MM: Sehr geehrter Herr Kukoves, sie waren
Vorort, als das Bombardement des Libanon losging. Bitte schildern Sie uns
ihr persönlichen Eindrücke.
Thomas Kokovec: Ich kam mit dem
Damaskus-Beirut Taxi nach Beirut und schon von den Bergen sah man die
Rauchsäulen. Ich musste mich vier mal übergeben. Ich war so nervös, aber ich
musste einfach hin. Ich habe soo viele Freunde im Libanon. Was wäre ich für
ein Freund, wenn ich sie im Stich lassen würde...? Außerdem ist meine
Freundin Libanesen. Vielleicht meine zukünftige Frau...? Ich musste einfach
hin. Wollte nicht im wohlstandsverwöhnten Österreich vorm Fernseher sitzen
und sehen wie Israel mein Land zerstört. Wollte einfach nur helfen.
MM: Warum haben sie nicht sofort versucht zu
fliehen?
Thomas Kokovec: Ich bin bewusst eingereist
während schon alles losging. Ist nicht so, dass ich schon drin war - bin
bewusst eingereist. Flüchten half ich mehreren Europäern aus dem Süden, die
so unter Schock waren, dass ich quasi alles für sie tat. Brachte sie zur
Botschaft, brachte eine schwangere 21-jährige deutsche ins American
University Hospital, weil sie glaubte, ihr Kind verloren zu haben, weil
Israelis ihr Dorf im Süden beschossen haben, bezahlte die Arztrechung und
brachte sie in einer Kirche unter. Für mich gibt's keine Flucht. Entweder
helfe ich hier meinen Freunden in der Flüchtlingshilfe oder ich sterbe hier,
aber Freundschaft bedeutet mir was. Wo kämen wir hin, wenn wir "Menschen"
nicht versuchten zusammenzuhalten und uns gegenseitig zu helfen...?
MM: Haben Sie denn keine Angst vor dem
Sterben?
Thomas Kokovec: Witzig! Nein! Ich hab
Todesangst nach und vor jeder Prüfung auf der Uni, weil mir mein
universitärer Erfolg sehr wichtig ist, nachdem ich ohnehin schon lange genug
studiere, aber hier hab ich keine Angst! Wundert mich selbst, ehrlich
gesagt!
MM: In den westlichen Medien versucht man
uns tagtäglich einzureden, dass die Libanesen eher sauer auf die eigene
Hisbollah als auf Israel seien, ist das auch Ihr Eindruck?
Thomas Kokovec: Es gibt viele die mit der
Hisbollah nicht einverstanden sind, ja sie sogar hassen, aber jetzt versucht
jeder hinter der Hisbollah zu stehen, um Einheit zu demonstrieren, selbst
die, die gegen Hisbollah sind. Israel hat dem Libanon schon so großes Leid
angetan, das sich alle einig sind, jetzt zusammen zu halten. Sie lassen es
nicht zu, das weder Syrien noch Israel das vereinte libanesische Volk
spaltet. Einen neuer Bürgerkrieg zwischen Christen und Moslems ist
unmöglich!
MM: Sieht man im Libanon einen Zusammenhang
mit der Besatzung Palästinas?
Thomas Kokovec: Das ist alles eine
gemeinsame Sache. Amerika und Israel sind die Feinde. Selbst die Christen
die früher mit Israel zusammen gearbeitet haben, stehen jetzt hinter der
Idee eines vereinten Libanon, gegen Syrien und gegen Israel, gegen jeden
Aggressor von außen, der dieses Land wie eine Hure benutzt, um für seine
Interessen zu kämpfen.
MM: Wie wird die Schweigsamkeit der
westlichen Welt empfunden?
Thomas Kokovec: Trauer, Zorn, Wut... Man ist
fassungslos. Krone, ORF, Kleine (Anmerkung: das sind Sender und Medien)...
es ist einfach fassungslos. keine Worte! Alle haben sie meine Artikel
verweigert!
MM: Was können NGOs in solch einer Situation
machen?
Thomas Kokovec: 30000 Flüchtlingen in Beirut
essen, Medizin, Kleidung usw. zu geben. Jeder Cent hilft!!!! Bitte helfen
auch sie und nutzen sie nicht die Situation nur für ein interview - helfen
auch sie!
Spendenkonto: Thomas Kukovec
gutenberstasse 2
8430 leibnitz (Österreich)
volksbank
Nr: 25689960000
blz: 44810
"fluechtlingshilfe lebanon"
MM: Bitte übersenden Sie uns doch Ihren
Artikel, damit wir ihn im Anhang veröffentlichen können und die Leser sehen,
was die Medien abgelehnt haben und haben Sie vielen Dank für das Interview.
Thomas Kokovec: Mein Schreiben an die
Kronen-Zeitung und an die Kleine Zeitung (beide Österreich): Keine Antwort
bekommen!
(Anmerkung: Der Bricht stammt von der
Anfangszeit des Krieges vor den großen Zerstörungen)
Liebe Redaktion!
Ich befinde mich derzeit in Beirut und muss ihnen
sagen, dass alles nicht so wild ist wie sie es darstellen. Aufgrund ihrer
Berichterstattung hat meine Familie in Österreich keine ruhige Minute. Bin
mehr damit beschäftigt sie zu beruhigen, anstatt im Libanon mit meiner
libanesischen Freundin die Situation abzuwarten und meiner Arbeit als freier
Journalist nach zu gehen.
Ich war schon vier mal im Libanon und nun das
fünfte mal - eingereist über Syrien. Selbst die Botschaftsangestellten haben
mir versichert das es nicht notwendig ist, das Land zu verlassen. Ich weiß
nicht was ihnen die Botschaft erzählt hat, aber zu mir waren sie freundlich
und haben gesagt, in ruhiger und entspannter Atmosphäre, dass sie nur einen
Bus nach Syrien organisiert haben, um grundsätzlich was anzubieten. Aber
viele Ösis bleiben da! Die Botschaft evakuiert nicht! Es ist ein ganz
normales Streetlife, keine Panischen Einkäufe, keine Flüchtlingswellen...
Ein Tag, fast wie jeder andere.
Ich habe schon mehrmals versucht ihnen anzubieten
über den Libanon zu schreiben, aber es wurde immer abgelehnt. Ich bin zwar
kein Freund ihres Blattes, aber zumindest ist ihr Blatt meinungsbildend!
Daher sollten sie nicht nur über die Toten im Süden berichten, und über
Bomben und den Terror, sondern es zulassen ihr Spektrum etwas zu erweitern
und einmal näher hinzusehen.
Wissen sie das viel Leute, wahrend des
Bombardements in Bars waren und den Triumph der Hisbollah mit Bier begossen
haben - und zwar nicht nur Schiiten und Moslems - Christen und Drusen -
einfach alle!
Wussten sie das manche europäische Touristen ganz
entspannt im Cafe de Pari in Hamra sitzen oder bei Starbucks?
Ich biete ihnen noch einmal an für die Krone ein
Tagebuch meines Aufenthaltes im Libanon zu verfassen. Ich bin auch
Fotojournalist (www.thomaskukovec.com)
und schreibe unter anderem für das Magazin www.litera.at/international
.
Wenn sie Interesse habe, gerne! Aber bitte hören
sie auf mit ihren Berichten meine Familie und Freunde so zu beunruhigen und
in unnötige Panik zu bringen. Beirut brennt nicht! Ich vergleiche das gerne
mit 1991: In Lebnitz hat keiner mitbekommen, dass in Spielfeld Krieg war!
Genau so ist es hier. Ein Stadtteil wird bombardiert (die Hisbollah Hochburg
im Süden), aber Nordbeirut ist sicher wie eh und jeh.
Nichts für ungut, aber das muss auch einmal gesagt
werden. Ich stehe ihnen gerne zur Verfügung!
Mit freundlichen Grüssen, Thomas Kukovec
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