Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Muhammad Hanel
 

Muslim-Markt interviewt 
Michael Muhammad Hanel

23.5.2004

Michael Muhammad Hanel (Jahrgang 1956) stammt aus Linz in Österreich und war auf seinem Weg zur Matura (Abitur) u.a. auf der Privatschule der Wiener Sängerknaben. Er studierte Raumplanung an der TU Wien und übernahm das Handelsgeschäft seiner Mutter „Erster Österreichischer Pfeifensalon“. In 2002 entwickelte er mit Partner eine spezielle Biogasanlage und meldete diese europaweit zum Patent an.

Hanel nahm 1983 den Islam an. Von 1988 bis 2000 war er Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinde Linz f. Oberösterreich und Salzburg und seit 1999 offizieller Medienbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.  In 2000 war er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Obersten Rates der Islamischen Glaubensgemeinschaft gewählt worden. In 2000 wurde er einstimmig zum Vorsitzenden der Islamischen Religionsgemeinde Linz wiedergewählt. Diese Wahl nahm er allerdings im weiteren Verlauf nicht mehr an und veranlasste deren Annullierung.

Von 1991 bis 2000 war er Herausgeber der 4 x jährlich erscheinenden „Lisan al Umma“ Informationsschrift der Islamischen Religionsgemeinde Linz für Oberösterreich & Salzburg und von 1998 bis 2005 Begründer und Betreiber der regionalen Radiosendung bei Radio FRO „ISLAM im GESPRÄCH“. Muhammad Michael Hanel ist verheiratet, Vater einer Tochter und lebt heute in der Schweiz.

MM: Sehr geehrter Herr Hanel, sicherlich haben Sie die Geschichte schon tausende Male erzählt, aber auch unsere zumeist jungen Leser sind neugierig darauf, wann, warum und wie Sie zum Islam konvertiert sind.

Hanel: Nun, das ist wohl eine längere Geschichte - doch will ich sie kurz erzählen. Während meines Studiums fuhr ich mit 21 Jahren nach Rom, um nach guter alter Studententradition Neujahr zu feiern. Mit Islam oder Religion ganz allgemein hatte ich damals eigentlich wenig "am Hut". In Rom, der Stadt Neros, der heutigen Hauptstadt der katholischen Christenheit traf ich unter eigenwilligen Umständen einen älteren Mann und er traf mich - Scheich Abdal Aziz - Er eröffnete mir eine wundersame neue Welt und beim Abschied empfahl er mir einige Bücher zur Lektüre. In Wien zurück, war ich bald regelmäßiger Besucher unserer Nationalbibliothek und fand mich fasziniert diese neue Welt betretend. Ich kaufte mir auch einen kleinen Qur'an in der Reclamausgabe. Ich war zwar beeindruckt und fasziniert, doch ging ich die Beschäftigung mit dem Islam und die Erforschung seiner Quellen eher sehr kritisch an, eigentlich mit der Absicht, diese ihrer Absurdität zu überführen, wie ich sie in der Religion ganz allgemein erkannt zu haben glaubte. Doch jedes Mal, wenn ich einen "Irrtum", einen "Fehler" entdeckt hatte, geschah etwas im Ablauf meines täglichen Lebens, was mich erkennen ließ, dass der Fehler nicht im Islam oder in den Aussagen des Qur'ans lag, sondern an meinen eher beschränkten Auffassungen, an meiner vorgefassten, einseitigen Anschauung und Interpretation und geringem Wissen. Das war ein spezielles Erlebnis für mein Ego. Nun wollte ich es aber genau wissen und übersetzte zuerst ein, dann ein zweites Buch, um zu einer noch intensiveren Auseinandersetzung mit den tradierten Inhalten veranlasst zu sein. Der Prozess des Nichtverstehens, des Anzweifelns und die anschließende "Erklärung" durch erlebte Geschehnisse, durch "zu-fallende" Ereignisse setzte sich fort. Nach ca. 4 Jahren war ich soweit, den nächsten Schritt zu tun. Ich wollte das islamische Gebet erlernen. Und meine erste RUKU (Verbeugung) war dann ein so intensives Erlebnis, dass es wohl mit einem Geburtsvorgang verglichen werden kann. Ich sollte anfügen, dass in all dieser Zeit ich keinerlei Kontakt zu Muslimen hatte und bis anhin auch gar nicht gesucht hatte. Dies änderte sich nun und ich fand "ISLAM AUSTRIA", einen Verein, der gleich über der Strasse seine Lokalitäten hatte. Ich übersetzte auf Ersuchen des Vorstands ein weiteres Buch "Der Qur'an das Ewige Wunder" von Ahmed Deedat und sprach dann etwa 5 Jahre nach dem ersten Kontakt mit dem Islam das Glaubensbekenntnis: Dies nicht so sehr, weil ich mich der muslimischen Gemeinschaft anschließen wollte, sondern einzig aus dem Grund, da ich vor mir selbst nicht mehr vertreten konnte, den Islam zwar im Herzen zu tragen, aber diese Überzeugung nicht mit meinem ganzen Selbst auch nach Außen hin zu vertreten. ISLAM AUSTRIA löste sich wenig später auf - ich wurde dem damaligen Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Dr. Ahmad ABDELRAHIMSAI (Allah sei seiner Seele gnädig) vorgestellt und wurde nach ca. 1 Jahr zum Vorsitzenden der Religionsgemeinde Linz gewählt. Doch das ist eine ganz andere Geschichte.

MM: Ja und wie ist diese andre Geschichte?

Hanel: Die eine erzählte den Weg des Herzens, die andere über einen Weg durch eine rein weltliche Organisation.

MM: Die Schilderungen aus Österreich erwecken den Eindruck, als wenn es einfacher in Österreich ist, Muslim zu sein bzw. zu werden, als in Deutschland. Wie ist das zu erklären?

Hanel: Dass solch Eindruck immer zum größten Teil von jenem abhängt, der diese Schilderung verfasst. Tatsache ist allerdings, dass durch den offiziellen Status des Islam als staatlich anerkannte Religionsgesellschaft, der zur Zeit auf die Muslime weltweit ausgeübte gesellschaftspolitische Druck, vor allem beim Umgang mit Behörden etwas abgefangen und relativiert wird. Aber eines vielleicht noch - vielleicht nähren die jüngsten Ereignisse in Deutschland doch diesen Eindruck. Scheint es doch, dass man - jedenfalls als Muslim - sich in Deutschland keiner unbedingten Rechtssicherheit mehr erfreuen darf. Wie sonst ist es erklärlich, dass die Mitgliedschaft in einem behördlich genehmigten und eingetragenen Verein zum Verlust der staatsbürgerlichen Rechte führt?

MM: Auch scheint der Anteil an "einheimischen" Muslimen in Österreich größer zu sein als in Deutschland. Sie haben sogar einen "echten" österreichischen Hodschat-ul-Islam, was die Deutschen bis heute (noch) nicht haben! Sind Österreicher religiöser? Warum haben Sie keine Angst mehr vor den "Türken vor Wien"?

Hanel: Wenn dies zu sein scheint, denke ich, dass dieser Schein trügt. Ich bin ganz gegenteiliger Ansicht, da der Anteil der Deutschen, welche vor allem über die verschiedenen Tariqat Bruderschaften den Islam in sich wiederfinden, den zur realistischen Beantwortung dieser Frage entscheidenden Faktor darstellt. Dass wir einen echten österreichischen Hodschat-ul Islam haben, liegt vor allem an der Rahmat min Allah (Gnade von Allah) und, so denke ich, am vorbildlichen  Engagement von IBIKUZ, dem Islamischen Bildungs- und Kulturzentrum und der damit untrennbar verbundenen, stets unabhängig gebliebenen Arbeit und dem persönlichen Einsatz unseres lieben Bruders Muhammad LANZL und last but not least, an der kompetenten Unterstützung durch die Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Wien. Österreicher sind, so glaube ich, nicht unbedingt religiöser, eher erwecken sie diesen Eindruck - und dass sie keine Angst mehr vor den "Türken vor Wien" haben, liegt wohl daran, dass sie "genug von den Türken in Wien" haben, wenn ich dies mal so ausdrücken darf.

MM: Welche Rolle spielt der Obersten Rat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, dessen stellvertretender Vorsitzender Sie waren?

Hanel: Gemäß Verfassung ist er das exekutive Organ der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und hat die Beschlüsse des Schurarates umzusetzen. Tatsächlich werden allerdings durch den Vorsitzenden des Obersten Rates, dem Präsidenten der IGGiÖ, die Geschicke der Glaubensgemeinschaft bestimmt.

MM: Glauben Sie dass es kompatibel ist Österreicher und Muslim zu sein?

Hanel: Ich denke das nicht einzige lebendige Beispiel dafür darzustellen. Und vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass die Anerkennung des Islams als öffentlich rechtliche Körperschaft, als anerkannte Religionsgesellschaft, auf das "Österreicher sein" der damaligen muslimischen Bosnier, der Leibgarde des Kaisers, zurückzuführen ist. Bosnien-Herzegowina war damals ja Teil des kaiserlichen Österreichs.

MM: Was war bzw. ist Radio Fro? Wie kamen Sie auf die Idee zu der Gründung?

Hanel: Das war eine kurze, spontane Entscheidung. Ich hörte im Radio, dass die Gründung des "Freien Radio Oberösterreichs" geplant war und man nun Programmmacher suche. Das Studio war gleich um die Ecke - und so kam es, dass "ISLAM im GESPRÄCH" die erste Sendung des Senders war, die offiziell "on air" ging. Außerdem wollte ich allen Muslimen in Österreich die Möglichkeit bieten, völlig frei, ohne jeglichen Druck, das Wort zu ergreifen und an ihre österreichischen Nachbarn zu richten. Ich hoffte einen akzeptablen Beitrag zur Integration der Muslime leisten zu können. Immerhin standen und stehen uns immer noch 60 Minuten Sendezeit jede Woche zu Verfügung. Leider wurde dieses Angebot von den Muslimen völlig ungenügend angenommen, obgleich unser Programm von weiten Kreisen der oberösterreichischen Gesellschaft verfolgt wird. So blieb die inhaltliche und technische Programmgestaltung wieder einzig und allein größtenteils bei mir. Da ich nun nicht mehr oft in Österreich bin, hat unsere Schwester Mariam Troschl, eine islamische Religionslehrerin in Pension, sehr engagiert die Sendeverantwortung übernommen.

MM: In Ihrem Berufsleben haben Sie eine besondere von Ihnen mit Partnern entwickelte Biogasanlage - also eine Anlage zum biologischen Abbau organischer Stoffe mit Energiegewinnung - europaweit patentieren lassen. Wie kommt ein Raumplaner, der ein Pfeifengeschäft seiner Eltern übernahm dazu, solch eine Anlage zu entwickeln und so viel Geld in das Patent zu stecken?

Hanel: Mein Vater hat mich schon vor 40 Jahren zu einem "echten Grünen" erzogen. Und weiters bin ich der Überzeugung, dass, wenn nicht wir Muslime wirklichen Einsatz für ein nachhaltiges Wirtschaften zeigen und für verantwortliches Umgehen mit den, uns von Allah taala (der Erhabene) zu Verfügung gestellten Ressourcen eintreten - wer sollte es dann tun? Weiters glaube ich, dass die Söhne und Töchter Adams - jenes Wesens, welches aus ERDE gemacht ist, keinen Frieden untereinander werden stiften und pflegen können, solange sie keinen Frieden mit der ERDE, ihrem äußeren SELBST, geschlossen haben und deren egozentrische, unvernünftige Ausbeutung und Zerstörung beenden. In diesem Zusammenhang erinnere ich den Vers 2:279 und empfehle dringend, diesen in neuem Lichte zu betrachten, zu verstehen und entsprechend zu handeln.

MM: Wie können Sie die Anlage dem Laien erklären, und welchen geschäftlichen Erfolg versprechen Sie sich davon?

Hanel: Freut mich, dass Sie sich dafür interessieren und mir Gelegenheit geben, darüber kurz zu sprechen. Solch eine Anlage ist im Grunde die technische Nachbildung des Verdauungsorgans eines Lebewesens und schließt den sogenannten natürlichen Nährstoffkreislauf unter dem Motto: "The one's rest - is for the other one the best". Der geschäftliche Erfolg richtet sich nach der Einsicht jener, welche sich ernsthaft mit dieser Technologie beschäftigen, da sie eines der besten Beispiele für nachhaltiges Wirtschaften und rechtmäßig erworbenen, nie versiegenden Einkommens darstellt. Lassen Sie mich dies mit einem Beispiel - wahrhaftig nachhaltigen Wirtschaftens aus der Natur erläutern. Seit Millionen von Jahren versorgt die Natur Milliarden über Milliarden Lebewesen mit sauberem, kostbarem Wasser und doch blieb über alle Aeonen hinweg, die MENGE des Wassers immer - im wahrsten Sinne des Wortes - die selbe. Würde sich die Natur diese Dienstleistung, welche sie über die sogenannte Kreislaufwirtschaft erbringt, bezahlen lassen ... In Biogasanlagen übernehmen Bakterien, also Lebewesen - die Aufgabe organische Abfälle, die in den meisten Fällen Wasser, Boden, Luft und Atmosphäre verpesten, zu verwerten und deren Stoffwechselprodukt ist wiederum ein kostbarer Rohstoff für den Menschen, aus dem er Nährstoffe und Energie erlöst. Diese Technik verwandelt sozusagen umfassenden Schaden in umfassenden Nutzen. Meines Erachtens gebietet es die verantwortungsvolle Vernunft - in Hinblick auf eine - in jeder Hinsicht - lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten, diese Technologie so schnell wie möglich flächendeckend einzusetzen. Ich könnte und wollte Ihnen noch lange eine umfassendere und noch tiefer greifende Erläuterung über diese Technologie und das Erfordernis ihres unbedingten Einsatzes geben, doch sollte dies bei geeigneterer Gelegenheit geschehen. Von den Muslimen erhoffte ich mir vorbildliches VORGEHEN. Doch bei Allah ist der beste Lohn.

MM: Abschließende Frage: Wie fühlt sich ein österreichischer Muslim in der Schweiz?

Hanel: Al-Hamdulillah (Gott sei Dank) ganz gut - allerdings als Österreicher hat man es in der Schweiz ohnehin schon mal nicht leicht und als Muslim hat man's sowieso immer schwerer. Wie auch immer, ich darf sagen, dass der Schweizer eine persönlichere Art des Herangehens an ihm Unbekanntes an den Tag legt (wie der Deutsche oder Österreicher) und schon großen Wert darauf legt, sich selbst ein eigenes Bild zu machen und sehr kritisch gegenüber politischer Meinungsmache ist. Das sozialpolitische Klima ist also meiner Meinung nach ein entspannteres als in den umliegenden Staaten.

MM: Wir danken für das Interview.

Hanel: Ich bedanke mich bei Ihnen und möge Allah taala unsere Bemühungen um Seinetwillen zum Erfolg führen.

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