Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Dr. Falkenhagen
 

Muslim-Markt interviewt 
Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen, Mitbetreiber des Goethe-Stübchens

15.9.2006

(Nachtrag: Dr. Falkenhagen ist im August 2012 dahingeschieden)

Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen wurde 1932 in Köln geboren und lebte ab 1936 in Radebeul bei Dresden. 1943 trat er in ein Gymnasien ein. Im Februar 1945 erlebte er die drei aufeinander folgenden Bombenangriffe auf Dresden.

Nach dem Abitur 1951 in Rostock studierte er Ökonomie und slawische Sprachen und war seit 1957 bis 1995 im öffentlichen Dienst tätig, insbesondere als Übersetzer, Dokumentalist und Länderbearbeiter.

Er arbeitete in Auslandsinformationsabteilungen von Ministerien der ehemaligen DDR, zuletzt im Ministerium der Finanzen und für die Staatsbank der DDR.  Seine Arbeitssprachen sind auch Englisch, Französisch und Rumänisch. Übersetzt hat er aus 12 Fremdsprachen, davon 9 slawische Sprachen. Er hat auch als Buchübersetzer für Verlage und als Journalist für Wirtschaftszeitungen gearbeitet. Seine Promotion erfolgte in diesem Rahmen.

Von 1990 bis 1995 war er Referent in einem Referat für ausländische Finanzen und Steuern des Bundesministeriums für Finanzen und dabei zuständig für sog. postkommunistische Staaten. Nach Eintritt in das Rentenalter 1997 suchte er sich neue Interessengebiete und arbeitete als Sprachmittler und Journalist weiter für Zeitungen, Fachzeitschriften für Osteuropa und für Steuerrecht und ist Mitbetreiber der Homepage "Goethe-Stübchen".

Seit den 70er Jahren  bekennt er sich zum Islam.

Dr. Falkenhagen ist verheiratet und hat zwei Kinder.

MM: Sehr geehrter Herr Falkenhagen, lassen Sie uns mit Ihrer Jugendzeit anfangen. Als junger Gymnasiast haben sie die Bombardements Dresdens miterlebt, was ist ihre Erinnerung daran?

Falkenhagen: Derartige Barbareien durch Luftterror waren mir bis zu dem Zeitpunkt absolut unvorstellbar. Später erfuhr ich allerdings auch, welche Verbrechen die Nazis begangen hatten, die ich ebenfalls verabscheuen lernte. So wurde ich Antifaschist.

MM: Worin sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer antifaschistischen Einstellung heute?

Falkenhagen: Die USA-Kriege führten mich zum Thema Friedenskampf. Es wurde für mich zur moralischen Selbstverständlichkeit, mich für den Friedenskampf einzusetzen. Als Washington seine Kriege gegen die islamischen Völker als Wirtschaftskrieg und Welteroberungskrieg, camoufliert als ideologischer Glaubenskrieg und Antiterrorkrieg, begann, erblickte ich darin nicht nur schlechthin eine Gefahr für den Weltfrieden, sondern die weltgeschichtlich bisher größte Gefahr für die Existenz der Menschheit. Wir leben seit 1945 im Atomzeitalter. Unbegreiflich ist die Denkweise eines Mister Bushs, denn gerade das Atomzeitalter gebietet mehr denn je Völkerverständigung, Frieden und Toleranz zwischen den Völkern, Weltanschauungen und Religionen.

MM: Sie haben in diesem Zusammenhang auch die DDR überlebt ...

Falkenhagen: Die UdSSR, die DDR und andere sozialistische Staaten brachen 1989/1990 bis 1991 zusammen. Dem Kapitalismus und seiner Gier nach Geld und Eigentum ohne Rücksicht auf Moral stehe ich kritisch gegenüber. Den Kapitalismus, insbesondere gegenwärtig in seiner Ausprägung als Neoliberalismus, sehe ich als Raubtierkapitalismus und ständige Quelle von Krieg, sozialen Verwerfungen, Elend und Völkermord an, der durch eine Gesellschaftsordnung mit moralischen Prinzipien der Gerechtigkeit ersetzt werden muss. Deswegen bin ich auch Anhänger des Islam.

Ich habe 1994 zusammen mit einem Dozenten der Humboldtuniversität unter dem Pseudonym J. Goldammer und E. Friedweg das Buch „Der Betrogene Osten“ veröffentlicht. Das Buch verglich die Illusion der Wendezeit und seine Wirklichkeit. Es enthält eine Analyse des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbrauchs im Osten.

MM: Wie fanden Sie denn zum Islam, hing es mit Ihrem antifaschistischen Einsatz zusammen?

Falkenhagen: Ich bekenne mich zum Islam schon seit den 70er Jahren, als ich in der ehemaligen DDR in einem Buchladen eine Koranausgabe in Deutsch erwarb und die Schrift des Propheten las. Als ich das Buch von Samuel P. Huntington „Kampf der Kulturen“ gelesen hatte, das bereits 1996 die De facto-Kriegserklärung gegen den Islam sowie andere den USA nicht genehme Kulturen und Staaten beinhaltete, war mir klar, dass das kein Mensch mit Moral und politischem Anstand mitmachen darf. Sehr beeindruckt hat mich das 2003 herausgegebene Buch von Dr. Yavuz Özoguz und Dr. Gürhan Özoguz „Wir sind 'fundamentalistische Islamisten' in Deutschland“. Das ist für mich ein Leitfaden.

MM: Sind Sie denn vorher schon religiös gewesen?

Falkenhagen: Nun bin ich von meinem Elternhaus her Lutheraner, also protestantischer Christ. Ich bin aber im Sinne Martin Luthers gegen das reaktionäre Kirchenwesen, wie es sich heute unter so genannten christlichen Kirchenführungen erneut ausbreitet. Auf der Universität habe ich, wie jeder Student der früheren DDR eine Ausbildung in Dialektischen und Historischen Materialismus erfahren. Den Materialismus habe ich allerdings immer abgelehnt, weil er dem Menschsein nicht gerecht wird. Ich erkenne aber die Dialektik und den Historismus an. Die Dialektik geht nicht nur auf den Philosophen Hegel zurück, seine Elemente findet man m. E. schon im Koran, z. B. die Betrachtung und Analyse der Geschehnisse in größeren Zusammenhängen oder in ihrer Entwicklung. Mohammed, der Prophet, war auch ein meisterhafter Stratege und Taktiker. Er wusste Gegensätze unter seinen satanischen Feinden dialektisch klug für die Kräfte des Fortschritts und des wahren Glaubens zu nutzen und strategisch und taktisch effiziente Bündnisse abzuschließen sowie für den Islam schädliche Animositäten zu unterbinden. Die großen islamischen Gelehrten des Islams wie Avicenna oder Averroes waren auch Historiker und Rechtsgelehrte. Sie lehrten zu einer Zeit, als der Islam an der Spitze des mathematisch- naturwissenschaftlichen, medizinischen, technischen, rechtswissenschaftlichen, kulturellen und philosophischen Fortschritts in der ganzen Welt stand und über die beste Militärtechnik verfügte. Da war die Zeit bis zum XVII. - XVIII. Jahrhundert. An diese Traditionen wird heute z. B. in der Islamischen Republik Iran, Allah sei Dank, wieder angeknüpft.

Was die Glaubensrichtungen des Islams anbetrifft, so trete ich für einen einheitlichen Islam ein. Spaltungen werden von den Imperialisten und Kolonialmächten immer nur dazu benutzt, das Prinzip des „Teile und Herrsche“ anzuwenden. Ich bekenne mich zum Dschadidismus (von dem arabischen Wort Dschadid = Erneuerung, Reform). Es gibt andere analoge Richtungen. Der Begriff Dschadidismus ist in Russland verbreitet. Er predigt Toleranz und Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen der Naturwissenschaft und Technik, auch der Gesellschaftswissenschaften, soweit sie nicht den göttlichen Prinzipien der Moral widersprechen und die Dekadenz fördern, d.h. sie müssen dem Ziel entsprechen, in jeder Hinsicht im Sinne der Schöpfung und des Allmächtigen konstruktiv zu wirken. In diesem Sinne bekenne ich mich auch zu Khomeini.

MM: Widersprach ihr Bild vom Islam nicht der öffentlichen Darstellung bezüglich Terrorismus?

Falkenhagen: Nun wird der Islam auch besonders in Deutschland immer mehr mit Rückständigkeit und sogar Terror gleichgesetzt. Das ist wohl die niederträchtigste Verleumdung, die ich kenne. Der Islam ist eine Religion des Humanismus und der Gerechtigkeit. Der Islam tritt für die Freiheit und demokratische Souveränität der Völker in einer harmonisch und friedlich zusammenlebenden Völker- und Staatengemeinschaft ein. Er tritt jeglicher Diskriminierung entgegen, wie sie gegenwärtig von der auf tönernen Füßen stehenden Supermacht des Satans, den USA, beispielsweise gegen den Iran oder den Sudan praktiziert wird. Ich will aber betonen, dass ich kein Antiamerikaner bin, ich stimme mit den fortschrittlich und human denkenden Amerikanern überein. Ich habe viel über Amerika gelesen und dort, wie viele Deutsche, auch Verwandte.

Befreiungskämpfe der Völker gegen Kolonisatoren und Aggressoren sind im Sinne des Völkerrechts legitim. Wenn man die dem Terrorismus zuordnet, müssten die US-Amerikaner selbst ihre eigenen Unabhängigkeitskriege gegen die Briten und z. B. die Organisation „Sons of Liberty“ und den Teesturm in Boston am 16. 12. 1773 dem Terrorismus zuordnen. Befreiungskämpfe und Befreiungsrevolutionen sind immer Kämpfe für die Wahrung oder Herstellung der Würde des Menschen, für soziale Gerechtigkeit und damit für den nachhaltigen Frieden unter den Menschen gewesen. Terrorismus wird vom Islam entschieden abgelehnt.

Was den Terrorismus betrifft, so ist derzeit sein Hauptträger die Supermacht des Satans. Sie initiiert und inszeniert gemeinsam mit verbrecherischen skrupellosen Vasallen weltweit Angriffskriege und Terrorakte der schlimmsten Art, sei es in Form von barbarischen Bombardements und Massentötungen von Zivilisten oder sei es, dass er jetzt im Sinne des „Teile und Herrsche“ versucht beispielsweise im Irak Sunniten gegen Schiiten gegeneinander zu hetzen, indem er sich Killerbanden bedient und diese bezahlt. Bei Terrorakten muss man heute genau hinsehen, um ihre Urheberschaft zu erkennen, und sie kriminalistisch analysieren, weil der erste Anschein hier täuschen kann.

MM: Auch beim 11. September?

Falkenhagen: Viele Publizisten des Humanismus und der Aufklärung haben Bücher über den 11. September 2001 geschrieben. Ich denke u.a. an Andreas von Bülow, Gerhard Wisnewski, Christian Guthart, Mathias Bröckers, Christian C. Walther, den Franzosen Thierry Meyssan oder die US-Amerikaner Dylon Avery, Prof. Jones, Jonathan May, letzterer hat u.a. mit der Zeitschrift „Matrix“ vom April 2006 seine „Confronting the evidence“ auch als CD in Umlauf gebracht. Von ihnen habe ich gelernt, die Hintergründe solcher selbstinszenierter Staatsterrorakte zur Rechtfertigung von Aggressionskriegen zu erkennen. Mit dem beweisfähigen Wissen dieser Persönlichkeiten und weiteren Erkenntnissen habe ich 2003 ebenfalls ein solches Buch mit dem Titel „Die Wahrheit stirbt nicht“ veröffentlicht. Es liegt auch in einer wesentlich erweiterten Neufassung vor. Beweise über die wirklichen Ablauf dieser Terrorakte vom 11. September gegen das eigene Volk gibt es genügend. Sie reichen für einen Gerichtsprozess aus. In 2-3 Jahren wird das auch von US-Amerikanern, die die Beweise vor Ort zusammengetragen haben, öffenlichkeitswirksam gemacht und vor Gericht gebracht werden, wenn George W. Bush nicht mehr US-Präsident ist.

Die Einzelbeweise über die wirklichen Täter fallen im Detail bis heute en masse an. Ein solches Detail: Es wurde in allen kritischen und hinterfragenden Büchern und anderen Dokumentationen zu 9/11 unter Hunderten anderer Fragen z. B. die Frage aufgeworfen: wo sind die beweisfähigen Flugzeugtrümmer von Boeing 767 AA Flug 11, Boeing 767 UA Flug 175, AA Boeing 757 Flug 77 und Boeing 757 UA Flug 93 sowie die identifizierten Leichenteile der angeblichen arabischen Flugzeugentführer sowie der Flugpassagiere und Besatzungsmitglieder (crews)? Sie fehlen bis heute. Im Wochenmagazin „Focus“ vom 4. September 2006 steht auf Seite 173, dass in der provisorischen 9/11-Gedenkstätte in der Nähe des East River am Franklin D. Roosevelt Drive in New York vom gerichtsmedizinischen Institut in Kühlcontainern 13 790 bis jetzt unidentifizierte Körperteile von 9/11-Opfern aufbewahrt werden, die man schon längst mit DNA-Techniken leicht auch den angeblichen arabischen Terroristen oder allgemein den Flugzeuginsassen hätte zuordnen können. Aber die US-Administration will auf Biegen und Brechen vertuschen, dass in das World Trade Center und ins Pentagon in Wirklichkeit, wie zweifelsfrei bewiesen, ferngesteuerte Drohnen (Flugkörper ohne Menschen) hineingeflogen sind. Da wären umfassende DNA-Test für die Bush-Administration nur selbstentlarvend.

Das Geflecht der satanischen Lügen über 9/11 wie auch der unzähligen anderen Lügen und Täuschungen der Menschheit seitens der Bush-Administration wird keinen Bestand haben.

MM: Als muslimischer Bürger erhält man derzeit ein widersprüchliches Bild des Ostens der Republik. Die persönlichen Begegnungen verstärken das Bild, dass das politische Bewusstsein und insbesondere antifaschistische und antiimperialistische Einstellungen bei ostdeutschen Bürgern stärker ausgeprägt sind. Andererseits haben Neonazis offenbar dort einen größere Zulauf. Wie würden Sie diesen Widerspruch erläutern?

Falkenhagen: Der Antiimperialismus der Ostdeutschen ergibt sich logisch aus der jahrzehntelangen Erziehung zum Antikapitalismus und Antiimperialismus. Er ergibt sich auch aus persönlichen Erfahrungen. Die Geschichte des Kolonialismus, der nationalen Befreiungskämpfe und alles, was damit im Zusammenhang steht, wurden schon beginnend an den Grundschulen der DDR ausführlich gelehrt. Das war Bestandteil der Erziehung in Kinder- und Jugendorganisationen und auch aller politischen Organisationen und Parteien, übrigens nicht nur der SED, sondern auch der CDU, NDPD, LDPD und Bauernpartei. Da blieb selbst bei Leuten, die in Opposition zur DDR gerieten, viel hängen. Man kann zum Kommunismus und Sozialismus stehen wie man will, sie waren immerhin angetreten als Befreiungsideologie, als Ideologie der Befreiung von sozialem Elend, von Ausbeutung und sozialer Diskriminierung, auch als Ideologie der nationalen Befreiung von Unterdrückung und Kolonialismus, die derzeit wieder unter USA-Regie ihre Renaissance erleben. Ein Makel war der Atheismus von Karl Marx, der aber schon beginnend mit Stalin nie so genau genommen wurde. So protegierte Stalin die Orthodoxe Kirche. Hingegen waren Trotzki und sein Anhang entschiedene Gegner des Christentums und des Islams.

Was die Rolle der Neonazis betrifft, so spielen die im Osten m.E. keine größere Rolle als im Westen Deutschlands. NPD, Republikaner und DVU waren auch in Westdeutschland schon in Länderparlamenten und Kommunen vertreten. Ihr Pressewesen liegt hauptsächlich im Westen. Deutschland wurde im 2. Weltkrieg von den deutschen Nationalsozialisten auf Grund rassistischer Überheblichkeit, Größenwahn und politischer Dummheit in den Untergang geführt. Hinzukamen die großen Verbrechen des Nationalsozialismus bis zu Auschwitz und den Holocaust an den Juden. Hitler war zeitweilig der politische Exponent und Vollstrecker des Willens des deutschen Großkapitals, wie es heute in Bezug auf das Amerikanische und Internationale Großkapital Leute wie George W. Bush sind. Diese tendieren auch zu faschistoiden bis zu faschistischen Unterdrückungsmethoden und zur Aushebelung der politischen Grundrechte. Soziale Grundrechte werden von ihnen ohnehin abgelehnt. Sie führen völkerrechtswidrige Angriffskriege genauso wie Hitler. Es gibt nicht nur die Abwesenheit sozialer Grundrechte in den USA und u.a. zunehmend in der BRD, auch die politischen Grundrechte werden mehr und mehr beschnitten. Dazu bedarf es auch in Deutschland, wie sich zeigt, keiner NPD. Politische - faschistische - Unterdrückung resultiert aus den Gesetzmäßigkeiten der Herrschaft des Großkapitals. Und wenn die deutschen Nationalsozialisten gegenüber den reinrassischen Germanen oder so genannten Ariern sozial engagierter waren als das heute neoliberale Regierungen sind, so ergab sich das aus den Erfordernissen der damaligen Zeit, aber auch eben aus dem nationalen Rassismus. Man brauchte schließlich sehr viele willige Soldaten und Arbeiter, die im Zeitalter der Massenarmeen und Massenrüstungen auch sozial ruhig gestellt werden mussten. Falls ich Rechtsextremen begegnet bin, habe ich gesagt, dass man an diese Tradition nicht mehr anknüpfen kann, wenn ich auch Bekenntnisse zur nationalen Identität nicht grundsätzlich ablehne.

Befasst habe ich mich auf Grund meiner Sprachkenntnisse mehr mit den nationalistischen Parteien in der Slowakei und in der Ukraine, die dort auch in der Regierungszentrale eine große Rolle spielen. Verwundert hat mich z. B., dass die Deutsche Bundesregierung zur Zeit der "Orangenen Revolution" die Zusammenarbeit der NPD und der Republikaner mit den westukrainischen Nationalisten, die im Dezember 2004 auf dem Kiewer Maidan eine große Rolle spielten, unterstützt hat, obwohl sie die in Deutschland so vehement zu bekämpfen vorgab. Generell will ich aber feststellen, dass die NPD und andere so genannte rechtsextreme Parteien in Deutschland eine politische Randerscheinung sind. Ich denke auch nicht, dass nationaler Rassismus die entscheidende Basis der NPD und DVU im Osten ist, sondern soziale Not und Verzweifelung, die sich auch falsche Auswege suchen können. Es gibt auch viele Bürgerinnen und Bürger, die auch bei den Rechten auf Wahlzetteln nur aus reiner Frustration ein Kreuz machen, weil sie von den etablierten Parteien tief enttäuscht sind.

MM: Gab es eigentlich auch zu DDR-Zeiten deutsche Muslime in der DDR?

Falkenhagen: Die gab es auch im Zusammenhang damit, dass in der ehemaligen DDR sehr viele Palästinenser, auch Bürger anderer islamischer Staaten Asyl oder einen vorübergehenden, bisweilen auch dauerhaften Aufenthaltsort fanden. Einige wurden auch Staatsbürger der DDR. Es gab viele Studenten und Berufsschüler aus diesen Ländern. Das schafft auch religiöse Bindungen. Es gab bei DDR-Bürgern ein lebhaftes Interesse an islamischen Fragen auch im Zusammenhang damit, dass die RGW-Staaten wirtschaftliche und auch militärische Hilfe an die arabischen und andere islamische Staaten leisteten. Das Schicksal der Palästinenser erzeugte auch große menschliche Sympathien. Da wurden viele Bekenntnisse abgelegt. Mir ist allerdings über offizielle islamische Organisationen von DDR-Bürgern nichts bekannt. Bekenntnisse zum Islam fanden mehr informell statt. So trafen sich Sympathisanten arabischer Staaten, die sich nicht nur für die Wirtschaft, den Außenhandel und das Militärwesen interessierten. Das eine ergibt das andere. Nun herrschte in der DDR wie in allen sozialistischen Staaten der Marxismus-Leninismus als Grundideologie. Das machte es für ein SED-Mitglied und auch andere Bürger schwierig, hier offene Bekenntnisse zum Islam abzulegen. Etwas anders war es in der Sowjetunion. Hier konnte man in den islamisch geprägten Sowjetrepubliken und autonomen Republiken als bekennender Muslim auch Mitglied der RKP (B), der WKP (B), später KPdSU sein. Da ging noch auf einen in der Öffentlichkeit kaum bekannten Sondererlass von Stalin zurück, als dieser noch Volkskommissar (Unionsminister) für Nationalitätenfragen war, der nie offiziell zurückgenommen wurde. Das schloss nicht aus, dass Muslime unter politisch-ideologischen Druck gerieten. Traten sie gegen das kommunistische Regime auf, konnten sie, wie in diesem Fall jeder andere Bürger, strafrechtlich verfolgt werden.

Hätten in der Sowjetunion aber für Muslime nicht gewisse religiöse Freiheiten bestanden, hätte, um nur ein Beispiel zu nennen, der jetzige Staatspräsident von Usbekistan Islam Abduganijewitsch Karimow nie in der KPdSU und in der Sowjetrepublik Usbekistan Karriere machen können. Er studierte Maschinenbau und Volkswirtschaft, war Flugzeugbauingenieur und wurde dann ab 1964 KPdSU-Funktionär, hoher Funktionär der Staatlichen Plankommission, Finanzminister, Stellvertretender Ministerpräsident, zum Schluss Parteisekretär dieser Sowjetrepublik.

Was die DDR-Regierung anbetrifft, so hatte diese nie Probleme mit dem Islam. Wenn ich mal auf meiner Arbeitstelle den Koran auf den Schreibtisch legte, erweckte das nur neugieriges Interesse mit Bemerkungen: "Lies uns doch mal eine Sure vor". Politisch-religiöse Probleme hatten die SED-Funktionäre und die Regierungsstellen im Wesentlichen nur mit den evangelischen Kirchen, von denen viele Pfarrer sehr konterrevolutionär-rebellisch auftraten. So war auch die Bibel auf Arbeitstellen nicht gerne gesehen.

MM: Wir Kommen nun zum Goethe-Stübchen, an dem Sie im Internet maßgeblich beteiligt sind. Was ist die Intention jener Homepage?

Falkenhagen: Die Antwort steht im Impressum dieser Homepage. Das Goethestübchen steht im Sinne des west-östlichen Diwans von Johann Wolfgang von Goethe für Völkerverständigung, Völkerfreundschaft, Demokratie, Menschenrechte und Frieden, gegen Krieg und Gewalt, Terrorismus, religiöse Intoleranz und soziale Ausbeutung. Wir treten für gleichberechtigte Beziehungen zwischen den Weltanschauungen und Religionen ein. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in seiner wörtlichen Auslegung ohne Vorbehalte ist für uns oberster Maßstab und Orientierungsfaden der Veröffentlichungen. Wir lassen uns im Sinne des Grundgesetzes über die freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung aus allen UNO-Staaten leiten. Wir bekämpfen jegliche Form des Rassismus und Antisemitismus - wobei Juden und Araber ethnologisch als Semiten gelten - und treten für das uneingeschränkte und bedingungslose Existenzrecht Israels neben einem gleichberechtigten palästinensischen Staat ein. Wir sind für die Freiheit der sachlichen Kritik und wollen Denkanstöße gaben.

MM: Können Sie sich denn auch einen gemeinsamen Staat von Juden, Christen und Muslimen im Heiligen Land vorstellen?

Falkenhagen: Laut einer Statistik (s. z. B. „Der Fischer Weltalmanach“ von 2006, Seite 237-238) gibt es unter 6,7 Mio. israelischen Staatsbürgern 19 % Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit, ferner als Moslems Tscherkessen und Türken. 2,1 % der Bevölkerung sind Christen, 15,8 % Muslime und 1,6 % Drusen. Ostjerusalem wurde von Israel offiziell annektiert. Israel hat keine geschriebene Verfassung, die das Zusammenleben der Ethnien und Religionen regelt. Im Westjordanland und im Gaza-Streifen leben etwa 3,4 Mio. Palästinenser, es leben ferner 230 000 Palästinenser auf offiziellen israelischem Staatsgebiet. Wenn Westjordanland und der Gaza-Steifen mit Israel vereinigt würden, müsste es natürlich eine geschriebene säkulare Verfassung geben, die das Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen im Heiligen Land regelt. Wenn ein selbständiger Staat Palästina gebildet wird, wie wir es alle wollen und wie es u.a. die Road Map vorsieht, könnten dort natürlich Palästinenser (Muslime), Christen und Juden zusammenleben, unabhängig davon ob sich dieser Staat eine säkulare oder islamisch geprägte Verfassung gibt. Historisch gesehen, haben in islamischen Staaten Muslime mit Juden und Christen weit über 1200 Jahre zusammengelebt. Das ist z. B. in Marokko der Fall. Zum friedlichen Zusammenleben muss nur der Wille vorhanden sein. Ein friedliches Zusammenleben setzt gleiche Rechte für jedermann vor dem Gesetz voraus. Es darf kein willkürliches Töten geben, wie es derzeit z. B. im Gaza-Streifen der Fall ist. Dann müssten sich wie alle anderen Bürger auch Israelis vor Gericht dafür verantworten.

MM: Sie übersetzen oft Nachrichten aus Ländern, aus denen üblicherweise die "westliche Welt" kaum Nachrichten bringt. Wie schätzen Sie das Interesse an jenen Nachrichten ein?

Falkenhagen: Nachrichten bringen wir im Goethestübchen wobei wir uns auf politisch interessante, auch so genannte brisante Nachrichten aus anderen Staaten orientieren. Wir können hier, wie man so sagt, eine Marktlücke schließen und haben auch sehr hohe Anklickraten darauf. Natürlich ist das auch mit Problemen verbunden. Es gibt ja schon aus dem alten Griechenland die Berichte von den Überbringern schlechter (unangenehmer) Nachrichten, die bisweilen hingerichtet wurden, weil die Informationen den Mächtigen nicht passten. Aus der Bibel stammt der Begriff Hiobsbotschaft. Hiob wurde allerdings deswegen nicht hingerichtet, da es ja immer ihn selbst traf. Nun verbreitet unser Nachrichtenportal keine Schockmeldungen und wir betreiben auch keine Sensationshascherei. Wir versuchen aber schon den Umstand zu berücksichtigen, dass die Fernsehsender und die etablierte Presseorgane Deutschlands Nachrichten zunehmend meiden, die auf die Bevölkerung politisch negativ wirken könnten. Es gibt grobe Falschdarstellungen oder einseitige Darstellungen von Sachverhalten, die beabsichtigt, aber nicht hinnehmbar sind. Ich habe schon als Jugendlicher solche Praktiken bei den Nazis festgestellt, obwohl die noch nicht so weit gingen, die Heldentode ihrer Soldaten zu verschweigen. Über Gesamtverluste berichteten die allerdings auch nicht. In der BRD werden immer wieder gezielt außenpolitische Informationen von den Medien ferngehalten, die die Bevölkerung zum Nachdenken über die Frage Kriegs- oder Friedenspolitik veranlassen könnten. Über die gewaltigen Risiken der geplanten Auslandseinsätze der Bundeswehr wird so gut wie nicht berichtet. Man berichtet sogar in letzter Zeit schon nicht mehr über Zwischenfälle, mit denen die Bundeswehr in Afghanistan konfrontiert ist.

Über den äußerst peinlichen Vorfall der versuchten Anlandung amerikanischer Truppen auf der Krim im Juni diesen Jahres zwecks Durchführung eines verfassungswidrig mit dem inzwischen weitgehend entmachteten ukrainischen Staatspräsidenten Juschtschenko vereinbarten Militärmanövers und die beabsichtigte Errichtung eines Militärstützpunktes der USA wurde nicht berichtet, offensichtlich weil die Amerikaner von aufgebrachten Demonstranten und bewaffneten Kosaken, unterstützt durch Parlamentsresolutionen, gezwungen wurden, sich wieder einzuschiffen. Diesmal wagte die Bush-Administration nicht die bewaffnete Konfrontation. Natürlich sagen manche jetzt, das sei mit Rücksicht auf Russland geschehen, das in Washington gewaltig protestiert hatte, aber protestiert hatte dagegen auch eine Mehrheit im Parlament der Krim und auch eine Mehrheit im Kiewer Parlament. Auch die muslimischen Krimtataren hielten nichts von Okkupanten aus den islamfeindlichen USA. Und das Scheitern der in den Westmedien noch bis 2005 frenetisch gefeierten Orangenen Revolution in der Ukraine, die keines ihrer Versprechen erfüllt hat, ist in der deutschen Medienlandschaft so heruntergefahren worden, dass kaum ein Bundesbürger diesen Vorgang zur Kenntnis nehmen konnte. Über solche Vorgänge erfährt man dann leider nur über ausländische Presseerzeugnisse oder Radiosendungen in fremden Sprachen, die die wenigsten verstehen.

Wir versuchen natürlich auch, den vielen primitiv dümmlichen Verleumdungen über so genannte Schurkenstaaten - zu solchen werden immer die nächsten ins Visier genommenen Aggressionsopfer erklärt - mit sachlichen Informationen entgegenzutreten. So haben wir in einer Information sachlich über Weißrussland berichtet, das zeitweilig Objekt einer wüsten Medienkampagne in Deutschland war. Eine Nichtinformation und Verdummung der Volksmassen bringt niemandem einen Nutzen. So haben wir auch einmal über die nichtatomare militärische Gegenschlagsfähigkeit der Islamischen Republik Iran en detail berichtet, damit sich deutsche Soldaten, die in den Krieg im Nahen und Mittleren Osten ziehen sollen, sich keine Illusionen über ihre Überlebenschancen machen.

MM: Da Sie nicht zu unseren allerjüngsten Interviewpartnern gehören, erlauben Sie uns eine abschließende persönliche Frage: Was würden Sie gerne noch miterleben?

Falkenhagen: Richtig, sicherlich keine großen Unternehmungen und Abenteuer mehr, wie ich sie noch bis 50 oder 60 erleben konnte. Aber ich habe mir vorgenommen noch Sport zu treiben und ich werde auch verstärkt Moscheen und Veranstaltungen von Muslimen besuchen. Natürlich bleibe ich auch für Informationszwecke an Fremdsprachen dran, die ich früher mal gelernt hatte. Ich werde weiter viel lesen. Eins gilt es zu berücksichtigen: Die Herrschenden sind auch bei Publizisten und Journalisten, wenn sie kritisch denken, schnell mit der Terrorismuskeule zur Stelle. Der Terrorismusbegriff ist so ungenau definiert, ja, er ist im Grunde überhaupt nicht rechtlich definiert, dass sich der Staat hier einen Freiraum für Rechtswillkür schafft. Auch wenn man einfach nur objektiv informieren oder sich informieren will, kann man in diese Falle laufen. Ich habe neulich auf einem Forum die Frage gestellt, worin sich Terrorismus von der auch in Deutschland weit verbreiteten Kriminalität, für die es wenigstens noch detaillierte Strafrechtsparagraphen gibt, unterscheidet. Keiner konnte eine Antwort geben. Einer sagte nur, dass Terrorismus mit dem Islam zu tun hat. Aber das liefe im Grunde darauf hinaus, dass man eine politische Justiz betreiben will, die die Beurteilung von Strafrechtstatbeständen von Weltanschauungen und Religionen abhängig macht, was das deutsche Grundgesetz ausdrücklich verbietet. Ich gebe hier dem Links-Politiker Lafontaine recht, der diese Frage schon wiederholt im deutschen Bundesstaat angesprochen hat.

MM: Herr Dr. Falkenhagen, wir danken für das Interview.

Senden Sie e-Mails mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an: info@muslim-markt.de 
Copyright © seit 1999 Muslim-Markt