MM: Sehr geehrte Frau Rammelt, wie kam es zu
ihrer besonderen Liebe zu muslimischen Ländern als Christin?
Rammelt: Ich hatte schon als Kind immer drei
Wünsche. Wenn ich groß bin, dann möchte ich Rom, Ägypten und Israel
besuchen. Man weiß ja nie so recht, woher unsere Wünsche kommen, aber sie
waren einfach da. Natürlich waren es utopische Wünsche, denn als ehemaliger
Bürger der DDR war man in der Reisefreiheit doch sehr beschränkt. Als dann
die Grenzen geöffnet wurden, war mein erstes Reiseziel Rom. Damals meinte
ich aber noch, das Ziel meiner Träume sind alte Gebäude, Kirchen, Ruinen.
Genau aus diesen Grund glaubte ich Ägypten sehen zu müssen. So war dieses
Land mein zweites Reiseziel.
Aber dort wurde mir sehr schnell klar, dass es nicht die Bauwerke sind, die
mich in diese Länder riefen, sondern die Neugier auf diese Kulturen. Es
waren die Menschen die mich ungewöhnlich stark anzogen. Dr. Tarek Amer war
damals unser Reiseführer. Seine Toleranz gegenüber uns Christen und den
Juden war für mich tief beeindruckend, dabei gehörte ich ja zu den Menschen,
die vom Islam nicht all zu viel Gutes gehört haben.
Und dann war sie einfach da, diese Liebe zu dieser Kultur in diesem Land
Ägypten. Woher sie kam, das weiß Gott allein. Liebe ist ja eh dieses Gefühl,
welches man nicht beeinflussen kann. Sie überfällt einen und dann hat man
sie eben und sie übernimmt die Führung. Man kann sich weigern und dagegen
ankämpfen, dann wird das Leben etwas schwierig, oder man ergibt sich und
lässt sich führen. Ich bin morgens 4.30 Uhr aufgestanden, hab mich aufs Deck
unseres Nilschiffes gesetzt und gewartet auf diesen ersten Gebetsruf und
dabei war ich glücklich. Seitdem fehlt er mir, hier in meiner Welt.
Ich weiß nicht woher diese Liebe kommt. Sie ist in mir und ich folge ihr.
Warum auch sollte ich gegen etwas ankämpfen, dass meinem Verständnis von
gottgefälligen Leben entspricht?
MM: Aber es war doch eine andere Religion
als die Ihrige?
Rammelt: Damals dachte ich noch Allah ist
ein anderer Gott als mein Gott. Nach dieser Reise las ich den Koran. Und da
war alles klar. Ein Gott, wir Menschen und dieser Gott, eine Liebe des
Schöpfers zu seinen Geschöpfen. Ich konnte nicht mehr anders, als das
annehmen, was menschlich ist, ein Leben im Glauben, egal ob als Muslim, als
Jude oder als Christ, es ist so egal. Gott wird uns nie fragen, welchen Weg
wir gekommen sind, nur wie wir ihn gegangen sind ist wichtig. Meine Liebe zu
den muslimischen Ländern kann ich nicht besser erklären. Sie ist da und sie
ist gut für mich. Ich habe mich als Mensch, der nach Wissen sucht,
entwickelt und das macht mich glücklich.
MM: Und wie kam es zu der Gründung Ihres
neuen Verlages "Oase der Hoffnung"?
Rammelt: Mit meinem damaligen Reiseführer
Tarek Amer verbindet mich seit Jahren eine tiefe Freundschaft. Ich habe so
viel von ihm gelernt, gelernt tolerant und menschlich zu denken.
Wenn ich über all die kleinen Wunder schreiben würde, die es ermöglichten,
dass wir uns nie aus den Augen verloren, dann wäre es auch ein Buch wert.
Über ca. 4000 km hinweg spürten wir immer, wenn es dem anderen schlecht ging
und man gebraucht wurde. Tarek hatte schon mit einigen seiner deutschen
Freunde ein Buch veröffentlicht: "Koptisches Ägypten". Sein Ziel ist es,
durch seine Tätigkeit, den Deutschen, die er sehr mag, seine Lebensweise
nahe zu bringen, aber vor allem, all die Vorurteile gegenüber seiner
Religion, die er lebt und liebt, abzubauen. Als er den Entschluss fasste,
ein Buch über diese seine gelebte Religion zu schreiben, für das Verständnis
der deutschen Leser, da war für ihn wahrscheinlich klar, dass ich das
Bindeglied bin zwischen seiner Kultur, die ich liebte und meiner Kultur, die
ich kannte. Und so bat er mich, gemeinsam mit ihm an diesem Buch "Jenseits
der Sichtbarkeit" zu arbeiten. Es ist ein Buch des Kennenlernens einer
Religion, die heute praktisch uns viel voraus hat, eine gelebte Religion,
geprägt durch einen Gemeinschaftssinn, der einfach nur beeindruckt.
Da wir aber nicht ständig mit Absagen von den bestehenden Verlagen
konfrontiert werden wollten, schlug Tarek mir vor, einen eigenen Verlag zu
gründen. Ich dachte, um Himmels Willen, was denkt er sich nur dabei. Als ich
aber mich ein wenig damit beschäftigt hatte, wandelte sich das "Um Himmels
Willen" in ein "so Gott will" um. Und nicht lange nachgedacht und gehandelt.
Manchmal muss man die Dinge eben angehen, und wenn es nichts wird, sich
wieder von ihnen trennen. Aber man muss es halt versuchen, sonst weiß man ja
nicht ob es geht. So haben wir dann kurzentschlossen diesen Verlag
gegründet, das heißt ich habe ihn formell gegründet, aber moralisch sind wir
drei Partner, Tarek Amer, Mohsen Abdelaziz und Edith Rammelt. Wir drei halt,
jeder ohne Kapital, einfach nur aus unserem Willen und unserer Liebe zum
Leben heraus, gingen gemeinsam in dieses Abenteuer. Das sagt ja auch schon
der Name: "Oase der Hoffnung". Aber es ist nicht nur unsere Hoffnung, sie
steht nur stellvertretend für das bisschen Hoffnung, was so viele Menschen
heute brauchen.
MM: Stoßen Sie als jemand, der in einem
Ostdeutschen Dorf groß geworden ist und bis heute dort lebt mit Ihrem
Respekt gegenüber dem Islam gerade in unserer Zeit nicht auf viel
Unverständnis?
Rammelt: Natürlich stößt man auf
Unverständnis. Die Menschen hier sind medienabhängig und alles wird
geglaubt. Man braucht nicht zu verreisen und sich selber zu überzeugen, man
braucht nur das Fernsehen und die Zeitung, egal welche, um sich eine Meinung
einzementieren zu lassen, die dann unumstößlich ist. Wenn ich mit anderen
diskutiere und ich denke dann, jetzt hast du es ein wenig geschafft, sie
hören zu und sie sind auch ein wenig beeindruck, dann sagen sie am Ende nur:
„Na ja, aber trotzdem......“. Tarek hat mich einmal gefragt: Was bedeutet
dieses „Trotzdem“? so richtig antworten konnte ich nicht darauf, nur dass
die Menschen hier viel zu bequem sind, um eine Überarbeitung ihres
Gedankengutes vorzunehmen. Ein Gespräch möchte ich noch erwähnen: Ein
Bekannter, der nie weit herum gekommen ist sagte: „Aber du musst doch
zugeben, dass das mit der Gewalt in diesen Familien nicht so ohne ist.“ Mein
Antwort: „Ich lese jeden Tag in unseren Zeitungen, dass Männer ihre Frauen
schlagen und töten, das Mütter ihre Kinder umbringen oder aussetzen, das
Väter ihre Kinder missbrauchen, dass Kinder brutal geschlagen werden usw.“
Da sagte der Bekannte erstaunt: „Das meine ich doch nicht.“ Verstehen sie,
was ich damit sagen will?
MM: Wir denken schon ...
Rammelt: Unsere Menschen machen Unterschiede
was die Gewalt anbelangt. Unseren Familiendramen stehen sie gleichgültig
gegenüber oder verschließen die Augen und so richtet sich ihre ganze
Aufmerksamkeit auf die vermeintliche Gewalt der "Gegenseite". Da urteilt man
um so lauter um die Ohnmacht, die man gegenüber dem eigenen moralischen
Verfall vor der Haustür verspürt, zu überschreien.
MM: Sie haben doch aber in Ihrer
Nachbarschaft zumindest untern den etwas älteren Bürgern die Erfahrung, eben
nicht alles unkritisch anzunehmen, was einem aufgetischt wird. Warum ist
diese Erfahrung verloren gegangen?
Rammelt: Diese älteren Bürger, von denen Sie
sprechen, sind die ganz Alten und die sterben aus. Es gibt nur noch wenige
davon. Ich denke, dass es daran liegt, dass das Leben zu einfach geworden
ist. Die alten Menschen mussten noch um ihren Lebensunterhalt kämpfen, und
damit meine ich, es gab für sie Zeiten, wo das Stückchen Brot, welches
abends auf den Tisch kam, sehr wertvoll war und man war sich dessen bewusst.
Die Sorgen, die man damals trug, waren darauf beschränkt, wie bekomme ich
meine Familie satt, wie kann ich für sie sorgen, für das Nötigste sorgen.
Das war die Herausforderung, und der Mensch braucht die Herausforderung als
Selbstbestätigung. Man musste damals schon kritisch mit dem bisschen Leben
umgehen und jeder kleine Erfolg war auch ein kleines Glück. Das alles gibt
es heute nicht mehr, jedenfalls in meiner Welt nicht. Für die
Grundbedürfnisse ist gesorgt, aber der Mensch braucht auch heute eine
Herausforderung als Selbstbestätigung. Also kann er nur noch über seine
Meinung dieser Selbstbestätigung gerecht werden. Und diese Meinung wird ihm
suggeriert.
Ich würde auch nicht sagen, dass der Mensch heute alles unkritisch hinnimmt.
Er ist schon sehr kritisch, aber er ist bequem geworden und schließt sich
der vorgelebten Kritik an. Das ist doch einfach und man geht in der Menge
unter, man fällt nicht auf und niemand redet schlecht über einen. Mit dieser
allgemeinen Kritik gibt man sich selber das Gefühl, etwas zu tun um sich
nicht eingestehen zu müssen, dass man einem Müßiggang verfallen ist, der
lebensfeindlich und glückshemmend ist. Wenn wir nicht aufpassen, dann
entwickeln wir uns zu einem stumpfsinnigen Geschöpf, welches in Zukunft
Angst haben wird, eigenständigen Gedanken und Gefühlen zu folgen und damit
froh ist, dass es eine Kritik am Leben gibt, egal welcher Art, der man sich
anschließen kann.
Wir Menschen müssen wirklich sehr aufpassen, dass wir die Kurve noch
bekommen, um eigenständig und menschenwürdig zu handeln und zu leben.
MM: Sie haben festgestellt, dass in vielen
islamischen Ländern durchaus die Frauen "die Hosen an haben"; wie kommen Sie
zu dieser aus Westlicher Sicht ungewöhnlichen Erkenntnis?
Rammelt: Der Ausspruch von mir, das in der
Islamischen Welt „die Frauen die Hosen anhaben“ war einfach notwendig. Ich
habe mich durch die hier zu negativ existierenden Meinungen bezüglich der
Stellung der Frau hinreißen lassen und genau so extrem in die andere
Richtung antworten müssen. Natürlich glaubt man es nicht, obwohl ich jedes
Jahr mich in diesen Ländern aufhalte, in befreundetet Familien zu Gast bin
und es life erlebe. Aber ich muss gestehen, es kommt nicht selten vor, dass
ich es wirklich erlebe, dass wenigstens zu Hause die Frau den Ton angibt und
unter uns gesagt, das gefällt mir natürlich. Aber Spaß bei Seite; als ich
das erste Mal in Ägypten wahr, da habe ich natürlich die Frauen beobachtet.
Ich war neugierig und dieses Kopftuch war natürlich ungewöhnlich. Soll ich
Ihnen meinen ersten Eindruck schildern?
MM: Ja, bitte.
Rammelt: Ich sah junge Mädchen aus der
Schule kommen, ich sah junge Frauen spazieren gehen, ich sah ältere Frauen
beim Gespräch auf einer Bank sitzen, all das sah ich, aber das wichtigste
was ich sah, das war diese Schönheit und diese natürliche Würde, die jeder
einzelnen Frau zu eigen war. Und ich habe sie mit uns verglichen und da sah
ich zu erst den Unterschied und dann spürte ich ihn. Da war kein
Unterdrücktsein, da war kein gekünstelter Zwang. Es war reine Natürlichkeit
und Schönheit, die ich unendlich beneidete. Ich weiß nicht wie ich es anders
ausdrücken kann. Ich hoffe Sie verstehen, was ich zum Ausdruck bringen will.
Unsere Frauen haben immer etwas gekünsteltes in ihrem Aussehen oder in ihrem
Benehmen. Ihnen fehlt oft diese Natürlichkeit und so dachte ich mir damals,
dass unsere Frauen unter dem Deckmantel einer unendlichen Freiheit, die
alles erlaubt, eigentlich die unterdrückten dieser Freiheit sind, weil sie
nicht mehr sie selbst sein wollen oder können, weil ihnen diese Freiheit
keine Wege weist, keine Grenzen aufzeigt. Und sehen sie mal selber nur auf
die Äußerlichkeiten. Sehen sie eine muslimische Frau vorbeilaufen und
schauen sie auf eine unserer Frauen. Der Mensch mit Verstand wird erkennen,
wer unterdrückt und wer frei und voller Selbstvertrauen ist. Er wird es
erkennen nur am Gang in einem Augenblick des Vorbeigehens.
MM: In wie weit haben Ihre Reisen und
Erfahrungen Ihnen selbst in Ihrem christlichen Glauben weitergeholfen?
Rammelt: Ich bin als Christin erzogen
worden. Nicht dadurch, dass ich laufend in die Kirche gehen musste, sondern
weil meine Großmutter mir durch ihr ständiges Dasein und ihr Leben, ohne
dass sie sich selbst übertrieben als Christin sah, etwas vorlebte, was mich
tief prägte. Sie vermittelte mir Jesus als etwas besonderes und wenn andere
Kinder von ihren Helden erzählten, träumte ich von Jesus als meinen
Märchenprinzen, seine Taten wurden in meinen kindlichen Träumereien zu
meinen eigenen Heldentaten. So sehe ich mich heute als eine Christin, die
Jesus als Menschen versteht, nicht als Gott, nicht als unerreichbares Ideal
und ich verehre ihn für das, was er tat, was er den Menschen gab und es ist
für mich uninteressant, wer er war.
MM: Was bedeutet das für Sie im praktischen
Leben?
Rammelt: Menschen die Hand zu reichen und
ihnen beim Aufstehen und Gehen zu helfen, ihnen sehen und hören zu lehren,
die Last, die sie tragen, zu erleichtern, sind das nicht alles Taten, denen
wir in gewisser Weise nacheifern können. Und Jesus fragt nicht, wer bist du,
wo kommst du her und was machst du. Er sah den Menschen und sah, was ihm
fehlte. Und mit dieser Einstellung ging ich auf die Muslime zu und traf dort
einen Muslim, der mir die gleiche Einstellung entgegenbrachte. Jeder
gläubige Mensch ist ein wertvoller Mensch, jeder gläubige Mensch ist ein
friedvoller Mensch und dieser Frieden beginnt in der Familie. Jeder der
seine Kinder im Frieden erzieht, mit Toleranz und Liebe, vor allem Liebe,
hat dafür Sorge getragen, dass diese Kinder keinem anderen Menschen weh tun
können. Das ist für mich christlich und zugleich muslimisch. Wo ist ein
Unterschied? Wir beten zu einem Gott und nehmen uns heraus, für diesen Gott
kämpfen zu müssen. Jeder Seite kämpft also für das Richtige, dann frage ich
mich, warum kämpfen? Das kleine Volk kann zusammen leben und sie tun es
auch. Doch viele lassen sich missbrauchen, im Namen der Religionen, zu
kämpfen für machthungrige Menschen, denen sie im Grunde genommen völlig
gleichgültig sind. Diese Menschen, die kämpfen, können nicht wahrhaftig
glauben und dieses Unvermögen hinterlässt eine Leere in ihnen, die sie
ausfüllen müssen und da gibt es genug Menschen, die es verstehen, diese
Lehre mit falschen, aber scheinbar einfachen Idealen auszufüllen. Hass ist
viel einfacher als Liebe. Hass lebt man einfach für sich allein, Liebe trägt
die Verpflichtung den Menschen gegenüber in sich. Ich weiß, Jesus hätte
genau so gehandelt, wie ich, auf die Menschen zu gehen, sie zu achten und zu
respektieren und deshalb bin ich eine Christin, die aber sehr viel
muslimisches in sich hat, die gottergeben ist und die erfahren hat, dass sie
richtig handelt in der Nachfolge Jesus, weil sie in der Lage ist, die
Menschen zu lieben, wenn sie gottergeben sind. Alles andere macht vor Gott
keinen Sinn, das ist meine tiefe Überzeugung.
Ich bin Gott und meinem Gewissen gegenüber verantwortlich. Wie Gott über
mich richten wird, weiß ich nicht zu sagen, aber mein Gewissen sagt, es ist
gut und so fühle ich mich auch.
MM: Sie haben inzwischen drei erwachsene
Söhne. Hätten sie es erlaubt, dass eine Lehrerin mit Kopftuch ihnen
Unterricht erteilt?
Rammelt: Natürlich! Und dieses "Natürlich"
gilt für meine Erlaubnis genauso, wie für die Akzeptanz meiner Kinder dieser
Lehrerin entgegen. Die ganze Diskussion ist doch einfach lächerlich und
primitiv. Ich habe mich nie so richtig mit unserem Grundgesetz befasst,
warum auch, es wird ja sowieso nicht be- und geachtet. Ich glaube da ist die
Religionsfreiheit verankert. Damit ist ja die ganze Geschichte überflüssig.
Aber wissen sie, was wirklich schlimm an dieser Sache ist? Das Schlimmste
ist die Intoleranz, mit der unsere Kinder durch diese Art der Diskussion
erzogen werden. Was soll aus einer Kultur werden, die sich auf Intoleranz
aufbaut, auf Nichtachtung, auf Verachtung. Was tun die Mütter und die Väter
Ihren Kindern an, deren unendliche Liebe zur Freiheit und zur Neu- und
Wissbegier auf so harte Weise in Schranken gewiesen werden? Die Folge dieser
Erziehung ist dann eine überhebliche und dumme Arroganz und das wiederum hat
zur Folge, dass man meint, nicht mehr lernen und kennen lernen zu müssen.
Man denkt, man ist schlau und weiß schon alles. Das Ende vom Lied ist dann
die Angst vor allem und jedem, was vermeintlich anders ist. Denn Angst
entsteht ja nur aus Unkenntnis und es ist ein nicht wieder gut zu machender
Fehler, Kindern die Achtung und den Respekt vor anderen Menschen zu nehmen,
denn aus ihnen werden Erwachsenen, die selber nicht geachtet und respektiert
werden, von wem auch, es hat ja niemand gelernt. Und das ist der Grund für
die zunehmende gefühlte Vereinsamung der Menschen mitten unter Menschen. Ist
das nicht furchtbar?
MM: Was ist ihr Wunsch für das gemeinsame
Miteinander von Christen und Muslimen in Deutschland?
Rammelt: Mein ganz persönlicher Wunsch ist
es, dem Gebetsruf folgen zu können zu einem gemeinsamen Gebet. Was gibt mehr
Kraft, inneren Frieden, Zusammengehörigkeitsgefühl wie ein gemeinsamen
Gebet?
Was ich mir für das große Miteinander wünsche, ist nur, dass wir den kleinen
Alltag miteinander meistern. Das wir akzeptieren, dass jeder die Wahl des
Weges hat, den er im Glauben durch das Leben gehen will, von Mensch zu
Mensch, von Nachbar zu Nachbar, glauben Sie mir, dann regelt sich alles von
alleine.
Ich habe eigentlich keine großen Wünsche für uns alle, denn die großen
Wünsche klingen oft sehr schön, sind sehr edel und glorreich. Ich habe nur
die kleinen Wünsche des Alltages und ist es nicht einfach so, wenn Nachbarn
sich vertragen, wenn der Mensch seinen Mitmenschen sieht und ihm zulächelt,
was wollen die Großen dann noch ausrichten? Ob Moslem, Jude oder Christ, wir
alle können lachen und weinen und das macht uns zu Menschen, wir alle können
lieben und wollen geliebt werden. Das ist doch möglich, wenn die Menschen es
nur wüssten. Nein, ich habe keine großen Wünsche für unser Zusammenleben
hier, ich möchte nur zusammenleben und was ich dafür tun kann, das werde ich
tun, das bin ich jeden gläubigen Menschen schuldig, wie dieser es auch mir
schuldig ist. Dann klappt das schon. Es ist wirklich einfach.

Im weltweiten Einsatz für soziale Gerechtigkeit
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