MM:
Sehr geehrter Michael Muhammad Abduh Pfaff. Sie mögen den Begriff
"Konvertit" nicht. Dennoch kommen wir nicht darum herum Sie zu fragen, warum
Sie den Islam angenommen haben, da das unsere Leser immer wieder
interessiert.
Pfaff: Der Begriff "Konvertit" bedeutet im lateinischen "Umwandlung".
Dies beinhaltet, dass man sich in etwas Neues, oder gar Gegenteiliges
verwandeln würde. Ich verstehe meine Zuwendung zum Islam aber als Heimkehr.
Alles was ich schon während meiner (christlichen) Erziehung an Werten
erhalten habe, mein Verständnis von GOTT und einem verantwortungsbewussten
Leben, habe ich im Islam wiedergefunden. Ich bin also nicht zu einer neuen
Religion gekommen, sondern zu meinem wahren Glauben zurückgekehrt.
Der zweite Grund wegen dem ich den Begriff "Konvertit" ablehne, ist die
Tendenz in unserer modernen Zeit sich eine persönliche Weltanschauung zu
"basteln". Eine Prise Buddhismus, ein Teelöffel Christentum, 50g Kabbala,
100g Sufismus, das Ganze vermischt mit einer Grundmasse Esoterik ergibt
vielleicht etwas leicht verdauliches, aber kein tragfähiges geistiges
Gerüst.
Der Islam ist nicht etwas, was man wie ein neues Kleidungsstück
überstreift, und dass man wechselt, wenn die Mode sich ändert - nach dem
Motto, wer sich einmal "umwandeln" kann, kann dies auch ein zweites mal.
Ich rate daher allen, die sich dem Islam zuwenden wollen, sich Zeit zu
nehmen. Man sollte sich zumindest soviel Wissen über den Islam aneignen, bis
man seine Wahrheit erkannt hat und sich mit vollem Herzen, aber auch mit
vollem Verstand zum Islam bekennen kann.
Meine eigene "Reise" zum Islam hat acht Jahre gedauert und begann, als
ich mit 16 zum ersten Mal ein muslimisches Land (Marokko) bereiste. Ich war
sofort angezogen von der maghrebinischen Kultur und spürte auch - Anfangs
noch unbewusst - , dass dort noch eine geistige Kraft wirksam war, die in
Europa längst aus dem Alltag verbannt war. Es folgten einige Jahre
intensiver Reisetätigkeit. Nach meinem Abitur war ich meist 6 Monate pro
Jahr entweder in der Sahara und in Westafrika unterwegs oder im vorderen
Orient. Ich begann mich zunehmend "heimisch" zu fühlen und blieb
beispielsweise in Aleppo auch einmal ein halbes Jahr an einem Ort.
Da ich meine Faszination verstehen wollte, begann ich parallel
Völkerkunde zu studieren. Während mein Fokus zu Beginn lediglich auf den
Kulturen des Orients lag, kam ich immer mehr zu der Einsicht, dass alle
diese Kulturen einen gemeinsamen "Motor" hatten, gewissermaßen eine
"Energiequelle" die alle diese Kulturen "antrieb" - den Islam.
Der Islam rückte daher zunehmend in den Mittelpunkt meiner Studien. Als
ich dann - nach zwei Jahren Studium - hörte, dass in meiner Nachbarschaft
eine neue Moschee geöffnet wurde, suchte ich den Imam auf und bat ihn mir
den Islam "von Innen" zu erklären. Mir reichte es nicht mehr zu lesen, was
europäische Wissenschaftler über den Islam geschrieben hatten. Dies konnte
mir die Kraft des Glaubens nicht erklären.
Es folgten zwei Jahre wöchentlicher Unterricht, in denen ich auch begann,
regelmäßig zum Freitagsgebet zu gehen - die Chutba (Ansprache) wurde damals
in Göttingen bereits zweisprachig auf Deutsch und Arabisch gehalten - und
die religiösen Feste zu feiern.
In dieser Zeit beschäftigte ich mich auch nochmals mit dem Christentum.
Ich suchte Gründe bei meiner "alten" Religion zu bleiben. Da mir die Idee
vom "Gottessohn" jedoch nie einleuchtete und auch andere Dinge im
christlichen Glauben meiner Logik und meiner Ethik - beispielsweise die im
Sündenfall begründete schlechtere Stellung der Frau - widersprachen, musste
ich erkennen, dass ich schon längst Muslim geworden war. 1989 habe ich daher
auch nach außen bekannt, dass ich heimgekehrt bin zu Allah.
MM:
Was hat Sie zur Deutschen
Muslim Liga geführt, und wie kam es, dass Sie nach vergleichsweise kurzer
Mitgliedschaft Vorsitzender wurden?
Pfaff: Nach meinem Studium zog es
mich zunächst auch beruflich in die Länder, die ich während meines Studiums
so schätzen gelernt hatte. Erst seit 2001 war mein "Lebensmittelpunkt" ,
meiner Familie zu liebe, wieder Deutschland.
Die Hysterie, die nach dem 11. September ausbrach
und die sich zunehmend auch gegen den Islam als Religion und neues Feindbild
wandte, brachte mich zu der Einsicht, dass es in dieser Zeit als Muslim
nicht mehr möglich ist, sich ins Private zurückzuziehen. Wir begannen daher
im Freundeskreis zu diskutieren, was wir tun können, um zu verhindern, dass
der Islam verfälscht dargestellt wird und von radikalen Kräften im Westen
und im Osten missbraucht wird, um Aggression und Menschenrechtsverletzungen
zu rechtfertigen.
Eine erste Initiative war unsere Website
www.muslime-gegen-terror.de in der wir die muslimischen Positionen zu
diesem Thema sammelten. Über die Bekanntschaft zur damaligen Vorsitzenden
der DML, die ich bereits seit meinem Studium kannte, kam ich auch zur
Deutschen Muslim Liga. Als mich Frau Alzayed bat, sie im Vorstand zu
unterstützen, erklärte ich mich gerne bereit und wurde gemeinsam mit
Abdulkarim Grimm zum Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Da Frau Alzayed
beruflich nach Österreich ging, um dort ihren Beruf auch mit Kopftuch
ausüben zu können, trat sie von ihrem Amt zurück, so dass ich nach
verhältnismäßig kurzer Zeit vom Vorstand zum Vorsitzenden gewählt wurde.
MM:
Was hat es mit der
Webinitiative
Muslime gegen Terror auf sich?
Pfaff:
Nach den Terroranschlägen von Madrid wurde von christlicher Seite, an
führender Stelle Bischof Huber, immer wieder gefordert, Muslime müssten sich
von Terror distanzieren. Nachdem wir nachgeprüft hatten, was muslimische
Verbände zu diesem Thema sagten, stellten wir fest, dass sich alle, ohne
Ausnahme, von Gewalt gegen Zivilpersonen distanziert hatten. Die deutsche
Öffentlichkeit und die Kirchen ignorierten jedoch die muslimischen
Stellungnahmen.
Um es jedem, der sich neutral über dieses Thema informieren will, leicht
zu ermöglichen, diese Informationen im Internet zu finden, beschlossen wir
eine Internetseite zu initiieren, auf der alle Stellungnahmen von Muslimen
zusammengetragen wurden. Inzwischen haben wir dort über 120 Stellungnahmen
gesammelt, so dass niemand, der auch nur einen Blick ins Internet wirft,
mehr behaupten kann, Muslime würden schweigen.
Wir haben außerdem einen Aufruf ins Netz gestellt, bei dem jeder einzelne
Muslim sich registrieren kann und einer Erklärung gegen Terrorismus
zustimmen kann. Bisher haben sich über 700 Muslime bei uns registriert und
ich freue mich über jeden Einzelnen der hinzukommt. Mit nur einem Klick kann
man so demonstrieren, dass der Islam eben nicht als Grundlage für
Terrorismus herangezogen werden kann und darf, sondern den Frieden anstrebt.
MM:
Ist denn der Islam Ihrer Meinung nach keine "wehrhafte" Religion?
Dürfen sich z.B. Muslime nicht gegen Besatzer wehren?
Pfaff:
Selbstverständlich erlaubt der Islam die Selbstverteidigung. Wer mit Gewalt
konfrontiert wird, darf sich auch mit Gewalt zur Wehr setzen.
Gewaltanwendung ist im Islam jedoch stark reglementiert und darf nur einen
verteidigenden Charakter haben. Unsere Seite wendet sich ja gegen Terror,
also Gewalt gegen Zivilpersonen, und zwar unabhängig ob die Täter sich als
Christen, Juden, Atheisten oder als Muslime bezeichnen.
Die Anschläge auf Moscheen im Irak beispielsweise, sollten eigentlich dem
letzten Menschen deutlich zeigen, dass die Urheber von Anschlägen im Irak
keine gläubigen Muslime sein können. Trotzdem werden sie im Westen als
Spielarten des "islamistischen Terrors" geschildert. Sehen wir über den
europäischen Tellerrand, stellen wir schnell fest, dass Muslime vor
allem Opfer von Anschlägen sind und nicht deren Urheber.
Schauen wir auf die Konflikte in der islamischen Welt, sollten wir aber
auch nicht in die Falle von Kriegstreibern auf beiden Seiten gehen und jeden
Konflikt religiös interpretieren. In Palästina beispielsweise haben wir
keinen Konflikt zwischen Islam und Judentum, sondern einen Konflikt zwischen
Israel und dem palästinensischen Volk. Sowohl christliche, wie muslimische,
wie atheistische Palästinenser leiden gleichermaßen unter der
Apartheidspolitik Israels. Statt eines konstruierten Gegensatzes zwischen
uns abrahamitischen "Geschwistern" zu folgen, muss ich mich sogar gegen jede
Form von Rassismus oder Antisemitismus wenden, da sich gerade unsere
Religion dadurch auszeichnet, dass sie jeden Menschen gleich behandelt.
Unser erster Muezzin war ein Schwarzer. "Kein Vorrang hat der Araber vor
dem Nichtaraber, der Nichtaraber vor dem Araber, der Weiße vor dem
Schwarzen, der Schwarze vor dem Weißen" sagt unser Prophet. Bei aller
Solidarität mit unseren palästinensischen Geschwistern sollte unsere
brüderliche Liebe uns nicht verleiten "anders, denn gerecht, zu handeln",
wie es uns der Qur'an vorschreibt.
MM:
Derzeit prasselt es ohnehin heftig auf alle Vertreter des Islam
tagtäglich ein: Karikaturenstreit, Kopftuchverbot, Fragebogen sind nur
einige der Stichworte. Wie werden Sie damit fertig?
Pfaff:
Zunächst habe ich das Gottvertrauen, dass in aller Schwerniss, mit der wir
fertig werden müssen, auch ein großer Nutzen liegt. Die Karikaturen hatten
beispielsweise die Folge, dass in der Türkei Mohammed Biographien
ausverkauft waren, dass zahlreiche neue Websites von Muslimen ins Netz
gestellt wurden, die sich mit unserem Propheten beschäftigen. Außerdem habe
ich das Glück mit so lieben Menschen, wie
den Grimms, im
Vorstand der DML tätig zu sein, die mir immer wieder Kraft geben,
weiterzumachen.
Ich verstehe es als vorrangigste Aufgabe für uns als Muslime gerade in
dieser Zeit die Schahada (das Glaubensbekenntnis) zu leben. Und zwar in dem
Sinne, dass wir Schahid - Zeuge der Gerechtigkeit sind. Dass wir versuchen
den Islam als vorbildliche Lebensweise in die Praxis umzusetzen, damit
Andere die Qualität des Islam erkennen und nicht zuletzt unsere Kinder
spüren, dass es keine Schande, sondern ein großes Glück ist, Muslim zu sein.
Statt uns in Verschwörungstheorien zu verlieren und unsere Lage zu beklagen,
sollten wir unsere Kraft vor allem dafür einsetzen, bessere Muslime zu
werden, Gemeinschaften zu bilden und uns in Brüderlichkeit zu üben.
MM:
Die Republikaner haben mit ihrer Wahlkampagne "Islamisten raus"
überspitzt das zum Ausdruck gebracht, was derzeit viele Muslime zu hören
bekommen. Was antworten Sie als geborener Deutscher, wenn jemand Ihnen sagt,
Sie sollten nach "drüben" gehen?
Pfaff:
Bei uns "Deutschen ohne Migrationshintergrund" ist es offensichtlich, dass
man uns nicht ins "Ausland" abschieben kann. Der Islam ist eben keine
Ausländerreligion, sondern eine Weltreligion, die genauso mit der deutschen
Kultur vereinbar ist, wie das aus dem Orient stammende Christentum. Um genau
dies klar zu machen, hat sich die Deutsche Muslim Liga vor 54 Jahren
gegründet! Unabhängig von der Herkunft verlangen wir die deutsche
Staatsangehörigkeit für eine Vollmitgliedschaft, weil wir zeigen wollen,
dass unser Lebensmittelpunkt hier ist und wir den Anspruch erheben, dass der
Islam ein selbstverständlicher Bestandteil unseres Deutschen Alltags ist.
Wir Muslime machen es jedoch Rechtsradikalen häufig selbst einfach, das
Bild der Ausländerreligion zu zeichnen, wenn wir in unseren Moscheen die
Bindung an ein bestimmtes Heimatland zu stark betonen. Bei allem Verständnis
für das Bedürfnis von Muslimen mit Migrationshintergrund, einen Bezug zu
Ihrer Heimat zu bewahren und die für ihre Identität wichtige Kultur zu
pflegen, werbe ich dafür, die Heimatverbundenheit von der Religion des Islam
zu trennen.
Eine Freitagspredigt auf Deutsch öffnet nicht nur die Moschee für alle
Muslime unabhängig von ihrer Herkunft, sondern ermöglicht es beispielsweise
unseren Kindern auf dem Schulhof oder im Unterricht ihren Glauben in
deutscher Sprache vermitteln (und verteidigen) zu können. Außerdem sollten sich Moscheen
aktiver in kommunale Geschehnisse einbringen - kurz, auch nach außen
deutlich zu erkennen geben, dass wir Muslime Teil der deutschen Gesellschaft
sind. Zusätzlich können und sollen natürlich auch weiterhin Programme zur
jeweils eigenen Kultur und in der jeweils eigenen Sprache angeboten werden.
Natürlich würde es mich auch freuen, wenn viele Muslime mit
Migrationshintergrund sich zusätzlich zu der Arbeit in ihrer Moschee in der
Deutschen Muslim Liga engagieren würden.
MM:
Ein weitere Vorwurf, mit dem sich viele deutsche Muslime konfrontiert
sehen, sind manch unhaltbare Menschenrechtszustände in muslimischen Ländern.
Welche Chance sehen Sie, der Bevölkerung zu erläutern, dass man Teil der
"hiesigen" Gesellschaft und nicht fremder Länder ist?
Pfaff:
Zunächst einmal sind wir Muslime selbst dafür verantwortlich uns als Teil
der deutschen Gesellschaft zu zeigen, uns an dieser Gesellschaft zu
beteiligen und unsere muslimischen Werte positiv in den Diskurs
einzubringen. - Wir müssen eben auch nach außen zeigen, dass wir "Hiesige"
sind. Als Deutsche Muslim Liga halten wir uns bei der Kommentierung von
Außenpolitik sehr zurück, da wir uns eben um das Leben in Deutschland
kümmern.
Ich finde es aber schon merkwürdig, wenn Menschen, die aus autoritären
Staaten nach Deutschland flüchten, um beispielsweise ihre islamische
Religion frei leben zu können, die Taten eben dieser Staaten vorgehalten
werden. Nicht zuletzt der Westen hat dafür gesorgt, dass in Ländern mit
muslimischer Bevölkerungsmehrheit größtenteils Regierungen an der Macht
sind, die Menschenrechte mit Füßen treten.
Ein Diktator, wie Saddam Hussein, konnte viele Jahre als Freund des
Westens foltern, Kurden vergasen, muslimische Gelehrte und ihre Familien
hinrichten und vieles mehr. Gerade solch einen Menschen nun als Beispiel für
muslimisches Verhalten zu bezeichnen ist schon ein starkes Stück. Noch
infantiler werden allerdings Diskussionen, wenn etwa gesagt wird, da "wir"
in Saudi Arabien keine Kirchen bauen dürfen, könnt "ihr" nicht erwarten,
dass wir euch Moscheen bauen lassen. Ich frage dann meist zurück, ob der
Redner ernsthaft in Deutschland ein System wie Saudi Arabien einführen will.
MM:
Sie selbst arbeiten in der Tourismusbranche. Wie sehr hilft Ihnen ihre
interkulturelle Kompetenz dabei?
Pfaff:
Mein Beruf ermöglicht es mir, die Gelegenheit zu schaffen, dass sich
Menschen aus unterschiedlichen Kulturen in einer entspannten, konfliktfreien
Atmosphäre begegnen. Ich sehe es als Teil meiner Verantwortung als "Macher"
von Tourismus, dass diese Begegnungen auf beiden Seiten einen positiven
Eindruck hinterlassen und dafür sorgen, dass Vorurteile abgebaut werden.
Dies ist leider nicht immer im Tourismus so.
Wichtig ist daher, dass beide Seiten auf die Begegnung vorbereitet
werden. Ein Beispiel: In Tunesien ist es nicht üblich, dass Touristen den
Gebetsraum einer Moschee besichtigen dürfen. In einigen ausgesuchten
Moscheen darf man in den Innenhof der Moschee und einen Blick hineinwerfen,
aber die wirkliche Atmosphäre kann man nur sehr begrenzt erfassen. Ich habe
daher Kontakt zu einem Imam aufgenommen und ihn gebeten, in seiner Moschee
eine Einführung in den Islam geben zu dürfen. Der Imam hat mein Wissen über
den Islam geprüft und mir anschließend einen Schlüssel ausgehändigt. Meine
deutschen Gästen habe ich am Abend vor Ausflugsbeginn auf den Tag
vorbereitet und unter anderem Kleidungsvorschriften bekannt gegeben. Ich
konnte meinen
Gästen klar machen, dass sie etwas erleben können, was nicht jeder Tourist
erleben kann, wenn sie sich respektvoll verhalten und sich an die dortige
Kultur anpassen. Da ich durch meine Vorbereitung mir das Vertrauen auf
beiden Seiten erarbeitet hatte, wurde jeder Moscheebesuch ein voller Erfolg.
MM:
In Tunesien akzeptiert ein
Geistlicher sie als hinreichend kenntnisreich über den Islam, aber in
Deutschland müssen Sie - und nicht nur Sie - sich zunehmend die
Interpretation des Islam in der öffentlichen Meinung von so genannten
"Islam-Experten" gefallen lassen, die allesamt keine Muslime sind. Wie kann
man jenem falschen Bild in der Öffentlichkeit effektiv entgegen wirken?
Pfaff: Das Wort Islamexperte ist an sich eigentlich schon eine
Disqualifikation. Meist werden Menschen so bezeichnet, die weder einen
Studienabschluss haben oder sonst irgend eine nachprüfbare Qualifikation
vorweisen können sonst würden sie ja als Orientalist, Arabist, Ethnologe
oder ähnliches bezeichnet. Leider hat sich inzwischen eine ganze
Literaturgattung entwickelt, die mit der Angst vor dem Islam versucht
Kasse zu machen. Man nimmt bewusst in Kauf, dass Vorurteile und
Feindbilder geprägt werden, denn je größer die Angst, desto größer die
Auflage.
Blicken wir in die deutsche Geschichte lernen wir,
dass wir als muslimische Minderheit herzlich wenig tun können, um dieser
Propagandamaschine entgegenzuwirken. Vor 125 Jahren versuchten auch Juden
auf die Assimilierungsdebatte zu reagieren und den zunehmenden
antisemitischen Vorurteilen Einhalt zu gebieten. Wir wissen heute, dass
damals alle Aufklärungsversuche, alle Proteste religiöser Verbände und alle
Integrationsversuche nichts geholfen haben und die weitere Eskalation des
Antisemitismus nicht verhindern konnten.
Als Muslime haben wir jedoch das Vorbild unseres
Propheten. Der Beginn seiner Prophetie in Mekka hat viele Gemeinsamkeiten
mit unserer heutigen Situation. Der Islam war in Mekka in der Minderheit
umgeben von einer Gesellschaft von Götzendienern. Einer Gesellschaft, die
von einem Verfall von Werten beherrscht war, die zunehmend sozial ins
Ungleichgewicht geriet. Auch die ersten Muslime waren anscheinend eine
schwache Gemeinschaft. Was haben sie unter der Führung des Propheten getan,
um dem Islam zum Erfolg zu verhelfen? Sie haben zunächst ihren Glauben
gestärkt, die religiöse Bildung, das Fasten und das Gebet kurz die Einübung
von Taqwa Gottesbewusstsein war der erste Schritt. Sie bildeten dann eine
vorbildliche Gemeinschaft, die sich als wirkliche Alternative präsentieren
konnte.
Unsere Lehre hieraus ist: Friedlich bleiben sich
nicht provozieren lassen für Recht und Gerechtigkeit einstehen egal ob
intern oder nach Außen kurz der quranischen Aufforderung nachkommen und
Wetteifern im Guten.
MM:
Die deutsche Muslim-Liga ist selbst direkt von dem so genannten
Kopftuchverbot für Lehrerinnen betroffen, da sie ihre Vorsitzende verloren
haben, die jetzt in Österreich lehrt. Wie versuchen Sie zu erläutern, dass
Frauen mit Kopftuch nicht nur keine Gefahr sondern auch eine Bereicherung
für das Land sein können?
Pfaff: Das Tragen des Kopftuchs sehe ich als spirituelle Übung. Wie das
Gebet oder das Fasten dient es dazu Taqwa einzuüben. Gläubige Frauen tragen
das Kopftuch, damit sie als Muslima erkannt werden und sich selbst ihre
besondere Verantwortung als Muslima bewusst machen. Ich freue mich, wenn ich
sehe, dass Frauen, die bewusst das Kopftuch tragen, durch diese Übung
persönlich und charakterlich gestärkt werden.
Dieses Selbstbewusstsein unserer Schwestern strahlt
aus und ich bin sicher, dass alle Menschen, die die Möglichkeit haben unsere
starken Frauen kennen zu lernen, sofort erkennen, dass sie eine Bereicherung
für jede Gemeinschaft und jedes Land darstellen. Wir Männer dürfen jedoch
die Verantwortung, ob der Islam als Bereicherung verstanden wird, nicht nur
unseren Schwestern überlassen, nur weil sie leichter erkannt werden. Auch
wir müssen uns als Muslime zu erkennen geben und durch gutes Handeln den
Reichtum des Islam vermitteln.
MM:
Sie sind Vater eines Kindes. Was
wünschen Sie sich für Ihr Kind, wenn es erwachsen ist, was ist Ihre Hoffnung
für Deutschland in einigen Jahrzehnten bezüglich Islam?
Pfaff: Meine Hoffnung ist, dass der Islam in einigen Jahrzehnten als
normaler Bestandteil der Gesellschaft verstanden wird. Dass mein Sohn durch
sein Bekenntnis zum Islam keine Nachteile zu erwarten hat.
Meine Hoffnung ist, dass alle Menschen in
Deutschland, Juden, Christen und Muslime erkennen, dass GOTT uns eine
besondere Verantwortung auferlegt hat. Eine Verantwortung die Schöpfung zu
bewahren, uns für die Schwachen in unserer Gesellschaft einzusetzen, die
Umwelt zu schonen und für Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen zu
sorgen.
Meine Hoffnung ist daher, dass alle Menschen in
Deutschland zusammenarbeiten, um eine gerechtere, sozialere und gesündere
Gesellschaft zu bauen.
MM:
Sehr geehrter Michael Muhammad Abduh Pfaff wir danken für das Interview.
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