MM: Sehr geehrter Herr Brunn , sie sind seit
15 Jahren engagiert im internationalen christlich-muslimischen Dialog des
Handelns, wie Sie es nennen. Was ist damit gemeint und wie kam es zu Ihrem
Engagement zusammen mit Muslimen?
Brunn: Mein Engagement im Dialog startete im
Jahr 1992. Ich lebte damals noch im Hamburger Multi-Kulti-Viertel Ottensen
und lernte bei der Recherche für Artikel über eine tödliche
ausländerfeindliche Gewalttat in Mölln (23.11.1992)
Mustafa Yoldas, den
heutigen Vorsitzenden des Dachverbandes Hamburger muslimsicher
Organisationen, der SCHURA, kennen. Yoldas und ich waren Nachbarn und haben
von Anfang an das Gefühl gehabt, dass wir zusammen viel für den Dialog
zwischen Christen und Muslimen tun könnten.
Ab 1992 publizierte ich verstärkt zum aus meiner
Sicht verknüpften Thema des christlich-muslimischen Dialogs und der
Integration der Türken in Deutschland. So gründete ich in diesem Jahr die
Zeitschrift für positive Nachrichten Nichts Gutes?, in der u. a.
zukunftsweisende Projekte aus den zuvor genannten Bereichen vorgestellt
wurden, aber auch aus der Entwicklungszusammenarbeit oder dem Umweltschutz.
Yoldas unterstützte mich mit Artikeln und Anzeigenkunden. Gemeinsam
organisierten wir erste Veranstaltungen teils mit Nichts Gutes?, teils der
Islamischen Studentengemeinde als Veranstalter.
Auch als ich 1996 erstmals als Entwicklungshelfer
nach Afrika ging brach der Kontakt nicht ab. Er besuchte mich vielmehr 1998
erstmals im Rahmen der internationalen IGMG-Aktivitäten zum Opferfest in
Uganda und wir begannen es um Elemente des christlich-muslimischen Dialoges,
eben Kurban und Dialog, zu erweitern.
MM: Was war der Anlass für Ihr neues Buch,
und was versuchen Sie darin zu vermitteln?
Brunn: Erstens habe ich im Dialog in 15
Jahren sehr viel erlebt, auch solches von dem ich denke, dass es
nachahmenswert ist. Außerdem haben ja auch viele andere Organisationen,
speziell nach dem 11. September 2001, vernünftige neue Dialogprojekte
gestartet. Ich finde, es wird viel zu viel gemäkelt, was alles schief läuft
zwischen Christen und Muslimen. Ich denke aber vor allem: Gute Programme
sollten bekannter gemacht werden, damit besser die Lehren daraus gezogen
werden können. Und dann dreht es sich ja auch um Menschen. Ich habe einfach
sehr viele mutige Menschen im Dialog kennen gelernt, Christen wie Muslime,
in Europa und Afrika und Asien. Ich fand, dass deren Einsatz mehr Würdigung
verdient. MM:
Nun ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, mit welchen massiven Vorurteile
derzeit der Dialog zwischen Christen und Muslimen belastet ist. Wie konnten
Sie sich davon befreien?
Brunn: Ich denke, dass der Westen sich einen
erstaunlichen Mangel an Respekt gegenüber dem Islam erlaubt, der nicht nur
menschlich nicht wünschenswert ist, sondern auch in Bezug auf unser
nationales wie internationales Zusammenleben höchst unproduktiv ist. Erst
seit dem 11. September 2001 wird dies einerseits stärker empfunden, aber
eben noch zu sehr auf der Ebene von Sicherheitspolitik beantwortet.
Andererseits habe ich selbst in Afrika viele positive Tendenzen erlebt, z.B.
wie sich christliche und muslimische Führer zusammentun, um sich gemeinsam
nationalen Problemen wie Kriegen, undemokratischen Verhältnissen oder der
Ausbreitung der Immunschwäche AIDS entgegenzustellen. Ich fand, das sollte
bekannter gemacht werden.
MM:
Geben Sie uns doch ein Beispiel. Brunn:
Ich weise ja in meinem Buch und anderen Aktivitäten vor allem auf Potentiale
hin, die das Zusammenleben von Christen und Muslimen, Okzident und Orient,
verbessern können. Ich denke, dass da die Entwicklung in der Türkei eine
große Chance ist. Hiermit meine ich zum einen die Entwicklung in der AKP zu
einem moderneren weltoffeneren Islam. Und eben die Orientierung nach Europa
hin.
MM:
Wie kam es zu dem Lob des Ministerpräsidenten der Türkei Recep Tayyip
Erdogan zu ihrem Buch, bzw. wie hat er davon gehört? Brunn: Im Kulturdialog kann die Türkei natürlich eine sehr
positive Rolle zwischen Europa und dem arabischen Raum spielen. Sehr gut
wäre natürlich wenn es zügig weitere Schritte hin zur Demokratisierung des
Landes gibt, auch mehr Freiheit für die christliche Kirche, die
Armenier-Frage wahrhaftiger angegangen wird. Vom Westen her sollte wieder
stärker berücksichtigt werden, was die Türkei schon in den letzten Jahren
getan hat, um sich Europa zu nähern. Hier finde ich die gemeinsame Erklärung
der Außenminister Gül und Steinmeier von Anfang des Jahres für den
Kulturdialog sehr gut. Oder auch dass Alt-Kanzler Gerhard Schröder noch
letztes Jahr auf seine letzten Amtstage zum Iftar-Essen mit führenden
Persönlichkeiten des türkischen Staates nach Ankara geflogen ist. Dass sind
doch wichtige Signale. Natürlich bin ich auch stolz darauf, dass mich Recep
Tayyip Erdoan so für mein Engagement im Dialog gelobt hat. Der Kontakt zu
Ministerpräsident Erdogan wurde über den IGMG-Generalsekretär Oguz Ücüncü
und Mustafa Yoldas hergestellt. MM:
Auch Kardinal Emmanuel Wamala aus Kampala in Uganda hat sich für Ihr Buch
eingesetzt. Wie haben Sie ihn kennen gelernt? Brunn:
In meinen Jahren in Uganda hatte ich einerseits mit den katholischen
Strukturen zu tun in deren Gottesdienste meine Frau und ich gingen. Zu den
muslimischen hatte ich privat Kontakt aufgebaut, weil ich mich auch in
Uganda im Dialog engagieren wollte. Einerseits kam dies in Schwung als die
deutsche Entwicklungsarbeit sich zusehends der Friedensarbeit zuwandte (und
in Uganda ist das interreligiöse Verhältnis auch eine recht politische Sache
und somit eine potentielle Quelle politischer Gegensätze): Jetzt konnte ich
für den Deutschen Entwicklungsdienst Akzente im Dialog setzen; zudem bekam
ich ab 1998 Besuch aus Hamburg von meinem Freund Mustafa Yoldas, der für die
IGMG zum Opferfest im Lande war. Zusammen mit anderen muslimischen und
ugandischen Freunden konnten wir zur innerislamischen Solidaritätsaktion zum
Opferfest eine Dialogkomponente hinzuzufügen: Es ging also auch Opfervieh
und Geldspenden an karitative Institutionen der katholischen Kirche. Beide
Schienen von Aktivitäten kamen sehr gut beim römisch-katholischen Kardinal
von Uganda, Emanuel Wamala an. Er ist sehr in der Friedensarbeit, somit auch
der gemeinsamen Friedensarbeit von Christen und Muslimen engagiert.
Gemeinsam versuchen christliche und muslimische Führer dem Krieg im Norden,
den Krieg zwischen der Lords Resistance Army, die die Menschen ihrer
eigenen Ethnie, der Acholi, im Auftrag der Regierung in Khartum blutig
terrorisiert um die Zentralregierung zu schwächen. Erstmals ging 2006 auch
Fleisch und Spenden aus den Kurban-Aktionen in diese Kriegsregierung. Ganz
toll! MM:
Und wie kam es zu dem Vorwort von Prof. Udo Steinbach? Brunn:
Ich stand mit Herrn Prof. Steinbach, dem Leiter des Deutschen
Orient-Instituts (Hamburg) schon über Jahre im Kontakt. So habe ich ihm
immer wieder meine Erfahrungen in Kooperationen mit muslimischen
Organisationen in Deutschland und Afrika mitgeteilt. Prof. Steinbach ist
meiner Meinung z.B. sehr positiv eingestellt gegenüber Ansätzen der Öffnung
in der IGMG und scheint mir das für sehr wichtig zu halten. Er ist da nicht
unbedingt typisch. Aber ich fand es sehr sympathisch und vernünftig. MM:
Der Dialog muss ja nicht nur in Afrika sondern auch Deutschland stattfinden.
Welche Vorstellungen vertreten Sie hinsichtlich Integration von Muslimen in
Deutschland? Brunn: Ich war dieses
Wochenende auf der Jahrestagung der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland
in Hamburg. Ich fand die Betonung der Fortschritte auf dem Weg der
innerislamischen Einheit sehr gut, denn ohne diese Einheit sind die Muslime
letztlich kein ernstzunehmender Partner für Politik, Kirchen und Wirtschaft.
Ich fand auch die Betonung der Notwendigkeit weiterer Integrationsschritte
auch von Seiten der Migranten wichtig. Die vielen Beispiele gelungener
Initiativen auf die deutsche Bevölkerung zuzugehen, meist natürlich junger
Leute, ob Lifemakers, ob Inssan, ob Bund islamischer Jugend, oder wie von
Herrn El-Zayet vorgestellt, die Moscheen als Clearing-Stelle in Schule oder
beim Bau anderer Moscheen, das alles kann einen doch optimistisch stimmen.
Gerade die Lifemakers sind ein sehr sehr gutes Signal an die deutsche
Bevölkerung. Ich hatte noch die Chance Amr Khaled am Folgetag zu
interviewen. Die Betonung darauf sich flexibel und kreativ zu zeigen um eine
gemeinsame Fläche mit der deutschen nicht-muslimischen Bevölkerung zu
finden: Ich denke, da kann man viel guten Willen auf der Gegenseite
aktivieren. Und ich fand es auch gut, dass er im Interview sagte, ob beim
Kopftuch oder auch bei Konversionen, dass es sich hier um freie
Entscheidungen der betroffenen Menschen handeln muss. MM:
Was ist das Ziel der Tagung, die Sie zusammen mit der Evangelischen Akademie
Loccum vorbereiten? Brunn: Ja, in zwei
Wochen treffen sich dieser inter-religiösen Aktivisten in der Evangelischen
Akademie Loccum zur Tagung Christlich-islamische Bündnisse in Afrika. In
Afrika gibt es nicht nur christlich-muslimische Friedensbündnisse, sondern
auch viele gemeinsame Aktivitäten von christlichen und muslimischen Führern
z.B. gegen die Ausbreitung der Immunschwäche AIDS. In Kenia oder jüngst im
Niger haben sind sie zusammen für die Stärkung der Demokratie eingetreten.
Eingeladen von Brot für die Welt oder Bündnis islamischer Gemeinden kommen
viele afrikanische Gäste um über diese Erfahrungen zu berichten. Da sind
eben auch die christlichen und muslimischen Organisationen die eine
gemeinsame interreligiöse Arbeit in dem Sinn für richtig und wichtig halten.
Ich habe diese Tagung mit vorbereitet und sehe sie als die Tagung zu meinem
Buch "Christentum und Islam ein neuer Dialog des Handelns Begegnungen in
Afrika und Europa", wo es sich ja u.a. genau um diese Ansätze und Projekte
handelt. MM:
Herr Brunn wir danken für das Interview. |