Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Erhard Brunn
 

Muslim-Markt interviewt 
Erhard Brunn, Historiker und Autor des Buches "Christentum und Islam – ein neuer Dialog des Handelns – Begegnungen in Europa und Afrika"

28.11.2006

Erhard Brunn (Jahrgang 1956) hat nach seiner Schulausbildung und Zivildienst in Hamburg Geschichte an der Universität Hamburg studiert. Bereits in seiner Magisterarbeit ("Die Berichterstattung der New York Times über Aktivitäten der CIA in Zentral-Amerika") konnte er sein Geschichtswissen mit seinem frühen Engagement für eine gerechtere Welt verbinden.

Nach seinem Studium war er zunächst als freier Journalist u.a. für “epd-entwicklungspolitik”, sowie mehrere Bistums- und Landeskirchenzeitschriften tätig und ergänzte seine Einkünfte u.a. als Teilzeitkraft bei der Flugsicherung. Später sammelte er als Fachkraft für Informations- und Bildungsarbeit beim Deutschen Entwicklungsdienst Uganda Erfahrungen in Afrika, die er ab 2000 in seine Mitarbeit beim Menschenrechtsbeauftragten der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs in deren Europazentrale in Köln einbrachte. Dort regte er viele praktische Dialoginitiativen an - vor allem gemeinsame Aktivitäten in Bezug auf Afrika. Weitere Tätigkeiten als Referent für Medienarbeit und Entwicklungspolitik bei GERMANWATCH und Berater für Informationsarbeit im gesamtdeutschen Kooperationsprogramm (KfW, GTZ u. DED), DED Niger in Niamey vertieften seine Afrika-Erfahrungen.

Er schreibt u.a für die Deutsche Welle, Entwicklungspolitische Information Nord-Süd, Afrika-Post, Katholische Bistumsblätter wie "der Sonntag" und "der Kirchenbote". Aufbauend auf diese Erfahrungen schrieb er das Buch "Christen und Muslime – ein neuer Dialog des Handelns – Begegnungen in Afrika und Europa". Brunn bereitet gerade mit der Evangelischen Akademie Loccum eine Tagung vor, die er als Tagung zu seinem Buch bezeichnet: Christlich-muslimische Bündnisse in Afrika (8.-10.12.2006).

Erhard Brunn ist verheiratet und lebt in Frankfurt.

MM: Sehr geehrter Herr Brunn , sie sind seit 15 Jahren engagiert im internationalen christlich-muslimischen Dialog des Handelns, wie Sie es nennen. Was ist damit gemeint und wie kam es zu Ihrem Engagement zusammen mit Muslimen?

Brunn: Mein Engagement im Dialog startete im Jahr 1992. Ich lebte damals noch im Hamburger Multi-Kulti-Viertel Ottensen und lernte bei der Recherche für Artikel über eine tödliche ausländerfeindliche Gewalttat in Mölln (23.11.1992) Mustafa Yoldas, den heutigen Vorsitzenden des Dachverbandes Hamburger muslimsicher Organisationen, der SCHURA, kennen. Yoldas und ich waren Nachbarn und haben von Anfang an das Gefühl gehabt, dass wir zusammen viel für den Dialog zwischen Christen und Muslimen tun könnten.

Ab 1992 publizierte ich verstärkt zum aus meiner Sicht verknüpften Thema des christlich-muslimischen Dialogs und der Integration der Türken in Deutschland. So gründete ich in diesem Jahr die Zeitschrift für positive Nachrichten „Nichts Gutes?“, in der u. a. zukunftsweisende Projekte aus den zuvor genannten Bereichen vorgestellt wurden, aber auch aus der Entwicklungszusammenarbeit oder dem Umweltschutz. Yoldas unterstützte mich mit Artikeln und Anzeigenkunden. Gemeinsam organisierten wir erste Veranstaltungen teils mit „Nichts Gutes?“, teils der „Islamischen Studentengemeinde“ als Veranstalter.

Auch als ich 1996 erstmals als Entwicklungshelfer nach Afrika ging brach der Kontakt nicht ab. Er besuchte mich vielmehr 1998 erstmals im Rahmen der internationalen IGMG-Aktivitäten zum Opferfest in Uganda und wir begannen es um Elemente des christlich-muslimischen Dialoges, eben Kurban und Dialog, zu erweitern.

MM: Was war der Anlass für Ihr neues Buch, und was versuchen Sie darin zu vermitteln?

Brunn: Erstens habe ich im Dialog in 15 Jahren sehr viel erlebt, auch solches von dem ich denke, dass es nachahmenswert ist. Außerdem haben ja auch viele andere Organisationen, speziell nach dem 11. September 2001, vernünftige neue Dialogprojekte gestartet. Ich finde, es wird viel zu viel gemäkelt, was alles schief läuft zwischen Christen und Muslimen. Ich denke aber vor allem: Gute Programme sollten bekannter gemacht werden, damit besser die Lehren daraus gezogen werden können. Und dann dreht es sich ja auch um Menschen. Ich habe einfach sehr viele mutige Menschen im Dialog kennen gelernt, Christen wie Muslime, in Europa und Afrika und Asien. Ich fand, dass deren Einsatz mehr Würdigung verdient.

MM: Nun ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, mit welchen massiven Vorurteile derzeit der Dialog zwischen Christen und Muslimen belastet ist. Wie konnten Sie sich davon befreien?

Brunn: Ich denke, dass der Westen sich einen erstaunlichen Mangel an Respekt gegenüber dem Islam erlaubt, der nicht nur menschlich nicht wünschenswert ist, sondern auch in Bezug auf unser nationales wie internationales Zusammenleben höchst unproduktiv ist. Erst seit dem 11. September 2001 wird dies einerseits stärker empfunden, aber eben noch zu sehr auf der Ebene von Sicherheitspolitik beantwortet. Andererseits habe ich selbst in Afrika viele positive Tendenzen erlebt, z.B. wie sich christliche und muslimische Führer zusammentun, um sich gemeinsam nationalen Problemen wie Kriegen, undemokratischen Verhältnissen oder der Ausbreitung der Immunschwäche AIDS entgegenzustellen. Ich fand, das sollte bekannter gemacht werden.

MM: Geben Sie uns doch ein Beispiel.

Brunn: Ich weise ja in meinem Buch und anderen Aktivitäten vor allem auf Potentiale hin, die das Zusammenleben von Christen und Muslimen, Okzident und Orient, verbessern können. Ich denke, dass da die Entwicklung in der Türkei eine große Chance ist. Hiermit meine ich zum einen die Entwicklung in der AKP zu einem moderneren weltoffeneren Islam. Und eben die Orientierung nach Europa hin.

MM: Wie kam es zu dem Lob des Ministerpräsidenten der Türkei Recep Tayyip Erdogan zu ihrem Buch, bzw. wie hat er davon gehört?

Brunn: Im Kulturdialog kann die Türkei natürlich eine sehr positive Rolle zwischen Europa und dem arabischen Raum spielen. Sehr gut wäre natürlich wenn es zügig weitere Schritte hin zur Demokratisierung des Landes gibt, auch mehr Freiheit für die christliche Kirche, die Armenier-Frage wahrhaftiger angegangen wird. Vom Westen her sollte wieder stärker berücksichtigt werden, was die Türkei schon in den letzten Jahren getan hat, um sich Europa zu nähern. Hier finde ich die gemeinsame Erklärung der Außenminister Gül und Steinmeier von Anfang des Jahres für den Kulturdialog sehr gut. Oder auch dass Alt-Kanzler Gerhard Schröder noch letztes Jahr auf seine letzten Amtstage zum Iftar-Essen mit führenden Persönlichkeiten des türkischen Staates nach Ankara geflogen ist. Dass sind doch wichtige Signale. Natürlich bin ich auch stolz darauf, dass mich Recep Tayyip Erdoan so für mein Engagement im Dialog gelobt hat. Der Kontakt zu Ministerpräsident Erdogan wurde über den IGMG-Generalsekretär Oguz Ücüncü und Mustafa Yoldas hergestellt.

MM: Auch Kardinal Emmanuel Wamala aus Kampala in Uganda hat sich für Ihr Buch eingesetzt. Wie haben Sie ihn kennen gelernt?

Brunn: In meinen Jahren in Uganda hatte ich einerseits mit den katholischen Strukturen zu tun in deren Gottesdienste meine Frau und ich gingen. Zu den muslimischen hatte ich privat Kontakt aufgebaut, weil ich mich auch in Uganda im Dialog engagieren wollte. Einerseits kam dies in Schwung als die deutsche Entwicklungsarbeit sich zusehends der Friedensarbeit zuwandte (und in Uganda ist das interreligiöse Verhältnis auch eine recht politische Sache und somit eine potentielle Quelle politischer Gegensätze): Jetzt konnte ich für den Deutschen Entwicklungsdienst Akzente im Dialog setzen; zudem bekam ich ab 1998 Besuch aus Hamburg von meinem Freund Mustafa Yoldas, der für die IGMG zum Opferfest im Lande war. Zusammen mit anderen muslimischen und ugandischen Freunden konnten wir zur innerislamischen Solidaritätsaktion zum Opferfest eine Dialogkomponente hinzuzufügen: Es ging also auch Opfervieh und Geldspenden an karitative Institutionen der katholischen Kirche. Beide Schienen von Aktivitäten kamen sehr gut beim römisch-katholischen Kardinal von Uganda, Emanuel Wamala an. Er ist sehr in der Friedensarbeit, somit auch der gemeinsamen Friedensarbeit von Christen und Muslimen engagiert. Gemeinsam versuchen christliche und muslimische Führer dem Krieg im Norden, den Krieg zwischen der Lord’s Resistance Army, die die Menschen ihrer eigenen Ethnie, der Acholi, im Auftrag der Regierung in Khartum blutig terrorisiert um die Zentralregierung zu schwächen. Erstmals ging 2006 auch Fleisch und Spenden aus den Kurban-Aktionen in diese Kriegsregierung. Ganz toll!

MM: Und wie kam es zu dem Vorwort von Prof. Udo Steinbach?

Brunn: Ich stand mit Herrn Prof. Steinbach, dem Leiter des Deutschen Orient-Instituts (Hamburg) schon über Jahre im Kontakt. So habe ich ihm immer wieder meine Erfahrungen in Kooperationen mit muslimischen Organisationen in Deutschland und Afrika mitgeteilt. Prof. Steinbach ist meiner Meinung z.B. sehr positiv eingestellt gegenüber Ansätzen der Öffnung in der IGMG und scheint mir das für sehr wichtig zu halten. Er ist da nicht unbedingt typisch. Aber ich fand es sehr sympathisch und vernünftig.

MM: Der Dialog muss ja nicht nur in Afrika sondern auch Deutschland stattfinden. Welche Vorstellungen vertreten Sie hinsichtlich Integration von Muslimen in Deutschland?

Brunn: Ich war dieses Wochenende auf der Jahrestagung der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland in Hamburg. Ich fand die Betonung der Fortschritte auf dem Weg der innerislamischen Einheit sehr gut, denn ohne diese Einheit sind die Muslime letztlich kein ernstzunehmender Partner für Politik, Kirchen und Wirtschaft. Ich fand auch die Betonung der Notwendigkeit weiterer Integrationsschritte auch von Seiten der Migranten wichtig. Die vielen Beispiele gelungener Initiativen auf die deutsche Bevölkerung zuzugehen, meist natürlich junger Leute, ob Lifemakers, ob Inssan, ob Bund islamischer Jugend, oder wie von Herrn El-Zayet vorgestellt, die Moscheen als Clearing-Stelle in Schule oder beim Bau anderer Moscheen, das alles kann einen doch optimistisch stimmen. Gerade die Lifemakers sind ein sehr sehr gutes Signal an die deutsche Bevölkerung. Ich hatte noch die Chance Amr Khaled am Folgetag zu interviewen. Die Betonung darauf sich flexibel und kreativ zu zeigen um eine gemeinsame Fläche mit der deutschen nicht-muslimischen Bevölkerung zu finden: Ich denke, da kann man viel guten Willen auf der Gegenseite aktivieren. Und ich fand es auch gut, dass er im Interview sagte, ob beim Kopftuch oder auch bei Konversionen, dass es sich hier um freie Entscheidungen der betroffenen Menschen handeln muss.

MM: Was ist das Ziel der Tagung, die Sie zusammen mit der Evangelischen Akademie Loccum vorbereiten?

Brunn: Ja, in zwei Wochen treffen sich dieser inter-religiösen Aktivisten in der Evangelischen Akademie Loccum zur Tagung „Christlich-islamische Bündnisse in Afrika“. In Afrika gibt es nicht nur christlich-muslimische Friedensbündnisse, sondern auch viele gemeinsame Aktivitäten von christlichen und muslimischen Führern z.B. gegen die Ausbreitung der Immunschwäche AIDS. In Kenia oder jüngst im Niger haben sind sie zusammen für die Stärkung der Demokratie eingetreten. Eingeladen von Brot für die Welt oder Bündnis islamischer Gemeinden kommen viele afrikanische Gäste um über diese Erfahrungen zu berichten. Da sind eben auch die christlichen und muslimischen Organisationen die eine gemeinsame interreligiöse Arbeit in dem Sinn für richtig und wichtig halten. Ich habe diese Tagung mit vorbereitet und sehe sie als die Tagung zu meinem Buch "Christentum und Islam ­ ein neuer Dialog des Handelns ­ Begegnungen in Afrika und Europa", wo es sich ja u.a. genau um diese Ansätze und Projekte handelt.

MM: Herr Brunn wir danken für das Interview.

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