MM:
Sehr geehrter Herr Menuhin, als Sohn eines
derart weltberühmten Musikers stellt sich zunächst die Frage: Musizieren Sie
auch?
Menuhin:
Ich musiziere
nicht. Dadurch ist mein Leben ärmer. Ich meine jetzt nicht das
professionelle Musizieren, sondern das Musizieren aus Liebhaberei, wie es
einst sehr verbreitet war. Ich höre gerne Musik, meistens Blues, der für
mich eine ewige, ehrliche, menschliche Musik bedeutet. Ich glaube aber, dass
das Musizieren, wie das Malen, sehr wichtig ist, um Menschen von ihren
alltäglichen Sorgen und Beschäftigungen abzulenken und anderen Werte nicht
zu kurz kommen zu lassen. Kunst ist für die Menschheit unverzichtbar. Der
Ausdruck unserer Gedanken und Gefühle durch die Kunst bereichert und erklärt
unser Leben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einerseits unter
dem Oberbegriff "Kunst" häufig auch Pseudokunst firmiert und teuer verkauft
wird und andererseits der Kunst nicht selten eine pure Nebenrolle als
Unterhaltung zugewiesen wird, die, wenn der Staat sparen muss, sofort ihre
Unterstützung verliert.
MM:
Welche Bedeutung haben für sie ihre drei Staatsbürgerschaften?
Menuhin:
Für mich haben Staatsbürgerschaften in erster
Linie praktischen Wert. Sie ermöglichen - meistens - das Reisen, aber
beschränken das Leben auch. Man kann sich mit einem Staat nicht wie mit
einer Region oder eine Gemeinde identifizieren. Wichtiger als die
Staatsangehörigkeit ist die Kultur. Ich bin Europäer, Engländer, geprägt von
den Relikten unseres kriegverwüsteten Europas und von den Schatten der mir
leider nicht mehr bekannt gewordenen Welt von gestern, in der meine Eltern
noch zuhause waren.
MM:
Warum sind sie nicht auch Deutscher; sie hätten doch bestimmt die
deutsche Staatsangehörigkeit bekommen können?
Menuhin:
Obwohl ich sehr viel Sympathie für Deutschland
habe, bin ich kein Deutscher. Deutschland sehe ich aus zwei Perspektiven.
Aus der Perspektive der Deutschen, sozusagen von unten, mit allem
menschlichen Hoffen und Streben. Und aus der Perspektive jenes Deutschlands,
das Objekt und Fußball internationaler Interessen ist, das täglich in
voraussehbarer Weise getreten wird - gemäß dem amerikanischen und dem
zionistischen Willen und in Übereinstimmung mit deutschen Politikern. Es
handelt sich um die "Volksvertreter" der indoktrinierten
Nachkriegsgeneration, unter ihnen die 68er-Revolutionäre, die nur zu
zerstören wissen. Solche Leute sind gefährlich, weil sie keine Loyalität
kennen, weder zu ihrem Land noch zu ihren Landsleuten. Sie haben keine
Überzeugung, die diesen Namen verdient, sondern sind erfüllt von einer
doktrinären Ideologie, die an der Stelle der Realität tritt.
MM:
Gilt das Ihrer Meinung nach auch für die aktuelle Regierung?
Menuhin:
Die Bundeskanzlerin ist im Westen, dann im
Osten und schließlich wieder im Westen groß geworden. Sie hat mit Religion
zu tun gehabt, mit Wissenschaft, und mit kommunistischer Ideologie. Ihre
Oberflächlichkeit wurde allen klar, als sie als Erwachsene Amerika
entdeckte. Frau Merkel war von dem Land der Oberflächlichkeit par excellence
begeistert. Kann man von einer solchermaßen verwirrten Persönlichkeit die
Bodenständigkeit, die Weisheit verlangen, erwarten, die nötig ist, um ein
Land zu führen, zumal ein Land mit der Vergangenheit und den Problemen
Deutschlands?
MM:
Warum ist die Rolle Deutschlands in Ihren Schriften von so großer
Bedeutung?
Menuhin:
Deutschland kommt eine Schlüsselrolle für die
weitere Entwicklung der Welt zu. Wenn einmal ein deutscher Politiker, eine
deutsche Partei sich durchsetzen könnte, um das Land von der angeblich
"ewigen" Schuld zu befreien und dem Volk das Selbstvertrauen zurückzugeben,
wären nicht nur die Deutschen gerettet, sondern es wäre der ganzen Welt
geholfen. Wenn Deutschland einmal zu sich finden könnte, sich von dieser
unwürdigen Generation lösen könnte, wäre es mit der Erpressung vorbei.
Dann kämen die Bausteine eines ehrlicheren
Deutschland zusammen. Die Befreiung Deutschlands aus dem Würgegriff wäre ein
wesentlicher Beitrag zu einer Welt von selbstständigen, sich achtenden
Kulturen und Regionen. Eine Welt, die ohne EU, NATO, und eine verlogene UN
auskäme. Eine Welt, in der die hypertrophen, auf Machtgier, Ignoranz und
Respektlosigkeit gebauten USA ihren zerstörerischen Einfluss nicht mehr
geltend machen könnten.
MM:
Wie wurden sie Vorsitzender der Yehudi
Menuhin Stiftung
Menuhin:
Erst nach dem Tod meines Vaters habe ich mich
manchen seiner Projekte genähert und mich - selbstverständlich ehrenamtlich
- für sie eingesetzt, so auch für die Yehudi-Menuhin-Stiftung Deutschland.
Nach
der in der Westminster-Abtei gefeierten Zeremonie zum Gedenken an meinen
Vater kam Frau Prof. Süssmuth auf mich zu und fragte, ob ich bereit sei,
Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland, für die sie
die Schirmherrschaft übernommen hatte, zu werden. Also habe ich diese
Aufgabe 1999 übernommen. Sämtliche Mitglieder des Vorstandes haben mich mit
"du" angesprochen.
So wie es Vereinsmeier gibt, mag es auch
"Stiftungsmeier" geben; ich bin beides nicht. Aber ich halte das dortige
Projekt für sinnvoll, sonst hätte ich mir die Reisen nach Düsseldorf und die
Sitzungen unter Leuten, die nicht unbedingt meine erste Wahl sind, nicht
zugemutet.
MM:
Sie waren Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung
Deutschland und wurden letztes Jahr ihres Amtes enthoben. Wie stellt sie die
Angelegenheit aus Ihrer Sicht dar?
Menuhin:
Auf einmal
bekam ich am 11. November 2005 einen eingeschriebenen Brief, sehr formell
und kühl, in dem man mich aufforderte, noch am selben Tag, 11. November, von
meinem Amt als Vorsitzender schriftlich zurückzutreten, weswegen ich
innerhalb einer Stunde ein kurzes Rücktrittsschreiben verfasste und es
wiederum per Einschreiben zurücksandte. Angesichts der ebenso peinlichen wie
unmenschlichen Form, die der Vorstand der Stiftung im Umgang mit mir gewählt
hatte, bestand keine Veranlassung, bei der Stiftung anzurufen oder meinen
Rücktritt per Fax zu senden. Es reichte mir. Selbstverständlich kam mein
Brief nicht am 11. November an - und ich wurde "gefeuert". Wie ich einige
Tage später dem "Spiegel" erklärte, konnte ich "im heutigen umerzogenen
Deutschland" das Vorgehen der Stiftung durchaus nachvollziehen. Der Vorstand
sowie die Angestellten der Stiftung, gehören - trotz ihrer guten Arbeit im
Sinne des Projektes - zu jenen langweiligen Gutmenschen der bekannten Sorte,
die wie viele ihrer Generation die Theorie der multikulturellen Gesellschaft
und, so nehme ich an, die von der ewigen Schuld Deutschlands unbesehen
akzeptieren. Bemerkenswert für mich ist, dass diese beschränkte Weltsicht
keineswegs der originellen Denkweise meines Vaters entspricht. Mein Vater
war nicht nur ein eigenständiger Denker, er war auch in den Begriffen der
Vorkriegszeit zuhause. Er hätte mit Ausdrücken wie "multikulturell" nichts
anfangen können. Sieht man einmal vom Projekt selbst ab, wird mein Vater
also von den Akteuren der von ihm gegründeten Stiftung für die
multikulturelle Agenda missbraucht. Deshalb war der Vorstand wahrscheinlich
zutiefst erschrocken, als er erfuhr, dass ich seit Ende 2004 regelmäßig eine
Kolumne in der National-Zeitung geschrieben und der Deutschen Stimme gerade
ein Interview gegeben hatte. Dabei haben sich diese Gutmenschen nicht wie
intelligente Individuen benommen, sondern anstatt sich mit meinen Meinungen
auseinander zu setzen, mich in Panik auf Grund der üblichen Vorurteile gegen
diese Publikationen und aus lauter Angst um ihre Stellungen verleugnet.
MM:
Eigentlich spricht es keiner direkt aus, aber hängt ihr Absetzung nicht
letztendlich mit Ihrer aus deutscher Sicht extrem kritischen Sicht gegenüber
Israel zusammen?
Menuhin:
In erster Stelle hängt meine Absetzung mit dem Unheil
Deutschlands zusammen, das jeder Deutsche täglich förmlich einatmet. Er wird
verlangt, alle, die nur irgend eine Sympathie für eine Denkweise "rechts"
der Parteien CDU/CSU haben, ohne jegliche Überlegung zu verdammen. Dies
hängt mit dem sklavischen Gehorsam gegenüber dem zionistischen Israel und
dessen Unterstützer Amerika zusammen. Diese Länder verfolgen ihren geheimen
Plan zur Weltherrschaft durch Kolonialismus, als ob wir alle noch im 18.
Jahrhundert lebten. Ohne den britischen Kolonialismus gäbe es in Afrika
heute keine Massaker zwischen Stämmen, die in künstlich geschaffenen Staaten
zusammengefasst wurden. Damals galt nur die Macht. Durch sie konnte man auch
das Erdöl des Nahen Osten an sich reißen. Warum durch mühsame diplomatische
und wirtschaftliche Wege dieses suchthaft gebrauchte Material kaufen, wenn
man es nehmen oder mit Hilfe von Marionettenregimen billig bekommen kann?
Das Leben des Menschen ist kurz; das politische Leben und das Gedächtnis
von Politikern noch kürzer. Was nach ihren Entscheidungen kommt, war und ist
deshalb unwichtig. Über die Köpfe der Einwohner hinweg wurden in Folge einer
solchen Politik Tyrannen begünstigt. Die Großmächte Großbritannien,
Frankreich, später USA und Sowjetrussland stützten und betreuten die ihnen
treu ergebenen Tyrannen, sei es in Südamerika, in Afrika oder im Nahen
Osten. Nach so vielen Jahren der Unterdrückung und der Provokation kommt
jetzt die Retourkutsche: der internationale Terrorismus. Inzwischen muss
nicht nur jedem gut informierten Politiker, sondern jedermann klar sein,
dass dieser Weg in den Abgrund führt. Merkwürdig ist nur, dass keine
westliche Regierung den Zusammenhang anerkennen will und dass diese Art der
Außenpolitik noch immer fortgesetzt wird. Jede so genannte demokratische
Regierung ist sich dessen vollkommen bewusst, wie lügnerisch, perspektivlos
und letztlich unprofitabel diese Politik ist. Aber die Völker Westeuropas
werden von ihren gewählten Politikern im Dienst dieser verfehlten Politik
täglich, sogar stündlich, angelogen. Warum? Ist eine Wende im Angesicht der
augenfälligen Wahrheit denn so schwierig, so unmöglich?
Was Israel angeht, ist nur folgendes zu sagen: Zur Schaffung Israels
führte eine unglückliche Verkettung von Umständen. Einerseits drängte schon
vor 1914 die neo-hebräische Sekte der Zionisten unermüdlich die englische
Regierung, eine "jüdische Heimstatt" in Palästina zu gründen. Andererseits
brauchte England 1917 soviel Sympathie und Unterstützung wie möglich, da der
Erste Weltkrieg zu diesem Zeitpunkt noch als unentschieden galt. Also kam es
zu der berüchtigten Balfour-Deklaration - einem der unglaublichsten
politischen Dokumente aller Zeiten. Darin versprach eine Nation einer
anderen Nation feierlich das Land einer dritten, wie Arthur Koestler in
seinem Buch "Promise und Fulfillment, Palestine 1917-1949" feststellte. Als
der Staat Israel dann 1948 gegründet, sozusagen als Fremdkörper in eine
muslimische Gegend gesenkt wurde, wäre es am einfachsten und am
vernünftigsten gewesen, wenn die hochgepriesene jüdische Weisheit sich für
eine diplomatische Lösung durch die Teilung des Landes entschieden hätte,
wobei der fundamentale Unterschied zwischen westlicher Industrialisierung
und nahöstlicher Landwirtschaft auf alle Fälle schwierig zu überwinden
gewesen wäre. Als Fremder aber, ob man in eine Schulklasse kommt oder auf
einen neuen Posten, ist man gut beraten, wenn man versucht, sich anzupassen.
Die meisten Deutschen, die meisten Menschen überhaupt haben diese
Tatsachen vergessen, wahrscheinlich nie gewusst. Deutsche Politiker bilden
sich ein, ihre Politik sei eine Selbstverständlichkeit, während sie in
Wahrheit auf eine verachtenswerte Ignoranz und Verantwortungslosigkeit
zurückzuführen ist.
Die Zionisten scheinen vergessen zu haben, dass sie Teil einer über
Jahrhunderte verfolgten Rasse sind. Sie haben sich genau wie jede andere
machtbesessene Gruppe benommen. Mit Hilfe von jährlich drei Milliarden
Dollar aus Amerika haben sie ihre Waffenarsenale ausgebaut und diese gegen
die palästinensische Zivilbevölkerung eingesetzt - wie die amerikanische
Armee in Vietnam ihre alles in den Schatten stellende Feuerkraft gegen die
Dörfer der Vietcong richtete.
Um es zu vereinfachen: Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem
jahrzehntelangen Benehmen Israels den Palästinenser gegenüber (sowie
selbstverständlich dem Benehmen Amerikas gegenüber Afghanistan, Irak,
Syrien, Iran usw. usf.) mit der Gefahr, dass irgend einer von uns zur
falschen Zeit am falschen Ort sein und dadurch sein Leben durch eine Bombe
verlieren könnte. Wenn dieses Schicksal einen meiner Verwandten oder mich
träfe, sagen wir in den USA oder in Großbritannien, wäre meiner Ansicht nach
die betreffende Regierung an erster Stelle dafür verantwortlich.
Ein letztes Wort soll John Sheehan SJ, New York, haben (man kann sich
immer auf einen Jesuiten verlassen, wenn es darum geht auf treffende
Gedanken zu kommen): "Wenn einer mir mit der Behauptung kommt, Israel sei
unser einziger Freund im Nahen Osten, kann ich mich des Gedanken nicht
erwehren, dass wir vor Israel keine Feinde im Nahen Osten hatten."
MM:
Als Vorwurf wird u.a. auch ihr Nähe zur "National-Zeitung" vorgeschoben.
Worin besteht diese Nähe?
Menuhin:
Die National-Zeitung kannte ich schon in den siebziger
Jahren, zu der Zeit, als mein geliebter Großvater ihr Mitarbeiter war. Mein
Großvater, der in friedlichen Zeiten in Palästina zur Schule ging und viele
arabische Freunde hatte, konnte es nicht leiden, dass die Zionisten das Land
durch ihre Machtpolitik völlig veränderten, indem sie die einheimische
Bevölkerung erbarmungslos unterdrückten und vertrieben. Er wollte, dass die
Botschaft von diesem Unrecht Verbreitung findet.
Auf Grund meiner oben bereits angesprochenen Ansichten über Deutschland
kam für mich allein die National-Zeitung als Träger geschichtlicher und
gegenwärtiger Wahrheit in Frage. Es ist, wie ich es in meiner Stellungnahme
zum Vorgehen des Vorstands der Yehudi Menuhin Stiftung gesagt habe: "Ich
habe keine 'ideologische Haltung'. Ich vertrete, ganz im Stil meines Vaters
praktische Lösungen. Die praktischen Lösungen im Falle Deutschlands
entsprechen am ehesten den Vorstellungen der gemäßigten, verfassungstreuen
Rechten. In der BRD würde daher außer der National-Zeitung wohl keine
größere Publikation meine, wie ich glaube, vernünftige Ideen
veröffentlichen."
MM:
Schon ihren Großvater haben Sie in der Öffentlichkeit als
antizionistischen Juden vorgestellt, was Sie letztendlich fortzusetzen
suchen. Was sagen Sie den jüdischen Organisationen in Deutschland, die
Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen suchen?
Menuhin:
Dieses weit
und laut verbreitete Schlagwort - ohne das wohlgemerkt die ganze Masche der
Zionisten auffliegen würde - gründet und baut auf Ignoranz. Gleichzeitig ist
der Begriff "Antisemitismus" eine Beleidigung der Arabern - die doch auch
Semiten sind -, weil er sie begrifflich ausschließt. Wie ich festgestellt
habe, handelt es sich bei den Zionisten nur um eine moderne Sekte unter
Juden, die ihren Anspruch auf Palästina auf Gewalt und die biblische
Geschichte zu stützen versucht. Sie ist nur durch das typisch kurzsichtige
und dilettantische Vorgehen Großbritanniens, das damals Palästina
verwaltete, so weit gekommen. Wenn das Publikum die Bildung hätte, den
Unterschied zwischen Antizionismus und Antisemitismus zu erkennen, wären wir
ein ganzes Stück weiter. Dazu wären aber weniger Faulheit und mehr
Aufmerksamkeit vonnöten.
MM:
Derzeit kursieren immer
mehr Vorschläge in der Weltpolitik zur Auflösung des "Judenstaates" von sehr
unterschiedlichen Richtungen und Bildung eines demokratischen Staates mit
gleichberechtigten Bürgern in Ganz-Palästina vergleichbar der damaligen
Entwicklung in Südafrika. Muss ein Jude, der solch eine Meinung unterstützt,
sich nicht den Vorwurf des Antisemitismus in seiner "deutschen" Definition
gefallen lassen?
Menuhin:
Gerade hat die
Hamas mit überwältigender Mehrheit die Wahl gewonnen. Das ist nicht nur ein
Triumph der Demokratie, sondern auch ein Signal gegen Korruption und für
Menschennähe. Es zeigt, dass - trotz oder gerade wegen ihrer fürchterlichen
Lage - die Bevölkerung Palästinas weiter für ihre Rechte kämpfen will. Das
tut sie, weil sie erkennt, dass es keinen anderen Weg gibt. Die Alternative
ist die Ausrottung der Palästinenser durch die israelische "Operation
Dornenfeld", durch die ihr Leben so unmöglich gemacht werden soll, dass sie
das Land verlassen. Im Übrigen verwahre ich mich gegen eine besonders
ausgedehnte "deutsche" Definition von Antisemitismus, wie sie aus
Opportunismus und aus Unwissenheit in der Bundesrepublik verbreitet wird.
MM: Auf der einen Seite sind sie gegen "Multikulti", auf der anderen
Seite wollen Sie - wie wir auch - dass Juden, Christen und Muslime gemeinsam
in einem Land Palästina in Frieden leben. Auf der einen Seite wollen Sie
sich nicht mit einem Staat identifizieren, auf der anderen Seite haben Sie
eine Nähe zu den Ultranationalisten, ist das nicht ein gewisser Widerspruch
in Ihren Aussagen?
Menuhin: Nein, das ist kein Widerspruch. Die Situation in
Palästina ist, wie sie ist. Man kann die Uhr nicht zurückdrehen. "Ethnische
Säuberungen" und dauerndes Blutvergießen sind keine Alternative zum
friedlichen Zusammenleben. Im übrigen ist die Anwesenheit von Juden,
Christen und Muslimen in Palästina bis zur zionistischen Landnahme auf
durchaus organische Weise gewachsen. Das lässt sich nicht mit dem auf
Theorien basierenden multikulturellen Experiment in Deutschland vergleichen.
Der Begriff "Ultranationalist" ist nur ein Schlagwort. Bekanntlich führt
die große türkische Tageszeitung Hürriyet in ihrem Titel das Motto "Türkiye
Türklerindir" (Die Türkei den Türken). Diese Zeitung gilt als
liberal-konservativ. Warum legt man an die National-Zeitung einen so viel
strengeren Maßstab an, obwohl sie in vielen Punkten sicher einen weitaus
freiheitlicheren Standpunkt vertritt als zum Beispiel die CSU? Übrigens ist
in der National-Zeitung so deutlich wie in keinem anderen Organ gesagt
worden, dass sich die Deutschen nicht in einen "Krieg der Kulturen" gegen
die muslimische Welt hineinziehen lassen dürfen, sondern die traditionelle
Freundschaft mit ihr bewahren sollen.
Was meine mangelnde Identifikation mit einem Staat angeht. Der Mensch
identifiziert sich doch mit seiner Kultur viel mehr als mit seinem Staat.
Der Staat ist künstlich, die Kultur nicht. Ein Staat kann durch einen Krieg
vernichtet, vergrößert oder verkleinert werden, eine Kultur dagegen kaum.
Sie besteht weiter, auch wenn man eine Staatsgrenze mittendurch zieht. Der
Mensch, der seine Kultur bewahren möchte, weil er sie schätzt, verteidigt
sie gegen das übermäßige Einströmen anderer Kulturen. In welchem Maße
weitere Einwanderer willkommen sind, hängt einerseits davon ab, inwieweit
sie bereit sind, sich zu integrieren, andererseits davon, wie viele Fremde
bereits im Land sind. Daher ist es nur normal, dass die Aufnahme einer
überwältigend großen Zahl von Menschen mit einer völlig fremden Kultur - oft
ohne den Wunsch sich anzupassen und ohne die Möglichkeit zu arbeiten - den
Einheimischen Probleme bereitet. Zumal alle Unterstützungsleistungen aus
öffentlichen Geldern stammen.
Ich glaube an ein Zuhause für alle Kulturen, an einen Ort, dem jeder
zugehört. Die Aussage, dass Deutschland in erster Linie das Land der
Deutschen bleiben soll, ist davon nicht weit weg.
MM:
Vor einem Jahr haben Sie behauptet, dass nicht Juden, sondern Iraner
derzeit in Gefahr seien, vertreten Sie diese Meinung immer noch?
Menuhin:
Auf alle
Fälle. Iraner sind in Gefahr, weil sie auf die Nutzung der Atomenergie
bestehen, wobei es nicht unbedingt um Waffen geht. Pakistan - vielleicht
nicht das allerstabilste Land - hat Nuklearwaffen. Nordkorea ebenfalls.
(Amerika geht vorsichtig mit Nordkorea um, gerade weil es eine Atommacht
ist.) Die neuen Weltmächte Indien und China sind auch mit Atomwaffen
gerüstet. Selbstverständlich hat Israel welche, die ohne die Zivilcourage
des Herrn Vanunu wahrscheinlich der Welt unbekannt geblieben wären und die
von der Internationalen Atombehörde nicht kontrolliert werden dürfen. Aber
der Iran, eine tausendjährige Kultur, von den emporgekommenen USA als
"Schurkenstaat" bezeichnet, soll nicht seine eigenen nuklearen Anlagen
betreiben dürfen? Eventuelle Sanktionen des "Weltsicherheitsrates" werden
wahrscheinlich nicht auf die Spitze getrieben, zumal sie dem Westen nur
schaden würden. Also wird ein amerikanischer oder israelischer Luftangriff
immer wahrscheinlicher. Israel hat schon 1981 seine Bereitschaft zu solchen
Angriffen gezeigt, als F-16-Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe das im
Bau befindliche Kernkraftwerk Osirak im Irak zerstörten.
MM:
Abschließende Frage: Wie ist Ihre Beziehung zu Gott?
Menuhin:
Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube an die Kraft der Natur, an Bäume, an
die Weisheit alter Zivilisationen, an die Nichteinmischung in organische
Abläufe.
MM:
Herr Menuhin, wir danken für das Interview
Menuhin:
Ich wünsche der muslimischen Welt alles Gute!
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