Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Lea Rosenzweig
 

Muslim-Markt interviewt 
Lea Rosenzweig, Ehefrau des
Oberrabbiners Moishe Arye Friedman und Mutter von vier Kindern, die in Wien nicht mehr zur Schule dürfen
6.8.2007

 Foto: Das Ehepaar Lea Rosenzweig und Moishe Arye Friedman mit fünf ihrer sieben Kinder (vier davon auf der Schule)

Lea Rosenzweig ist die Mutter der vier jüdischen Kinder, denen in Wien der weitere Schulbesuch verwehrt wird. Ganz offenbar wird in Österreich das eigenen Gesetz gebrochen und eine ganze jüdische Familie in unvorstellbarer Weise diskriminiert. Zudem schweigt sowohl die Politik als auch große Teile der Presse über den Fall, so dass die Familie auf sich allein gestellt ist und derzeit vier jüdische schulpflichtige Kinder in Österreich nicht zur Schule können und niemand etwas dagegen unternimmt.

Der Fall ist derart unvorstellbar, dass hier zunächst eine chronologische Auflistung der Fakten erfolgt:

Die Stadt Wien und Bundesregierung fördern die Talmud-Thora-Schule Machsike-Hadass als Privatschule und finanzieren die Lehrer, damit orthodoxe bzw. praktizierende Juden eine Schule für ihre Kinder haben. Die Kinder von Frau Rosenzweig besuchten seit der ersten Klasse die Schule bzw. Kindergarten.

28.1.2007 Die Schule verbietet es allen vier Kindern, die Schule weiterhin zu besuchen mit der Begründung, dass der Vater im "Konflikt zur Führung der Israelitischen Kultusgemeinde geraten" sei. Er "vertrete das streng religiöse, antizionistische Judentum und lehne u.a. den zionistischen Staat Israel wie Zionistische Regime Weltweit in seiner gesamten Existenz ab." Als weitere Begründung wir u.a. eine Rede des Vaters in Berlin bei einer Quds-Tag-Demonstration am Schabat, allen voran wegen der "Teilnahme des Vaters an der Anti-Holocaust-Konferenz in Teheran" genannt.

28.1.2007 Die Kinder werden an dem Schulbesuch nach Aussage von Beobachtern bei Anwendung von körperlicher Gewalt durch Sicherheitsdienste im Auftrag der Schule am Eintritt in die Schule gehindert.

14.3.2007 Das Oberlandesgericht erlässt eine einstweilige Verfügung, dass die Kinder "ab sofort den ungestörten Besuch der Talmud-Thora-Schule Machsike-Hadass in der bisherigen Art und im bisherigen Umfang zu gestatten." Eine Revision gegen die Einstweilige Verfügung wird nicht zugelassen.

26.3.2007 Die Anwälte von Friedman beschweren sich beim Stadtschulrat, dass die Kinder immer noch nicht in die Schule können.

28.3.2007 Nachdem die Schule sich weiterhin weigert, die Schüler aufzunehmen, verhängt das Bezirksgericht Leopoldstadt eine Geldstrafe von 5000 EUR. Die Schule zahlt nicht, die Anwälte wenden sich an den Schulrat.

29.3.2007 Der Stadtschulrat antwortet, dass in Streitfällen zwar das Gericht zuständig ist, aber das "Privatschulrecht keine Rechtsgrundlage zur Durchsetzung von einstweiligen Verfügungen der Gerichte" enthalte; mit anderen Worten, die Gerichte können entscheiden, was sie wollen, die jüdische Schule stehe quasi über dem Gesetz.

19.4.2007 Das Bezirksgericht Leopoldstadt verhängt eine Strafe in Höhe von 20.000 EUR, da die Schule alle vorherigen Beschlüsse ignoriert hat.

8.5.2007 Das Bezirksgericht Leopoldstadt verhängt elf!! weitere Strafe in Höhe von insgesamt 355.000 EUR (für elf weitere Anträge), da die Schule alle vorherigen Beschlüsse ignoriert hat.

9.5.2007 Das Bezirksgericht Leopoldstadt verhängt eine weitere Strafe in Höhe von insgesamt 75.000 EUR (für vier weitere Anträge), da die Schule alle vorherigen Beschlüsse ignoriert hat.

11.5.2007 Das Bezirksgericht Leopoldstadt verhängt eine weitere Strafe in Höhe von insgesamt 30.000 EUR (für zwei weitere Anträge), da die Schule alle vorherigen Beschlüsse ignoriert hat.

14.5.2007 Das Bezirksgericht Leopoldstadt verhängt eine weitere Strafe in Höhe von 25.000 EUR (für einen weiteren Antrag), da die Schule alle vorherigen Beschlüsse ignoriert hat.

Die Schule zahlt weiterhin nicht, bzw. das Geld wird von Österreich nicht einkassiert, und die von Amtswegen längst zu verhängende Beugehaft wird auch nicht verhängt! Die Kinder können weiterhin nicht zur Schule und die jüdische Familie wird allein gelassen.

MM: Sehr geehrte Frau Rosenzweig, zunächst einmal drücken wir Ihnen unser Mitgefühl für die schwierige Lage aus, in der Sie heute sind. Erlauben Sie uns dennoch, dass wir mit einer einfachen Verständnisfrage anfangen. Warum heißen Sie Rosenzweig und nicht Friedman, wie Ihr Ehemann?

Rosenzweig: Im Judentum behält die Frau ihren Namen bei der Heirat, wie es meines Wissens idealerweise auch im Islam der Fall ist.

MM: Das stimmt. Was machen Ihre Kinder zur Zeit?

Rosenzweig: Neben der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten gingen sie jeden Morgen in die Schule, wurden dort nicht hineingelassen, kamen nach Hause und versuchten sich gegenseitig im Glauben und Wissenserwerb zu unterstützen. Wir beten viel. Derzeit sind Schulferien.

MM: Auslöser für die Bestrafung Ihrer Kinder durch die Schule war die Teilnahme Ihres Ehemannes auf der so genannten Holocaust-Konferenz in Teheran. Wie bewerten Sie die Ereignisse?

Rosenzweig: Selbstverständlich habe ich immer meinen Gatten in all seinen Bemühungen und Aktivitätten massivst unterstütz auch die Aktivitäten vor während und nach den Konferenz in Teheran! Und ich werde mein bestes versuchen, um dies möglichst zu intensivieren. Aber Tatsache ist, dass nicht er, sondern unsere Kinder bestraft werden. Das ist die größte Sippenhaftung, wie ich sie mir als Jüdin im deutschsprachigen Raum niemals mehr hätte vorstellen können. Und diese Sippenhaftung wird im missbrauchten Namen des Judentums ausgeübt und von den Verantwortlichen getragen. Das schmerzt sehr, und ich fühle mich teilweise hilflos dabei. Es ist unser Glaube an Gott, der uns diesen Schmerz ertragen lässt. Es ist grotesk, dass Vorwürfe über die Vergangenheiten an anderen geltend gemacht werden, während das Unrecht gegen unsere armen unschuldigen Wiener Jüdischen Kinder heut und jetzt ermöglicht wird!

MM: Aber als Ihr Mann aus Teheran zurück kam, waren sie nicht mehr hier und in den Medien wurde das Gerücht verbreitet, dass Sie sich von Ihrem Ehemann getrennt hätten?

Rosenzweig: Das war eine offenkundige Lüge mancher Medien. Wir waren gemeinsam auf einen kurzen Urlaub, und haben auch sogar von Wiener Stadtschulrat die schriftlichen Genehmigungen für diese kurze Abwesenheit und Urlaub erhalten, und dies erfolgte nach mehreren sehr konkreten gefährlichen Drohungen u.a. unsere Kinder zu entführen! Wir versuchen gemeinsam, die auf unserer Familie lastenden Schwierigkeiten zu meistern.

MM: Nun hat ihr Ehemann - wenn man den im deutschsprachigen Raum verbreiteten Bildern trauen kann - auf der Konferenz in Teheran behauptet, dass weniger als sechs Millionen Juden durch das Nazi-Regime umgekommen seien. Stellt das nicht ein großes Problem in Ihrem Verhältnis zu anderen Juden dar?

Rosenzweig: Erstens will ich hier die Angelegenheit von sechs Millionen gar nicht kommentieren. Aber was hat der Holocaust mit unserem Glauben, unserer Religion, zu tun? Das Judentum ist mehrere tausend Jahre alt, die Verbrechen der Nazis gegen Juden erfolgten im letzten Jahrhundert. Wir wehren uns dagegen, dass die Opferzahlen des verbrecherischen Nazi-Regimes zu einer Art Grundelement des jüdischen Glaubens erhoben werden und damit unsere Religion beleidigt wird. Nicht das Judentum erhebt jene Verbrechen zu einem unantastbaren Dogma sondern der Zionismus, den wir ablehnen. Mein Gatte hatte sich bei der Konferenz sehr gewehrt dass man den Holocaust als eine Art Ersatzreligion … Aber selbst wenn es ein Vergehen wäre, was mein Gatte gesagt hat, warum werden dafür die Kinder bestraft? Die haben doch so etwas nicht gesagt? Merkt den niemand, welch grausame Unterdrückung hier gegen gläubige und praktizierende Juden ausgeübt wird? Merkt den niemand, dass genau dieser Sippenhaftungen in Wien inmitten von Europa im Jahr 2007 praktiziert wird, was eindeutig eine illegale Handlung darstellt?!

MM: Ein weiterer Vorwurf gegen ihren Mann besteht darin, dass er die Sabbat-Regeln nicht eingehalten habe und daher die Kinder nicht mehr auf die Schule können. Was sagen Sie dazu?

Rosenzweig: Ich kenne nur wenige Juden, die die Schabbat-Regeln so gewissenhaft einhalten, wie es mein Gatte tut. Und solch eine Regel als Ausschluss für die Kinder von der Schule erscheint mir zumindest merkwürdig. Es geht um eine Rede in Berlin an einem Samstag, wobei mein Gatte nicht einmal das Mikrofon gehalten hat, sondern es wurde von einen Muslim gehalten. Jedenfalls ist es sonnenklar, dass all diesen Begründungen nur Scheinbegründungen sind, es geht einzig und allein um die Konferenz im Iran gemeinsam mit dem Treffen mit Präsident Dr. Mahmoud Ahmadinejad. Ich glaube man vergisst, dass wir Österreicher sind und in Österreich leben; Österreicher jüdischen Glaubens. Stellen Sie sich einmal vor, muslimische Kinder würden von der islamischen Schule ausgeschlossen werden, weil ein Elternteil nicht mehr betet und fastet, und das käme in die Öffentlichkeit, dann würden die Medien jene Schule heftig kritisieren, und der Direktor der Schule könnte sicherlich zurücktreten. Zudem würden die Fördergelder der Schule gestrichen werden.

MM: Wollen Sie das für die jüdische Schule?

Rosenzweig: Natürlich nicht. Wien braucht eine jüdische Schule, aber die Schule darf doch nicht derart eklatant für politische Ziele missbraucht werden. Wir haben nichts gegen die Schule, sondern gegen jene Kräfte dahinter, die unsere Kinder für etwas bestrafen wollen, was sie meinem Gatten vorwerfen, völlig unabhängig davon, wie haltbar die Vorwürfe sind. Österreich braucht eine jüdische Schule vor allem für Österreicher jüdischen Glaubens. Wenn aber die Interessen des Auslandes darüber bestimmten, wer auf diese österreichische Privatschule gehen kann und eigentlich Israel entscheidet, wer ausgeschlossen wird, verstehe ich nicht, warum Österreich die Lehrer finanziert.

MM: Wie stellen Sie sich aber den weiteren Schulbesuch ihrer Kinder in der jüdischen Schule vor. Nehmen wir an, das unvorstellbare geschieht und man lässt ihre Kinder auf die Schule, wie wird es ihnen dort ergehen?

Rosenzweig: Warum ist das "unverstellbar"? Alle Gerichte haben uns doch recht gegeben. Und die Schule erhält doch einen Strafbescheid nach dem anderen. Der Einsatz für unsere Kinder geht weit über unsere familiäre Situation hinaus. Es geht darum, ob in Österreich das österreichische Gesetz gilt oder Israel darüber bestimmt, welche Gerichtsbeschlüsse in Österreich umgesetzt werden und welche nicht. Abgesehen davon sind die Lehrer der Schule zumeist vernünftige Menschen, die die Kinder nach ihren Schulleistungen beurteilen und nicht nach den Handlungen ihrer Eltern. Wir müssen uns aber alle gemeinsam gegen Ansätze wehren, die Sippenhaftung gegen Kinder verhängen und sich selbst über das bestehende Rechtssystem stellen. Alle unsere Kinder haben haben immer die beste Zeugnisse erhalten und ganz besonders, was deren Benehmung anbelangt!

MM: Warum können ihre Kinder nicht auf eine normale staatliche Schule gehen?

Rosenzweig: Genau so wie im Islam gibt es im Judentum u.a. die Geschlechtertrennung und bestimmte moralische Prinzipien bei der Erziehung, die unerlässlich sind. Auch praktizierende jüdische Frauen geben fremden Männern nicht die Hand und auch wir tragen Kopftuch oder zumindest Perücke. Und unsere Speisen müssen koscher sein. Bei uns als praktizierende gläubige orthodoxe Juden gibt es eine ganze Reihe von Gründen, dass es unmöglich ist, in öffentliche Schule zu gehen. Das wäre ein weiteres Unrecht! Dass all die genannten Aspekte im öffentlichen Bewusstsein - auch in Österreich - weniger bekannt sind, liegt daran, dass oft unreligiöse Zionisten das Judentum vertreten und nicht praktizierende orthodoxe Juden. Die jüdische Schule wird aber von Österreich mitfinanziert, um praktizierenden Juden eine Ausbildungsstätte für ihre Kinder zu gewährleisten, nicht für Zionisten.

MM: Wer unterstützt Sie in Ihrem Einsatz gegen das Unrecht, das Ihrer Familie widerfahren ist?

Rosenzweig: Zunächst einmal stehen uns unsere jüdischen Glaubensgeschwister zur Seite, die ebenfalls antizionistisch eingestellt sind. Dann aber fällt doch sehr deutlich auf, dass es vor allem Muslime sind, österreichische Muslime, die mit einem sehr großen Einsatz unsere Kinder zu schützen suchen. Es fällt auch auf, dass von christlicher Seite kaum eine Unterstützung öffentlich kommt. Und das entspricht genau unserer Erfahrung, dass Muslime die gläubigen aller Religionen schützen, wohingegen der Zionismus - geduldet von vielen Christen - nicht einmal Juden schützt.

MM: Nun ist im Zusammenhang mit dem Einsatz der Muslime der Verdacht geäußert worden, die würden das tun, weil sie gegen Israel seien, was antworten Sie darauf?

Rosenzweig: So lange es uns nicht gelingt, Judentum unabhängig von Israel zu betrachten, so lange werden wir Opfer dieser Falle sein. Das Staat Israel und deren Regime ist kein Jahrhundert alt. Sowohl biblisch als auch historisch gehört dieses biblische Land nicht den Juden allein. Ein mit Macht und Waffen errichteter Judenstaat widerspricht den Willen Gottes und ist ein großer Aufstand gegen den Willen Gottes, auch deshalb lehnen wir seine gesamte Existenz ab und beten drei Mal täglich für seine sofortige Überwindung, ohne dass dabei unschuldiges Blut vergossen wird. Machtpolitik ist uns Juden untersagt, unser Weg kann nur konsequent spirituell sein!

Tatsächlich wird die Existenz Israels vor allem mit zwei Argumenten gerechtfertigt, mit dem Land, das Gott den Juden versprochen habe und dem Holocaust. Das erste Argument ist eine reine und offenkundige theologische Fälschung. Das Zweite hat nichts mit dem Glauben des Judentums zu tun, sondern ist eine Art zionistische Hinzufügung zum Glauben als Ersatzreligion, die nicht zulässig ist. Allerdings, wenn das jemand anderes ausspricht als eine Jüdin oder ein Jude, dann kann er sicher sein, dass er dafür in irgendeiner Form von bestimmten Kreisen bestraft wird, und daher traut sich niemand, diese Wahrheit auszusprechen.

Was die Schule angeht, so müssen wir lernen zu verstehen, dass es hier um eine Frage in Österreich und um Österreich geht. Sobald die Frage unserer Kinder mit Israel oder mit irgendwelchen Auslandsreisen meines Ehemannes verbunden wird, liegt hier ein Missbrauch vor, der zu dieser absurden wie tragischen Situation führt, wie wir sie vorliegen haben. Wenn man die Angelegenheit aber als rein österreichische Angelegenheit betrachten würde, wäre das Problem schon längst gelöst, und kein Schuldirektor könnte so viele Beschlüsse österreichischer Gerichte ignorieren, und unter Verheimlichung vor den gesamten Weltöffentlichkeit so einen Verhöhnung eines Rechtstaates in Europa betreiben!

MM: Erlauben Sie eine letzt Frage. Warum haben Sie all diese Aspekte nicht schon vorher in der Öffentlichkeit vertreten?

Rosenzweig: Eine gläubige orthodoxe jüdische Frau drängt sich nicht in die Öffentlichkeit und schon gar nicht vor ihren Ehemann. Nur wenn die Situation es notwendig macht, spricht sie auch in der Öffentlichkeit. Ich habe aber kein Vertrauen zu den Medien, die trotz der so klaren rechtlichen Situation sich nicht auf die Seite des Rechts und unserer Kinder stellt, sondern auf die Seite derjenigen, die das Recht missachten. Von Ihrer journalistischen Arbeit weiß ich durch meinen Gatten, dass man von einer Islam-Homepage wie Ihrer sicherlich die größte Fairness erwarten kann. Daher bete ich zum Allmächtigen, uns zu schützen und bitte höflichst die Öffentlichkeit, sich für das österreichische Recht und unsere Kinder gegen Sippenhaftung an Wiener jüdischen Kindern einzusetzen und nicht das eigene Recht dem Zionismus zu opfern. Es darf in Österreich nicht sein, dass Zionisten über dem Gesetz stehen und Juden darunter leiden müssen.

MM: Sehr geehrte Frau Rosenzweig, wir danken für das Interview und beten dafür, dass Ihre Kinder eine gottgefällige Schulausbildung erhalten können.

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