MM:
Sehr geehrter Herr Hanel, sicherlich haben Sie die Geschichte schon tausende
Male erzählt, aber auch unsere zumeist jungen Leser sind neugierig darauf,
wann, warum und wie Sie zum Islam konvertiert sind.
Hanel:
Nun, das ist wohl eine längere Geschichte - doch will ich sie kurz erzählen.
Während meines Studiums fuhr ich mit 21 Jahren nach Rom, um nach guter alter
Studententradition Neujahr zu feiern. Mit Islam oder Religion ganz allgemein
hatte ich damals eigentlich wenig "am Hut". In Rom, der Stadt Neros, der
heutigen Hauptstadt der katholischen Christenheit traf ich unter
eigenwilligen Umständen einen älteren Mann und er traf mich - Scheich Abdal
Aziz - Er eröffnete mir eine wundersame neue Welt und beim Abschied empfahl
er mir einige Bücher zur Lektüre. In Wien zurück, war ich bald regelmäßiger
Besucher unserer Nationalbibliothek und fand mich fasziniert diese neue Welt
betretend. Ich kaufte mir auch einen kleinen Qur'an in der Reclamausgabe.
Ich war zwar beeindruckt und fasziniert, doch ging ich die Beschäftigung mit
dem Islam und die Erforschung seiner Quellen eher sehr kritisch an,
eigentlich mit der Absicht, diese ihrer Absurdität zu überführen, wie ich
sie in der Religion ganz allgemein erkannt zu haben glaubte. Doch jedes Mal,
wenn ich einen "Irrtum", einen "Fehler" entdeckt hatte, geschah etwas im
Ablauf meines täglichen Lebens, was mich erkennen ließ, dass der Fehler
nicht im Islam oder in den Aussagen des Qur'ans lag, sondern an meinen eher
beschränkten Auffassungen, an meiner vorgefassten, einseitigen Anschauung
und Interpretation und geringem Wissen. Das war ein spezielles Erlebnis für
mein Ego. Nun wollte ich es aber genau wissen und übersetzte zuerst ein,
dann ein zweites Buch, um zu einer noch intensiveren Auseinandersetzung
mit den tradierten Inhalten veranlasst zu sein. Der Prozess des
Nichtverstehens, des Anzweifelns und die anschließende "Erklärung" durch
erlebte Geschehnisse, durch "zu-fallende" Ereignisse setzte sich fort. Nach
ca. 4 Jahren war ich soweit, den nächsten Schritt zu tun. Ich wollte das
islamische Gebet erlernen. Und meine erste RUKU (Verbeugung) war dann ein so
intensives Erlebnis, dass es wohl mit einem Geburtsvorgang verglichen werden
kann. Ich sollte anfügen, dass in all dieser Zeit ich keinerlei Kontakt zu
Muslimen hatte und bis anhin auch gar nicht gesucht hatte. Dies änderte sich
nun und ich fand "ISLAM AUSTRIA", einen Verein, der gleich über der Strasse
seine Lokalitäten hatte. Ich übersetzte auf Ersuchen des Vorstands ein
weiteres Buch "Der Qur'an das Ewige Wunder" von Ahmed Deedat und sprach dann
etwa 5 Jahre nach dem ersten Kontakt mit dem Islam das Glaubensbekenntnis:
Dies nicht so sehr, weil ich mich der muslimischen Gemeinschaft anschließen
wollte, sondern einzig aus dem Grund, da ich vor mir selbst nicht mehr
vertreten konnte, den Islam zwar im Herzen zu tragen, aber diese Überzeugung
nicht mit meinem ganzen Selbst auch nach Außen hin zu vertreten. ISLAM
AUSTRIA löste sich wenig später auf - ich wurde dem damaligen
Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Dr. Ahmad ABDELRAHIMSAI
(Allah sei seiner Seele gnädig) vorgestellt und wurde nach ca. 1 Jahr zum Vorsitzenden der
Religionsgemeinde Linz gewählt. Doch das ist eine ganz andere Geschichte.
MM:
Ja und wie ist diese andre Geschichte? Hanel:
Die eine erzählte den Weg des Herzens, die andere über einen Weg durch eine
rein weltliche Organisation. MM:
Die Schilderungen aus Österreich erwecken den
Eindruck, als wenn es einfacher in Österreich ist, Muslim zu sein bzw. zu
werden, als in Deutschland. Wie ist das zu erklären? Hanel:
Dass solch Eindruck immer zum größten Teil von jenem
abhängt, der diese Schilderung verfasst. Tatsache ist allerdings, dass durch
den offiziellen Status des Islam als staatlich anerkannte
Religionsgesellschaft, der zur Zeit auf die Muslime weltweit ausgeübte
gesellschaftspolitische Druck, vor allem beim Umgang mit Behörden etwas
abgefangen und relativiert wird. Aber eines vielleicht noch - vielleicht
nähren die jüngsten Ereignisse in Deutschland doch diesen Eindruck. Scheint
es doch, dass man - jedenfalls als Muslim - sich in Deutschland keiner
unbedingten Rechtssicherheit mehr erfreuen darf. Wie sonst ist es
erklärlich, dass die Mitgliedschaft in einem behördlich genehmigten und
eingetragenen Verein zum Verlust der staatsbürgerlichen Rechte führt?
MM:
Auch scheint der Anteil an "einheimischen" Muslimen in Österreich größer zu
sein als in Deutschland. Sie haben sogar einen "echten" österreichischen Hodschat-ul-Islam, was die Deutschen bis heute (noch) nicht haben! Sind
Österreicher religiöser? Warum haben Sie keine Angst mehr vor den "Türken
vor Wien"? Hanel:
Wenn dies zu sein scheint, denke ich, dass dieser Schein trügt. Ich bin ganz
gegenteiliger Ansicht, da der Anteil der Deutschen, welche vor allem über
die verschiedenen Tariqat Bruderschaften den Islam in sich wiederfinden, den
zur realistischen Beantwortung dieser Frage entscheidenden Faktor darstellt.
Dass wir einen echten österreichischen Hodschat-ul Islam haben, liegt vor
allem an der Rahmat min Allah (Gnade von Allah) und, so denke ich, am
vorbildlichen Engagement von IBIKUZ, dem
Islamischen Bildungs- und Kulturzentrum und der damit untrennbar
verbundenen, stets unabhängig gebliebenen Arbeit und dem persönlichen
Einsatz unseres lieben Bruders
Muhammad LANZL und last but not least, an der kompetenten Unterstützung durch
die Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Wien.
Österreicher sind, so glaube ich, nicht unbedingt religiöser, eher erwecken
sie diesen Eindruck - und dass sie keine Angst mehr vor den "Türken vor
Wien" haben, liegt wohl daran, dass sie "genug von den Türken in Wien"
haben, wenn ich dies mal so ausdrücken darf.
MM:
Welche Rolle spielt der Obersten Rat der
Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, dessen stellvertretender
Vorsitzender Sie waren? Hanel:
Gemäß Verfassung ist er das exekutive Organ der Islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich und hat die Beschlüsse des Schurarates
umzusetzen. Tatsächlich werden allerdings durch den Vorsitzenden des
Obersten Rates, dem Präsidenten der IGGiÖ, die Geschicke der
Glaubensgemeinschaft bestimmt.
MM:
Glauben Sie dass es kompatibel ist Österreicher und
Muslim zu sein? Hanel:
Ich denke das nicht einzige lebendige Beispiel dafür darzustellen. Und vor
allem dürfen wir nicht vergessen, dass die Anerkennung des Islams als
öffentlich rechtliche Körperschaft, als anerkannte Religionsgesellschaft,
auf das "Österreicher sein" der damaligen muslimischen Bosnier, der
Leibgarde des Kaisers, zurückzuführen ist. Bosnien-Herzegowina war damals ja
Teil des kaiserlichen Österreichs.
MM:
Was war bzw. ist Radio Fro? Wie kamen Sie auf die Idee
zu der Gründung? Hanel:
Das war eine kurze, spontane Entscheidung. Ich hörte im Radio, dass die
Gründung des "Freien Radio Oberösterreichs" geplant war und man nun
Programmmacher suche. Das Studio war gleich um die Ecke - und so kam es,
dass "ISLAM im GESPRÄCH" die erste Sendung des Senders war, die offiziell
"on air" ging. Außerdem wollte ich allen Muslimen in Österreich die
Möglichkeit bieten, völlig frei, ohne jeglichen Druck, das Wort zu ergreifen
und an ihre österreichischen Nachbarn zu richten. Ich hoffte einen
akzeptablen Beitrag zur Integration der Muslime leisten zu können. Immerhin
standen und stehen uns immer noch 60 Minuten Sendezeit jede Woche zu
Verfügung. Leider wurde dieses Angebot von den Muslimen völlig ungenügend
angenommen, obgleich unser Programm von weiten Kreisen der
oberösterreichischen Gesellschaft verfolgt wird. So blieb die inhaltliche
und technische Programmgestaltung wieder einzig und allein größtenteils bei
mir. Da ich nun nicht mehr oft in Österreich bin, hat unsere Schwester
Mariam Troschl, eine islamische Religionslehrerin in Pension, sehr engagiert
die Sendeverantwortung übernommen. MM:
In Ihrem Berufsleben haben Sie eine besondere von Ihnen mit Partnern
entwickelte Biogasanlage - also eine Anlage zum biologischen Abbau organischer Stoffe
mit Energiegewinnung -
europaweit patentieren lassen. Wie kommt ein Raumplaner, der ein
Pfeifengeschäft seiner Eltern übernahm dazu, solch eine Anlage zu entwickeln
und so viel Geld in das Patent zu stecken? Hanel:
Mein Vater hat mich schon vor 40 Jahren zu einem "echten Grünen" erzogen.
Und weiters bin ich der Überzeugung, dass, wenn nicht wir Muslime wirklichen
Einsatz für ein nachhaltiges Wirtschaften zeigen und für verantwortliches
Umgehen mit den, uns von Allah taala (der Erhabene) zu Verfügung gestellten
Ressourcen eintreten - wer sollte es dann tun? Weiters glaube ich, dass die
Söhne und Töchter Adams - jenes Wesens, welches aus ERDE gemacht ist, keinen
Frieden untereinander werden stiften und pflegen können, solange sie keinen
Frieden mit der ERDE, ihrem äußeren SELBST, geschlossen haben und deren
egozentrische, unvernünftige Ausbeutung und Zerstörung beenden. In diesem
Zusammenhang erinnere ich den Vers 2:279 und empfehle dringend, diesen in
neuem Lichte zu betrachten, zu verstehen und entsprechend zu handeln.
MM:
Wie können Sie die Anlage dem Laien erklären,
und welchen geschäftlichen Erfolg versprechen Sie sich davon? Hanel:
Freut mich, dass Sie sich dafür interessieren und mir Gelegenheit geben,
darüber kurz zu sprechen. Solch eine Anlage ist im Grunde die technische
Nachbildung des Verdauungsorgans eines Lebewesens und schließt den
sogenannten natürlichen Nährstoffkreislauf unter dem Motto: "The one's
rest - is for the other one the best". Der geschäftliche Erfolg richtet
sich nach der Einsicht jener, welche sich ernsthaft mit dieser Technologie
beschäftigen, da sie eines der besten Beispiele für nachhaltiges
Wirtschaften und rechtmäßig erworbenen, nie versiegenden Einkommens
darstellt. Lassen Sie mich dies mit einem Beispiel - wahrhaftig nachhaltigen
Wirtschaftens aus der Natur erläutern.
Seit Millionen von Jahren versorgt die Natur Milliarden über Milliarden
Lebewesen mit sauberem, kostbarem Wasser und doch blieb über alle Aeonen
hinweg, die MENGE des Wassers immer - im wahrsten Sinne des Wortes - die
selbe. Würde sich die Natur diese Dienstleistung, welche sie über die
sogenannte Kreislaufwirtschaft erbringt, bezahlen lassen ... In
Biogasanlagen übernehmen Bakterien, also Lebewesen - die Aufgabe organische
Abfälle, die in den meisten Fällen Wasser, Boden, Luft und Atmosphäre
verpesten, zu verwerten und deren Stoffwechselprodukt ist wiederum ein
kostbarer Rohstoff für den Menschen, aus dem er Nährstoffe und Energie
erlöst. Diese Technik verwandelt sozusagen umfassenden Schaden in
umfassenden Nutzen. Meines Erachtens gebietet es die verantwortungsvolle
Vernunft - in Hinblick auf eine - in jeder Hinsicht - lebenswerte Zukunft
auf unserem Planeten, diese Technologie so schnell wie möglich
flächendeckend einzusetzen. Ich könnte und wollte Ihnen noch lange eine
umfassendere und noch tiefer greifende Erläuterung über diese Technologie
und das Erfordernis ihres unbedingten Einsatzes geben, doch sollte dies bei
geeigneterer Gelegenheit geschehen. Von den Muslimen erhoffte ich mir
vorbildliches VORGEHEN. Doch bei Allah ist der beste Lohn.
MM:
Abschließende Frage: Wie fühlt sich ein österreichischer Muslim in der
Schweiz? Hanel:
Al-Hamdulillah (Gott sei Dank) ganz gut - allerdings als Österreicher hat man es in der Schweiz
ohnehin schon mal nicht leicht und als Muslim hat man's sowieso immer
schwerer. Wie auch immer, ich darf sagen, dass der Schweizer eine
persönlichere Art des Herangehens an ihm Unbekanntes an den Tag legt (wie
der Deutsche oder Österreicher) und schon großen Wert darauf legt, sich
selbst ein eigenes Bild zu machen und sehr kritisch gegenüber politischer
Meinungsmache ist. Das sozialpolitische Klima ist also meiner Meinung nach
ein entspannteres als in den umliegenden Staaten.
MM:
Wir danken für das Interview. Hanel:
Ich bedanke mich bei Ihnen und möge Allah taala unsere Bemühungen um
Seinetwillen zum Erfolg führen. |