MM: Sehr
geehrte Suraya Jammeh, was muss man sich unter dem Verein “Help the poor
and the needy e.V.” vorstellen?
Jammeh: “Help the poor and the needy e.V”
wurde als Hilfsorganisation für Gambia, West-Afrika gegründet. Unsere
vordringlichsten Ziele sind: 1. Größtmögliche Versorgung der ärmsten
Menschen und Hilfe zur Selbsthilfe, 2. eine Kampagne gegen die
Abwanderung junger Menschen und 3. Malaria-Prophylaxe
MM: Warum haben Sie einen englischen
Namen für einen in Deutschland eingetragenen Verein gewählt?
Jammeh: Bis 2006 hieß der Verein
“Al-Ma’oun – Help the poor and the needy e.V.” und unsere
Schwesterorganisation in Gambia “Al-Ma’oun – Help the poor and the needy
e.V. NGO”. Aber mit dem Namenszusatz Al-Ma’oun hatten wir sowohl in
Deutschland als auch in Gambia Probleme mit den Behörden und möglichen
Spendern, ließen wir den Zusatz aus dem Vereinsnamen streichen. Da wir
internationale Kontakte durch die in Deutschland lebenden Muslime haben
und Gambias Geschäftssprache Englisch ist, haben wir uns für einen
englischen Namen entschieden.
MM: Schildern Sie uns doch einige
beispielhafte Projekte?
Jammeh:
Für Gambia ist unser aktivstes Projekt, dass wir besonders zu den Festen
die ärmste Bevölkerung mit Essen versorgen. Aber auch unser
Kindergarten-Projekt ist hervorzuheben. Obwohl Gambia ein muslimisches
Land ist (95%), gibt es nur einen kostenpflichtigen islamischen
Kindergarten. Wir sind dabei einen kostenfreien islamischen Kindergarten
für die arme Bevölkerung zu bauen (siehe Fotos). Das Grundstück ist
bereits vorhanden und eingefriedet, derzeit sammeln wir für den Bau des
Haupthauses Geld. In Deutschland ist die Bildungsoffensive Kiezkinder
hervorzuheben. 2007 haben wir acht Kurse für Kinder (Trommeln,
Stepptanz, Kreatives Gestalten und Aikido), zwei Elternkurse in
türkischer und arabischer Sprache und fünf Multiplikatoren-Kurse über
Fundraising, PR-Arbeit, Teamarbeit und gesunde Ernährung angeboten.
Unser Highlight waren aber unser Ausflüge, die wir über das ganze Jahr
mit Müttern und Kindern gemacht haben, damit sie ihr Umfeld besser
kennen lernen und beginnen, sich angstfrei durch ihre Stadt zu bewegen.
MM:
Warum ausgerechnet Gambia?
Jammeh: Durch meine Ehe mit Abubakr
Jammeh, dessen Heimatland Gambia ist, hatte ich mehrere Aufenthalte in
Gambia, West-Afrika. Die Möglichkeit in die alltägliche Probleme
einfacher Familien einzutauchen, ließ mich erkennen wie groß die Not in
diesem Teil der Erde wirklich ist. Den Wunsch zu helfen, nimmt fast
jeder mit, der das Land wieder verlässt. Da Gambia sehr klein ist (1,4
Mio Einwohner und nur 300 km in der Länge und ca. 70 km in der Breite)
ist es auf der einen Seite leicht möglich schnell und effektiv größte
Not zu lindern, andererseits ist es aber auch schwer strukturiert und
langfristig zu helfen, da es wenig landwirtschaftlich nutzbares Gebiet
gibt. Das Land leidet außerdem unter der Globalisierung, in dem zum
einen durch die EU-Subvention einige Lebensmittel, die selbst
hergestellt werden könnten, wie z.B. Tomatenmark preislich nicht selbst
herzustellen wäre, und zum anderen Lebensmittel wie Reis dem
Weltmarktpreis angepasst sind und so ein Sack Reis (50 Kg, die
Monatsration einer Familie) etwa ein Drittel eines durchschnittlichen
Monatslohns (z.B. eines Grundschullehrers) beträgt.
MM: Erzählen Sie von Ihrem Projekt in
Deutschland?
Jammeh: Unser Projekt in Deutschland
heißt, wie bereits erwähnt, Bildungsoffensive Kiezkinder. 2005 habe ich
mit anderen engagierten Müttern den Bildungsnotstand in Berlin Kreuzberg
in Angriff genommen. Anstoß gab ein Gespräch mit einem
Präventionsbeauftragten der Berliner Polizei, der während einer Sitzung
mit dem Stadteilmanagement berichtete, dass die Jugendlichen im
Brennpunktbezirk Kreuzberg sich nur in einem Radius von max. 500 m
bewegen, die Straßennamen auf dem Weg zu ihrer Schule und die anderer
Bezirke der Stadt nicht kennen. Mit außerschulischer Bildungsarbeit
wollen wir das Allgemeinwissen von Eltern und Kindern verbessern.
Gestartet haben wir mit Ausflügen, um den Kindern einen anderen Horizont
als den Fernseher zu ermöglichen und sie zu lehren sich interessiert an
den Möglichkeiten der Hauptstadt erfreuen. Unser aktivstes Jahr war
2007. 2008 haben wir auch Ausflüge gemacht und mehrere Schreibworkshops,
aus denen schöne Kurzgeschichten hervorgegangen sind, die inshaAllah
bald in einem Buch abgedruckt werden. Für 2009 haben wir uns einen
Globalisierungs-Workshop “Einer für Alle, Alle für Einen” für Kinder und
Mütter vorgenommen, an dessen Finanzierung wir noch arbeiten.
MM: Sie sind deutlich als Muslima
erkennbar. Hat das nicht zu Nachteilen bei der Werbung von
Spendengeldern in Deutschland geführt?
Jammeh: Den Hauptteil unserer
Spendengelder erhalten wir von Muslimen. Und die Nicht-Muslime, die uns
durch unser Engagement und unseren starken Antrieb zum Helfen kennen
gelernt haben, unterstützen uns auch mit Kopftuch.
MM: Verraten Sie den muslimischen
Müttern noch ihren Trick, wie Sie so viel Engagement mit vier Kindern
unter 10 Jahren in Einklang bringen?
Jammeh: Ich liebe meine Kinder über
alles und versuche sie in unsere Liebe zum Helfen einzubinden. Die
Hauptarbeit erledige ich, wenn die Kinder in der Schule und im
Kindergarten sind. Die Ausflüge, Schreib-, Trommel- und Aikidoworkshops,
machen meine Kinder gerne mit und was sonst noch für die Arbeit im
Verein zu tun ist, erledige ich nachts. Da mein Mann mit ebensoviel
Engagement ausgestattet ist und noch leidenschaftlicher hilft als ich,
teilen wir uns das Geldverdienen, den Haushalt, um genug Kapazitäten für
den Verein zu haben. Jeder versucht das zu machen, was er am besten kann
und was nötig ist zu tun. Vor unserer Ehe haben wir uns darauf geeinigt,
nicht nach Traditionen des einen oder anderen Landes zu handeln sondern,
wenn es Probleme gibt, den Islam zu Rate zu ziehen. Seit 1988 klappt das
nun schon ganz gut.
MM: Frau Jammeh, wir danken für das
Interview.
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