Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Suraya Jammeh
 

Muslim-Markt interviewt
Suraya Jammeh, Vorstandsvorsitzende des Vereins "Help the poor and the needy e.V."

3.12.2008

Suraya Jammeh (Jg. 1965) ist in Hannover geboren. Nach ihrem Abitur 1983 in Berlin in den Fächern Latein und Alt-Griechisch folgte ein Jahr in der häuslichen Altenpflege bei der Arbeiterwohlfahrt. Anschließend studierte sie an der FU Berlin Geschichte, Politik und Publizistik. Es folgte eine Ausbildung zur Datenverarbeitungskauffrau und ein Fernstudium zur Autorin an der Axel-Anderson-Akademie.

Nach Erfahrungen in anderen Vereinen gründete sie 1998 den Verein "Help the poor and the needy e.V." In 2001 übernahm sie die Projektleitung des Anti-Rassismus-Workshops ihres Mannes "Keine Angst vor dem Schwarzen Mann". In 2005 entwickelte sie mit anderen Müttern das Projekt “Bildungsoffensive Kiezkinder” und 2008 veröffentlichte sie zwei Bücher “10 Jahre Help the poor and the needy e.V – Bildungsoffensive Kiezkinder” und “Orient meets Occident – ein Versuch der Verständigung”.

Suraya spricht neben ihrer Muttersprache Deutsch auch Englisch und Französisch. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder im Alter zwischen 9 und 4 Jahren und lebt in Berlin.

MM: Sehr geehrte Suraya Jammeh, was muss man sich unter dem Verein “Help the poor and the needy e.V.” vorstellen?

Jammeh: “Help the poor and the needy e.V” wurde als Hilfsorganisation für Gambia, West-Afrika gegründet. Unsere vordringlichsten Ziele sind: 1. Größtmögliche Versorgung der ärmsten Menschen und Hilfe zur Selbsthilfe, 2. eine Kampagne gegen die Abwanderung junger Menschen und 3. Malaria-Prophylaxe

MM: Warum haben Sie einen englischen Namen für einen in Deutschland eingetragenen Verein gewählt?

Jammeh: Bis 2006 hieß der Verein “Al-Ma’oun – Help the poor and the needy e.V.” und unsere Schwesterorganisation in Gambia “Al-Ma’oun – Help the poor and the needy e.V. NGO”. Aber mit dem Namenszusatz Al-Ma’oun hatten wir sowohl in Deutschland als auch in Gambia Probleme mit den Behörden und möglichen Spendern, ließen wir den Zusatz aus dem Vereinsnamen streichen. Da wir internationale Kontakte durch die in Deutschland lebenden Muslime haben und Gambias Geschäftssprache Englisch ist, haben wir uns für einen englischen Namen entschieden.

MM: Schildern Sie uns doch einige beispielhafte Projekte?

Jammeh: Für Gambia ist unser aktivstes Projekt, dass wir besonders zu den Festen die ärmste Bevölkerung mit Essen versorgen. Aber auch unser Kindergarten-Projekt ist hervorzuheben. Obwohl Gambia ein muslimisches Land ist (95%), gibt es nur einen kostenpflichtigen islamischen Kindergarten. Wir sind dabei einen kostenfreien islamischen Kindergarten für die arme Bevölkerung zu bauen (siehe Fotos). Das Grundstück ist bereits vorhanden und eingefriedet, derzeit sammeln wir für den Bau des Haupthauses Geld. In Deutschland ist die Bildungsoffensive Kiezkinder hervorzuheben. 2007 haben wir acht Kurse für Kinder (Trommeln, Stepptanz, Kreatives Gestalten und Aikido), zwei Elternkurse in türkischer und arabischer Sprache und fünf Multiplikatoren-Kurse über Fundraising, PR-Arbeit, Teamarbeit und gesunde Ernährung angeboten. Unser Highlight waren aber unser Ausflüge, die wir über das ganze Jahr mit Müttern und Kindern gemacht haben, damit sie ihr Umfeld besser kennen lernen und beginnen, sich angstfrei durch ihre Stadt zu bewegen.

MM: Warum ausgerechnet Gambia?

Jammeh: Durch meine Ehe mit Abubakr Jammeh, dessen Heimatland Gambia ist, hatte ich mehrere Aufenthalte in Gambia, West-Afrika. Die Möglichkeit in die alltägliche Probleme einfacher Familien einzutauchen, ließ mich erkennen wie groß die Not in diesem Teil der Erde wirklich ist. Den Wunsch zu helfen, nimmt fast jeder mit, der das Land wieder verlässt. Da Gambia sehr klein ist (1,4 Mio Einwohner und nur 300 km in der Länge und ca. 70 km in der Breite) ist es auf der einen Seite leicht möglich schnell und effektiv größte Not zu lindern, andererseits ist es aber auch schwer strukturiert und langfristig zu helfen, da es wenig landwirtschaftlich nutzbares Gebiet gibt. Das Land leidet außerdem unter der Globalisierung, in dem zum einen durch die EU-Subvention einige Lebensmittel, die selbst hergestellt werden könnten, wie z.B. Tomatenmark preislich nicht selbst herzustellen wäre, und zum anderen Lebensmittel wie Reis dem Weltmarktpreis angepasst sind und so ein Sack Reis (50 Kg, die Monatsration einer Familie) etwa ein Drittel eines durchschnittlichen Monatslohns (z.B. eines Grundschullehrers) beträgt.

MM: Erzählen Sie von Ihrem Projekt in Deutschland?

Jammeh: Unser Projekt in Deutschland heißt, wie bereits erwähnt, Bildungsoffensive Kiezkinder. 2005 habe ich mit anderen engagierten Müttern den Bildungsnotstand in Berlin Kreuzberg in Angriff genommen. Anstoß gab ein Gespräch mit einem Präventionsbeauftragten der Berliner Polizei, der während einer Sitzung mit dem Stadteilmanagement berichtete, dass die Jugendlichen im Brennpunktbezirk Kreuzberg sich nur in einem Radius von max. 500 m bewegen, die Straßennamen auf dem Weg zu ihrer Schule und die anderer Bezirke der Stadt nicht kennen. Mit außerschulischer Bildungsarbeit wollen wir das Allgemeinwissen von Eltern und Kindern verbessern. Gestartet haben wir mit Ausflügen, um den Kindern einen anderen Horizont als den Fernseher zu ermöglichen und sie zu lehren sich interessiert an den Möglichkeiten der Hauptstadt erfreuen. Unser aktivstes Jahr war 2007. 2008 haben wir auch Ausflüge gemacht und mehrere Schreibworkshops, aus denen schöne Kurzgeschichten hervorgegangen sind, die inshaAllah bald in einem Buch abgedruckt werden. Für 2009 haben wir uns einen Globalisierungs-Workshop “Einer für Alle, Alle für Einen” für Kinder und Mütter vorgenommen, an dessen Finanzierung wir noch arbeiten.

MM: Sie sind deutlich als Muslima erkennbar. Hat das nicht zu Nachteilen bei der Werbung von Spendengeldern in Deutschland geführt?

Jammeh: Den Hauptteil unserer Spendengelder erhalten wir von Muslimen. Und die Nicht-Muslime, die uns durch unser Engagement und unseren starken Antrieb zum Helfen kennen gelernt haben, unterstützen uns auch mit Kopftuch.

MM: Verraten Sie den muslimischen Müttern noch ihren Trick, wie Sie so viel Engagement mit vier Kindern unter 10 Jahren in Einklang bringen?

Jammeh: Ich liebe meine Kinder über alles und versuche sie in unsere Liebe zum Helfen einzubinden. Die Hauptarbeit erledige ich, wenn die Kinder in der Schule und im Kindergarten sind. Die Ausflüge, Schreib-, Trommel- und Aikidoworkshops, machen meine Kinder gerne mit und was sonst noch für die Arbeit im Verein zu tun ist, erledige ich nachts. Da mein Mann mit ebensoviel Engagement ausgestattet ist und noch leidenschaftlicher hilft als ich, teilen wir uns das Geldverdienen, den Haushalt, um genug Kapazitäten für den Verein zu haben. Jeder versucht das zu machen, was er am besten kann und was nötig ist zu tun. Vor unserer Ehe haben wir uns darauf geeinigt, nicht nach Traditionen des einen oder anderen Landes zu handeln sondern, wenn es Probleme gibt, den Islam zu Rate zu ziehen. Seit 1988 klappt das nun schon ganz gut.

MM: Frau Jammeh, wir danken für das Interview.

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