MM: Sehr
geehrte Frau Fikentscher, sehr geehrter Herr Neumann, als Aktivisten von
Arbeiterfotografie fallen Sie in letzter Zeit vor allem durch Ihre
Schriften gegen Feindbilder auf, die geschaffen werden, um Kriege zu
rechtfertigen. Was hat das mit Arbeitern und was hat das mit Fotografie
zu tun?
Fikentscher &
Neumann: Zunächst einmal sind Arbeiter und Arbeiterinnen Schaffende
und Bauende, die ökonomische Werte produzieren, dafür aber innerhalb der
meisten politischen Systeme gesellschaftlich wenig Befugnisse
zugestanden bekommen. Ebenso wie Soldatinnen und Soldaten stehen sie an
vorderster Front, werden als (austauschbare) Werkzeuge gebraucht.
Arbeiterfotografie – mit ihrem historischen Namen – steht seit Anbeginn
für Bewusstwerdungsprozesse, die u.a. dahin zielen, den eigenen Wert,
den gesellschaftlichen Stand und die Möglichkeit der Einflussnahme auf
gesellschaftliche und politische Prozesse zu erkennen.
Die heutige Arbeiterfotografie ist eine
Bewegung mit Wurzeln in den 20er und 30er Jahren der Weimarer Republik.
Sie wurde 1927 als Vereinigung der Arbeiterfotografen Deutschlands (VdAFD)
auf Initiative von Willi Münzenberg im Umfeld der Kommunistischen Partei
Deutschlands (KPD) gegründet. Schon damals ging es um den Aufbau einer
besseren Gesellschaft und als Voraussetzung dafür um die Verhinderung
von Faschismus und Krieg. Es war 1932, als die KPD im Vorfeld der Wahl
des Reichspräsidenten den Slogan ausgab: „Wer Hindenburg wählt, wählt
Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Es war also schon damals
das Ziel der Arbeiterbewegung, Kriege zu verhindern, bevor sie
"ausbrachen". In dieser Tradition sehen wir als Mitglieder des
Bundesverbands Arbeiterfotografie auch heute eine unserer wichtigsten
Aufgaben darin, der Entstehung von Kriegen entgegen zu wirken, indem wir
die psychologische Vorbereitung der Massen mittels der Medien
analysieren. Und zu dieser Vorbereitung gehört ganz zentral das Aufbauen
von Feindbildern. Deshalb ist es uns so wichtig, diese Feindbilder im
vorhinein als solche zu demaskieren und damit als Bestandteil der
Friedensbewegung und einer "linken", emanzipatorischen Bewegung einen
Beitrag zur Verhinderung von Kriegen zu leisten. Wenn es dagegen
gelingen sollte – und die Gefahr sehen wir – dieses Denken aus der
Friedensbewegung herauszuhalten, können sich die Krieg planenden Mächte
nur beglückwünschen. Sie hätten sich eine Friedensbewegung geschaffen,
die in Wahrheit eine Kriegsbewegung ist, die die psychologischen
Kriegsvorbereitungen stützt, anstatt sie zu behindern.
Dagegen stellen wir uns.
MM: ... und was hat das mit Fotografie
zu tun?
Fikentscher &
Neumann: Was das mit Fotografie zu tun hat? Zum einen gibt es
genügend Beispiele dafür, dass Bilder (Foto, Film, Video) eine ganz
entscheidende Rolle bei der Manipulation der Öffentlichkeit spielen. Die
Inszenierung des 11. September 2001 beispielsweise wäre ohne die Bilder,
die wieder und wieder in die Menschen eingedrungen sind, undenkbar. Ohne
sie hätte sich dieses Ereignis niemals in dem Maße zu einem Instrument
zur Legitimation von Krieg und Demokratieabbau machen lassen, wie es
erschreckenderweise geschehen ist. Auf der anderen Seite ist die Analyse
der politischen Zusammenhänge – und dazu gehört ganz zentral auch die
Analyse der Politik hinter der Politik, also der Politik, die hinter der
für die Massen inszenierten Politik stattfindet – eine ganz
entscheidende Voraussetzung für den wirkungsvollen Einsatz von
Fotografie. Ohne Wissen um die Zusammenhänge lässt sich kaum ein
fotografisches Projekt, kaum eine Ausstellung mit einer Aussage von
Relevanz realisieren. Ohne Streben nach Erkenntnis wäre eine Bewegung
wie die Arbeiterfotografie weitgehend überflüssig.
Allerdings mit Mitteln der Fotografie allein
Feindbilder zu entkräften, dürfte schwierig sein, zumal seit den 1990er
Jahren im Zusammenhang mit den Jugoslawien-Kriegen bekannt geworden ist,
wie professionell solche "Image"-Kampagnen durch PR-Agenturen und
Werbeprofis konzipiert werden und vor allem große Verbreitung erlangen.
Aufgabe der monströsen Feindbilder ist es, Angst und Hass zu erzeugen
und all diejenigen zu diskreditieren, die sich der Annahme des
Feindbildes widersetzen. Aufklärungsarbeit mit Hilfe von Fotografie zu
betreiben, ist oft schwierig, weil komplexe Zusammenhänge sich nicht
allein durch Bilder einer Oberfläche darstellen lassen. Aber die
Menschen reagieren auf Gefühle, wie sie die Kriegstreiber immer wieder
meisterhaft in Szene setzen. Nur - wenn die Opfer schon getroffen,
getötet oder verletzt sind, ist die Sprache der Gewalt bereits im Gange.
Rationalität in eine gefühlte Erkenntnis im positiven Sinne zu
übertragen, erfordert daher eine künstlerische Komponente von Fotografie
- auch im Zusammenspiel mit Text, Literatur, Film und Musik.
MM: Es gibt Kräfte, die mit fast allen
Mitteln versuchen, Ihre Veröffentlichungen und Auftritte zu verhindern,
zuletzt bei einem Auftritt des Bundesverbandes Arbeiterfotografie der
zusammen mit der HipHop-Band "Die Bandbreite" und dem Menschenrechtler
Elias Davidsson geplant war. Was war der Hintergrund? Warum sollte die
Veranstaltung verhindert werden?
Fikentscher &
Neumann: Es war eine Veranstaltung gewissermaßen in der Höhle des
Löwen – nicht weil sie in dem nach dem Philosophen der Aufklärung
benannten Club Voltaire stattgefunden hätte, nein, sondern weil wir in
eine Stadt "eingedrungen" sind, die sich als Hochburg der
"Anti-Aufklärung" bezeichnen ließe. Dass dies so ist, ist uns allerdings
erst im Laufe der Auseinandersetzungen um die Veranstaltung bewusst
geworden. Vonseiten der Kräfte der Anti-Aufklärung wurde offensichtlich
befürchtet, dass mit der Veranstaltung Erkenntnisse vermittelt werden
könnte, die den Interessen der Krieg führenden oder Krieg planenden
Kräfte zuwiderlaufen, insbesondere hinsichtlich der Operation 9/11,
hinsichtlich der Anti-Iran-Propaganda und in Sachen Israel/Palästina –
und das noch über eine Kombination von Rationalität (Vortrag) und
Emotionalität (Musik), was auch jüngere Menschen hätte ansprechen
können.
Und es musste – aus der Sicht der
Anti-Aufklärung – verhindert werden, dass die Hip-Hop-Band "Die
Bandbreite", eine Gruppe mit aufklärerischem Anspruch, die Anfang des
Jahres im Zuge einer Diffamierungskampagne gewissermaßen "verbrannt"
worden war und bei einer Gewerkschaftsveranstaltung entgegen einer
ursprünglichen Zusage wieder ausgeladen worden war, jetzt etwa ein
halbes Jahr später nun doch in Frankfurt auftrat.
Und auch der Referent Elias Davidsson war den
Kräften der Anti-Aufklärung offensichtlich aufgefallen – z.B. einem
gewissen Thomas von der Osten-Sacken, der in seinem wadiBlog feststellt,
wie "unnachahmlich formuliert" Elias Davidsson angekündigt war. Den
hatten wir in aller Sachlichkeit angekündigt als jemanden, dessen Eltern
im Rahmen der zwischen Nationalsozialisten und Zionisten abgeschlossenen
Verträge Deutschland verlassen hatten und nach Palästina gegangen waren.
Auch das dürfte für die erwähnten Kräfte dazu beigetragen haben, ihn als
unerträgliche Gefahr erscheinen zu lassen – ganz unabhängig von Elias
Davidssons Ambitionen, Licht in das Dunkel der Verbrechen vom 11.
September zu bringen.
Was das eigentlich Störende an der
Veranstaltung war, wurde allerdings eher nicht offen ausgesprochen.
Überwiegend wurden andere Felder vorgeschoben, über die die Beteiligten
diffamiert werden sollten, z.B. über den Vorwurf des Sexismus, der sich
angeblich in einigen Songtexten der "Bandbreite" finden würde, oder
mittels der Unterstellung, Querfront-Aktivitäten zu entwickeln. Und es
wurde wieder und wieder das Schlagwort "Verschwörungstheorie" bemüht,
ein Wort, das dazu dient, jedes Denken in einer störenden Richtung zu
unterbinden.
Die kriegsvorbereitenden psychologischen
Operationen (PsyOps), wie sie in der US-Zukunfts-Kriegsplanung "Joint
Vision 2010" und "2020" beschrieben sind, sind dringend darauf
angewiesen, dass die mühevoll aufgebauten Images - allen voran die
ungeklärten Vorgänge um den 11. September 2001 - Bestand haben.
MM: Wer wird denn vorgeschickt, um gegen
Sie zu agieren?
Fikentscher &
Neumann: Bei den protestierenden Gruppen vor dem Frankfurter Club
Voltaire handelte es sich vielfach um jüngere Menschen, die in der
sogenannten AntiFa-Bewegung angesiedelt sind. In Frankfurt gibt es davon
eine ganze Reihe mehrerer kleiner, überschaubarer Gruppen, die unter
sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl pflegen. Da ist zum Beispiel
"Faites votre Jeu", die mit Zustimmung der Stadt Frankfurt ein so
genanntes Jugendzentrum im ehemaligen Gestapo-Gefängnis Klapperfeld
betreiben. Gleich am Eingang wird klar: Israel-Kritik ist nicht
erwünscht. Als wir - die wir als Verband Arbeiterfotografie eine enge
Beziehung zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit haben - dort eine
Portraitausstellung anbieten, wird diese abgelehnt und auf Nachfrage
damit begründet, einer der Portraitierten habe sich Israel-kritisch
geäußert. Aber dass es ein Verdienst der Gruppe der Portraitierten "68er
Köpfe" war, in der Bundesrepublik um 1968 zu einem höchst kritischen
Zeitpunkt die NS-Schuldigen in damaligen Regierungsämtern zu benennen,
zählte nicht. Auch nicht, dass der ebenfalls portraitierte bildende
Künstler und Stolperstein-Schöpfer Gunter Demnig an diesem historischen
Ort den Opfern - von denen der heute noch lebende, 102jährige Hans
Schwert in diesem Gefängnis eingesessen hat - Genugtuung verschafft
hätte. Aus diesem Beispiel wird eine doppelbödige Moral erkennbar: aus
der Vergangenheit soll nichts gelernt werden. Die Jugendlichen müssen
eine Art Fahneneid auf die - gegenüber der palästinensischen Bevölkerung
- verächtliche israelische Regierungspolitik leisten. Diskussion oder
Gedankenaustausch kann nur als störend empfunden werden und wird daher
radikal abgeblockt. Wenn es sein muss - wie es sich gezeigt hat - auch
mit Gewalt.
MM: Die Arbeiterfotografie hatte zuvor
in akribischer und hartnäckiger Kleinarbeit nachgewiesen, dass eine
Aussage bezüglich "Auslöschung von der Landkarte" dem iranischen
Präsidenten Ahmadinedschad bewusst manipulierend in den Mund gelegt
wurde. Obwohl Sie einige Medien sogar zu korrigierenden Darstellungen
bewegen konnten, wird die Falschmeldung immer noch intensiv verbreitet.
Entmutigt Sie das nicht, oder woher nehmen Sie die Motivation für Ihre
Arbeit?
Fikentscher &
Neumann: Es ist natürlich nicht angenehm zu erkennen, einem
übermächtigen, mit riesigen finanziellen Mitteln voll gepumpten Moloch
gegenüberzustehen, der nur punktuell und zeitlich begrenzt getroffen
werden kann, einen weit verzweigten, fast unüberschaubaren Apparat aus
den Desinformationsorganen imperialer Staaten, PR-Unternehmen, NGOs,
Nachrichtenagenturen, Medienunternehmen etc. vor sich zu haben, dessen
eine wesentliche Aufgabe es ist, den Menschen die eigenen Verbrechen als
humanitäre Wohltat und die Opfer dieser begangenen oder geplanten
Verbrechen als die Ausgeburt des Teuflischen darzustellen – und das auf
eine Weise, dass kaum jemand es bemerkt, auch große Teile all derjenigen
nicht, die sich als "links" oder als Teil der Friedensbewegung
verstehen. Natürlich nagt das alles an unseren Kräften. Aber es
beflügelt uns, wenn wir erkennen, dass wir mit der Demontage der
Propaganda einen kleinen Beitrag leisten können, einen Krieg wie den
gegen den Iran, der Millionen Tote und Verletzte zu fordern droht, eine
Spur unwahrscheinlicher werden zu lassen.
Und wir sehen einen hohen Nutzen darin zu
erkennen, wie die Kräfte der Desinformations- und
Desorientierungsapparate, also die Kräfte der Anti-Aufklärung operieren,
mit welchen Strategien sie vorgehen: Diskreditierung von kritischen
Gedanken, Schaffen von Spielwiesen, auf denen politisches Engagement
erlaubt ist und gewürdigt wird, Schaffen von Tabuzonen, bei deren
Betreten zugeschlagen wird, d.h. diejenigen, die es wagen, die verbotene
Zone zu betreten, in inquisitorischer Weise abgestraft werden. Das alles
ist uns besonders mit unserer Veranstaltung im Frankfurter Club Voltaire
plastisch vor Augen geführt worden.
MM: ... doch manchmal fallen Ihnen ja
auch "Linke" in den Rücken ...
Fikentscher &
Neumann: Ja, das stimmt. Ein Phänomen, dem wir in der letzten Zeit
zunehmend begegnen, ist das der Diskussionsverweigerung. Menschen – auch
aus dem antifaschistischen Spektrum – die wir lange Zeit sehr zu
schätzen wussten, fallen uns in den Rücken, indem sie plötzlich jede
Kommunikation mit uns ausschlagen, weil sie uns in einer verbotenen Zone
wähnen. Es erinnert an Aufzeichnungen einer uns persönlich bekannten
jüdischen NS-Zeugin: Sie hatte als Kind Nachbarn, die sich ihr gegenüber
wie Großeltern verhielten. Von einem Tag zum anderen wechselten sie die
Straßenseite und sagten nicht einmal mehr "Guten Tag".
Es ist keineswegs so, dass die Kräfte der
Anti-Aufklärung nur in den Organisationen und Medien zu finden sind, in
denen sie zunächst zu vermuten wären, z.B. in Parteien wie der CDU oder
bei Zeitungen oder Fernsehsendern aus dem Hause Springer. Nein, es ist
fest davon auszugehen, dass diese Kräfte der Anti-Aufklärung ganz
gezielt in den Parteien, Medien und Vereinigungen auch des linken
Spektrums, also der potenziell kritischen Intelligenz ihr Unwesen
treiben. Das haben wir gesehen im Club Voltaire, bei dem es gelungen
war, jemanden an der Spitze zu etablieren, der – bis zu seinem Rücktritt
kurz vor unserer Veranstaltung – in entscheidenden Fragen dem erklärten
Anspruch der Aufklärung entgegengewirkt hat. Ähnliches sehen wir bei
einer großen Zahl von Organisationen. Wichtige Organe der Aufklärung
sind in diesem Sinne umkämpft. Das wundert in keiner Weise, wenn man
weiß, welche riesigen Summen von Staaten mit imperialen Gelüsten in das
Geschäft der Desinformation und Desorientierung investiert werden.
„Geht ohne Zögern weiter diesen aufrechten
Gang. Es ist manchmal nicht ganz einfach, aber es ist der einzige Weg -
ich weiß es und ihr wisst es.“ Das schrieb uns der Journalist und
Filmemacher (Deadly Dust) Frieder Wagner. Wir ziehen uns herbe Kritik
zu, besonders aus dem angeblich "linken" Lager, aber wir erhalten ebenso
große Anerkennung insbesondere von Menschen, die wir in ihrem Wirken
sehr schätzen und mit denen gemeinsam wir noch viel breiter wirken
können. Die schönste Motivation ist, wenn wir Zuspruch erhalten, weil in
unserer Arbeit eine Erkenntnis und darin ein Wert entdeckt wird.
Außerdem zeigen Beispiele aus Geschichte, dass mangelndes Mitwirken in
Politik und Gesellschaft zur Katastrophe führen kann - und das nicht nur
auf die deutsche NS-Vergangenheit bezogen.
MM: Sie sprachen von Spielwiesen und
Tabuzonen. Können Sie veranschaulichen, was damit gemeint ist?
Fikentscher &
Neumann: Eine Spielwiese findet sich z.B. im Zusammenhang mit
Protesten gegen die so genannten Nazi-Aufmärsche. Diese Proteste sind
gewissermaßen erlaubt. Sie finden breite Anerkennung. So wird viel
Engagement in Aktivitäten mit Ventilfunktion gebunden. Und Hans
Christoph Stoodt, einer der Hauptaktivisten der Anti-Nazi-Koordination
Frankfurt und einer unserer Hauptkontrahenten in der Auseinandersetzung
um die Veranstaltung im Club Voltaire, konnte nach einer der unzähligen
so genannten Nazi-Aufmärsche (in Friedberg am 7.11.2009) schreiben:
„Friedberg hat einen weiteren Punktsieg gegen die Nazis errungen.
Entscheidende Erfolgsbedingung dafür war die große Geschlossenheit und
Entschlossenheit, mit der die GegendemonstrantInnen auftraten ... von
Friedberg lernen heißt siegen lernen!“ Doch das sind Siege auf
(künstlich) geschaffenen Nebenschauplätzen. Sie sollen nicht verlassen
werden. Und diejenigen, die zum Protest aufrufen, sollen als Demokraten,
als die Guten erscheinen. Dass die NPD, die bei vielen Nazi-Aufmärschen
dabei ist, geheimdienstdurchsetzt ist, ist bekannt. Wenn wir uns
vorstellen, dass solche Parteien und Gruppierungen von den Diensten auch
gesteuert sind, wird klar, auf welche Weise die Spielwiesen und ihre
Regeln geschaffen werden. Dann wird klar, dass hier Feldversuche "in
vivo" durchgeführt werden, die mitunter zu Bürgerkriegsszenarien
ausufern und den Spielplanern wichtige Erkenntnisse bringen.
Zur Tabuzone, in die man unter Strafe nicht
eindringen darf, wird alles, was außerhalb der erlaubten Spielwiese
liegt. Wir sehen es z.B. am Verhalten des erwähnten
Anti-Nazi-Aktivisten. Er lässt sich auf Argumente, wie Elias Davidsson
und auch wir sie vortragen, nicht ein. Er blendet die Erkenntnis aus,
dass die Gefahr nicht in erster Linie von den offen aufmarschierenden
"Nazis" ausgeht, sondern von den etablierten Kräften in Regierungen und
anderen "etablierten" Organisationen. Als Bildungsbürger baut er sich
sein "Glasperlenspiel" und will nicht sehen, dass die eigentlich
gefährlichen Kräfte nicht offen mit dem Etikett "Nationalsozialist" oder
"Nazi" über die Straße laufen. Sie verstecken sich hinter einem
Schleier, den es zu lüften gilt. Denn hinter einem Schleier von Freiheit
und Humanität verbergen sich diejenigen, die verantwortlich sind für die
Planung und Führung von Kriegen mit hunderttausenden von Toten und für
die Anwendung faschistischer Methoden, wie z.B. gegenüber der
palästinensischen Bevölkerung. Das ist unser Verständnis von Aufklärung.
Wenn überhaupt jemals das Wort "Sieg" angemessen sein sollte, dann
allenfalls dann, wenn Faschismus und Krieg besiegt sind.
„Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“
Das haben 1945 KZ-Überlebende geschworen. Das ist ein Grundsatz auch
unseres Denkens, der universelle Gültigkeit haben muss. Wenn Kriege der
USA oder Israels gerechtfertigt werden – wie es die so genannten
Anti-Deutschen tun – dann ist das nicht hinzunehmen. Dann ist das alles
andere als "links". Vielmehr ist nachvollziehbar, wenn die Hip-Hop-Band
"Die Bandbreite" die Anti-Deutschen als "Faschos" bezeichnet. Nicht
nachvollziehbar ist dagegen, wenn jemand, der sich "Antifaschist" nennt,
sich über diese Klassifizierung erregt.
MM: Nun gibt es kaum ein Thema, bei dem
Sie sich nicht gegen die "Linie" der "Hofberichterstattung", wie wir es
nennen, richten, seien es falsche Übersetzungen von Aussagen des
iranischen Präsidenten, die Merkwürdigkeit von Haiders Ableben oder Ihre
Kritik an Verbrechen, die von Israel begangen wurden bis hin zu
Protesten gegen einen G-soundsoviel-Gipfel. Warum glauben Sie nie den
"offiziellen" Darstellungen?
Fikentscher &
Neumann: Unter der Politik der Oberfläche liegen meist knallharte
Strategien, die für den Normalmenschen kaum sichtbar werden und die in
der Regel als erschreckend und unvorstellbar abgelehnt werden. So
erinnern die Bilder um die angeblich gefälschten Präsidentschaftswahlen
im Iran 2009 an die manipulierten Bilder von Unruhen im April 2002 in
Venezuela nach dem Umsturzversuch gegen die Regierung von Hugo Chávez.
Der Privatsender RTCV hatte Anhängern der Regierung unterstellt, auf
„unbewaffnete oppositionelle Demonstranten“ geschossen zu haben
(Ekkehard Sieker in "junge Welt", 1.8.2007 über die Finanzierung der NGO
Reporter ohne Grenzen).
Wir haben erkannt, dass besonders in Fällen,
bei denen es um Fragen imperialer Macht geht, bezüglich der
Berichterstattung höchste Vorsicht angebracht ist. Das hat sich wieder
und wieder gezeigt. Oft bedarf es nur eines geringen Ausmaßes von
Recherche, und es lässt sich erkennen, dass die "offiziellen"
Darstellungen in den Medien voller Widersprüche sind, so dass klar ist,
dass etwas teilweise oder ganz grundsätzlich nicht stimmen kann.
Zur Zeit begegnen wir in den "offiziellen"
westlichen Darstellungen dem US-amerikanischen Präsidenten als der
"Lovemark" Obama, der – wie sein Vorgänger – ungebremst die Rüstung
vorantreibt, Präventivkriege vorbereitet und dafür sogar den
Präventiv-Friedensnobelpreis zugesprochen erhalten hat. Die Erscheinung
des heutigen US-amerikanischen Präsidenten ist mit Sicherheit kein
"Zufallsprodukt", sondern das leibhaftige Beispiel einer gelungenen
Imagekampagne: Eine "Lovemark" ist ein Werbeerzeugnis, „zu dem
Verbraucher eine tiefe, bedingungslose Verbindung aufgebaut haben“,
inklusive Gefühlen wie „Respekt und Liebe“ (Sieker, w.v.). So
hatte Kevin Roberts als Chef der weltführenden Werbeagentur Saatchi
& Saatchi vor US-Militärgeheimdiensten bereits
2005 als parallele Version zum "Krieg gegen Terror" den "Kampf für eine
bessere Welt" angeraten - mit den gleichen Zielen und den gleichen
Waffen versteht sich.
Und erst recht wird klar, dass höchste Vorsicht
geboten ist, wenn wir uns das Zusammenspiel von Medien,
Nachrichtenagenturen, Nachrichtendiensten, PR-Unternehmen, verdeckt
operierenden Menschenrechts- und anderen Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
und regelrechten staatlichen (Des-)Informationseinrichtungen vor Augen
führen. Dann wird klar, wie einfach es ist, in dieses Geflecht – für die
Öffentlichkeit fast unbemerkt – Desinformation einzuschleusen. Es reicht
aus, wenn eine Menschenrechtsorganisation in Serbien ein Video "findet",
um damit das Massaker von Srebrenica zu "beweisen". Es reicht aus, wenn
in der so genannten Taliban-Hochburg Kandahar in Afghanistan ein Video
"gefunden" wird, auf dem eine Person zu sehen ist, die angeblich Osama
bin Laden ist, und dieses Video – ganz offen – vom Pentagon in Umlauf
gebracht wird, um zu "beweisen", dass Osama bin Laden für das Verbrechen
des 11. September 2001 verantwortlich ist. Es reicht aus, über die
weltweit operierenden Nachrichtenagenturen falsche Übersetzungen von
Äußerungen des iranischen Präsidenten in Umlauf zu bringen, um dem
Iran-Feindbild einen entscheidenden Schub zu versetzen.
MM: Der Ihnen oft vorgeworfene
Antisemitismus ist angesichts der Vielzahl von jüdischen Unterstützern
wie Thomas Immanuel Steinberg, Evelyn Hecht-Galinski, Abraham Melzer und
dem bereits erwähnten Elias Davidson sicherlich nur als haltloses
Totschlagargument einzustufen. Wie aber bewerten Sie den Vorwurf des
Antizionismus gegen Sie?
Fikentscher &
Neumann: In der Tat müssen wir den Vorwurf des Antisemitismus weit
von uns weisen. Antisemitismus hieße, Menschen wegen ihrer Herkunft
geringer zu schätzen als andere. Das liegt uns absolut fern.
Die Frage ist, ob "realer Zionismus" auch in
einer friedfertigeren Variante denkbar ist, als in Form einer rein
kolonialen Besatzungsmacht, die sich an keine internationalen Regeln und
Gesetze hält. Wenn die gleichen Stimmen, die so selbstverständlich für
den mythologisch überlieferten territorialen Anspruch der über alle Welt
verstreuten jüdischen Menschen eintreten, auch für die territorialen
Rechte beispielsweise der nordamerikanischen Indianer eintreten würden,
wäre zumindest der Omnipotenz-Anspruch relativiert.
Der Vorwurf des Antizionismus hat allerdings
seine Berechtigung, wenn mit Zionismus eine Politik gemeint ist, die
jetzt seit über 60 Jahren von Israel praktiziert wird und die einer
Gruppe von Menschen das Recht abspricht, dort zu leben, wo sie geboren
und aufgewachsen sind, und sie als Menschen zweiter Klasse betrachtet,
sie systematisch ausgrenzt, vertreibt und deren Recht auf Leben mit
Füßen tritt. In diesem Sinne gesehen können wir auch die Position des
iranischen Präsidenten Ahmadinedschad teilen, der – vergleichbar der
Überwindung der Apartheid in Südafrika – die Überwindung des
zionistischen Besatzer-Regimes in Palästina herbeisehnt. Das muss das
Ziel eines jeden Humanisten sein. Die Überwindung des Zionismus heißt
für uns – ähnlich der Überwindung der Apartheid in Südafrika – nicht
Ausgliederung von Menschen zweiter Klasse in Reservate, sondern die
Schaffung eines Staates, in dem alle auf seinem Gebiet aufgewachsenen
und lebenden Menschen die gleichen Rechte haben.
In der Kritik des derzeitig praktizierten
Zionismus sehen wir uns in guter Gesellschaft: da sind die
Friedenspreisträger Uri Avnery, Reuben Moskovitz, die Frauen in Schwarz,
Felicia Langer, und viele, viele weitere. Mit Gush Shalom existiert eine
breite Friedensbewegung im Staat Israel. Aber auch in Deutschland und
Europa wirken sehr bemerkenswerte Menschen, darunter der ehemalige
Vorsitzende der jüdischen Gemeinschaft in Schleswig-Holstein, der
Psychologieprofessor Rolf Verleger in der Vereinigung "European Jews for
a Just Peace" EJJP (europäische Juden für einen gerechten Frieden). All
diese friedliebenden Stimmen haben jedoch kaum eine Chance auf Gehör im
"Schweigekartell" der deutschen – auch der so genannten
öffentlich-rechtlichen – Massenmedien.
Aber auch die "linken" Medien – wir hatten
schon erwähnt, dass diese als Organe der Aufklärung umkämpft sind –
spielen oft keine rühmliche Rolle. Organe, die teils nach großen
historischen Vorbildern benannt sind - nach Vorbildern, die aufgrund
ihrer kritischen Äußerungen ins Exil gehen mussten oder im KZ umgekommen
sind – blocken ab und verschließen sich, wenn es um Themen geht, die
innerhalb der Linken nicht konsensfähig erscheinen. Große Reserviertheit
schlug uns z.B. bei einem Artikel entgegen, der sich aus ungewöhnlicher
Perspektive mit dem Terror des so genannten "Schwarzen September" bei
den Olympischen Spielen 1972 befasst (http://www.arbeiterfotografie.com/israel/index-israel-0021.html).
Er hat es nicht in die etablierten Medien, aber auch nur bruchstückhaft
in die "linken" Medien geschafft. Ebenso stieß die Veröffentlichung der
Erkenntnisse über die Falschübersetzung der Äußerungen Ahmadinedschads
oder über den 11. September vielfach auf entschiedenen Widerstand.
MM: Für einen Außenstehenden sind
Auseinandersetzungen in der Szene zuweilen etwas unübersichtlich,
insbesondere wenn dann auch noch alle Beteiligten behaupten "Linke" zu
sein und weitere Schubladen, wie "Antideutsche" oder "Antifaschisten"
hinzukommen. Wie kann man das entwirren und wofür - nicht wogegen -
treten Sie eigentlich ein?
Fikentscher &
Neumann: Die Verwendung dieser Schubladen-Begriffe ist in der Tat
ein Problem. Zum Problem werden die Begriffe, wenn sie für einseitige
Interessen instrumentalisiert und zweckentfremdet werden. Wenn
"antifaschistisch" bedeutet, den Blick fast ausschließlich auf die
(eigene) Vergangenheit zu richten, und nicht auf die Verbrechen der
Gegenwart, oder nur auf die Verbrechen bestimmter Länder, wird der
Begriff zum Bestandteil eines verlogenen Ablenkungsmanövers. Ähnliches
gilt für den Begriff "antideutsch". Wenn "antideutsch" bedeutet, die
menschenverachtende Politik der USA und Israels zu rechtfertigen, wird
klar, dass "Anti-Deutsche" nichts weiter sind als eine Facette im
Instrumentarium dieser imperialen Mächte. Auch der Begriff "links" wird
pervertiert, wenn sich mit diesem Etikett Kräfte tarnen, die Krieg und
andere Formen der menschenverachtenden Politik rechtfertigen.
Aber jenseits der Pervertierung der Begriffe
können wir – und damit lässt sich auch die Frage beantworten, wofür wir
eintreten – uns selbst durchaus als "links", "antifaschistisch" und auch
als "antideutsch" bezeichnen: "links" im Sinne des Strebens nach einer
friedlichen, sozialen, gerechten Gesellschaft, "antifaschistisch" im
Sinne des Strebens nach einer Welt ohne menschenverachtende
Geringschätzung, Unterdrückung und Vernichtung menschlichen Lebens und
"antideutsch" im Sinne des Strebens nach einem Staatswesen ohne
Großmachtambitionen, sondern vielmehr nach einem Deutschland, das das
Wort Frieden nicht nur im Munde führt, sondern auch danach handelt.
Damit sind unsere Vorstellungen einer menschenwürdigen Welt zwar nicht
allumfassend beschrieben, aber sicher doch im Kern.
In der Auseinandersetzung um den Club Voltaire
wurde oft der Begriff "Querfront" bemüht. Wir entdecken eine vielleicht
noch weitaus gefährlichere "Parallelfront", d.h. eine Front der
Unterwanderer in allen vertrauten "linken" Bereichen - bis hin zur
Gründung von (Splitter-)Parteien und "Bewegungen". Namen zu solcher Art
Operationen - auch auf dem internationalen Parkett - sind LaRouche und
Soros. Es ist zwar bekannt aber - wie üblich - nicht sonderlich
verbreitet (Sieker, w.v.) dass der US-Multimilliardär George Soros den
osteuropäischen "Umbruch" finanzierte.
In diesen Tagen werden wir Zeuge eines so
genannten "Weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltfreiheit",
durchgeführt von den "Siloisten" und der nach dem Argentinier Silo
gegründeten "Humanistischen Bewegung" (von der deutschen Humanistischen
Union als "Anti-Humanisten“ bezeichnet), die auch "Netzwerke" und
Parteien betreibt. Welcher normale Mensch, der nicht Vorteile aus dem
militärisch-industriellen Komplex zieht, ist denn nicht für Frieden und
Gewaltfreiheit? Also findet dieser Marsch breite Beteiligung prominenter
und bedeutender ZeitgenossInnen. Der Marsch beruft sich auf Gandhi,
verfolgt aber neben dem allgemeinen Bekenntnis zu Frieden und
Gewaltfreiheit kaum konkrete Ziele und benennt keine Verantwortlichen
für Krieg und Gewalt. So drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um
ein weiteres, höchst umfangreiches Feldexperiment handelt.
MM: Bei einem Feldversuch bzw.
Feldexperiment scheinen die Beteiligten nicht zu wissen, dass sie daran
teilnehmen. Haben Sie weitere Beispiele?
Fikentscher &
Neumann: Ja, aber es ist ein Beispiel etwas anderer Art. Von einem
"Experiment Demokratie" spricht General Tommy Franks, Kommandant der
US-Truppen bei den Überfällen der USA auf Afghanistans 2001 und Irak
2003, in einem Interview im Dezember 2003: „Das Schlimmste was
passieren kann, ist eine Verknüpfung zwischen Massenvernichtungswaffen
und Terrorismus... Das führt dann dazu, dass die westliche, freie Welt
das verliert, was wir am meisten schätzen: die Freiheit, in der wir in
diesem großartigen Experiment, das wir Demokratie nennen, ein paar
hundert Jahre gelebt haben... Das bedeutet ...ein terroristischer
Zwischenfall mit Massen von Opfern irgendwo in der westlichen Welt -
vielleicht in den USA - veranlasst unsere Bevölkerung, unsere eigene
Verfassung in Frage zu stellen und zu beginnen, unser Land zu
militarisieren...“ Daraus lässt sich zum wiederholten Mal erkennen,
wie überlebenswichtig es ist, die Hintergründe "terroristischer
Zwischenfälle" aufzudecken und zu untersuchen, ob es sich um "False-Flag-Operationen"
handeln könnte.
Sollte es also Impfungen gegen kritisches
Denken geben, werden diese nicht per Kanüle verabreicht - eher über
(elektronische) Kanäle. Wir treten ein, für ein unabhängiges Denken, für
echten Journalismus, der ganz selbstverständlich allen Unklarheiten auf
den Grund geht, und für die Freiheit der Kunst. Das Beschweigen und die
Denk- und Gesprächsverweigerung halten wir für einen Ansatz von
Selbstaufgabe. Versuchen wir eine Projektion: im Deutschland der 1930er
und 40er Jahre hätte sich trotz der allzeit präsenten NS-Propaganda ein
Verbreitungsweg für die Aufklärung politischer Verfolgung, Morde bis hin
zur "Vernichtung" Hunderttausender in den so genannten Arbeitslagern
gefunden. Wie viele der Menschen, die dieser Gedanke überhaupt erreicht
hätte, würden ihn mit dem (zugegeben damals nicht gebräuchlichen
Begriff) Verschwörungstheorie abgetan haben? Wie die Realität damals
aussah, wissen wir heute. Ein Gedenken zu pflegen, das nicht in der Lage
ist, aus diesen schrecklichen Umständen zu lernen, ist fatal.
MM: Selbst wenn sich viele mit solchen
Idealen identifizieren könnten, kann der Begriff "Arbeiter" in Ihrem
Verband - die Begriffsfindung entstand im Kontext der 20er- und
30er-Jahre als Gegenpol zur damals "offiziellen" Berichterstattung -
doch missverstanden werden. Sind Sie z.B. gegen "Selbständige" bzw. ist
der Ansatz heute noch zeitgemäß?
Fikentscher &
Neumann: Über den Begriff Arbeiterfotografie hat es in der
Vergangenheit umfangreiche vereinsinterne Debatten gegeben. Aber seit
vielen Jahren sind wir uns einig, dass wir den historischen Bezug nicht
aufgeben wollen. Wir knüpfen an dem Verständnis der Arbeiterfotografie
der 20er und 30er an, der es darum ging, ein Gegenbild zur etablierten,
bürgerlichen Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu
schaffen. Das heißt nicht, dass wir ein Verband nur für Arbeiter sind,
und auch nicht, dass wir ausschließlich die Interessen von Arbeitern
vertreten würden. Um das deutlich zu machen, haben wir uns gewissermaßen
einen zweiten Namen gegeben, der den Begriff Arbeiterfotografie ergänzt
bzw. erläutert: "Forum für Engagierte Fotografie". So steht es z.B. auf
der Zeitschrift, die wir als Verband Arbeiterfotografie herausgeben. Und
so haben wir auch unsere Galerie benannt, die wir seit 1990 in Köln
betreiben.
Jedes neugeborene Lebewesen hat - gemäß der
Gattung Mensch - grundlegende Fähigkeiten. Wie der Weg der
Entwicklungsmöglichkeit sich gestaltet, hängt nicht zuletzt von den
gesellschaftlichen Bedingungen ab.
Sehen wir ArbeiterInnen als Entwicklungsstufe
an, als Keimzelle eines gesamtgesellschaftlichen Wesens, dann ist es von
allergrößter Bedeutung, auf die bestmögliche Versorgung und das
Wohlergehen der kleinsten Einheit zu achten. Sicher ist es ein uralter
Kinder- und Menschheitstraum, ohne Kriminalität, ohne Hass, ohne Hunger,
ohne Gier leben zu können. Je weiter die Gesellschaften sich
"zivilisieren", desto weiter scheinen diese Ideale in die Ferne zu
rücken. Gemäß unserer Verbandssatzung werden wir „dazu beitragen,
soziale und politische Konflikte auf gesellschaftliche Perspektiven zu
orientieren“ und dabei die „Lebens- und Arbeitsbedingungen der
arbeitenden Menschen, ihren politischen Kampf, aber auch ihre
Persönlichkeit, ihre Ideen und Freuden in den Mittelpunkt stellen“.
MM: Sehr geehrte Frau Fikentscher, sehr
geehrter Herr Neumann, wir danken für das Interview. |