MM:
Sehr geehrte Schwester im Islam. Eine Kroatin, die in der Schweiz mit 12
Jahren aus der Kirche austritt und später den Weg zum Islam findet ist nicht
gerade ein allgemein bekannter Lebensweg . Können sie uns den Teil Ihres
Lebensweges etwas detaillierter schildern?
Kabbout: Seit jeher interessierte ich mich
für den Islam. Der Wunsch , aus der Kirche auszutreten ist nicht von heute
auf morgen gekommen. Ich hatte mit meinen Eltern darüber geredet und sie
fanden die Idee gut. Das ganze begründeten sie mit "Es gibt nur ein Gott".
Mit allen Regeln, die zum Islam gehören, waren sie einverstanden, aber mit
dem Kopftuch hatten sie beide etwas Mühe.
MM:
Wie sind ihre katholischen Eltern denn mit Ihrem Übertritt zum Islam
ausgerechnet in einer Zeit fertig geworden, in der Kroatien Probleme mit
Bosnien hatte?
Kabbout: Meine ganze Familie ist seit über
30 Jahren in der Schweiz. Somit hatten sie keinen großen Bezug zur Kroatien
oder Politik die Menschen auseinander zerriss. Wir hatten und haben immer
noch liebe Bekannte aus aller Teilen Ex-Jugoslawiens. Auf mein Entschluss,
zu konvertieren, haben sie positiv reagiert und mich wie immer sehr
liebevoll unterstützt.
MM:
Was hat Sie bei Ihrer Ausbildung zur Krankenschwester ausgerechnet dazu
bewegt sich im Bereich Sterbehilfe zu spezialisieren?
Kabbout: Während meiner Ausbildung habe ich
mehr Leid und Trauer erlebt als schöne Momente. Der Tod gehört, wie die
Geburt, zum Leben. In unserer modernen und jungen Gesellschaft gehört das
Älterwerden und Sterben nicht dazu, darum ist es eine Tabuthema. Tod ist
etwas Negatives, sagen die einen, für die anderen ist es eine Erlösung. Es
war faszinierend zu erleben auf wie viele verschiedene Arten die
verschiedenen Leute trauern.
MM:
Haben Sie denn schon Menschen beim Sterben
begleitet?
Kabbout: Ich habe schon vielen Menschen auf
ihren letzten Weg begleitet. Wenn das letzte Atemzug vorbei ist, entsteht
eine unbeschreibliche Ruhe im Raum. Diese Ruhe habe ich immer genutzt, um
über den Sinn des Lebens nachzudenken. Seit ich beim Spitex (Pflege zu
Hause) arbeite, habe ich leider weniger mit Sterbenden zu tun, was ich sehr
bedauere.
MM:
Wie kam es dann zur Gründung des Frauenvereins Fatima az-Zahra?
Kabbout: Die Frauen im Zürich haben sich
immer in Moscheen und Vereinen versammelt, wo sie eigentlich nicht so
richtig Willkommen waren. Es sind jedes Mal auch sehr viele Kinder dabei,
und manche der Männer empfanden den Zustand als Störfaktor. Da blieben die
Frauen einfach zu Hause. Ich fand das sehr unislamisch. Die Frauen und
Kinder haben auch Recht, sich weiter zu bilden und gehören zur Gesellschaft.
Ich fing an, Frauentreffs bei mir zu Hause zu organisieren. Das Interesse
wurde immer größer und die Wohnung immer kleiner. Ich fand, alhamdulillah
(Gott sei Dank), passende Räume, die unsere Bedürfnisse perfekt abdeckten.
Seit drei Jahren haben wir eine Schule, ein eigenes Nähatelier und einen
kleinen Laden mit islamischer Kleidung. Wir organisieren verschiedene
Veranstaltungen und Weiterbildungen.
MM: Welchen Vorurteilen steht ein
muslimischer Frauenverein in der Schweiz
gegenüber?
Kabbout: Der Frauenverein wird sehr hoch
angesehen, muss nicht mit Vorurteilen kämpfen, stößt auf Bewunderung. Wie
überall, sieht man eben nur die Männer in Moscheen, und unsere Mitmenschen
fragen sich immer wieder, wo sind die Frauen, ist die Frau im Islam
benachteiligt... ? Da können wir dann das Gegenteil zeigen, und das wird uns
hoch angerechnet. Die Vorurteile betreffen jede einzelne Frau alleine. Die
Aufklärung und Klarheit können wir eben nur gemeinsam, als islamischer
Frauenverein, schaffen und unseren Mitmenschen zeigen, dass wir trotz
Kopftuch ganz normal leben und arbeiten, das wir große Integrationsarbeit
leisten und große Interesse an Zusammenarbeit und zusammenleben haben. Wenn
unsere Mitmenschen mit uns und nicht über uns reden würden, würden auch die
Vorurteile verschwinden.
MM: Wie
schaffen es die Schwestern, diese zumeist Mehrfachbelastung - Beruf,
Hauhalt, Kinder, islamisches Engagement zu meistern, müssen nicht manchmal
kleinere Kinder darunter leiden?
Kabbout: Wegen diese Frage müssen sich x
Frauen immer wieder rechtsfertigen. Ich sehe es nicht ein, warum sollen die
Kinder darunter leiden, wenn die Mutter arbeitet oder sich für etwas sonst
engagiert, solange für ihr psychisches und physisches Wohl gesorgt wird. Ich
und mein Mann sind ein Team. Es ist immer einer von uns bei den Kindern.
Eine Familie ist wie ein Ameisenhaufen. Es ist sehr
stressig, hektisch und unruhig. Jeder Mitglied hat aber seine Position und
versucht die Pflichten zu erfüllen ohne den anderen Mitgliedern zu schaden
oder ihnen zu benachteiligen. Familienzusammenleben bedarf an einer
perfekten Organisation wie vieles anderes im Leben auch. Dies ist, meiner
Meinung nach, die Aufgabe der Frau. Entweder schafft sie es, neben allen
Pflichten, noch Freizeit zu haben oder eben nicht. Ob sie sich in ihrer
Freizeit auf die Sofa entspannt oder ob sie sich z.B. für den Islam
engagiert, ist ihr frei überlassen. Wenn meine Kinder im Kindergarten oder
Schule sind habe ich genug Zeit, meinen Interessen nachzugehen. Kinder sind
das oberste Priorität alles andere kommt auf zweiter Stelle.
MM: Auf
Ihren Internetseiten gehen Sie auf die unterschiedlichen Gesetze in den
verschiedenen Schweizer Kantonen z.B. zur
Dispension (Freistellung) vom Schwimmunterricht
ein. Müssen Sie dafür nicht den Vorwurf ertragen, integrationshemmend zu
wirken?
Kabbout: Wir vertreten die Interessen des
Islam und jeder einzelnen Mädchens so lange sie Unterstützung und Hilfe
sucht. Das Mädchen soll selbst entscheiden, ob sie den Schwimmunterricht
besucht oder nicht. Es ist nicht in unserem Interesse, sich "anzupassen",
nur damit wir dazugehören. Unsere Religion verlangt gewisse Sachen von uns
(Frauen wie auch Männern), und ich habe mich nicht zum Islam bekannt, damit
ich nur das, was mir gefällt, praktiziere und den Rest einfach weglasse. Wir
sind ein islamisches Frauenverein und stehen mit besten Wissen und Gewissen
dahinter. Es wird immer wieder Leute geben, die gegen dieses oder jenes
sind, finde ich auch OK. Wir sagen immer wieder, es ist nicht verboten, dass
Mädchen schwimmen lernen, und wir bieten auch selbst Schwimmunterricht an
und organisieren es. Ein großes Interesse an diesem Angebot besteht aber
noch nicht.
MM: Nehmen Sie noch weitere Mitglieder
auf und was muss eine Glaubensschwester tun, um mitarbeiten zu können?
Kabbout: Wir werben natürlich immer wieder
für neue Mitglieder. Die Frauen ziehen sich aber lieber zurück, da sie mit
solchen Fragen, wie Sie oben gestellt haben, nicht konfrontiert werden
wollen. Bei uns sind Musliminnen aller Glaubensrichtungen als
Aktivmitglieder herzlich Willkommen. Passivmitglied können auch Schwestern
anderer Religionen werden.
MM: Abschließende Frage: Was ist Ihr
Wunsch für die Zukunft Ihrer eigenen Kinder in der Schweiz?
Kabbout: Mein Wunsch für die Zukunft meiner
Kinder ist, dass sie als praktizierende Muslime ein Teil der Schweizer
Gesellschaft werden und von dieser anerkannt, akzeptiert und respektiert
werden.
MM:
Frau Kabbout, wir danken Ihnen für das
Interview
Kabbout: Ich bedanke mich herzlich
|