Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Abduh Pfaff
 

Muslim-Markt interviewt Michael Muhammad Abduh Pfaff, Vorsitzender der Deutschen Muslim Liga
26.3.2006

Michael Muhammad Abduh Pfaff wurde 1965 in Stuttgart geboren. Er studierte von 1984-92 Völkerkunde, Internationale Beziehungen und Völkerrecht an der Universität in Göttingen. Studienschwerpunkt waren die islamischen Kulturen. Seit 1989 bekennt er sich zum Islam. Nach einem zweiten Studium der Betriebswirtschaft von 1992-95 (Thema der Diplomarbeit: Management und Islam), war er in unterschiedlichen Positionen im Tourismus tätig und verbrachte mehrere Jahre im Ausland.

Im Frühjahr 2004 gründete er mit Freunden die Webinitiative Muslime gegen Terror  und trat in die Deutsche Muslim Liga ein, dessen Vorsitzender er seit einem Jahr ist.

Muhammad Abduh Pfaff ist verheiratet und hat ein Kind und lebt mit seiner Familie in Hannover.

MM: Sehr geehrter Michael Muhammad Abduh Pfaff. Sie mögen den Begriff "Konvertit" nicht. Dennoch kommen wir nicht darum herum Sie zu fragen, warum Sie den Islam angenommen haben, da das unsere Leser immer wieder interessiert.

Pfaff: Der Begriff "Konvertit" bedeutet im lateinischen "Umwandlung". Dies beinhaltet, dass man sich in etwas Neues, oder gar Gegenteiliges verwandeln würde. Ich verstehe meine Zuwendung zum Islam aber als Heimkehr.

Alles was ich schon während meiner (christlichen) Erziehung an Werten erhalten habe, mein Verständnis von GOTT und einem verantwortungsbewussten Leben, habe ich im Islam wiedergefunden. Ich bin also nicht zu einer neuen Religion gekommen, sondern zu meinem wahren Glauben zurückgekehrt.

Der zweite Grund wegen dem ich den Begriff "Konvertit" ablehne, ist die Tendenz in unserer modernen Zeit sich eine persönliche Weltanschauung zu "basteln". Eine Prise Buddhismus, ein Teelöffel Christentum, 50g Kabbala, 100g Sufismus, das Ganze vermischt mit einer Grundmasse Esoterik ergibt vielleicht etwas leicht verdauliches, aber kein tragfähiges geistiges Gerüst.

Der Islam ist nicht etwas, was man wie ein neues Kleidungsstück überstreift, und dass man wechselt, wenn die Mode sich ändert - nach dem Motto, wer sich einmal "umwandeln" kann, kann dies auch ein zweites mal.

Ich rate daher allen, die sich dem Islam zuwenden wollen, sich Zeit zu nehmen. Man sollte sich zumindest soviel Wissen über den Islam aneignen, bis man seine Wahrheit erkannt hat und sich mit vollem Herzen, aber auch mit vollem Verstand zum Islam bekennen kann.

Meine eigene "Reise" zum Islam hat acht Jahre gedauert und begann, als ich mit 16 zum ersten Mal ein muslimisches Land (Marokko) bereiste. Ich war sofort angezogen von der maghrebinischen Kultur und spürte auch - Anfangs noch unbewusst - , dass dort noch eine geistige Kraft wirksam war, die in Europa längst aus dem Alltag verbannt war. Es folgten einige Jahre intensiver Reisetätigkeit. Nach meinem Abitur war ich meist 6 Monate pro Jahr entweder in der Sahara und in Westafrika unterwegs oder im vorderen Orient. Ich begann mich zunehmend "heimisch" zu fühlen und blieb beispielsweise in Aleppo auch einmal ein halbes Jahr an einem Ort.

Da ich meine Faszination verstehen wollte, begann ich parallel Völkerkunde zu studieren. Während mein Fokus zu Beginn lediglich auf den Kulturen des Orients lag, kam ich immer mehr zu der Einsicht, dass alle diese Kulturen einen gemeinsamen "Motor" hatten, gewissermaßen eine "Energiequelle" die alle diese Kulturen "antrieb" - den Islam.

Der Islam rückte daher zunehmend in den Mittelpunkt meiner Studien. Als ich dann - nach zwei Jahren Studium - hörte, dass in meiner Nachbarschaft eine neue Moschee geöffnet wurde, suchte ich den Imam auf und bat ihn mir den Islam "von Innen" zu erklären. Mir reichte es nicht mehr zu lesen, was europäische Wissenschaftler über den Islam geschrieben hatten. Dies konnte mir die Kraft des Glaubens nicht erklären.

Es folgten zwei Jahre wöchentlicher Unterricht, in denen ich auch begann, regelmäßig zum Freitagsgebet zu gehen - die Chutba (Ansprache) wurde damals in Göttingen bereits zweisprachig auf Deutsch und Arabisch gehalten - und die religiösen Feste zu feiern.

In dieser Zeit beschäftigte ich mich auch nochmals mit dem Christentum. Ich suchte Gründe bei meiner "alten" Religion zu bleiben. Da mir die Idee vom "Gottessohn" jedoch nie einleuchtete und auch andere Dinge im christlichen Glauben meiner Logik und meiner Ethik - beispielsweise die im Sündenfall begründete schlechtere Stellung der Frau - widersprachen, musste ich erkennen, dass ich schon längst Muslim geworden war. 1989 habe ich daher auch nach außen bekannt, dass ich heimgekehrt bin zu Allah.

MM: Was hat Sie zur Deutschen Muslim Liga geführt, und wie kam es, dass Sie nach vergleichsweise kurzer Mitgliedschaft Vorsitzender wurden?

Pfaff: Nach meinem Studium zog es mich zunächst auch beruflich in die Länder, die ich während meines Studiums so schätzen gelernt hatte. Erst seit 2001 war mein "Lebensmittelpunkt" , meiner Familie zu liebe, wieder Deutschland.

Die Hysterie, die nach dem 11. September ausbrach und die sich zunehmend auch gegen den Islam als Religion und neues Feindbild wandte, brachte mich zu der Einsicht, dass es in dieser Zeit als Muslim nicht mehr möglich ist, sich ins Private zurückzuziehen. Wir begannen daher im Freundeskreis zu diskutieren, was wir tun können, um zu verhindern, dass der Islam verfälscht dargestellt wird und von radikalen Kräften im Westen und im Osten missbraucht wird, um Aggression und Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen.

Eine erste Initiative war unsere Website www.muslime-gegen-terror.de in der wir die muslimischen Positionen zu diesem Thema sammelten. Über die Bekanntschaft zur damaligen Vorsitzenden der DML, die ich bereits seit meinem Studium kannte, kam ich auch zur Deutschen Muslim Liga. Als mich Frau Alzayed bat, sie im Vorstand zu unterstützen, erklärte ich mich gerne bereit und wurde gemeinsam mit Abdulkarim Grimm zum Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Da Frau Alzayed beruflich nach Österreich ging, um dort ihren Beruf auch mit Kopftuch ausüben zu können, trat sie von ihrem Amt zurück, so dass ich nach verhältnismäßig kurzer Zeit vom Vorstand zum Vorsitzenden gewählt wurde.

MM: Was hat es mit der Webinitiative Muslime gegen Terror auf sich?

Pfaff: Nach den Terroranschlägen von Madrid wurde von christlicher Seite, an führender Stelle Bischof Huber, immer wieder gefordert, Muslime müssten sich von Terror distanzieren. Nachdem wir nachgeprüft hatten, was muslimische Verbände zu diesem Thema sagten, stellten wir fest, dass sich alle, ohne Ausnahme, von Gewalt gegen Zivilpersonen distanziert hatten. Die deutsche Öffentlichkeit und die Kirchen ignorierten jedoch die muslimischen Stellungnahmen.

Um es jedem, der sich neutral über dieses Thema informieren will, leicht zu ermöglichen, diese Informationen im Internet zu finden, beschlossen wir eine Internetseite zu initiieren, auf der alle Stellungnahmen von Muslimen zusammengetragen wurden. Inzwischen haben wir dort über 120 Stellungnahmen gesammelt, so dass niemand, der auch nur einen Blick ins Internet wirft, mehr behaupten kann, Muslime würden schweigen.

Wir haben außerdem einen Aufruf ins Netz gestellt, bei dem jeder einzelne Muslim sich registrieren kann und einer Erklärung gegen Terrorismus zustimmen kann. Bisher haben sich über 700 Muslime bei uns registriert und ich freue mich über jeden Einzelnen der hinzukommt. Mit nur einem Klick kann man so demonstrieren, dass der Islam eben nicht als Grundlage für Terrorismus herangezogen werden kann und darf, sondern den Frieden anstrebt.

MM: Ist denn der Islam Ihrer Meinung nach keine "wehrhafte" Religion? Dürfen sich z.B. Muslime nicht gegen Besatzer wehren?

Pfaff: Selbstverständlich erlaubt der Islam die Selbstverteidigung. Wer mit Gewalt konfrontiert wird, darf sich auch mit Gewalt zur Wehr setzen. Gewaltanwendung ist im Islam jedoch stark reglementiert und darf nur einen verteidigenden Charakter haben. Unsere Seite wendet sich ja gegen Terror, also Gewalt gegen Zivilpersonen, und zwar unabhängig ob die Täter sich als Christen, Juden, Atheisten oder als Muslime bezeichnen.

Die Anschläge auf Moscheen im Irak beispielsweise, sollten eigentlich dem letzten Menschen deutlich zeigen, dass die Urheber von Anschlägen im Irak keine gläubigen Muslime sein können. Trotzdem werden sie im Westen als Spielarten des "islamistischen Terrors" geschildert. Sehen wir über den europäischen Tellerrand, stellen wir schnell fest, dass Muslime vor allem Opfer von Anschlägen sind und nicht deren Urheber.

Schauen wir auf die Konflikte in der islamischen Welt, sollten wir aber auch nicht in die Falle von Kriegstreibern auf beiden Seiten gehen und jeden Konflikt religiös interpretieren. In Palästina beispielsweise haben wir keinen Konflikt zwischen Islam und Judentum, sondern einen Konflikt zwischen Israel und dem palästinensischen Volk. Sowohl christliche, wie muslimische, wie atheistische Palästinenser leiden gleichermaßen unter der Apartheidspolitik Israels. Statt eines konstruierten Gegensatzes zwischen uns abrahamitischen "Geschwistern" zu folgen, muss ich mich sogar gegen jede Form von Rassismus oder Antisemitismus wenden, da sich gerade unsere Religion dadurch auszeichnet, dass sie jeden Menschen gleich behandelt.

Unser erster Muezzin war ein Schwarzer. "Kein Vorrang hat der Araber vor dem Nichtaraber, der Nichtaraber vor dem Araber, der Weiße vor dem Schwarzen, der Schwarze vor dem Weißen" sagt unser Prophet. Bei aller Solidarität mit unseren palästinensischen Geschwistern sollte unsere brüderliche Liebe uns nicht verleiten "anders, denn gerecht, zu handeln", wie es uns der Qur'an vorschreibt.

MM: Derzeit prasselt es ohnehin heftig auf alle Vertreter des Islam tagtäglich ein: Karikaturenstreit, Kopftuchverbot, Fragebogen sind nur einige der Stichworte. Wie werden Sie damit fertig?

Pfaff: Zunächst habe ich das Gottvertrauen, dass in aller Schwerniss, mit der wir fertig werden müssen, auch ein großer Nutzen liegt. Die Karikaturen hatten beispielsweise die Folge, dass in der Türkei Mohammed Biographien ausverkauft waren, dass zahlreiche neue Websites von Muslimen ins Netz gestellt wurden, die sich mit unserem Propheten beschäftigen. Außerdem habe ich das Glück mit so lieben Menschen, wie den Grimms, im Vorstand der DML tätig zu sein, die mir immer wieder Kraft geben, weiterzumachen.

Ich verstehe es als vorrangigste Aufgabe für uns als Muslime gerade in dieser Zeit die Schahada (das Glaubensbekenntnis) zu leben. Und zwar in dem Sinne, dass wir Schahid - Zeuge der Gerechtigkeit sind. Dass wir versuchen den Islam als vorbildliche Lebensweise in die Praxis umzusetzen, damit Andere die Qualität des Islam erkennen und nicht zuletzt unsere Kinder spüren, dass es keine Schande, sondern ein großes Glück ist, Muslim zu sein. Statt uns in Verschwörungstheorien zu verlieren und unsere Lage zu beklagen, sollten wir unsere Kraft vor allem dafür einsetzen, bessere Muslime zu werden, Gemeinschaften zu bilden und uns in Brüderlichkeit zu üben.

MM: Die Republikaner haben mit ihrer Wahlkampagne "Islamisten raus" überspitzt das zum Ausdruck gebracht, was derzeit viele Muslime zu hören bekommen. Was antworten Sie als geborener Deutscher, wenn jemand Ihnen sagt, Sie sollten nach "drüben" gehen?

Pfaff: Bei uns "Deutschen ohne Migrationshintergrund" ist es offensichtlich, dass man uns nicht ins "Ausland" abschieben kann. Der Islam ist eben keine Ausländerreligion, sondern eine Weltreligion, die genauso mit der deutschen Kultur vereinbar ist, wie das aus dem Orient stammende Christentum. Um genau dies klar zu machen, hat sich die Deutsche Muslim Liga vor 54 Jahren gegründet! Unabhängig von der Herkunft verlangen wir die deutsche Staatsangehörigkeit für eine Vollmitgliedschaft, weil wir zeigen wollen, dass unser Lebensmittelpunkt hier ist und wir den Anspruch erheben, dass der Islam ein selbstverständlicher Bestandteil unseres Deutschen Alltags ist.

Wir Muslime machen es jedoch Rechtsradikalen häufig selbst einfach, das Bild der Ausländerreligion zu zeichnen, wenn wir in unseren Moscheen die Bindung an ein bestimmtes Heimatland zu stark betonen. Bei allem Verständnis für das Bedürfnis von Muslimen mit Migrationshintergrund, einen Bezug zu Ihrer Heimat zu bewahren und die für ihre Identität wichtige Kultur zu pflegen, werbe ich dafür, die Heimatverbundenheit von der Religion des Islam zu trennen.

Eine Freitagspredigt auf Deutsch öffnet nicht nur die Moschee für alle Muslime unabhängig von ihrer Herkunft, sondern ermöglicht es beispielsweise unseren Kindern auf dem Schulhof oder im Unterricht ihren Glauben in deutscher Sprache vermitteln (und verteidigen) zu können. Außerdem sollten sich Moscheen aktiver in kommunale Geschehnisse einbringen - kurz, auch nach außen deutlich zu erkennen geben, dass wir Muslime Teil der deutschen Gesellschaft sind. Zusätzlich können und sollen natürlich auch weiterhin Programme zur jeweils eigenen Kultur und in der jeweils eigenen Sprache angeboten werden.

Natürlich würde es mich auch freuen, wenn viele Muslime mit Migrationshintergrund sich zusätzlich zu der Arbeit in ihrer Moschee in der Deutschen Muslim Liga engagieren würden.

MM: Ein weitere Vorwurf, mit dem sich viele deutsche Muslime konfrontiert sehen, sind manch unhaltbare Menschenrechtszustände in muslimischen Ländern. Welche Chance sehen Sie, der Bevölkerung zu erläutern, dass man Teil der "hiesigen" Gesellschaft und nicht fremder Länder ist?

Pfaff: Zunächst einmal sind wir Muslime selbst dafür verantwortlich uns als Teil der deutschen Gesellschaft zu zeigen, uns an dieser Gesellschaft zu beteiligen und unsere muslimischen Werte positiv in den Diskurs einzubringen. - Wir müssen eben auch nach außen zeigen, dass wir "Hiesige" sind. Als Deutsche Muslim Liga halten wir uns bei der Kommentierung von Außenpolitik sehr zurück, da wir uns eben um das Leben in Deutschland kümmern.

Ich finde es aber schon merkwürdig, wenn Menschen, die aus autoritären Staaten nach Deutschland flüchten, um beispielsweise ihre islamische Religion frei leben zu können, die Taten eben dieser Staaten vorgehalten werden. Nicht zuletzt der Westen hat dafür gesorgt, dass in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit größtenteils Regierungen an der Macht sind, die Menschenrechte mit Füßen treten.

Ein Diktator, wie Saddam Hussein, konnte viele Jahre als Freund des Westens foltern, Kurden vergasen, muslimische Gelehrte und ihre Familien hinrichten und vieles mehr. Gerade solch einen Menschen nun als Beispiel für muslimisches Verhalten zu bezeichnen ist schon ein starkes Stück. Noch infantiler werden allerdings Diskussionen, wenn etwa gesagt wird, da "wir" in Saudi Arabien keine Kirchen bauen dürfen, könnt "ihr" nicht erwarten, dass wir euch Moscheen bauen lassen. Ich frage dann meist zurück, ob der Redner ernsthaft in Deutschland ein System wie Saudi Arabien einführen will.

MM: Sie selbst arbeiten in der Tourismusbranche. Wie sehr hilft Ihnen ihre interkulturelle Kompetenz dabei?

Pfaff: Mein Beruf ermöglicht es mir, die Gelegenheit zu schaffen, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturen in einer entspannten, konfliktfreien Atmosphäre begegnen. Ich sehe es als Teil meiner Verantwortung als "Macher" von Tourismus, dass diese Begegnungen auf beiden Seiten einen positiven Eindruck hinterlassen und dafür sorgen, dass Vorurteile abgebaut werden. Dies ist leider nicht immer im Tourismus so.

Wichtig ist daher, dass beide Seiten auf die Begegnung vorbereitet werden. Ein Beispiel: In Tunesien ist es nicht üblich, dass Touristen den Gebetsraum einer Moschee besichtigen dürfen. In einigen ausgesuchten Moscheen darf man in den Innenhof der Moschee und einen Blick hineinwerfen, aber die wirkliche Atmosphäre kann man nur sehr begrenzt erfassen. Ich habe daher Kontakt zu einem Imam aufgenommen und ihn gebeten, in seiner Moschee eine Einführung in den Islam geben zu dürfen. Der Imam hat mein Wissen über den Islam geprüft und mir anschließend einen Schlüssel ausgehändigt. Meine deutschen Gästen habe ich am Abend vor Ausflugsbeginn auf den Tag vorbereitet und unter anderem Kleidungsvorschriften bekannt gegeben. Ich konnte meinen Gästen klar machen, dass sie etwas erleben können, was nicht jeder Tourist erleben kann, wenn sie sich respektvoll verhalten und sich an die dortige Kultur anpassen. Da ich durch meine Vorbereitung mir das Vertrauen auf beiden Seiten erarbeitet hatte, wurde jeder Moscheebesuch ein voller Erfolg.

MM: In Tunesien akzeptiert ein Geistlicher sie als hinreichend kenntnisreich über den Islam, aber in Deutschland müssen Sie - und nicht nur Sie - sich zunehmend die Interpretation des Islam in der öffentlichen Meinung von so genannten "Islam-Experten" gefallen lassen, die allesamt keine Muslime sind. Wie kann man jenem falschen Bild in der Öffentlichkeit effektiv entgegen wirken?

Pfaff: Das Wort „Islamexperte“ ist an sich eigentlich schon eine Disqualifikation. Meist werden Menschen so bezeichnet, die weder einen Studienabschluss haben oder sonst irgend eine nachprüfbare Qualifikation vorweisen können – sonst würden sie ja als Orientalist, Arabist, Ethnologe oder ähnliches bezeichnet. Leider hat sich inzwischen eine ganze Literaturgattung entwickelt, die mit der Angst vor dem Islam versucht „Kasse“ zu machen. Man nimmt bewusst in Kauf, dass Vorurteile und Feindbilder geprägt werden, denn je größer die Angst, desto größer die Auflage.

Blicken wir in die deutsche Geschichte lernen wir, dass wir als muslimische Minderheit herzlich wenig tun können, um dieser Propagandamaschine entgegenzuwirken. Vor 125 Jahren versuchten auch Juden auf die „Assimilierungsdebatte“ zu reagieren und den zunehmenden antisemitischen Vorurteilen Einhalt zu gebieten. Wir wissen heute, dass damals alle Aufklärungsversuche, alle Proteste religiöser Verbände und alle Integrationsversuche nichts geholfen haben und die weitere Eskalation des Antisemitismus nicht verhindern konnten.

Als Muslime haben wir jedoch das Vorbild unseres Propheten. Der Beginn seiner Prophetie in Mekka hat viele Gemeinsamkeiten mit unserer heutigen Situation. Der Islam war in Mekka in der Minderheit umgeben von einer Gesellschaft von Götzendienern. Einer Gesellschaft, die von einem Verfall von Werten beherrscht war, die zunehmend sozial ins Ungleichgewicht geriet. Auch die ersten Muslime waren anscheinend eine schwache Gemeinschaft. Was haben sie unter der Führung des Propheten getan, um dem Islam zum Erfolg zu verhelfen? Sie haben zunächst ihren Glauben gestärkt, die religiöse Bildung, das Fasten und das Gebet kurz die Einübung von Taqwa – Gottesbewusstsein war der erste Schritt. Sie bildeten dann eine vorbildliche Gemeinschaft, die sich als wirkliche Alternative präsentieren konnte.

Unsere Lehre hieraus ist: Friedlich bleiben – sich nicht provozieren lassen – für Recht und Gerechtigkeit einstehen egal ob intern oder nach Außen – kurz der qur’anischen Aufforderung nachkommen und „Wetteifern im Guten“.

MM: Die deutsche Muslim-Liga ist selbst direkt von dem so genannten Kopftuchverbot für Lehrerinnen betroffen, da sie ihre Vorsitzende verloren haben, die jetzt in Österreich lehrt. Wie versuchen Sie zu erläutern, dass Frauen mit Kopftuch nicht nur keine Gefahr sondern auch eine Bereicherung für das Land sein können?

Pfaff: Das Tragen des Kopftuchs sehe ich als spirituelle Übung. Wie das Gebet oder das Fasten dient es dazu Taqwa einzuüben. Gläubige Frauen tragen das Kopftuch, damit sie als Muslima erkannt werden und sich selbst ihre besondere Verantwortung als Muslima bewusst machen. Ich freue mich, wenn ich sehe, dass Frauen, die bewusst das Kopftuch tragen, durch diese Übung persönlich und charakterlich gestärkt werden.

Dieses Selbstbewusstsein unserer Schwestern strahlt aus und ich bin sicher, dass alle Menschen, die die Möglichkeit haben unsere starken Frauen kennen zu lernen, sofort erkennen, dass sie eine Bereicherung für jede Gemeinschaft und jedes Land darstellen. Wir Männer dürfen jedoch die Verantwortung, ob der Islam als Bereicherung verstanden wird, nicht nur unseren Schwestern überlassen, nur weil sie leichter erkannt werden. Auch wir müssen uns als Muslime zu erkennen geben und durch gutes Handeln den Reichtum des Islam vermitteln.

MM: Sie sind Vater eines Kindes. Was wünschen Sie sich für Ihr Kind, wenn es erwachsen ist, was ist Ihre Hoffnung für Deutschland in einigen Jahrzehnten bezüglich Islam?

Pfaff: Meine Hoffnung ist, dass der Islam in einigen Jahrzehnten als normaler Bestandteil der Gesellschaft verstanden wird. Dass mein Sohn durch sein Bekenntnis zum Islam keine Nachteile zu erwarten hat.

Meine Hoffnung ist, dass alle Menschen in Deutschland, Juden, Christen und Muslime erkennen, dass GOTT uns eine besondere Verantwortung auferlegt hat. Eine Verantwortung die Schöpfung zu bewahren, uns für die Schwachen in unserer Gesellschaft einzusetzen, die Umwelt zu schonen und für Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen zu sorgen.

Meine Hoffnung ist daher, dass alle Menschen in Deutschland zusammenarbeiten, um eine gerechtere, sozialere und gesündere Gesellschaft zu bauen.

MM: Sehr geehrter Michael Muhammad Abduh Pfaff wir danken für das Interview.

 

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