlich, dass sie ein völlig verzerrtes Bild des Iran wiedergeben. Denn sie kommen nur selten mit den Kreisen zusammen, die das Volk wirklich ausmachen. So ist beispielsweise die Liebe zu Ayatollah Khamene'i im Iran tief verwurzelt, aber davon habe ich in deutschen Medien noch nie etwas gehört.

MM: Dann erzählen Sie doch etwas darüber.

Salari: Ayatollah Khamene'i ist inzwischen erheblich länger Oberhaupt der islamischen Revolution, als es Imam Khomeini (r.) war. Wir können seine Situation vielleicht so besser verstehen: Als Imam Khomeini die Revolution durchführte, war er unser Licht in der Dunkelheit. Ayatollah Khamene'i hingegen ist ein mindestens genau so hell strahlendes Licht, aber in einer viel helleren Umgebung! Daher fällt er möglicherweise nicht so auf. Aber dennoch ist die Bindung des Volkes zu ihm nicht minder herzlich! Seine wegweisenden Ratschläge und Botschaften bestimmen die Grundzüge der Politik und er ist es, auf den sich das Volk besonders in kritischen Situationen verlässt! Er hat dieses Schiff der Islamischen Republik in der wohl stürmischsten Region der Welt sicher gesteuert und die Entwicklung in unserem Land maßgeblich vorangebracht! Wir wissen, was wir dieser außerordentlichen Persönlichkeit verdanken, selbst wenn die ganze Welt ihn ignorieren sollte. Aber seine Worte sind besonders bei den Unterdrückten der Welt sehr beliebt! Seine Erfahrung aus 10 Jahren Staatspräsidentschaft sowie sein vorbildhafter Lebensstil sind weitere Aspekte, die diese Liebe zwischen dem Volk und ihm stärken. Aufbauend auf diese Erfahrung kenn er die Weltpolitik wie kaum ein anderer und ist auch ein Kenner selbst der Details in den Provinzen des Landes. Als Beispiel nenne ich sein inkognito Auftritt in Bam, um die Verhältnisse unerkannt zu inspizieren.

MM: Letzte Frage: Im Iran sagen Sie Ayatollah Khamene'i obwohl er doch laut Verfassung die Position des Imam hat. Und sollten wir den amtierenden Imam nicht auch so nennen, damit der erwartete 12. Imam bald kommen möge - Inschaallah?

Salari: Manchmal sind alte Gewohnheiten schwer abzulegen. Ich beglückwünsche Sie dafür, dass Sie ihn immer als "Imam" betiteln. Ich kenne Sayyid Ali noch von seiner Zeit als Religionslehrer in Maschhad, und daher hat sich wohl diese Bezeichnung bei vielen von uns eingebürgert. Aber die Liebe zu ihm drückt sich in unseren Handlungen und der Loyalität aus und nicht im Namen, obwohl ich Ihre Position diesbezüglich sehr interessant finde.

MM: Herr Salari, wir danken Ihnen für das Gespräch

 

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