MM:
Sehr
geehrter Herr Falkenhagen, lassen Sie uns mit Ihrer Jugendzeit anfangen. Als
junger Gymnasiast haben sie die Bombardements Dresdens miterlebt, was ist
ihre Erinnerung daran?
Falkenhagen:
Derartige Barbareien durch Luftterror waren mir bis zu dem Zeitpunkt absolut
unvorstellbar. Später erfuhr ich allerdings auch, welche Verbrechen die
Nazis begangen hatten, die ich ebenfalls verabscheuen lernte. So wurde ich
Antifaschist.
MM:
Worin
sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer antifaschistischen Einstellung heute?
Falkenhagen:
Die USA-Kriege führten mich zum Thema Friedenskampf. Es wurde für mich zur
moralischen Selbstverständlichkeit, mich für den Friedenskampf einzusetzen.
Als Washington seine Kriege gegen die islamischen Völker als
Wirtschaftskrieg und Welteroberungskrieg, camoufliert als ideologischer
Glaubenskrieg und Antiterrorkrieg, begann, erblickte ich darin nicht nur
schlechthin eine Gefahr für den Weltfrieden, sondern die weltgeschichtlich
bisher größte Gefahr für die Existenz der Menschheit. Wir leben seit 1945 im
Atomzeitalter. Unbegreiflich ist die Denkweise eines Mister Bushs, denn
gerade das Atomzeitalter gebietet mehr denn je Völkerverständigung, Frieden
und Toleranz zwischen den Völkern, Weltanschauungen und Religionen.
MM:
Sie haben in diesem Zusammenhang auch die DDR überlebt ...
Falkenhagen:
Die UdSSR,
die DDR und andere sozialistische Staaten brachen 1989/1990 bis 1991
zusammen. Dem Kapitalismus und seiner Gier nach Geld und Eigentum ohne
Rücksicht auf Moral stehe ich kritisch gegenüber. Den Kapitalismus,
insbesondere gegenwärtig in seiner Ausprägung als Neoliberalismus, sehe ich
als Raubtierkapitalismus und ständige Quelle von Krieg, sozialen
Verwerfungen, Elend und Völkermord an, der durch eine Gesellschaftsordnung
mit moralischen Prinzipien der Gerechtigkeit ersetzt werden muss. Deswegen
bin ich auch Anhänger des Islam.
Ich
habe 1994 zusammen mit einem Dozenten der Humboldtuniversität unter dem
Pseudonym J. Goldammer und E. Friedweg das Buch Der Betrogene Osten
veröffentlicht. Das Buch verglich die Illusion der Wendezeit und seine
Wirklichkeit. Es enthält eine Analyse des wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenbrauchs im Osten.
MM:
Wie
fanden Sie denn zum Islam, hing es mit Ihrem antifaschistischen Einsatz
zusammen?
Falkenhagen:
Ich
bekenne mich zum Islam schon seit den 70er Jahren, als ich in der ehemaligen
DDR in einem Buchladen eine Koranausgabe in Deutsch erwarb und die Schrift
des Propheten las. Als ich das Buch von Samuel P. Huntington Kampf der
Kulturen gelesen hatte, das bereits 1996 die De facto-Kriegserklärung gegen
den Islam sowie andere den USA nicht genehme Kulturen und Staaten
beinhaltete, war mir klar, dass das kein Mensch mit Moral und politischem
Anstand mitmachen darf. Sehr beeindruckt hat mich das 2003 herausgegebene
Buch von Dr. Yavuz Özoguz und Dr. Gürhan Özoguz Wir sind
'fundamentalistische Islamisten' in Deutschland. Das ist für mich ein
Leitfaden.
MM:
Sind Sie
denn vorher schon religiös gewesen?
Falkenhagen:
Nun bin
ich von meinem Elternhaus her Lutheraner, also protestantischer Christ. Ich
bin aber im Sinne Martin Luthers gegen das reaktionäre Kirchenwesen, wie es
sich heute unter so genannten christlichen Kirchenführungen erneut
ausbreitet. Auf der Universität habe ich, wie jeder Student der früheren DDR
eine Ausbildung in Dialektischen und Historischen Materialismus erfahren.
Den Materialismus habe ich allerdings immer abgelehnt, weil er dem
Menschsein nicht gerecht wird. Ich erkenne aber die Dialektik und den
Historismus an. Die Dialektik geht nicht nur auf den Philosophen Hegel
zurück, seine Elemente findet man m. E. schon im Koran, z. B. die
Betrachtung und Analyse der Geschehnisse in größeren Zusammenhängen oder in
ihrer Entwicklung. Mohammed, der Prophet, war auch ein meisterhafter
Stratege und Taktiker. Er wusste Gegensätze unter seinen satanischen Feinden
dialektisch klug für die Kräfte des Fortschritts und des wahren Glaubens zu
nutzen und strategisch und taktisch effiziente Bündnisse abzuschließen sowie
für den Islam schädliche Animositäten zu unterbinden. Die großen islamischen
Gelehrten des Islams wie Avicenna oder Averroes waren auch Historiker und
Rechtsgelehrte. Sie lehrten zu einer Zeit, als der Islam an der Spitze des
mathematisch- naturwissenschaftlichen, medizinischen, technischen,
rechtswissenschaftlichen, kulturellen und philosophischen Fortschritts in
der ganzen Welt stand und über die beste Militärtechnik verfügte. Da war die
Zeit bis zum XVII. - XVIII. Jahrhundert. An diese Traditionen wird heute z.
B. in der Islamischen Republik Iran, Allah sei Dank, wieder angeknüpft.
Was die
Glaubensrichtungen des Islams anbetrifft, so trete ich für einen
einheitlichen Islam ein. Spaltungen werden von den Imperialisten und
Kolonialmächten immer nur dazu benutzt, das Prinzip des Teile und Herrsche
anzuwenden. Ich bekenne mich zum Dschadidismus (von dem arabischen Wort
Dschadid = Erneuerung, Reform). Es gibt andere analoge Richtungen. Der
Begriff Dschadidismus ist in Russland verbreitet. Er predigt Toleranz und
Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen der Naturwissenschaft und Technik,
auch der Gesellschaftswissenschaften, soweit sie nicht den göttlichen
Prinzipien der Moral widersprechen und die Dekadenz fördern, d.h. sie müssen
dem Ziel entsprechen, in jeder Hinsicht im Sinne der Schöpfung und des
Allmächtigen konstruktiv zu wirken. In diesem Sinne bekenne ich mich auch zu
Khomeini.
MM:
Widersprach ihr Bild vom Islam nicht der öffentlichen Darstellung bezüglich
Terrorismus?
Falkenhagen:
Nun wird
der Islam auch besonders in Deutschland immer mehr mit Rückständigkeit und
sogar Terror gleichgesetzt. Das ist wohl die niederträchtigste Verleumdung,
die ich kenne. Der Islam ist eine Religion des Humanismus und der
Gerechtigkeit. Der Islam tritt für die Freiheit und demokratische
Souveränität der Völker in einer harmonisch und friedlich zusammenlebenden
Völker- und Staatengemeinschaft ein. Er tritt jeglicher Diskriminierung
entgegen, wie sie gegenwärtig von der auf tönernen Füßen stehenden
Supermacht des Satans, den USA, beispielsweise gegen den Iran oder den Sudan
praktiziert wird. Ich will aber betonen, dass ich kein Antiamerikaner bin,
ich stimme mit den fortschrittlich und human denkenden Amerikanern überein.
Ich habe viel über Amerika gelesen und dort, wie viele Deutsche, auch
Verwandte.
Befreiungskämpfe der Völker gegen Kolonisatoren und Aggressoren sind im
Sinne des Völkerrechts legitim. Wenn man die dem Terrorismus zuordnet,
müssten die US-Amerikaner selbst ihre eigenen Unabhängigkeitskriege gegen
die Briten und z. B. die Organisation Sons of Liberty und den Teesturm in
Boston am 16. 12. 1773 dem Terrorismus zuordnen. Befreiungskämpfe und
Befreiungsrevolutionen sind immer Kämpfe für die Wahrung oder Herstellung
der Würde des Menschen, für soziale Gerechtigkeit und damit für den
nachhaltigen Frieden unter den Menschen gewesen. Terrorismus wird vom Islam
entschieden abgelehnt.
Was den
Terrorismus betrifft, so ist derzeit sein Hauptträger die Supermacht des
Satans. Sie initiiert und inszeniert gemeinsam mit verbrecherischen
skrupellosen Vasallen weltweit Angriffskriege und Terrorakte der schlimmsten
Art, sei es in Form von barbarischen Bombardements und Massentötungen von
Zivilisten oder sei es, dass er jetzt im Sinne des Teile und Herrsche
versucht beispielsweise im Irak Sunniten gegen Schiiten gegeneinander zu
hetzen, indem er sich Killerbanden bedient und diese bezahlt. Bei
Terrorakten muss man heute genau hinsehen, um ihre Urheberschaft zu
erkennen, und sie kriminalistisch analysieren, weil der erste Anschein hier
täuschen kann.
MM:
Auch beim
11. September?
Falkenhagen:
Viele
Publizisten des Humanismus und der Aufklärung haben Bücher über den 11.
September 2001 geschrieben. Ich denke u.a. an Andreas von Bülow, Gerhard
Wisnewski, Christian Guthart, Mathias Bröckers, Christian C. Walther, den
Franzosen Thierry Meyssan oder die US-Amerikaner Dylon Avery, Prof. Jones,
Jonathan May, letzterer hat u.a. mit der Zeitschrift Matrix vom April 2006
seine Confronting the evidence auch als CD in Umlauf gebracht. Von ihnen
habe ich gelernt, die Hintergründe solcher selbstinszenierter
Staatsterrorakte zur Rechtfertigung von Aggressionskriegen zu erkennen. Mit
dem beweisfähigen Wissen dieser Persönlichkeiten und weiteren Erkenntnissen
habe ich 2003 ebenfalls ein solches Buch mit dem Titel Die Wahrheit stirbt
nicht veröffentlicht. Es liegt auch in einer wesentlich erweiterten
Neufassung vor. Beweise über die wirklichen Ablauf dieser Terrorakte vom 11.
September gegen das eigene Volk gibt es genügend. Sie reichen für einen
Gerichtsprozess aus. In 2-3 Jahren wird das auch von US-Amerikanern, die die
Beweise vor Ort zusammengetragen haben, öffenlichkeitswirksam gemacht und
vor Gericht gebracht werden, wenn George W. Bush nicht mehr US-Präsident
ist.
Die
Einzelbeweise über die wirklichen Täter fallen im Detail bis heute en masse
an. Ein solches Detail: Es wurde in allen kritischen und hinterfragenden
Büchern und anderen Dokumentationen zu 9/11 unter Hunderten anderer Fragen
z. B. die Frage aufgeworfen: wo sind die beweisfähigen Flugzeugtrümmer von
Boeing 767 AA Flug 11, Boeing 767 UA Flug 175, AA Boeing 757 Flug 77 und
Boeing 757 UA Flug 93 sowie die identifizierten Leichenteile der angeblichen
arabischen Flugzeugentführer sowie der Flugpassagiere und Besatzungsmitglieder
(crews)? Sie fehlen bis heute. Im Wochenmagazin Focus vom 4. September
2006 steht auf Seite 173, dass in der provisorischen 9/11-Gedenkstätte in
der Nähe des East River am Franklin D. Roosevelt Drive in New York vom
gerichtsmedizinischen Institut in Kühlcontainern 13 790 bis jetzt
unidentifizierte Körperteile von 9/11-Opfern aufbewahrt werden, die man
schon längst mit DNA-Techniken leicht auch den angeblichen arabischen
Terroristen oder allgemein den Flugzeuginsassen hätte zuordnen können. Aber
die US-Administration will auf Biegen und Brechen vertuschen, dass in das
World Trade Center und ins Pentagon in Wirklichkeit, wie zweifelsfrei
bewiesen, ferngesteuerte Drohnen (Flugkörper ohne Menschen) hineingeflogen
sind. Da wären umfassende DNA-Test für die Bush-Administration nur
selbstentlarvend.
Das
Geflecht der satanischen Lügen über 9/11 wie auch der unzähligen anderen
Lügen und Täuschungen der Menschheit seitens der Bush-Administration wird
keinen Bestand haben.
MM:
Als
muslimischer Bürger erhält man derzeit ein widersprüchliches Bild des Ostens
der Republik. Die persönlichen Begegnungen verstärken das Bild, dass das
politische Bewusstsein und insbesondere antifaschistische und
antiimperialistische Einstellungen bei ostdeutschen Bürgern stärker
ausgeprägt sind. Andererseits haben Neonazis offenbar dort einen größere
Zulauf. Wie würden Sie diesen Widerspruch erläutern?
Falkenhagen:
Der Antiimperialismus der Ostdeutschen ergibt sich logisch aus der
jahrzehntelangen Erziehung zum Antikapitalismus und Antiimperialismus. Er
ergibt sich auch aus persönlichen Erfahrungen. Die Geschichte des
Kolonialismus, der nationalen Befreiungskämpfe und alles, was damit im
Zusammenhang steht, wurden schon beginnend an den Grundschulen der DDR
ausführlich gelehrt. Das war Bestandteil der Erziehung in Kinder- und
Jugendorganisationen und auch aller politischen Organisationen und Parteien,
übrigens nicht nur der SED, sondern auch der CDU, NDPD, LDPD und
Bauernpartei. Da blieb selbst bei Leuten, die in Opposition zur DDR
gerieten, viel hängen. Man kann zum Kommunismus und Sozialismus stehen wie
man will, sie waren immerhin angetreten als Befreiungsideologie, als
Ideologie der Befreiung von sozialem Elend, von Ausbeutung und sozialer
Diskriminierung, auch als Ideologie der nationalen Befreiung von
Unterdrückung und Kolonialismus, die derzeit wieder unter USA-Regie ihre
Renaissance erleben. Ein Makel war der Atheismus von Karl Marx, der aber
schon beginnend mit Stalin nie so genau genommen wurde. So protegierte
Stalin die Orthodoxe Kirche. Hingegen waren Trotzki und sein Anhang
entschiedene Gegner des Christentums und des Islams.
Was die
Rolle der Neonazis betrifft, so spielen die im Osten m.E. keine größere
Rolle als im Westen Deutschlands. NPD, Republikaner und DVU waren auch in
Westdeutschland schon in Länderparlamenten und Kommunen vertreten. Ihr
Pressewesen liegt hauptsächlich im Westen. Deutschland wurde im 2. Weltkrieg
von den deutschen Nationalsozialisten auf Grund rassistischer
Überheblichkeit, Größenwahn und politischer Dummheit in den Untergang
geführt. Hinzukamen die großen Verbrechen des Nationalsozialismus bis zu
Auschwitz und den Holocaust an den Juden. Hitler war zeitweilig der
politische Exponent und Vollstrecker des Willens des deutschen Großkapitals,
wie es heute in Bezug auf das Amerikanische und Internationale Großkapital
Leute wie George W. Bush sind. Diese tendieren auch zu faschistoiden bis zu
faschistischen Unterdrückungsmethoden und zur Aushebelung der politischen
Grundrechte. Soziale Grundrechte werden von ihnen ohnehin abgelehnt. Sie
führen völkerrechtswidrige Angriffskriege genauso wie Hitler. Es gibt nicht
nur die Abwesenheit sozialer Grundrechte in den USA und u.a. zunehmend in
der BRD, auch die politischen Grundrechte werden mehr und mehr beschnitten.
Dazu bedarf es auch in Deutschland, wie sich zeigt, keiner NPD. Politische -
faschistische - Unterdrückung resultiert aus den Gesetzmäßigkeiten der
Herrschaft des Großkapitals. Und wenn die deutschen Nationalsozialisten
gegenüber den reinrassischen Germanen oder so genannten Ariern sozial
engagierter waren als das heute neoliberale Regierungen sind, so ergab sich
das aus den Erfordernissen der damaligen Zeit, aber auch eben aus dem
nationalen Rassismus. Man brauchte schließlich sehr viele willige Soldaten
und Arbeiter, die im Zeitalter der Massenarmeen und Massenrüstungen auch
sozial ruhig gestellt werden mussten. Falls ich Rechtsextremen begegnet bin,
habe ich gesagt, dass man an diese Tradition nicht mehr anknüpfen kann, wenn
ich auch Bekenntnisse zur nationalen Identität nicht grundsätzlich ablehne.
Befasst
habe ich mich auf Grund meiner Sprachkenntnisse mehr mit den
nationalistischen Parteien in der Slowakei und in der Ukraine, die dort auch
in der Regierungszentrale eine große Rolle spielen. Verwundert hat mich z.
B., dass die Deutsche Bundesregierung zur Zeit der "Orangenen Revolution"
die Zusammenarbeit der NPD und der Republikaner mit den westukrainischen
Nationalisten, die im Dezember 2004 auf dem Kiewer Maidan eine große Rolle
spielten, unterstützt hat, obwohl sie die in Deutschland so vehement zu
bekämpfen vorgab. Generell will ich aber feststellen, dass die NPD und
andere so genannte rechtsextreme Parteien in Deutschland eine politische
Randerscheinung sind. Ich denke auch nicht, dass nationaler Rassismus die
entscheidende Basis der NPD und DVU im Osten ist, sondern soziale Not und
Verzweifelung, die sich auch falsche Auswege suchen können. Es gibt auch
viele Bürgerinnen und Bürger, die auch bei den Rechten auf Wahlzetteln nur
aus reiner Frustration ein Kreuz machen, weil sie von den etablierten
Parteien tief enttäuscht sind.
MM:
Gab es
eigentlich auch zu DDR-Zeiten deutsche Muslime in der DDR?
Falkenhagen:
Die gab es auch im Zusammenhang damit, dass in der ehemaligen DDR sehr viele
Palästinenser, auch Bürger anderer islamischer Staaten Asyl oder einen
vorübergehenden, bisweilen auch dauerhaften Aufenthaltsort fanden. Einige
wurden auch Staatsbürger der DDR. Es gab viele Studenten und Berufsschüler
aus diesen Ländern. Das schafft auch religiöse Bindungen. Es gab bei
DDR-Bürgern ein lebhaftes Interesse an islamischen Fragen auch im
Zusammenhang damit, dass die RGW-Staaten wirtschaftliche und auch
militärische Hilfe an die arabischen und andere islamische Staaten
leisteten. Das Schicksal der Palästinenser erzeugte auch große menschliche
Sympathien. Da wurden viele Bekenntnisse abgelegt. Mir ist allerdings über
offizielle islamische Organisationen von DDR-Bürgern nichts bekannt.
Bekenntnisse zum Islam fanden mehr informell statt. So trafen sich
Sympathisanten arabischer Staaten, die sich nicht nur für die Wirtschaft,
den Außenhandel und das Militärwesen interessierten. Das eine ergibt das
andere. Nun herrschte in der DDR wie in allen sozialistischen Staaten der
Marxismus-Leninismus als Grundideologie. Das machte es für ein SED-Mitglied
und auch andere Bürger schwierig, hier offene Bekenntnisse zum Islam
abzulegen. Etwas anders war es in der Sowjetunion. Hier konnte man in den
islamisch geprägten Sowjetrepubliken und autonomen Republiken als
bekennender Muslim auch Mitglied der RKP (B), der WKP (B), später KPdSU
sein. Da ging noch auf einen in der Öffentlichkeit kaum bekannten
Sondererlass von Stalin zurück, als dieser noch Volkskommissar
(Unionsminister) für Nationalitätenfragen war, der nie offiziell
zurückgenommen wurde. Das schloss nicht aus, dass Muslime unter
politisch-ideologischen Druck gerieten. Traten sie gegen das kommunistische
Regime auf, konnten sie, wie in diesem Fall jeder andere Bürger,
strafrechtlich verfolgt werden.
Hätten
in der Sowjetunion aber für Muslime nicht gewisse religiöse Freiheiten
bestanden, hätte, um nur ein Beispiel zu nennen, der jetzige Staatspräsident
von Usbekistan Islam Abduganijewitsch Karimow nie in der KPdSU und in der
Sowjetrepublik Usbekistan Karriere machen können. Er studierte Maschinenbau
und Volkswirtschaft, war Flugzeugbauingenieur und wurde dann ab 1964
KPdSU-Funktionär, hoher Funktionär der Staatlichen Plankommission,
Finanzminister, Stellvertretender Ministerpräsident, zum Schluss
Parteisekretär dieser Sowjetrepublik.
Was die
DDR-Regierung anbetrifft, so hatte diese nie Probleme mit dem Islam. Wenn
ich mal auf meiner Arbeitstelle den Koran auf den Schreibtisch legte,
erweckte das nur neugieriges Interesse mit Bemerkungen: "Lies uns doch mal
eine Sure vor". Politisch-religiöse Probleme hatten die SED-Funktionäre und
die Regierungsstellen im Wesentlichen nur mit den evangelischen Kirchen, von
denen viele Pfarrer sehr konterrevolutionär-rebellisch auftraten. So war
auch die Bibel auf Arbeitstellen nicht gerne gesehen.
MM:
Wir
Kommen nun zum
Goethe-Stübchen, an dem Sie
im Internet maßgeblich beteiligt sind. Was ist die Intention jener Homepage?
Falkenhagen:
Die Antwort steht im Impressum dieser Homepage. Das Goethestübchen steht im
Sinne des west-östlichen Diwans von Johann Wolfgang von Goethe für
Völkerverständigung, Völkerfreundschaft, Demokratie, Menschenrechte und
Frieden, gegen Krieg und Gewalt, Terrorismus, religiöse Intoleranz und
soziale Ausbeutung. Wir treten für gleichberechtigte Beziehungen zwischen
den Weltanschauungen und Religionen ein. Das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland in seiner wörtlichen Auslegung ohne Vorbehalte ist für uns
oberster Maßstab und Orientierungsfaden der Veröffentlichungen. Wir lassen
uns im Sinne des Grundgesetzes über die freie Meinungsäußerung, die
Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung aus allen UNO-Staaten
leiten. Wir bekämpfen jegliche Form des Rassismus und Antisemitismus - wobei
Juden und Araber ethnologisch als Semiten gelten - und treten für das
uneingeschränkte und bedingungslose Existenzrecht Israels neben einem
gleichberechtigten palästinensischen Staat ein. Wir sind für die Freiheit
der sachlichen Kritik und wollen Denkanstöße gaben.
MM:
Können
Sie sich denn auch einen gemeinsamen Staat von Juden, Christen und Muslimen
im Heiligen Land vorstellen?
Falkenhagen:
Laut einer Statistik (s. z. B. Der Fischer Weltalmanach von 2006, Seite
237-238) gibt es unter 6,7 Mio. israelischen Staatsbürgern 19 %
Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit, ferner als Moslems
Tscherkessen und Türken. 2,1 % der Bevölkerung sind Christen, 15,8 % Muslime
und 1,6 % Drusen. Ostjerusalem wurde von Israel offiziell annektiert. Israel
hat keine geschriebene Verfassung, die das Zusammenleben der Ethnien und
Religionen regelt. Im Westjordanland und im Gaza-Streifen leben etwa 3,4
Mio. Palästinenser, es leben ferner 230 000 Palästinenser auf offiziellen
israelischem Staatsgebiet. Wenn Westjordanland und der Gaza-Steifen mit
Israel vereinigt würden, müsste es natürlich eine geschriebene säkulare
Verfassung geben, die das Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen im
Heiligen Land regelt. Wenn ein selbständiger Staat Palästina gebildet wird,
wie wir es alle wollen und wie es u.a. die Road Map vorsieht, könnten dort
natürlich Palästinenser (Muslime), Christen und Juden zusammenleben,
unabhängig davon ob sich dieser Staat eine säkulare oder islamisch geprägte
Verfassung gibt. Historisch gesehen, haben in islamischen Staaten Muslime
mit Juden und Christen weit über 1200 Jahre zusammengelebt. Das ist z. B. in
Marokko der Fall. Zum friedlichen Zusammenleben muss nur der Wille vorhanden
sein. Ein friedliches Zusammenleben setzt gleiche Rechte für jedermann vor
dem Gesetz voraus. Es darf kein willkürliches Töten geben, wie es derzeit z.
B. im Gaza-Streifen der Fall ist. Dann müssten sich wie alle anderen Bürger
auch Israelis vor Gericht dafür verantworten.
MM:
Sie
übersetzen oft Nachrichten aus Ländern, aus denen üblicherweise die
"westliche Welt" kaum Nachrichten bringt. Wie schätzen Sie das Interesse an
jenen Nachrichten ein?
Falkenhagen:
Nachrichten bringen wir im
Goethestübchen wobei wir uns
auf politisch interessante, auch so genannte brisante Nachrichten aus
anderen Staaten orientieren. Wir können hier, wie man so sagt, eine
Marktlücke schließen und haben auch sehr hohe Anklickraten darauf. Natürlich
ist das auch mit Problemen verbunden. Es gibt ja schon aus dem alten
Griechenland die Berichte von den Überbringern schlechter (unangenehmer)
Nachrichten, die bisweilen hingerichtet wurden, weil die Informationen den
Mächtigen nicht passten. Aus der Bibel stammt der Begriff Hiobsbotschaft.
Hiob wurde allerdings deswegen nicht hingerichtet, da es ja immer ihn selbst
traf. Nun verbreitet unser Nachrichtenportal keine Schockmeldungen und wir
betreiben auch keine Sensationshascherei. Wir versuchen aber schon den
Umstand zu berücksichtigen, dass die Fernsehsender und die etablierte
Presseorgane Deutschlands Nachrichten zunehmend meiden, die auf die
Bevölkerung politisch negativ wirken könnten. Es gibt grobe
Falschdarstellungen oder einseitige Darstellungen von Sachverhalten, die
beabsichtigt, aber nicht hinnehmbar sind. Ich habe schon als Jugendlicher
solche Praktiken bei den Nazis festgestellt, obwohl die noch nicht so weit
gingen, die Heldentode ihrer Soldaten zu verschweigen. Über Gesamtverluste
berichteten die allerdings auch nicht. In der BRD werden immer wieder
gezielt außenpolitische Informationen von den Medien ferngehalten, die die
Bevölkerung zum Nachdenken über die Frage Kriegs- oder Friedenspolitik
veranlassen könnten. Über die gewaltigen Risiken der geplanten
Auslandseinsätze der Bundeswehr wird so gut wie nicht berichtet. Man
berichtet sogar in letzter Zeit schon nicht mehr über Zwischenfälle, mit
denen die Bundeswehr in Afghanistan konfrontiert ist.
Über
den äußerst peinlichen Vorfall der versuchten Anlandung amerikanischer
Truppen auf der Krim im Juni diesen Jahres zwecks Durchführung eines
verfassungswidrig mit dem inzwischen weitgehend entmachteten ukrainischen
Staatspräsidenten Juschtschenko vereinbarten Militärmanövers und die
beabsichtigte Errichtung eines Militärstützpunktes der USA wurde nicht
berichtet, offensichtlich weil die Amerikaner von aufgebrachten
Demonstranten und bewaffneten Kosaken, unterstützt durch
Parlamentsresolutionen, gezwungen wurden, sich wieder einzuschiffen. Diesmal
wagte die Bush-Administration nicht die bewaffnete Konfrontation. Natürlich
sagen manche jetzt, das sei mit Rücksicht auf Russland geschehen, das in
Washington gewaltig protestiert hatte, aber protestiert hatte dagegen auch
eine Mehrheit im Parlament der Krim und auch eine Mehrheit im Kiewer Parlament. Auch
die muslimischen Krimtataren hielten nichts von Okkupanten aus den
islamfeindlichen USA. Und das Scheitern der in den Westmedien noch bis 2005
frenetisch gefeierten Orangenen Revolution in der Ukraine, die keines ihrer
Versprechen erfüllt hat, ist in der deutschen Medienlandschaft so
heruntergefahren worden, dass kaum ein Bundesbürger diesen Vorgang zur
Kenntnis nehmen konnte. Über solche Vorgänge erfährt man dann leider nur
über ausländische Presseerzeugnisse oder Radiosendungen in fremden Sprachen,
die die wenigsten verstehen.
Wir
versuchen natürlich auch, den vielen primitiv dümmlichen Verleumdungen über
so genannte Schurkenstaaten - zu solchen werden immer die nächsten ins
Visier genommenen Aggressionsopfer erklärt - mit sachlichen Informationen
entgegenzutreten. So haben wir in einer Information sachlich über
Weißrussland berichtet, das zeitweilig Objekt einer wüsten Medienkampagne in
Deutschland war. Eine Nichtinformation und Verdummung der Volksmassen bringt
niemandem einen Nutzen. So haben wir auch einmal über die nichtatomare
militärische Gegenschlagsfähigkeit der Islamischen Republik Iran en detail
berichtet, damit sich deutsche Soldaten, die in den Krieg im Nahen und
Mittleren Osten ziehen sollen, sich keine Illusionen über ihre
Überlebenschancen machen.
MM:
Da Sie
nicht zu unseren allerjüngsten Interviewpartnern gehören, erlauben Sie uns
eine abschließende persönliche Frage: Was würden Sie gerne noch miterleben?
Falkenhagen:
Richtig, sicherlich keine großen Unternehmungen und Abenteuer mehr, wie ich
sie noch bis 50 oder 60 erleben konnte. Aber ich habe mir vorgenommen noch
Sport zu treiben und ich werde auch verstärkt Moscheen und Veranstaltungen
von Muslimen besuchen. Natürlich bleibe ich auch für Informationszwecke an
Fremdsprachen dran, die ich früher mal gelernt hatte. Ich werde weiter viel
lesen. Eins gilt es zu berücksichtigen: Die Herrschenden sind auch bei
Publizisten und Journalisten, wenn sie kritisch denken, schnell mit der
Terrorismuskeule zur Stelle. Der Terrorismusbegriff ist so ungenau
definiert, ja, er ist im Grunde überhaupt nicht rechtlich definiert, dass
sich der Staat hier einen Freiraum für Rechtswillkür schafft. Auch wenn man
einfach nur objektiv informieren oder sich informieren will, kann man in
diese Falle laufen. Ich habe neulich auf einem Forum die Frage gestellt,
worin sich Terrorismus von der auch in Deutschland weit verbreiteten
Kriminalität, für die es wenigstens noch detaillierte Strafrechtsparagraphen
gibt, unterscheidet. Keiner konnte eine Antwort geben. Einer sagte nur, dass
Terrorismus mit dem Islam zu tun hat. Aber das liefe im Grunde darauf
hinaus, dass man eine politische Justiz betreiben will, die die Beurteilung
von Strafrechtstatbeständen von Weltanschauungen und Religionen abhängig
macht, was das deutsche Grundgesetz ausdrücklich verbietet. Ich gebe hier
dem Links-Politiker Lafontaine recht, der diese Frage schon wiederholt im
deutschen Bundesstaat angesprochen hat.
MM:
Herr Dr.
Falkenhagen, wir danken für das Interview.
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