Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Ahmed Nurani-Krausen
 

Muslim-Markt interviewt 
Ahmed Nurani-Krausen, muslimischer Fotograf in Dänemark
25.2.2006

Ahmed Nurani-Krausen ist 1955 in Aachen als Sohn einer protestantischen Familie geboren und in einer überwiegend katholischen Umgebung groß geworden. 1978 siedelte er um nach Dänemark und beendete 1989 ein Maschinenbaustudium mit einem Abschluss als Maschinenbautechniker. Vom Ende der siebziger Jahre bis 1985 bereiste er unterschiedliche Länder in Asien und Afrika und trat 1992 zum Islam über. Seit 1997 ist er mit seiner Fotografiedokumentation "Islam in Europa" beschäftigt. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder und lebt in Kopenhagen.

MM: Sehr geehrter Ahmed Nurani-Krausen; einige hundert Mal erzählt und doch wieder gefragt: Wie fanden Sie zum Islam?

Nurani-Krausen: Nach dem ich Deutschland verließ, reiste ich in vielen Ländern in Afrika und Asien. Ich wollte sehen, wie man anders leben kann, denn ich hatte Zweifel daran, dass unsere Lebensweise hier im Westen die einzige richtige ist. Ich habe beobachtet, zugehört, Fragen gestellt und Antworten gesucht. Dabei hat die Fotografie die wichtigste Rolle gespielt- auch heute noch- denn mit der Fotografie kann man einen Bruchteil einer Sekunde für lange Zeit haltbar machen. Man sagt ja auch, ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Es war ein langer und zäher Weg. Leicht gemacht habe ich es mir dabei nicht. 14 Jahre habe ich dafür gebraucht.

MM: Was hat man sich unter dem Fotografiedokumentation "Islam in Europa" vorzustellen?

Nurani-Krausen: Wenn man von der islamischen Architektur redet, ist damit in der Regel Damaskus, Bagdad oder Kairo gemeint. Ich möchte mit meinen Bildern dokumentieren, dass die islamische Architektur hier in Europa auch bewundernswert ist, ja in manchen Gegenden, wie z.B. in Nord-Osteuropa sogar faszinierend und einmalig ist. Ich fotografiere auch die Muslime, wie sie leben, arbeiten, wohnen usw. Ich möchte zeigen, wie vielfältig der Islam in Europa ist. Daraus soll ein illustriertes Buch werden, InschaAllah.

MM: Kann man davon leben?

Nurani-Krausen: Nein, das ganz bestimmt nicht. Um mein Projekt fertig stellen zu können, benötige ich Sponsoren. Den Lebensunterhalt für mich und meine Familie verdiene ich durch eine Beschäftigung bei einer dänischen Firma, die digitale Rückteile für Zwischen- und Großformatkameras baut.

MM: Sie verlinken auf Ihrer Homepage als Erstes zu Halima Krausen, ist die Namensvetternschaft Zufall??

Nurani-Krausen: Nein, die Halima Krausen ist meine ältere Schwester.

MM: Themenwechsel: Als muslimischer Bürger Dänemarks haben Sie den so genannten Karikatur-Streit aus nächster Nähe miterlebet. Wie stellt sich der Konflikt für Muslime in Dänemark in den muslimischen Gemeinden dar?

Nurani-Krausen: Der Konflikt fing nicht erst bei den Karikaturen an. Seit Jahren, besonders durch die Rechts-liberalen Regierungsübernahme, wird eine miese Stimmung verbreitet. Ausländer, Islam, Muslime waren die Hauptthemen im Wahlkampf und sind heute fast täglich der Tagesordnungspunkt im dänischem Parlament. Z.B. wenn ausländische Jugendliche etwas kriminelles anstellen, steht das sofort mit riesigen Überschriften in den Zeitungen und natürlich müssen auch sofort die Gesetze verschärft werden. Wenn es sich um dänischen Jugendliche handelt, ist es dagegen meist still. Muslime werden nach belieben in Kategorien eingeteilt: in Islamisten, Radikale, Moderate usw. und gegeneinander ausgespielt. Die Karikaturen haben das Fass erst zum Überlaufen gebracht. Die Muslime in Dänemark haben sich bisher sehr beispielhaft verhalten. Natürlich kein einziges positives Wort darüber weder in der Presse noch von Politikern.

MM: Dann geben Sie doch einige Worte dazu ab.

Nurani-Krausen: Kurz zusammen gefasst fing es an mit einem Unterrichtsbuch für Schulen, dass das Leben des Propheten Mohammad (s.) schildern sollte. Dafür benötigte man Bilder. Es wurden einige Zeichner beauftragt den Propheten zu zeichnen. Diese lehnten es aber ab, weil sie befürchteten mit dem Bilderverbot im Islam in Konflikt zu geraten. Normalerweise würde ich- so wie es auch hier in Dänemark üblich ist - erwarten, das eine Debatte über das Thema eröffnet wird. Das hätte ich persönlich auch für richtig empfunden. Auch über andere Themen, so z.B. vor Volksabstimmungen zur Einführung des Euro o.Ä. wird hier sehr leidenschaftlich, kritisch und informativ diskutiert, was ich in Deutschland sicherlich vermissen würde. Hier wählte die dänische Tageszeitung - Jyttland-Posten - eine sehr konservatives Blatt übrigens, für viele unerwartet, die Provokation anstelle der Debatte. Danach passierte aber nicht sehr viel. Erst die sehr arrogante Haltung des dänischen Staatsministers gegen über das Anfragen einer Reihe Botschafter von islamischen Staaten, und das muss ich fairerweise hinzufügen, die Übertreibungen eines einzelnen Imams hat den Konflikt zur Eskalation gebracht.

MM: Nun ist Dänemark als kleines EU-Land auch reich aufgrund seiner Exporte. Als Nicht-Däne bekommt man den Eindruck, dass es die heutige Politik in Dänemark gar nicht interessiert, ob die dänische Wirtschaft Schaden nimmt oder nicht, oder trügt der Eindruck?

Nurani-Krausen: Die rechts-liberale Regierung zusammen mit der rechtspopulistischen „Dansk Folkeparti“ (Dänische Volkspartei) hat in erster Linie eine ausländerfeindliche und islamfeindliche Politik im Kopf. Im letzten Wahlkampf war die Ausländerpolitik das einzige Thema gewesen. Der Irak-Krieg- an dem Dänemark ja eine aktive Rolle spielt - wurde kein einziges Mal erwähnt. Sicherlich spielen die wirtschaftlichen Interessen eine Rolle, aber ich glaube, das die dänische Regierung die Reaktionen vor allem von den islamischen Ländern total unterschätzt hat. Sie sind ja schon am reparieren: Am 10. März findet in Kopenhagen eine internationale Konferenz über Dialog statt.

MM: Wie ist denn die Reaktion der dänische Bevölkerung. Steht sie einheitlich hinter den "Meinungsfreiheits"-Fanatikern, oder gibt es auch besonnene Stimmen, die zu gegenseitigen Respekt mahnen?

Nurani-Krausen: Laut einer Umfrage ist die dänische Bevölkerung in zwei ungefähr gleich großen Lagern geteilt. Das eine Lager befürwortet eine uneingeschränkte Meinungsfreiheit und die andere Seite wünscht Rücksichtnahme, denn die Globalisierung die wir heute haben, macht dies Notwendig.

MM: Wie hat sich im Zuge der Konfliktverschärfung die Lage der Muslime in Dänemark noch weiter erschwert?

Nurani-Krausen: Laut einer Umfrage hat die rechtspopulistische „Dansk Folkeparti“ vom Konflikt am meisten profitiert. Das lässt schlimmes für die Zukunft erahnen.

MM: Bekommen Sie selbst oder Ihre Familienangehörigen die Negative Stimmung auch direkt zu spüren?

Nurani-Krausen: Ja leider. Meine Frau stammt aus Somalia. Wegen ihre dunklen Hautfarbe und ihrem Kopftuch wird sie angerempelt z.B. in vollen Bussen, und wenn wir gemeinsam mit unseren Kindern ausgehen, werden die Kontraste ja noch stärker. Wenn Blicke töten könnten.

MM: Was können Ihrer Meinung nach dänische Muslime wie auch Nichtmuslime tun, um die Lage zumindest zu besänftigen?

Nurani-Krausen: Der Dialog ist das wichtigste Element in der dänischen Gesellschaft und ist der einzige Weg zu einer Lösung. 70% der dänischen Bevölkerung befürchtet terroristische Anschläge in Kopenhagen. Das wäre furchtbar! Eine dänische nichtmuslimische Initiative hat eine Homepage eröffnet um zu zeigen, das es auch ein anderes Dänemark gibt. Die Homepage heißt: www.anotherdenmark.org. Ich möchte noch hinzu fügen, das am 18. Februar Grossdemonstrationen hier in Kopenhagen und in anderen dänischen Stätten stattfanden für Dialog und Respekt, an denen sowohl Muslime wie auch Nichtmuslime teilgenommen haben. Meine Idee ist, diese Demonstrationen jede Woche zu wiederholen nach dem Vorbild der Leipziger Montagsdemonstration. Es müssen noch viele Mauern fallen.

MM: Sehr geehrter Ahmed Nurani-Krausen, wir danken für das Interview.

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