Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Inge Witt
 

Muslim-Markt interviewt Inge Witt, die im hohen Alter zum Islam konvertiert ist
4.6.2006

Inge Witt wurde 1930 in Hamburg geboren und Besuchte während des 2. Weltkrieges die Grundschule. 1945 kam sie aus der Schule und 1946 starb ihre Mutter an Krebs. Sie hinterließ sechs Kinder. Inge Witt war die Älteste und die Jüngste war gerade vier Jahre alt. Der Vater war zunächst auch nicht da, so dass Inge Witt alleine versuchte, mit den  Geschwistern über die Runden zu kommen.

Als ihr Vater zurückkam, lernte sie Buchteilbinderin, heiratete 1951 und bekam drei Söhne. 1956 wurde sie geschieden und lebte dann allein erziehend mit ihren Kindern. Seit 6 Jahren ist sie Ur-Oma und hat neben ihren drei Söhnen, acht Enkelkinder und zwei Ur-Enkel.

MM: Sehr geehrter Inge Witt. Sie haben den zweiten Weltkrieg am eigenen Leib miterlebt. Schildern Sie doch bitte unseren Lesern ihre damaligen Eindrücke:

Inge Witt: Es war eine schlimme Zeit. Wir wohnten damals im Ortsteil von Hamburg, der sich Barmbek nannte. Da mein Vater nicht in den Krieg wollte, ging er auf die Werft arbeiten, um Kriegsschiffe zu bauen. Somit wurde er unabkömmlich und brauchte nicht an die Front. Demzufolge zogen wir um nach Finkenwerder, wo sich die Deutsche Werft befand. Wir waren sechs Kinder. Anfang des Krieges haben wir nicht sehr viel mitbekommen. Mein Vater schickte mich nach Bayreuth zu Pflegeeltern mit einer meiner Schwestern. Wir waren die beiden Ältesten. Dort lebten wir zwei Jahre. Ich bekam schreckliches Heimweh und wurde wieder mit meiner Schwester nach Hamburg beordert, blieb aber nicht lange dort und mein Vater schickte mich nach Ungarn. Dort lebte ich wiederum zwei Jahre. Dort kam ich das erste mal mit den Christen zusammen. Es waren streng gläubige Katholiken. Wieder in Hamburg gelandet ging meine gesamte Familie nach Ostpreußen auf einem Bauerhof. Mein Vater schickte uns immer dort hin, wo die Gefahr der Bomben nicht bestand, holte uns aber zurück als die Russen kamen. Als nun der Grossangriff auf Hamburg begann, waren wir leider in Hamburg. Wir lebten nur noch im Keller oder Hochbunker. Einmal schafften wir es nicht zum Bunker zu kommen und unser Haus wurde getroffen. Wir waren im Keller und kamen nicht raus. Wir wurden aber befreit und konnten in unsere Wohnung ohne Fenster. Die KZ gefangenen mussten uns - Ich glaube das war Plastik - Fenster einbauen. Die hatten aber Hunger. Meine Mutter gab ihnen zu Essen und kam beinahe selbst ins KZ. Mein Vater konnte das noch verhindern. Ich habe dann gesehen, wie ein Gefangener auf eine Karre gesetzt wurde mit einem Brett drüber, an das man seine Hände fest genagelt hatte. Es war ein scheußlicher Anblick und der Mann tat mir unendlich Leid. Übrigens kam ich in Bayreuth mit streng gläubige Evangelisten zusammen und wurde dahingehend auch erzogen. Später flüchteten wir in den Hochbunker der Deutschen Werft, wurden auch dort von einer Bombe getroffen und mussten warten, bis man uns befreite. Alle Angriffe kann ich nicht nennen, das würde ein Roman werden und ich denke, dass es zu viel werden würde. Ich weis aber noch, dass es viele Tote gab und alle gesammelt wurden, an die Kaimauer in Hamburg aufgebahrt wurden und letztlich verbrannt. Es stank fürchterlich in ganz Hamburg . Ich hasse heute alle Kriege die es gibt oder eventuell noch geben wird. Möge Allah uns davor beschützen.

MM: Nun haben sie sich vor wenigen Monaten entschlossen, den Islam anzunehmen. Bitte schildern Sie uns und unseren Lesern ausführlich diese Entwicklung, da es nicht alle Tage vorkommt, dass eine deutsche Frau mit 76 Jahren zum Islam findet.

Inge Witt: Nachdem ich geheiratet hatte, suchte ich meinen Weg zu Gott. Ich kam zu den Jehovas Zeugen, den Menoniten, den Mormonen und den Buddhisten. Alles hat mir nichts gegeben. Meine Familie wanderte aus nach Australien und ein Bruder nach Afrika. Eine Schwester und Ich blieben in Deutschland. Meine Mutter verstarb und mein Vater nahm eine andere Frau die dann mit meinen Geschwistern nach Australien ging. Dann kam mein Bruder zu Besuch von Afrika und ich kam in Verbindung, zu den Sieben-Tage-Adventisten. Ich glaubte nun den richtigen Weg gefunden zu haben. Leider war auch das ein Fehler. Ich kann heute nicht mehr sagen, wann und wie ich vom Islam erfuhr. Meine Enkeltochter heiratete einen Moslem und ich erbat mir von Ihm den Koran. Nun merkte ich nur zu genau, das etwas in der Bibel nicht stimmen kann. Es vergingen aber noch zwei Jahre, bis ich davon überzeugt war. Ich wollte nicht schon wieder einen Fehler machen. Mein Nachbar ist auch ein Moslem und er hilft mir sehr, alles zu lernen, was ich wissen möchte, natürlich auch meine Enkeltochter. Leider wohnen wir sehr weit auseinander. Aber es gibt ja ein Telefon und das hilft mir auch weiter. Dann ist da noch eine weitere Frau in meiner Nähe. Sie ist auch in diesem Jahr konvertiert. Und ich Glaube jetzt fest, endlich das richtige getan zu haben. Leider, meiner Meinung nach, viel zu spät. Es gibt so viel, was ich lernen muss, was mir in meinem Alter sehr schwer fällt. Ich hoffe aber, das Allah mir die Kraft gibt, alles richtig zu machen.

Ich danke Allah Subhanahu we ta Ala das er mir den Weg gezeigt hat. Alhamdulilah.

MM: Machen Sie sich keine Sorgen, Gott ist der Barmherzigste aller Barmherzigkeit und verlangt von niemandem etwas unmögliches. Wie haben denn ihre Bekannten und Verwandten darauf reagiert, dass Sie sich zum Islam zugewandt haben?

Inge Witt: Meine Familie hat gar nicht gut reagiert und das macht mich sehr traurig. Aber es ist mein Leben und ich mache, was ich machen muss. Ich schreibe auch niemanden vor, was er lassen oder tun soll.

MM: Nun ist derzeit in diesem Land in den meisten Medien ausgerechnet der Islam nicht gerade mit dem besten Ansehen behaftet. Hat Sie das nicht abgeschreckt?

Inge Witt: Die Medien haben mich keineswegs abgeschreckt, da ich nicht alles glaube, was da geschrieben oder gesprochen wird. Außerdem bin ich der Überzeugung, das all das, was geschrieben steht, niemals ein Moslem getan haben kann.

MM: Wie auf dem Foto zu sehen, haben Sie sich entschlossen die islamische Körperbedeckung anzulegen. Ist Ihnen das nicht schwer gefallen?

Inge Witt: Mit der Bekleidung ist es mir keineswegs schwer gefallen. Ich bin stolz darauf, diese Kleidung tragen zu dürfen. Nur muss ich mir noch vieles zulegen, weil ich nicht viel besitze. Aber ich werde auch das in den Griff bekommen.

MM: Können Sie uns positive und negative Beispiele aus ihrem noch sehr jungen muslimischen Alltag in Deutschland geben?

Inge Witt: Da kann ich leider nicht sehr viel berichten. Tatsache ist aber, das alle Muslim-Menschen ganz liebe Menschen sind. Sehr Hilfsbereit und stets für mich da. Ich brauche nur um Hilfe rufen, dann wird mir auch geholfen. Zum Beispiel bekomme ich in meiner Gegend nicht das Fleisch, was ich benötige, um Essen zu bereiten. Mein Nachbar kommt zu mir und holt es mir, weil er ja dieses Fleisch auch benötigt. Er schenkte mir auch den Koran.
Ja und Negativ ist leider, das mein Umfeld sich über mich lustig macht und mich einfach nicht verstehen will. Dabei tue ich niemanden etwas, will auch keinen bekehren. Ich lasse mich auch auf keine Diskussionen ein, weil es nur zum Streit führen würde. Das macht mich sehr traurig.

MM: Was wünschen Sie sich für Deutschland und Ihr persönliches Umfeld.

Inge Witt: Für Deutschland und die ganze Welt wünsche ich mir, das jeder jeden in Frieden Leben lässt und niemals ein Krieg kommt, weil der eine dies und der andere jenes glaubt. Jeder sollte nach seiner Facon selig werden. Das wäre mein Größter und einzigster Wunsch.

MM: Sehr geehrte Inge Witt, wir danken Ihnen für das Interview.

 

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