Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Lidja Kabbout
 

Muslim-Markt interviewt 
Lidija Kabbout, Mutter, Hausfrau und Gründerin des Frauenvereins "Fatima az-Zahra"
13.6.2005

Lidija Kabbout (Jahrgang 1973) ist in Kroatien geboren. Mit zwölf Jahren kam sie in die Schweiz, trat damals auf eigenen Wunsch aus der Kirche aus und konvertierte kurz darauf zum Islam.

Sie hat eine Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen und ließ sich auf dem Gebiet weiterbilden, u.a. im Spezialfach "Sterbebegleitung". Sie spricht Deutsch, Serbokroatisch, Italienisch, Spanisch, Englisch, Französisch und Arabisch und lernt z.Z. Türkisch und Hebräisch. Sie ist seit 13 Jahren mit einem Libanesen verheiratet und hat 2 Kinder. In 2000 war sie die Mitbegründerin des Frauenvereins Fatima az-Zahra, welcher inzwischen ein anerkannter Frauenverein mit eigener Website und eigenem Zentrum ist.

MM: Sehr geehrte Schwester im Islam. Eine Kroatin, die in der Schweiz mit 12 Jahren aus der Kirche austritt und später den Weg zum Islam findet ist nicht gerade ein allgemein bekannter Lebensweg . Können sie uns den Teil Ihres Lebensweges etwas detaillierter schildern?

Kabbout: Seit jeher interessierte ich mich für den Islam. Der Wunsch , aus der Kirche auszutreten ist nicht von heute auf morgen gekommen. Ich hatte mit meinen Eltern darüber geredet und sie fanden die Idee gut. Das ganze begründeten sie mit "Es gibt nur ein Gott". Mit allen Regeln, die zum Islam gehören, waren sie einverstanden, aber mit dem Kopftuch hatten sie beide etwas Mühe.

MM: Wie sind ihre katholischen Eltern denn mit Ihrem Übertritt zum Islam ausgerechnet in einer Zeit fertig geworden, in der Kroatien Probleme mit Bosnien hatte?

Kabbout: Meine ganze Familie ist seit über 30 Jahren in der Schweiz. Somit hatten sie keinen großen Bezug zur Kroatien oder Politik die Menschen auseinander zerriss. Wir hatten und haben immer noch liebe Bekannte aus aller Teilen Ex-Jugoslawiens. Auf mein Entschluss, zu konvertieren, haben sie positiv reagiert und mich wie immer sehr liebevoll unterstützt.

MM: Was hat Sie bei Ihrer Ausbildung zur Krankenschwester ausgerechnet dazu bewegt sich im Bereich Sterbehilfe zu spezialisieren?

Kabbout: Während meiner Ausbildung habe ich mehr Leid und Trauer erlebt als schöne Momente. Der Tod gehört, wie die Geburt, zum Leben. In unserer modernen und jungen Gesellschaft gehört das Älterwerden und Sterben nicht dazu, darum ist es eine Tabuthema. Tod ist etwas Negatives, sagen die einen, für die anderen ist es eine Erlösung. Es war faszinierend zu erleben auf wie viele verschiedene Arten die verschiedenen Leute trauern.

MM: Haben Sie denn schon Menschen beim Sterben begleitet?

Kabbout: Ich habe schon vielen Menschen auf ihren letzten Weg begleitet. Wenn das letzte Atemzug vorbei ist, entsteht eine unbeschreibliche Ruhe im Raum. Diese Ruhe habe ich immer genutzt, um über den Sinn des Lebens nachzudenken. Seit ich beim Spitex (Pflege zu Hause) arbeite, habe ich leider weniger mit Sterbenden zu tun, was ich sehr bedauere.

MM: Wie kam es dann zur Gründung des Frauenvereins Fatima az-Zahra?

Kabbout: Die Frauen im Zürich haben sich immer in Moscheen und Vereinen versammelt, wo sie eigentlich nicht so richtig Willkommen waren. Es sind jedes Mal auch sehr viele Kinder dabei, und manche der Männer empfanden den Zustand als Störfaktor. Da blieben die Frauen einfach zu Hause. Ich fand das sehr unislamisch. Die Frauen und Kinder haben auch Recht, sich weiter zu bilden und gehören zur Gesellschaft. Ich fing an, Frauentreffs bei mir zu Hause zu organisieren. Das Interesse wurde immer größer und die Wohnung immer kleiner. Ich fand, alhamdulillah (Gott sei Dank), passende Räume, die unsere Bedürfnisse perfekt abdeckten. Seit drei Jahren haben wir eine Schule, ein eigenes Nähatelier und einen kleinen Laden mit islamischer Kleidung. Wir organisieren verschiedene Veranstaltungen und Weiterbildungen.

MM: Welchen Vorurteilen steht ein muslimischer Frauenverein in der Schweiz gegenüber?

Kabbout: Der Frauenverein wird sehr hoch angesehen, muss nicht mit Vorurteilen kämpfen, stößt auf Bewunderung. Wie überall, sieht man eben nur die Männer in Moscheen, und unsere Mitmenschen fragen sich immer wieder, wo sind die Frauen, ist die Frau im Islam benachteiligt... ? Da können wir dann das Gegenteil zeigen, und das wird uns hoch angerechnet. Die Vorurteile betreffen jede einzelne Frau alleine. Die Aufklärung und Klarheit können wir eben nur gemeinsam, als islamischer Frauenverein, schaffen und unseren Mitmenschen zeigen, dass wir trotz Kopftuch ganz normal leben und arbeiten, das wir große Integrationsarbeit leisten und große Interesse an Zusammenarbeit und zusammenleben haben. Wenn unsere Mitmenschen mit uns und nicht über uns reden würden, würden auch die Vorurteile verschwinden.

MM: Wie schaffen es die Schwestern, diese zumeist Mehrfachbelastung - Beruf, Hauhalt, Kinder, islamisches Engagement zu meistern, müssen nicht manchmal kleinere Kinder darunter leiden?

Kabbout: Wegen diese Frage müssen sich x Frauen immer wieder rechtsfertigen. Ich sehe es nicht ein, warum sollen die Kinder darunter leiden, wenn die Mutter arbeitet oder sich für etwas sonst engagiert, solange für ihr psychisches und physisches Wohl gesorgt wird. Ich und mein Mann sind ein Team. Es ist immer einer von uns bei den Kindern.

Eine Familie ist wie ein Ameisenhaufen. Es ist sehr stressig, hektisch und unruhig. Jeder Mitglied hat aber seine Position und versucht die Pflichten zu erfüllen ohne den anderen Mitgliedern zu schaden oder ihnen zu benachteiligen. Familienzusammenleben bedarf an einer perfekten Organisation wie vieles anderes im Leben auch. Dies ist, meiner Meinung nach, die Aufgabe der Frau. Entweder schafft sie es, neben allen Pflichten, noch Freizeit zu haben oder eben nicht. Ob sie sich in ihrer Freizeit auf die Sofa entspannt oder ob sie sich z.B. für den Islam engagiert, ist ihr frei überlassen. Wenn meine Kinder im Kindergarten oder Schule sind habe ich genug Zeit, meinen Interessen nachzugehen. Kinder sind das oberste Priorität alles andere kommt auf zweiter Stelle.

MM: Auf Ihren Internetseiten gehen Sie auf die unterschiedlichen Gesetze in den verschiedenen Schweizer Kantonen z.B. zur Dispension (Freistellung) vom  Schwimmunterricht ein. Müssen Sie dafür nicht den Vorwurf ertragen, integrationshemmend zu wirken?

Kabbout: Wir vertreten die Interessen des Islam und jeder einzelnen Mädchens so lange sie Unterstützung und Hilfe sucht. Das Mädchen soll selbst entscheiden, ob sie den Schwimmunterricht besucht oder nicht. Es ist nicht in unserem Interesse, sich "anzupassen", nur damit wir dazugehören. Unsere Religion verlangt gewisse Sachen von uns (Frauen wie auch Männern), und ich habe mich nicht zum Islam bekannt, damit ich nur das, was mir gefällt, praktiziere und den Rest einfach weglasse. Wir sind ein islamisches Frauenverein und stehen mit besten Wissen und Gewissen dahinter. Es wird immer wieder Leute geben, die gegen dieses oder jenes sind, finde ich auch OK. Wir sagen immer wieder, es ist nicht verboten, dass Mädchen schwimmen lernen, und wir bieten auch selbst Schwimmunterricht an und organisieren es. Ein großes Interesse an diesem Angebot besteht aber noch nicht.

MM: Nehmen Sie noch weitere Mitglieder auf und was muss eine Glaubensschwester tun, um mitarbeiten zu können?

Kabbout: Wir werben natürlich immer wieder für neue Mitglieder. Die Frauen ziehen sich aber lieber zurück, da sie mit solchen Fragen, wie Sie oben gestellt haben, nicht konfrontiert werden wollen. Bei uns sind Musliminnen aller Glaubensrichtungen als Aktivmitglieder herzlich Willkommen. Passivmitglied können auch Schwestern anderer Religionen werden.

MM: Abschließende Frage: Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft Ihrer eigenen Kinder in der Schweiz?

Kabbout: Mein Wunsch für die Zukunft meiner Kinder ist, dass sie als praktizierende Muslime ein Teil der Schweizer Gesellschaft werden und von dieser anerkannt, akzeptiert und respektiert werden.

MM: Frau Kabbout, wir danken Ihnen für das Interview

Kabbout: Ich bedanke mich herzlich

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