Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Prof. Peter Heine
 

Muslim-Markt interviewt 
Prof. Dr. phil. habil. Peter Heine, Autor des Buches "Vom 11. September zum 20. März"

12.8.2006

Peter Heine wurde 1944 in Warendorf/Westfalen geboren. Nach dem Studium der Islamwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Münster und Bagdad promovierte er 1971 zum Dr. phil. in Münster. 1978 erfolgte die Habilitation für das Fach Islamwissenschaft in Münster. Von 1983-1988 war er dort Lehrstuhlinhaber.

Weitere Lehrstuhlvertretungen folgten u.a. in Berlin, Bochum, Bonn und Zürich. Seit 1994 ist er Professor für Islamwissenschaft des nicht-arabischen Raumes an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach 1996 war er zwei Jahre lang Gründungsdirektor des Geisteswissenschaftlichen Zentrums „Moderner Orient“ im Verein „Geisteswissenschaftliche Zentren zu Berlin e.V.“, und 2003 wurde Peter Heine Vizepräsident des Kuratoriums der Orientstiftung Hamburg, dessen Mitglied er sei 1998 ist.

Prof. Heine ist verheiratet und lebt in der Nähe von Berlin.

MM: Sehr geehrter Herr Prof. Heine. Ihr Leben scheint geprägt zu sein von Ereignissen, die uns alle heute einholen. So haben Sie bereits Anfang der 90er Jahre an einem DFG-Projekt gearbeitet mit dem Titel "Sunnitisch-schiitischer Konflikt im Irak". Haben sie jetzt die Arbeit wieder herausgekramt?

Prof. Heine: Ich habe mich weiterhin mit dem Thema befasst. Über Irak erschien im Jahr 2002 das Buch „Schauplatz Irak. Hintergründe eines Weltkonflikts“ (Herder–Spektrum). Die aktuelle Situation ist dazu angetan, dass man das Thema verfolgt!

MM: Ein weiterer Aspekt Ihres Lebens bekam dieser Tage hohe Medienaufmerksamkeit. In 1998 waren Sie Beiratsmitglied des Projektes "Merhaba" zur Förderung von türkischen Oberstufenschülerinnen und Studentinnen in Deutschland bei der Thomas-Morus-Akademie im Erzbistum Köln. Haben Sie immer noch das Gefühl, dass Muslime in diesem Land "willkommen" sind?

Prof. Heine: Wenn man den demoskopischen Untersuchungen glaubt, stehen die Deutschen dem Islam verstärkt ablehnend gegenüber: Wenn man aber mit deutschen Gesprächspartnern spricht, haben sie in vielen Fällen, die mit den Muslimen zu tun haben, ein gutes Verhältnis. Natürlich gibt es Streit überall, auch zwischen Herkunfts-Deutschen.

MM: Damit sind wir auch schon bei Ihrem aktuellen Buch „Vom 11. September zum 20. März – Der Dialog mit dem Islam als Herausforderung an die westliche Welt“. Was waren Ihre Beweggründe für solch ein Buch mit solch einem Titel?

Prof. Heine: Die beiden Ereignisse, von denen das zweite nicht so tief im kollektiven Gedächtnis steckt – es ist der Beginn der amerikanischen Invasion im Irak – hat den Dialog von einer eher theologischen auf eine konkret politische Ebene gehoben und ist wichtiger denn je.

MM: Sie schreiben, dass die Art und die Zielsetzung des Dialogs zwischen Christen und Muslimen überdacht werden muss. Wie meinen Sie das?

Prof. Heine: Der Dialog muss von der Ebene der Fachleute, als Theologen und Religionswissenschaftler, auf die Ebene derer gebracht werden, die sich in der täglichen Begegnung am Arbeitsplatz, im Laden, in der Schule, gegenüber sehen. Ihre Probleme miteinander und mit Dritten müssen im Mittelpunkt dieses neuen Dialogs stehen.

MM: Inzwischen haben Muslime in den Medien selbst die Deutungshoheit über ihren eigenen Glauben verloren und lauter so genannte "Islam-Experten" wollen den Muslimen und der Gesellschaft weis machen, wie übel der Islam sei. Was ist Ihr Vorschlag an Muslime, dieser Situation zu begegnen?

Prof. Heine: Muslime haben in den deutschen Medien die Deutungshoheit nie gehabt. Inzwischen ist die Zahl muslimischer Journalisten und Publizisten mit medialer Kompetenz gestiegen. Sie reicht sicher noch nicht aus. Dennoch sollten diese muslimischen Journalisten damit beginnen, eine religiöse Rundfunksendung zu konzipieren und den öffentlich-rechtlichen Sendern anbieten.

MM: Ein auffälliger Konfliktpunkt ist sicherlich das Kopftuch der praktizierenden Muslima. Neben dem Verbot für Lehrerinnen wird auch immer mehr über eine "kopftuchfreien Schule" diskutiert, was dann auch Schülerinnen treffen würde. Kann diese Gesellschaft nicht mit Kopftuchträgerinnen im inneren Frieden leben?

Prof. Heine: Ich verstehe die ganze Debatte nicht und auch nicht die damit verbundenen Diskussionen auf deutscher Seite. Wahrscheinlich wird dort ein „Stellvertreterkrieg“ geführt. In Wirklichkeit geht es um die Frage der Stellung des Islams in der deutschen Gesellschaft.

MM: Können Sie sich bekennende Muslime als Bereicherung der deutschen Gesellschaft, also "echte" deutsche Muslime als normale Mitglieder der Gemeinschaft vorstellen?

Prof. Heine: Selbstverständlich! Ich kenne muslimische Künstler, Schriftsteller, Unternehmer, Wissenschaftler, die eine Bereicherung der deutschen Gesellschaft sind. Vielleicht ist es ein positives Zeichen, dass uns diese vereinzelten Muslime von ihrer religiösen Herkunft her als solche nicht bewusst sind, so wie wir die Religionszugehörigkeit von vielen Deutschen auch nicht kennen.

MM: Was ist Ihre Hoffnung für die Zukunft bezüglich Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland?

Prof. Heine: Ich bin sicher, dass in 50 Jahren das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen so selbstverständlich ist wie heute zwischen Katholiken und Protestanten.

MM: Sehr geehrter Prof. Heine, wir danken Ihnen für das Interview.

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