Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Gerard Menuhin
 

Muslim-Markt interviewt 
Gerard Menuhin, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung
14.2.2006

Gerard Menuhin wurde 1948 als Sohn des Jahrhundertgeigers Sir Yehudi Menuhin (1916-1999) und seiner Frau, der Tänzerin Diana Rosamund Gould, geboren. Nach dem Besuch des Eton College und dem Studienabschluss an der Stanford Universität in Kalifornien war er in New York, Paris und London in der Filmindustrie tätig, unter anderem als Filmproduzent bei United Artists.

Bis 2005 war er Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland, einer von seinem Vater 1998 gegründeten Stiftung, wurde dann aber abgesetzt mit dem Vorwurf, er würde zu enge Kontakte zu "Rechten" haben. Seither arbeitet er als Autor.

Gerard Menuhin hat die englische, amerikanische und schweizer Staatsbürgerschaft, ist geschieden und hat einen Sohn. Er lebt in London und in der Schweiz.

MM: Sehr geehrter Herr Menuhin, als Sohn eines derart weltberühmten Musikers stellt sich zunächst die Frage: Musizieren Sie auch?

Menuhin: Ich musiziere nicht. Dadurch ist mein Leben ärmer. Ich meine jetzt nicht das professionelle Musizieren, sondern das Musizieren aus Liebhaberei, wie es einst sehr verbreitet war. Ich höre gerne Musik, meistens Blues, der für mich eine ewige, ehrliche, menschliche Musik bedeutet. Ich glaube aber, dass das Musizieren, wie das Malen, sehr wichtig ist, um Menschen von ihren alltäglichen Sorgen und Beschäftigungen abzulenken und anderen Werte nicht zu kurz kommen zu lassen. Kunst ist für die Menschheit unverzichtbar. Der Ausdruck unserer Gedanken und Gefühle durch die Kunst bereichert und erklärt unser Leben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einerseits unter dem Oberbegriff "Kunst" häufig auch Pseudokunst firmiert und teuer verkauft wird und andererseits der Kunst nicht selten eine pure Nebenrolle als Unterhaltung zugewiesen wird, die, wenn der Staat sparen muss, sofort ihre Unterstützung verliert.

MM: Welche Bedeutung haben für sie ihre drei Staatsbürgerschaften?

Menuhin: Für mich haben Staatsbürgerschaften in erster Linie praktischen Wert. Sie ermöglichen - meistens - das Reisen, aber beschränken das Leben auch. Man kann sich mit einem Staat nicht wie mit einer Region oder eine Gemeinde identifizieren. Wichtiger als die Staatsangehörigkeit ist die Kultur. Ich bin Europäer, Engländer, geprägt von den Relikten unseres kriegverwüsteten Europas und von den Schatten der mir leider nicht mehr bekannt gewordenen Welt von gestern, in der meine Eltern noch zuhause waren.

MM: Warum sind sie nicht auch Deutscher; sie hätten doch bestimmt die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen können?

Menuhin: Obwohl ich sehr viel Sympathie für Deutschland habe, bin ich kein Deutscher. Deutschland sehe ich aus zwei Perspektiven. Aus der Perspektive der Deutschen, sozusagen von unten, mit allem menschlichen Hoffen und Streben. Und aus der Perspektive jenes Deutschlands, das Objekt und Fußball internationaler Interessen ist, das täglich in voraussehbarer Weise getreten wird - gemäß dem amerikanischen und dem zionistischen Willen und in Übereinstimmung mit deutschen Politikern. Es handelt sich um die "Volksvertreter" der indoktrinierten Nachkriegsgeneration, unter ihnen die 68er-Revolutionäre, die nur zu zerstören wissen. Solche Leute sind gefährlich, weil sie keine Loyalität kennen, weder zu ihrem Land noch zu ihren Landsleuten. Sie haben keine Überzeugung, die diesen Namen verdient, sondern sind erfüllt von einer doktrinären Ideologie, die an der Stelle der Realität tritt.

MM: Gilt das Ihrer Meinung nach auch für die aktuelle Regierung?

Menuhin: Die Bundeskanzlerin ist im Westen, dann im Osten und schließlich wieder im Westen groß geworden. Sie hat mit Religion zu tun gehabt, mit Wissenschaft, und mit kommunistischer Ideologie. Ihre Oberflächlichkeit wurde allen klar, als sie als Erwachsene Amerika entdeckte. Frau Merkel war von dem Land der Oberflächlichkeit par excellence begeistert. Kann man von einer solchermaßen verwirrten Persönlichkeit die Bodenständigkeit, die Weisheit verlangen, erwarten, die nötig ist, um ein Land zu führen, zumal ein Land mit der Vergangenheit und den Problemen Deutschlands?

MM: Warum ist die Rolle Deutschlands in Ihren Schriften von so großer Bedeutung?

Menuhin: Deutschland kommt eine Schlüsselrolle für die weitere Entwicklung der Welt zu. Wenn einmal ein deutscher Politiker, eine deutsche Partei sich durchsetzen könnte, um das Land von der angeblich "ewigen" Schuld zu befreien und dem Volk das Selbstvertrauen zurückzugeben, wären nicht nur die Deutschen gerettet, sondern es wäre der ganzen Welt geholfen. Wenn Deutschland einmal zu sich finden könnte, sich von dieser unwürdigen Generation lösen könnte, wäre es mit der Erpressung vorbei.

Dann kämen die Bausteine eines ehrlicheren Deutschland zusammen. Die Befreiung Deutschlands aus dem Würgegriff wäre ein wesentlicher Beitrag zu einer Welt von selbstständigen, sich achtenden Kulturen und Regionen. Eine Welt, die ohne EU, NATO, und eine verlogene UN auskäme. Eine Welt, in der die hypertrophen, auf Machtgier, Ignoranz und Respektlosigkeit gebauten USA ihren zerstörerischen Einfluss nicht mehr geltend machen könnten.

MM: Wie wurden sie Vorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung

Menuhin Erst nach dem Tod meines Vaters habe ich mich manchen seiner Projekte genähert und mich - selbstverständlich ehrenamtlich - für sie eingesetzt, so auch für die Yehudi-Menuhin-Stiftung Deutschland. Nach der in der Westminster-Abtei gefeierten Zeremonie zum Gedenken an meinen Vater kam Frau Prof. Süssmuth auf mich zu und fragte, ob ich bereit sei, Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland, für die sie die Schirmherrschaft übernommen hatte, zu werden. Also habe ich diese Aufgabe 1999 übernommen. Sämtliche Mitglieder des Vorstandes haben mich mit "du" angesprochen.

So wie es Vereinsmeier gibt, mag es auch "Stiftungsmeier" geben; ich bin beides nicht. Aber ich halte das dortige Projekt für sinnvoll, sonst hätte ich mir die Reisen nach Düsseldorf und die Sitzungen unter Leuten, die nicht unbedingt meine erste Wahl sind, nicht zugemutet.

MM: Sie waren Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland und wurden letztes Jahr ihres Amtes enthoben. Wie stellt sie die Angelegenheit aus Ihrer Sicht dar?

Menuhin: Auf einmal bekam ich am 11. November 2005 einen eingeschriebenen Brief, sehr formell und kühl, in dem man mich aufforderte, noch am selben Tag, 11. November, von meinem Amt als Vorsitzender schriftlich zurückzutreten, weswegen ich innerhalb einer Stunde ein kurzes Rücktrittsschreiben verfasste und es wiederum per Einschreiben zurücksandte. Angesichts der ebenso peinlichen wie unmenschlichen Form, die der Vorstand der Stiftung im Umgang mit mir gewählt hatte, bestand keine Veranlassung, bei der Stiftung anzurufen oder meinen Rücktritt per Fax zu senden. Es reichte mir. Selbstverständlich kam mein Brief nicht am 11. November an - und ich wurde "gefeuert". Wie ich einige Tage später dem "Spiegel" erklärte, konnte ich "im heutigen umerzogenen Deutschland" das Vorgehen der Stiftung durchaus nachvollziehen. Der Vorstand sowie die Angestellten der Stiftung, gehören - trotz ihrer guten Arbeit im Sinne des Projektes - zu jenen langweiligen Gutmenschen der bekannten Sorte, die wie viele ihrer Generation die Theorie der multikulturellen Gesellschaft und, so nehme ich an, die von der ewigen Schuld Deutschlands unbesehen akzeptieren. Bemerkenswert für mich ist, dass diese beschränkte Weltsicht keineswegs der originellen Denkweise meines Vaters entspricht. Mein Vater war nicht nur ein eigenständiger Denker, er war auch in den Begriffen der Vorkriegszeit zuhause. Er hätte mit Ausdrücken wie "multikulturell" nichts anfangen können. Sieht man einmal vom Projekt selbst ab, wird mein Vater also von den Akteuren der von ihm gegründeten Stiftung für die multikulturelle Agenda missbraucht. Deshalb war der Vorstand wahrscheinlich zutiefst erschrocken, als er erfuhr, dass ich seit Ende 2004 regelmäßig eine Kolumne in der National-Zeitung geschrieben und der Deutschen Stimme gerade ein Interview gegeben hatte. Dabei haben sich diese Gutmenschen nicht wie intelligente Individuen benommen, sondern anstatt sich mit meinen Meinungen auseinander zu setzen, mich in Panik auf Grund der üblichen Vorurteile gegen diese Publikationen und aus lauter Angst um ihre Stellungen verleugnet.

MM: Eigentlich spricht es keiner direkt aus, aber hängt ihr Absetzung nicht letztendlich mit Ihrer aus deutscher Sicht extrem kritischen Sicht gegenüber Israel zusammen?

Menuhin: In erster Stelle hängt meine Absetzung mit dem Unheil Deutschlands zusammen, das jeder Deutsche täglich förmlich einatmet. Er wird verlangt, alle, die nur irgend eine Sympathie für eine Denkweise "rechts" der Parteien CDU/CSU haben, ohne jegliche Überlegung zu verdammen. Dies hängt mit dem sklavischen Gehorsam gegenüber dem zionistischen Israel und dessen Unterstützer Amerika zusammen. Diese Länder verfolgen ihren geheimen Plan zur Weltherrschaft durch Kolonialismus, als ob wir alle noch im 18. Jahrhundert lebten. Ohne den britischen Kolonialismus gäbe es in Afrika heute keine Massaker zwischen Stämmen, die in künstlich geschaffenen Staaten zusammengefasst wurden. Damals galt nur die Macht. Durch sie konnte man auch das Erdöl des Nahen Osten an sich reißen. Warum durch mühsame diplomatische und wirtschaftliche Wege dieses suchthaft gebrauchte Material kaufen, wenn man es nehmen oder mit Hilfe von Marionettenregimen billig bekommen kann?

Das Leben des Menschen ist kurz; das politische Leben und das Gedächtnis von Politikern noch kürzer. Was nach ihren Entscheidungen kommt, war und ist deshalb unwichtig. Über die Köpfe der Einwohner hinweg wurden in Folge einer solchen Politik Tyrannen begünstigt. Die Großmächte Großbritannien, Frankreich, später USA und Sowjetrussland stützten und betreuten die ihnen treu ergebenen Tyrannen, sei es in Südamerika, in Afrika oder im Nahen Osten. Nach so vielen Jahren der Unterdrückung und der Provokation kommt jetzt die Retourkutsche: der internationale Terrorismus. Inzwischen muss nicht nur jedem gut informierten Politiker, sondern jedermann klar sein, dass dieser Weg in den Abgrund führt. Merkwürdig ist nur, dass keine westliche Regierung den Zusammenhang anerkennen will und dass diese Art der Außenpolitik noch immer fortgesetzt wird. Jede so genannte demokratische Regierung ist sich dessen vollkommen bewusst, wie lügnerisch, perspektivlos und letztlich unprofitabel diese Politik ist. Aber die Völker Westeuropas werden von ihren gewählten Politikern im Dienst dieser verfehlten Politik täglich, sogar stündlich, angelogen. Warum? Ist eine Wende im Angesicht der augenfälligen Wahrheit denn so schwierig, so unmöglich?

Was Israel angeht, ist nur folgendes zu sagen: Zur Schaffung Israels führte eine unglückliche Verkettung von Umständen. Einerseits drängte schon vor 1914 die neo-hebräische Sekte der Zionisten unermüdlich die englische Regierung, eine "jüdische Heimstatt" in Palästina zu gründen. Andererseits brauchte England 1917 soviel Sympathie und Unterstützung wie möglich, da der Erste Weltkrieg zu diesem Zeitpunkt noch als unentschieden galt. Also kam es zu der berüchtigten Balfour-Deklaration - einem der unglaublichsten politischen Dokumente aller Zeiten. Darin versprach eine Nation einer anderen Nation feierlich das Land einer dritten, wie Arthur Koestler in seinem Buch "Promise und Fulfillment, Palestine 1917-1949" feststellte. Als der Staat Israel dann 1948 gegründet, sozusagen als Fremdkörper in eine muslimische Gegend gesenkt wurde, wäre es am einfachsten und am vernünftigsten gewesen, wenn die hochgepriesene jüdische Weisheit sich für eine diplomatische Lösung durch die Teilung des Landes entschieden hätte, wobei der fundamentale Unterschied zwischen westlicher Industrialisierung und nahöstlicher Landwirtschaft auf alle Fälle schwierig zu überwinden gewesen wäre. Als Fremder aber, ob man in eine Schulklasse kommt oder auf einen neuen Posten, ist man gut beraten, wenn man versucht, sich anzupassen.

Die meisten Deutschen, die meisten Menschen überhaupt haben diese Tatsachen vergessen, wahrscheinlich nie gewusst. Deutsche Politiker bilden sich ein, ihre Politik sei eine Selbstverständlichkeit, während sie in Wahrheit auf eine verachtenswerte Ignoranz und Verantwortungslosigkeit zurückzuführen ist.

Die Zionisten scheinen vergessen zu haben, dass sie Teil einer über Jahrhunderte verfolgten Rasse sind. Sie haben sich genau wie jede andere machtbesessene Gruppe benommen. Mit Hilfe von jährlich drei Milliarden Dollar aus Amerika haben sie ihre Waffenarsenale ausgebaut und diese gegen die palästinensische Zivilbevölkerung eingesetzt - wie die amerikanische Armee in Vietnam ihre alles in den Schatten stellende Feuerkraft gegen die Dörfer der Vietcong richtete.

Um es zu vereinfachen: Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem jahrzehntelangen Benehmen Israels den Palästinenser gegenüber (sowie selbstverständlich dem Benehmen Amerikas gegenüber Afghanistan, Irak, Syrien, Iran usw. usf.) mit der Gefahr, dass irgend einer von uns zur falschen Zeit am falschen Ort sein und dadurch sein Leben durch eine Bombe verlieren könnte. Wenn dieses Schicksal einen meiner Verwandten oder mich träfe, sagen wir in den USA oder in Großbritannien, wäre meiner Ansicht nach die betreffende Regierung an erster Stelle dafür verantwortlich.

Ein letztes Wort soll John Sheehan SJ, New York, haben (man kann sich immer auf einen Jesuiten verlassen, wenn es darum geht auf treffende Gedanken zu kommen): "Wenn einer mir mit der Behauptung kommt, Israel sei unser einziger Freund im Nahen Osten, kann ich mich des Gedanken nicht erwehren, dass wir vor Israel keine Feinde im Nahen Osten hatten."

MM: Als Vorwurf wird u.a. auch ihr Nähe zur "National-Zeitung" vorgeschoben. Worin besteht diese Nähe?

Menuhin: Die National-Zeitung kannte ich schon in den siebziger Jahren, zu der Zeit, als mein geliebter Großvater ihr Mitarbeiter war. Mein Großvater, der in friedlichen Zeiten in Palästina zur Schule ging und viele arabische Freunde hatte, konnte es nicht leiden, dass die Zionisten das Land durch ihre Machtpolitik völlig veränderten, indem sie die einheimische Bevölkerung erbarmungslos unterdrückten und vertrieben. Er wollte, dass die Botschaft von diesem Unrecht Verbreitung findet.

Auf Grund meiner oben bereits angesprochenen Ansichten über Deutschland kam für mich allein die National-Zeitung als Träger geschichtlicher und gegenwärtiger Wahrheit in Frage. Es ist, wie ich es in meiner Stellungnahme zum Vorgehen des Vorstands der Yehudi Menuhin Stiftung gesagt habe: "Ich habe keine 'ideologische Haltung'. Ich vertrete, ganz im Stil meines Vaters praktische Lösungen. Die praktischen Lösungen im Falle Deutschlands entsprechen am ehesten den Vorstellungen der gemäßigten, verfassungstreuen Rechten. In der BRD würde daher außer der National-Zeitung wohl keine größere Publikation meine, wie ich glaube, vernünftige Ideen veröffentlichen."

MM: Schon ihren Großvater haben Sie in der Öffentlichkeit als antizionistischen Juden vorgestellt, was Sie letztendlich fortzusetzen suchen. Was sagen Sie den jüdischen Organisationen in Deutschland, die Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen suchen?

Menuhin: Dieses weit und laut verbreitete Schlagwort - ohne das wohlgemerkt die ganze Masche der Zionisten auffliegen würde - gründet und baut auf Ignoranz. Gleichzeitig ist der Begriff "Antisemitismus" eine Beleidigung der Arabern - die doch auch Semiten sind -, weil er sie begrifflich ausschließt. Wie ich festgestellt habe, handelt es sich bei den Zionisten nur um eine moderne Sekte unter Juden, die ihren Anspruch auf Palästina auf Gewalt und die biblische Geschichte zu stützen versucht. Sie ist nur durch das typisch kurzsichtige und dilettantische Vorgehen Großbritanniens, das damals Palästina verwaltete, so weit gekommen. Wenn das Publikum die Bildung hätte, den Unterschied zwischen Antizionismus und Antisemitismus zu erkennen, wären wir ein ganzes Stück weiter. Dazu wären aber weniger Faulheit und mehr Aufmerksamkeit vonnöten.

MM: Derzeit kursieren immer mehr Vorschläge in der Weltpolitik zur Auflösung des "Judenstaates" von sehr unterschiedlichen Richtungen und Bildung eines demokratischen Staates mit gleichberechtigten Bürgern in Ganz-Palästina vergleichbar der damaligen Entwicklung in Südafrika. Muss ein Jude, der solch eine Meinung unterstützt, sich nicht den Vorwurf des Antisemitismus in seiner "deutschen" Definition gefallen lassen?

Menuhin: Gerade hat die Hamas mit überwältigender Mehrheit die Wahl gewonnen. Das ist nicht nur ein Triumph der Demokratie, sondern auch ein Signal gegen Korruption und für Menschennähe. Es zeigt, dass - trotz oder gerade wegen ihrer fürchterlichen Lage - die Bevölkerung Palästinas weiter für ihre Rechte kämpfen will. Das tut sie, weil sie erkennt, dass es keinen anderen Weg gibt. Die Alternative ist die Ausrottung der Palästinenser durch die israelische "Operation Dornenfeld", durch die ihr Leben so unmöglich gemacht werden soll, dass sie das Land verlassen. Im Übrigen verwahre ich mich gegen eine besonders ausgedehnte "deutsche" Definition von Antisemitismus, wie sie aus Opportunismus und aus Unwissenheit in der Bundesrepublik verbreitet wird.

MM: Auf der einen Seite sind sie gegen "Multikulti", auf der anderen Seite wollen Sie - wie wir auch - dass Juden, Christen und Muslime gemeinsam in einem Land Palästina in Frieden leben. Auf der einen Seite wollen Sie sich nicht mit einem Staat identifizieren, auf der anderen Seite haben Sie eine Nähe zu den Ultranationalisten, ist das nicht ein gewisser Widerspruch in Ihren Aussagen?

Menuhin: Nein, das ist kein Widerspruch. Die Situation in Palästina ist, wie sie ist. Man kann die Uhr nicht zurückdrehen. "Ethnische Säuberungen" und dauerndes Blutvergießen sind keine Alternative zum friedlichen Zusammenleben. Im übrigen ist die Anwesenheit von Juden, Christen und Muslimen in Palästina bis zur zionistischen Landnahme auf durchaus organische Weise gewachsen. Das lässt sich nicht mit dem auf Theorien basierenden multikulturellen Experiment in Deutschland vergleichen.

Der Begriff "Ultranationalist" ist nur ein Schlagwort. Bekanntlich führt die große türkische Tageszeitung Hürriyet in ihrem Titel das Motto "Türkiye Türklerindir" (Die Türkei den Türken). Diese Zeitung gilt als liberal-konservativ. Warum legt man an die National-Zeitung einen so viel strengeren Maßstab an, obwohl sie in vielen Punkten sicher einen weitaus freiheitlicheren Standpunkt vertritt als zum Beispiel die CSU? Übrigens ist in der National-Zeitung so deutlich wie in keinem anderen Organ gesagt worden, dass sich die Deutschen nicht in einen "Krieg der Kulturen" gegen die muslimische Welt hineinziehen lassen dürfen, sondern die traditionelle Freundschaft mit ihr bewahren sollen.

Was meine mangelnde Identifikation mit einem Staat angeht. Der Mensch identifiziert sich doch mit seiner Kultur viel mehr als mit seinem Staat. Der Staat ist künstlich, die Kultur nicht. Ein Staat kann durch einen Krieg vernichtet, vergrößert oder verkleinert werden, eine Kultur dagegen kaum. Sie besteht weiter, auch wenn man eine Staatsgrenze mittendurch zieht. Der Mensch, der seine Kultur bewahren möchte, weil er sie schätzt, verteidigt sie gegen das übermäßige Einströmen anderer Kulturen. In welchem Maße weitere Einwanderer willkommen sind, hängt einerseits davon ab, inwieweit sie bereit sind, sich zu integrieren, andererseits davon, wie viele Fremde bereits im Land sind. Daher ist es nur normal, dass die Aufnahme einer überwältigend großen Zahl von Menschen mit einer völlig fremden Kultur - oft ohne den Wunsch sich anzupassen und ohne die Möglichkeit zu arbeiten - den Einheimischen Probleme bereitet. Zumal alle Unterstützungsleistungen aus öffentlichen Geldern stammen.

Ich glaube an ein Zuhause für alle Kulturen, an einen Ort, dem jeder zugehört. Die Aussage, dass Deutschland in erster Linie das Land der Deutschen bleiben soll, ist davon nicht weit weg.

MM: Vor einem Jahr haben Sie behauptet, dass nicht Juden, sondern Iraner derzeit in Gefahr seien, vertreten Sie diese Meinung immer noch?

Menuhin: Auf alle Fälle. Iraner sind in Gefahr, weil sie auf die Nutzung der Atomenergie bestehen, wobei es nicht unbedingt um Waffen geht. Pakistan - vielleicht nicht das allerstabilste Land - hat Nuklearwaffen. Nordkorea ebenfalls. (Amerika geht vorsichtig mit Nordkorea um, gerade weil es eine Atommacht ist.) Die neuen Weltmächte Indien und China sind auch mit Atomwaffen gerüstet. Selbstverständlich hat Israel welche, die ohne die Zivilcourage des Herrn Vanunu wahrscheinlich der Welt unbekannt geblieben wären und die von der Internationalen Atombehörde nicht kontrolliert werden dürfen. Aber der Iran, eine tausendjährige Kultur, von den emporgekommenen USA als "Schurkenstaat" bezeichnet, soll nicht seine eigenen nuklearen Anlagen betreiben dürfen? Eventuelle Sanktionen des "Weltsicherheitsrates" werden wahrscheinlich nicht auf die Spitze getrieben, zumal sie dem Westen nur schaden würden. Also wird ein amerikanischer oder israelischer Luftangriff immer wahrscheinlicher. Israel hat schon 1981 seine Bereitschaft zu solchen Angriffen gezeigt, als F-16-Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe das im Bau befindliche Kernkraftwerk Osirak im Irak zerstörten.

MM: Abschließende Frage: Wie ist Ihre Beziehung zu Gott?

Menuhin: Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube an die Kraft der Natur, an Bäume, an die Weisheit alter Zivilisationen, an die Nichteinmischung in organische Abläufe.

MM: Herr Menuhin, wir danken für das Interview

Menuhin: Ich wünsche der muslimischen Welt alles Gute!

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