MM: Sehr geehrte Frau Lintner, wie kommt es,
dass ein protestantisch erzogenes Mädchen mit 23 Jahren den katholischen
Glauben annimmt und den Papst als eine Heiligkeit betrachtet?
Lintner: Zuerst möchte ich beim MM-Team für
die Möglichkeit bedanken, aus katholischer Sicht zu einigen Themen Stellung
zu nehmen.
Zu Ihrer Eingangsfrage: Ich wurde katholisch, da
ich erkannt habe (durch Gespräche, Bibelstudium), dass die Kirche, die Jesus
Christus gegründet hat, mit der katholischen Kirche ident ist. Wenn man
etwas als objektiv wahr erkannt hat, dann muss man ihm folgen. Weiters
störten mich die (in wesentlichen Dingen) unterschiedlichsten
Bibelauslegungen der Protestanten, da ja dort kein Maßstab existiert, nach
dem man sich orientieren soll. In der katholischen Kirche ist der Maßstab
die Überlieferung (Tradition) der hl. Apostel, die sie von Jesus erhielten
und die in der Kirche unveränderlich bewahrt wurde. Die Heilige Schrift ist
bereits ein Teil der Überlieferung. Bevor die hl. Texte des Neuen
Testamentes abgefasst wurden, war die Kirche ja schon existent, betete,
verkündigte und praktizierte.
Mit "Heiligkeit" meinen Sie vermutlich die
vielzitierte "Unfehlbarkeit" des Papstes als Letztinstanz, wenn in
wesentlichen Glaubens- und Sittenfragen Uneinigkeit herrscht. Nur wenn er
eine Lehre (die mit der Tradition übereinstimmen muss) als letztendlich
gültig erklären muss, nimmt er die Unfehlbarkeit in Anspruch. Ansonsten ist
er ein schwacher Mensch wie jeder andere. Auch ein Papst geht regelmäßig zur
Beichte und muss mit Gottes Hilfe versuchen, sich zu bessern. "Heiligkeit"
selber ist nur eine Anredeform, die z. B. auch dem koptischen
Papstpatriarchen zu kommt. In den Apostelbriefen werden die angeschriebenen
Christen als "Heilige" tituliert.
MM: Als Mutter von vier Kindern dürften Sie
einen Vollzeitjob mit Überstunden haben. Warum wird dieser eigentlich für
die Gesellschaft wertvollste Beruf und Berufung in der Gesellschaft nicht
hinreichend gewürdigt?
Lintner: Neben vielen Ursachen scheint mir
eine am herausragendsten zu sein: der von Sozialisten und Feministen,
neuerdings im Verein mit Neoliberalen betriebene Bewusstseinswandel unter
den Frauen dahingehend, dass nur die außerhäusliche Arbeit wertvoll und als
"echte Arbeit" anzusehen ist und dass die Kinder, sofern unter diesen
Bedingungen welche vorhanden sind, möglichst bald in
Kinderbetreuungseinrichtungen gebracht werden sollten. Das kann manche
Frauen ganz schön unter Druck setzen. Obwohl psychologisch längst erwiesen ist,
dass im Normalfall die mütterliche Erziehung der außerhäuslichen vorzuziehen
ist, hält man trotzdem unerschütterlich daran fest. Da scheint mir eine böse
Absicht dahinterzustecken.
MM: Ist Österreich ein christliches Land?
Lintner: Eine gute Frage. Obwohl in
Österreich neben einem intensiv-katholischen Kern immer noch viele Menschen
an einen Gott glauben, sich bemühen, Gutes zu tun, sehr viele kulturell
geprägte Katholiken leben, die stolz auf die Geschichte Österreichs als
ehemaliges katholisches Kaiserreich und Bestandteil des Heiligen Römischen
Reiches deutscher Nation sind, muss ich diese Frage aus mehreren Gründen
verneinen:
1. von der Staatsverfassung her nein, da sie ohne
Gottesbezug ist. Außerdem ist die katholische Religion nicht mehr
Staatsreligion, wie es zur Zeit des Kaiserreiches war. Eine Staatsreligion
schließt im übrigen Toleranz nicht aus.
2. von der Gesetzgebung her nein, weil das
ungerechte Gesetz der Fristenlösung - Abtreibung bis zum Ende des dritten
Schwangerschaftsmonat ohne Angabe von Gründen erlaubt, darüber hinaus
existiert eine Art Indikationenlösung - seit der Regierung Bruno Kreiskys
(SPÖ) besteht.
3. weiters nein, weil im österreichischen Lehrplan
das Unterrichtsprinzip "Sexualerziehung", das heißt eben meistens in der
Praxis nicht Unterrichtung über biologische Tatsachen, sondern Animierung,
und das bereits in der Volksschule (Grundschule) besteht. Abgesehen davon,
sollen auch biologische Fakten nicht zu sehr ins Detail gehen.
Sexualerziehung und damit verbunden Sexualmoral ist Elternrecht und
-pflicht. Der vieldiskutierte "Fall Marco" ist ja ein Resultat
fehlgeleiteter Sexualerziehung.
4. weiters nein, weil von behördlicher Seite viel
zu wenig gegen Blasphemien, Pornographie, Menschenhandel etc. getan wird.
Beschwerden empörter Bürger werden meistens unter fadenscheinigen Gründen
abgetan.
Allerdings ist Österreich nicht strenglaizistisch
wie Frankreich. Die meisten Religionsgemeinschaften sind
öffentlich-rechtliche Körperschaften, so auch der Islam in Form der
Islamischen Glaubensgemeinschaft. Die staatliche Anerkennung gibt es seit
der Monarchie, damals für die bosnischen Muslime.
MM: In Ihrer Zeit als praktizierende
Christin waren Sie im Lebensschutz engagiert, wo Sie auch Ihren Mann kennen
lernten. In Deutschland ist es ja inzwischen möglich 8-monatige lebensfähige
Behinderte abzutreiben, wobei es zudem verboten ist, den abtreibenden Arzt
einen Mörder zu nennen. Warum hat Ihrer Meinung nach die katholische Kirche
Probleme damit, diese Art der Menschenvernichtung lauter anzuprangern und
Politiker, die das befürworten zu rügen?
Lintner: Abgesehen davon, dass Abtreibung in
jeglicher Hinsicht Mord ist: die Kirche besteht ja nicht nur aus den
deutschen Bischöfen und Berufsfunktionären, die in der Tat lauter
protestieren müssten. Die Päpste, vor allem der verstorbene Papst, haben
sehr wohl ihre Stimme laut erhoben. Johannes Paul II hat sich meines Wissens
mit dem damaligen Präsidenten Bill Clinton angelegt, nicht zuletzt auf der
UN-Bevölkerungskonferenz in Kairo im Jahre 1994, wo versucht wurde,
Abtreibung als Teil von Verhütungsprogrammen aufgrund der angeblichen
Überbevölkerung den Entwicklungsländern aufzudrängen. Das wurde gottlob vom
Vatikan, einigen islamischen und südamerikanischen Ländern verhindert. In
Österreich hat zuletzt der Erzbischof von Salzburg eine Ehrung durch die
sozialdemokratische Landeshauptfrau (Ministerpräsidentin) ausgeschlagen,
weil diese Politikerin die Abtreibung in öffentlichen Spitälern Salzburgs
eingeführt hat.
Abgesehen davon gibt es viele engagierte
Lebensschutzgruppen und Kämpfer, in Österreich sind das vor allem Mag.
Dietmar Fischer von Human Life International Österreich, der mit seiner
Gruppe direkt vor den Abtreibungskliniken steht und den Frauen alternative
Hilfe anbietet und Martin Humer, bekannt als "der Pornojäger" - weil er
aktiv seit über 30 Jahren etwas gegen Menschenhandel und Pornographie
unternimmt.
MM: Sie selbst haben eine Abhandlung über
das katholische Verständnis der Ehe, in deren Rahmen jegliche künstliche
Verhütungsmethoden als mit der katholischen Moral unvereinbar seien,
geschrieben. Klafft hier nicht ein enorme Lücke zwischen Theorie und Praxis,
selbst bei praktizierenden Katholiken? Ist die katholische Religion
sexualfeindlich, wenn keine Kinderzeugung angestrebt wird?
Lintner: Es ist richtig, dass die
katholische Kirche lehrt, dass künstliche Verhütungsmethoden mit der
katholischen Moral unvereinbar sind. Die Gründe sind: da der eheliche Akt -
ein etwas juridischer Ausdruck, gemeint ist der geschlechtliche Vollzug in
der Ehe - von Gott her mit der Fruchtbarkeit verknüpft ist, darf ihn der
Mensch nicht eigenwillig trennen. Der naturgemäße Sinn des Sexualaktes ist
demnach die Fruchtbarkeit. Dabei Freude zu empfinden, ist keine Sünde, auch
wenn das immer wieder der katholischen Religion unterstellt wird.
Da es aber schwerwiegende Gründe geben kann, die
Kinderzahl zu beschränken, oder die Abstände zwischen den Geburten zu
verlängern, stellt sich der Frage nach Methoden, die die Verknüpfung
"Sexualität" und "Fruchtbarkeit" nicht auflösen. Hier sind die natürlichen
Empfängnisregelungsmethoden die Mittel der Wahl, da sie genau diese
Verknüpfung nicht auflösen. Eine besonders effiziente Methode ist diejenige
von Dr. Josef Rötzer, beschrieben unter www.iner.org , die unter bestimmten
Voraussetzungen 100 %ige Sicherheit hat. Das erreicht nicht einmal die so
genannte Pille, die neben der frühabtreibenden Wirkungen auch horrende
Nebenwirkungen für die Frau hat.
Natürlich sind die katholischen Vorgaben eine
Herausforderung, der sich nicht alle - aus welchen Gründen auch immer -
stellen wollen. Deswegen wird man nicht die Lehre ändern. Es gibt genug
gläubige Katholiken, die die Lehre der Kirche befolgen und glücklich dabei
sind.
MM: Sie sind gegen eine Vereinigung Europas.
Sieht denn der Katholizismus Grenzen zwischen Menschen vor?
Lintner: Nein, überhaupt nicht. Das
Heilsangebot Jesu steht ja jedem Menschen offen. Die Vereinigung der
Menschen findet ja vor allem unter dem Dach der Kirche statt, sie muss nicht
zwischen Staaten stattfinden. Ein katholischer Engländer ist
mentalitätsmäßig anders als ein katholischer Italiener oder Österreicher.
Und doch verbindet sie der gemeinsame Glaube. Allerdings hat es ja in der
Geschichte Europas bereits das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und
danach das Österreichische Kaiserreich gegeben, in denen mehrere Völker
vereinigt waren. Die Europäische Union ist nur eine säkulare schlechte Kopie
davon und leider kein Christenclub, wie der - gerade wiedergewählte -
Premierminister der Türkei, Herr Erdogan behauptet.
Es ist mehr ein Freimaurerclub und deshalb der
energische Widerstand gegen einen Gottesbezug in der Verfassung. Ich denke,
die gleichen Kreise, die die alten christlichen Reiche und auch das
Osmanische Sultanat-Kalifat durch die unheilvollen Ismen Sozialismus,
Liberalismus und Nationalismus zerstört haben, bauen an einem gottlosen
Welteinheitsstaat, einen großen Topf, in dem alle Religionen und Nationen
miteinander vermengt werden sollen, nachdem man sie in diverse Kriege
gegeneinander hetzt. Die EU ist wohl ein Versuchsballon dafür. Abgesehen
davon übt die Zentralbürokratie der EU ständig Druck auf bestimmte
Mitgliedstaaten aus, strengere Schutzalterbestimmungen zu lockern. Trotz der
Lippenbekenntnisse zu Demokratie und Rechtsstaat versuchen die EU-Politiker
für sie nicht genehme Abstimmungsergebnisse zu ignorieren.
An der Geschichte der EU ist ein Altösterreicher
und Freimaurer, der die Organisation "Paneuropa" gründete, nicht ganz
unbeteiligt:
Richard Graf Coudenhove-Kalergi schrieb in seinen
Büchern ganz offen über die zu schaffende eurasiatisch-negroide Mischrasse,
die dann angeblich eine amorphe Masse bilden wird, leicht zu regieren von
der Oberschicht, die laut ihm eine Mischung aus Juden und Adeligen sein
soll. Eine krause - und rassistische - Theorie, aber es erklärt die
forcierte Einwanderungspolitik - das ist bitte nicht gegen Einwanderer
selbst zu verstehen, denn die können nichts dafür, wenn sie hereingeholt
worden sind -, die ja von "oben" ausging.
Ich persönlich halte seine Rassetheorien für groben
Unfug - dieser Unfug wird teilweise aber umgesetzt - denn es werden sich
eben neue Nationen bilden, wie immer in der Geschichte der Menschheit. Ich
glaube, dass Gott dem ersten Menschenpaar Adam und Eva ein ungeheures
genetisches Potential mitgegeben hat, das sich dann unter
unterschiedlichsten geographischen und klimatischen Bedingungen in so
wunderbarer Vielfalt entfaltet hat und weiter entfalten wird.
MM: Wenn auch nicht so stark wie in
Deutschland ist auch in Österreich der Islam zunehmend in den Blickwinkel
der öffentlichen Debatte geraten. Wie betrachten Sie als praktizierende
Katholikin eine Kopftuch tragende Staatsbedienstete?
Lintner: Bei uns in Österreich gab es meines
Wissens noch keinen Fall, wo sich z.B. eine Juristin mit Kopftuch - Hijab
ist glaube ich der Fachausdruck dafür - um ein Richteramt bewarb. Ich
persönlich habe damit kein Problem, da es auch Nonnen als Staatsbedienstete
gibt. Weiters habe ich auch Medizinstudentinnen, die im Praktikum ihr
Kopftuch tragen, im Krankenhaus angetroffen.
Es war ja im Abendland auch einmal üblich, mit Hut,
Spitzenschleier oder dem früheren Bäuerinnenkopftuch, das teilweise
Bestandteil österreichischer Trachten ist, außer Haus zu gehen bzw. in die
Kirche zu gehen. Es gibt aber meines Wissens den Unterschied, dass "Frau" im
Haus den Hut oder das Kopftuch nicht aufsetzen muss, wenn ein
nichtverwandter Mann zu Besuch kommt.
MM: Das ist richtig. Erlauben Sie uns im
zweiten Teil des Interviews auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen
der katholischen Lehre und dem Islam eingehen - auch wenn der Islam kein
einheitlicher Block ist. Während die Ehrung der Jungfrau Maria sich wohl
höchstens in Nuancen unterscheidet, bezeichnen Muslime Jesus zwar als "Geist
Gottes" aber gleichzeitig als "Sohn der Maria" und lehnen strikt eine
Sohnschaft Gottes ab, da ja alle Geschöpfe Gottes sind. Wie stellen sich
Katholiken die Sohnschaft vor?
Lintner: Sie ist nicht menschlich-biologisch
zu verstehen. Gott ist weder Mann noch Frau. Im ersten Kapitel des
Johannes-Evangeliums steht, dass das "Wort Gottes", das Gott ist, Mensch -
geworden ist und dabei Gott bleibt. Wir glauben, dass Gott ein Einziger in
drei Personen, die wesensgleich sind, ist: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Die
Bezeichnungen Vater, Sohn, Heiliger Geist hat Jesus selbst gewählt.
Sohnschaft möchte "Wesensgleichheit" - von Ewigkeit her - andeuten. Das geht
über die irdische Sohnschaft hinaus. Vaterschaft schlechthin bedeutet
Ursprung - von Ewigkeit her. Der Heilige Geist ist der Geist Gottes, der aus
beiden hervorgeht, auch von Ewigkeit her. In den Beziehung zueinander sind
die drei Personen verschieden, in ihrer Wesensgleichheit sind sie eine
Einheit - ein einziger Gott. Die zweite Person ist der Sohn, das Wort
Gottes, das in der Jungfrau Maria Mensch geworden ist, um für uns am Kreuz
zu sterben.
Ich verstehe, dass das für Muslime, die einen sehr
strengen Monotheismus vertreten, schwer nachvollziehbar ist. Aber ich habe
oft den Eindruck, dass in interreligiösen Dialogveranstaltungen so getan
wird, als würden die Religionen dasselbe lehren. Das stimmt aber nicht. Die
Gottesvorstellungen sind nicht gleich, abgesehen davon, dass wir an einen
Schöpfer und Erhalter glauben.
MM: Die Heilige Maria hat unverheiratet ein
Kind geboren. Das war damals unter Juden eine Todsünde, die mit Steinigung
bestraft wurde. Wenn aber hingegen die betroffene Frau im Tempel erzogen
wurde, wie es bei der Heiligen Maria der Fall war, drohte ihr zudem die
Verbrennung. Im Islam ist Maria dieser Strafe entgangen, weil das neu
geborene Baby Jesus auf dem Arm der Mutter zu ihren Widersachern sprach. Wie
erklärt die katholische Lehre die Tatsache, dass Maria jener Strafe
entgangen ist?
Lintner: Im Matthäus-Evangelium Kap. 1, 18
ff steht, dass Marias Bräutigam, der hl. Josef sich ihren Zustand nicht
erklären konnte und sie heimlich entlassen wollte. Sie wissen sicher, dass
für die Juden die Verlobung einer Heirat fast gleichbedeutend ist. Ein Engel
erschien ihm im Traum und erklärte ihm die Tatsache, dass das Kind unter
Mariens Herzen auf nichtbiologische Weise von Gott stammt. Und dass er sich
nicht davor fürchten soll, Maria als Ehefrau anzunehmen. Nach der Heirat
fand dann die Geburt Jesu statt.
MM: Die Erwartung der Rückkehr Jesu ist auch
im Islam verankert. Wie ist der rein praktische Glaube einer Katholikin auf
diese Rückkehr und wie bereiten sich Katholiken darauf vor?
Lintner: Man könnte es mit dem
Pfadfindermotto "Allezeit bereit" bezeichnen, da wir den genauen Zeitpunkt
nicht kennen. Die Vorbereitung darauf ist das übliche Glaubensleben: beten,
hoffen, glauben, Nächstenliebe praktizieren, seine Sünden ernstlich bereuen,
bessern, Sakramentenempfang, fasten. Wir glauben, dass Jesus nach seiner
Wiederkehr das Letzte Gericht über Lebende und Tote halten wird, Himmel und
Erde erneuern wird und dass alle Heiligen mit ihm herrschen werden.
Vor der Wiederkunft des Herrn wird aber noch der
sogenannte "Antichrist" auftreten, der mittels eines gottlosen
globalistischen Systems die Welt einige Zeit regieren wird und die Gläubigen
verfolgen wird.
MM: Erlauben Sie abschließend auch eine
Frage zu den Aposteln. Könnten Sie sich vorstellen, dass Judas als einer der
zwölf Auserwählten seinen Herrn gar nicht verraten hat und Petrus in der
entscheidenden Nacht nur den Befehl seines Herrn befolgt hat, ihn zu
verleugnen, da er andere Aufgaben erfüllen sollte.
Lintner: Nein, das kann ich mir nicht
vorstellen, da ich von der Echtheit der Überlieferung in den vier Evangelien
überzeugt bin. Die damaligen jüdischen Behörden wollten Jesus ohne großen
Lärm verhaften und Judas Iskarioth führte die Soldaten in der Dunkelheit zum
Aufenthaltsort Jesu, wo er Ihn mit einem Begrüßungskuss für die verhaftenden
Soldaten kennzeichnete. Jesus sprach dann selber von einem Verrat. An Simon
Petrus richtete der Herr tatsächlich einen Befehl, als dieser einem Soldaten
das Ohr abhieb - er solle sein Schwert wieder in die Scheide zurückstecken.
Danach heilte er das abgehauene Ohr des Soldaten.
MM: Normalerweise bedanken wir uns an dieser
Stelle für das Interview und beenden es, aber in diesem Ausnahmefall wollen
wir Ihnen die Chance einräumen eine Gegenfrage zu stellen. Welche Frage
würden Sie gerne an Muslime stellen?
Lintner: Vielleicht werden Sie die Frage als
deutscher Muslim provokativ finden. Mich bedrückt die teilweise blutige
Christenverfolgung, wie sie in einigen islamischen Staaten - z. B. Pakistan,
Saudi-Arabien, Ägypten - stattfindet, schwer. Ist diese durch die islamische
Religion gedeckt, wie es einige Suren des Qur'an - z.B. Sure 9,29 oder Sure
5,51 - nahe legen?
MM: Im Koran ist es genau so wie in der
Bibel, dass wenn man einzelnen Verse aus dem Gesamtzusammenhang reißt, man
zu falschen Schlüssen kommen kann. Eine Verfolgung von Christen - wo auch
immer - ist in keinster Weise mit dem Islam vereinbar. Bedauerlicherweise
handelt es sich bei den genannten drei Ländern um von der Westlichen Welt
gestützte und am Leben erhaltene Diktaturen, die neben den eigenen Christen
vielmehr auch die eigenen Muslime verfolgen, was hier oft übersehen wird.
Ihre Fragen sind uns in einem aufrichtigen und auch kritischen Dialog
jederzeit willkommen.
Frau Lintner, wir danken für das Interview. |