Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit A. Fikentscher und A. Neumann
 

Muslim-Markt interviewt
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann von der Arbeiterfotografie

19.11.2009

Anneliese Fikentscher (Jahrg. 1953) ist Fotoingenieurin und hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln studiert. Sie arbeitet als Kamerafrau für Fernsehproduktionen. Seit 1981 ist sie Mitglied in der Kölner Gruppe Arbeiterfotografie und seit 1987 verantwortliche Redakteurin der Zeitschrift Arbeiterfotografie. 1990 war sie maßgeblich an der Gründung der 'Galerie Arbeiterfotografie - Forum für Engagierte Fotografie' in Köln beteiligt.

Andreas Neumann (Jahrg. 1951) arbeitet nach seinem Ingenieurstudium der technischen Informatik und Diplomarbeit zur Bilddatenreduktion, als Systemanalytiker. Er ist Mitglied der Kölner Gruppe Arbeiterfotografie seit 1975 und Gründungsmitglied des Bundesverbands Arbeiterfotografie. Seit 1987 ist er Mitarbeiter in der Redaktion der Zeitschrift Arbeiterfotografie und verantwortlich für die Gestaltung. Er war maßgeblich verantwortlich für Konzeption, Recherchearbeit und Leitung zahlreicher Ausstellungen im Rahmen der Arbeiterfotografie.

Beide sind neben der Arbeiterfotografie für zahlreiche Veröffentlichungen bekannt und beide leben im Großraum Köln.

Auf Wunsch der Interviewpartner werden die Antworten als gemeinsame Antworten beider wiedergegeben.

MM: Sehr geehrte Frau Fikentscher, sehr geehrter Herr Neumann, als Aktivisten von Arbeiterfotografie fallen Sie in letzter Zeit vor allem durch Ihre Schriften gegen Feindbilder auf, die geschaffen werden, um Kriege zu rechtfertigen. Was hat das mit Arbeitern und was hat das mit Fotografie zu tun?

Fikentscher & Neumann: Zunächst einmal sind Arbeiter und Arbeiterinnen Schaffende und Bauende, die ökonomische Werte produzieren, dafür aber innerhalb der meisten politischen Systeme gesellschaftlich wenig Befugnisse zugestanden bekommen. Ebenso wie Soldatinnen und Soldaten stehen sie an vorderster Front, werden als (austauschbare) Werkzeuge gebraucht. Arbeiterfotografie – mit ihrem historischen Namen – steht seit Anbeginn für Bewusstwerdungsprozesse, die u.a. dahin zielen, den eigenen Wert, den gesellschaftlichen Stand und die Möglichkeit der Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische Prozesse zu erkennen.

Die heutige Arbeiterfotografie ist eine Bewegung mit Wurzeln in den 20er und 30er Jahren der Weimarer Republik. Sie wurde 1927 als Vereinigung der Arbeiterfotografen Deutschlands (VdAFD) auf Initiative von Willi Münzenberg im Umfeld der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Schon damals ging es um den Aufbau einer besseren Gesellschaft und als Voraussetzung dafür um die Verhinderung von Faschismus und Krieg. Es war 1932, als die KPD im Vorfeld der Wahl des Reichspräsidenten den Slogan ausgab: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Es war also schon damals das Ziel der Arbeiterbewegung, Kriege zu verhindern, bevor sie "ausbrachen". In dieser Tradition sehen wir als Mitglieder des Bundesverbands Arbeiterfotografie auch heute eine unserer wichtigsten Aufgaben darin, der Entstehung von Kriegen entgegen zu wirken, indem wir die psychologische Vorbereitung der Massen mittels der Medien analysieren. Und zu dieser Vorbereitung gehört ganz zentral das Aufbauen von Feindbildern. Deshalb ist es uns so wichtig, diese Feindbilder im vorhinein als solche zu demaskieren und damit als Bestandteil der Friedensbewegung und einer "linken", emanzipatorischen Bewegung einen Beitrag zur Verhinderung von Kriegen zu leisten. Wenn es dagegen gelingen sollte – und die Gefahr sehen wir – dieses Denken aus der Friedensbewegung herauszuhalten, können sich die Krieg planenden Mächte nur beglückwünschen. Sie hätten sich eine Friedensbewegung geschaffen, die in Wahrheit eine Kriegsbewegung ist, die die psychologischen Kriegsvorbereitungen stützt, anstatt sie zu behindern.

Dagegen stellen wir uns.

MM: ... und was hat das mit Fotografie zu tun?

Fikentscher & Neumann: Was das mit Fotografie zu tun hat? Zum einen gibt es genügend Beispiele dafür, dass Bilder (Foto, Film, Video) eine ganz entscheidende Rolle bei der Manipulation der Öffentlichkeit spielen. Die Inszenierung des 11. September 2001 beispielsweise wäre ohne die Bilder, die wieder und wieder in die Menschen eingedrungen sind, undenkbar. Ohne sie hätte sich dieses Ereignis niemals in dem Maße zu einem Instrument zur Legitimation von Krieg und Demokratieabbau machen lassen, wie es erschreckenderweise geschehen ist. Auf der anderen Seite ist die Analyse der politischen Zusammenhänge – und dazu gehört ganz zentral auch die Analyse der Politik hinter der Politik, also der Politik, die hinter der für die Massen inszenierten Politik stattfindet – eine ganz entscheidende Voraussetzung für den wirkungsvollen Einsatz von Fotografie. Ohne Wissen um die Zusammenhänge lässt sich kaum ein fotografisches Projekt, kaum eine Ausstellung mit einer Aussage von Relevanz realisieren. Ohne Streben nach Erkenntnis wäre eine Bewegung wie die Arbeiterfotografie weitgehend überflüssig.

Allerdings mit Mitteln der Fotografie allein Feindbilder zu entkräften, dürfte schwierig sein, zumal seit den 1990er Jahren im Zusammenhang mit den Jugoslawien-Kriegen bekannt geworden ist, wie professionell solche "Image"-Kampagnen durch PR-Agenturen und Werbeprofis konzipiert werden und vor allem große Verbreitung erlangen. Aufgabe der monströsen Feindbilder ist es, Angst und Hass zu erzeugen und all diejenigen zu diskreditieren, die sich der Annahme des Feindbildes widersetzen. Aufklärungsarbeit mit Hilfe von Fotografie zu betreiben, ist oft schwierig, weil komplexe Zusammenhänge sich nicht allein durch Bilder einer Oberfläche darstellen lassen. Aber die Menschen reagieren auf Gefühle, wie sie die Kriegstreiber immer wieder meisterhaft in Szene setzen. Nur - wenn die Opfer schon getroffen, getötet oder verletzt sind, ist die Sprache der Gewalt bereits im Gange. Rationalität in eine gefühlte Erkenntnis im positiven Sinne zu übertragen, erfordert daher eine künstlerische Komponente von Fotografie - auch im Zusammenspiel mit Text, Literatur, Film und Musik.

MM: Es gibt Kräfte, die mit fast allen Mitteln versuchen, Ihre Veröffentlichungen und Auftritte zu verhindern, zuletzt bei einem Auftritt des Bundesverbandes Arbeiterfotografie der zusammen mit der HipHop-Band "Die Bandbreite" und dem Menschenrechtler Elias Davidsson geplant war. Was war der Hintergrund? Warum sollte die Veranstaltung verhindert werden?

Fikentscher & Neumann: Es war eine Veranstaltung gewissermaßen in der Höhle des Löwen – nicht weil sie in dem nach dem Philosophen der Aufklärung benannten Club Voltaire stattgefunden hätte, nein, sondern weil wir in eine Stadt "eingedrungen" sind, die sich als Hochburg der "Anti-Aufklärung" bezeichnen ließe. Dass dies so ist, ist uns allerdings erst im Laufe der Auseinandersetzungen um die Veranstaltung bewusst geworden. Vonseiten der Kräfte der Anti-Aufklärung wurde offensichtlich befürchtet, dass mit der Veranstaltung Erkenntnisse vermittelt werden könnte, die den Interessen der Krieg führenden oder Krieg planenden Kräfte zuwiderlaufen, insbesondere hinsichtlich der Operation 9/11, hinsichtlich der Anti-Iran-Propaganda und in Sachen Israel/Palästina – und das noch über eine Kombination von Rationalität (Vortrag) und Emotionalität (Musik), was auch jüngere Menschen hätte ansprechen können.

Und es musste – aus der Sicht der Anti-Aufklärung – verhindert werden, dass die Hip-Hop-Band "Die Bandbreite", eine Gruppe mit aufklärerischem Anspruch, die Anfang des Jahres im Zuge einer Diffamierungskampagne gewissermaßen "verbrannt" worden war und bei einer Gewerkschaftsveranstaltung entgegen einer ursprünglichen Zusage wieder ausgeladen worden war, jetzt etwa ein halbes Jahr später nun doch in Frankfurt auftrat.

Und auch der Referent Elias Davidsson war den Kräften der Anti-Aufklärung offensichtlich aufgefallen – z.B. einem gewissen Thomas von der Osten-Sacken, der in seinem wadiBlog feststellt, wie "unnachahmlich formuliert" Elias Davidsson angekündigt war. Den hatten wir in aller Sachlichkeit angekündigt als jemanden, dessen Eltern im Rahmen der zwischen Nationalsozialisten und Zionisten abgeschlossenen Verträge Deutschland verlassen hatten und nach Palästina gegangen waren. Auch das dürfte für die erwähnten Kräfte dazu beigetragen haben, ihn als unerträgliche Gefahr erscheinen zu lassen – ganz unabhängig von Elias Davidssons Ambitionen, Licht in das Dunkel der Verbrechen vom 11. September zu bringen.

Was das eigentlich Störende an der Veranstaltung war, wurde allerdings eher nicht offen ausgesprochen. Überwiegend wurden andere Felder vorgeschoben, über die die Beteiligten diffamiert werden sollten, z.B. über den Vorwurf des Sexismus, der sich angeblich in einigen Songtexten der "Bandbreite" finden würde, oder mittels der Unterstellung, Querfront-Aktivitäten zu entwickeln. Und es wurde wieder und wieder das Schlagwort "Verschwörungstheorie" bemüht, ein Wort, das dazu dient, jedes Denken in einer störenden Richtung zu unterbinden.

Die kriegsvorbereitenden psychologischen Operationen (PsyOps), wie sie in der US-Zukunfts-Kriegsplanung "Joint Vision 2010" und "2020" beschrieben sind, sind dringend darauf angewiesen, dass die mühevoll aufgebauten Images - allen voran die ungeklärten Vorgänge um den 11. September 2001 - Bestand haben.

MM: Wer wird denn vorgeschickt, um gegen Sie zu agieren?

Fikentscher & Neumann: Bei den protestierenden Gruppen vor dem Frankfurter Club Voltaire handelte es sich vielfach um jüngere Menschen, die in der sogenannten AntiFa-Bewegung angesiedelt sind. In Frankfurt gibt es davon eine ganze Reihe mehrerer kleiner, überschaubarer Gruppen, die unter sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl pflegen. Da ist zum Beispiel "Faites votre Jeu", die mit Zustimmung der Stadt Frankfurt ein so genanntes Jugendzentrum im ehemaligen Gestapo-Gefängnis Klapperfeld betreiben. Gleich am Eingang wird klar: Israel-Kritik ist nicht erwünscht. Als wir - die wir als Verband Arbeiterfotografie eine enge Beziehung zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit haben - dort eine Portraitausstellung anbieten, wird diese abgelehnt und auf Nachfrage damit begründet, einer der Portraitierten habe sich Israel-kritisch geäußert. Aber dass es ein Verdienst der Gruppe der Portraitierten "68er Köpfe" war, in der Bundesrepublik um 1968 zu einem höchst kritischen Zeitpunkt die NS-Schuldigen in damaligen Regierungsämtern zu benennen, zählte nicht. Auch nicht, dass der ebenfalls portraitierte bildende Künstler und Stolperstein-Schöpfer Gunter Demnig an diesem historischen Ort den Opfern - von denen der heute noch lebende, 102jährige Hans Schwert in diesem Gefängnis eingesessen hat - Genugtuung verschafft hätte. Aus diesem Beispiel wird eine doppelbödige Moral erkennbar: aus der Vergangenheit soll nichts gelernt werden. Die Jugendlichen müssen eine Art Fahneneid auf die - gegenüber der palästinensischen Bevölkerung - verächtliche israelische Regierungspolitik leisten. Diskussion oder Gedankenaustausch kann nur als störend empfunden werden und wird daher radikal abgeblockt. Wenn es sein muss - wie es sich gezeigt hat - auch mit Gewalt.

MM: Die Arbeiterfotografie hatte zuvor in akribischer und hartnäckiger Kleinarbeit nachgewiesen, dass eine Aussage bezüglich "Auslöschung von der Landkarte" dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad bewusst manipulierend in den Mund gelegt wurde. Obwohl Sie einige Medien sogar zu korrigierenden Darstellungen bewegen konnten, wird die Falschmeldung immer noch intensiv verbreitet. Entmutigt Sie das nicht, oder woher nehmen Sie die Motivation für Ihre Arbeit?

Fikentscher & Neumann: Es ist natürlich nicht angenehm zu erkennen, einem übermächtigen, mit riesigen finanziellen Mitteln voll gepumpten Moloch gegenüberzustehen, der nur punktuell und zeitlich begrenzt getroffen werden kann, einen weit verzweigten, fast unüberschaubaren Apparat aus den Desinformationsorganen imperialer Staaten, PR-Unternehmen, NGOs, Nachrichtenagenturen, Medienunternehmen etc. vor sich zu haben, dessen eine wesentliche Aufgabe es ist, den Menschen die eigenen Verbrechen als humanitäre Wohltat und die Opfer dieser begangenen oder geplanten Verbrechen als die Ausgeburt des Teuflischen darzustellen – und das auf eine Weise, dass kaum jemand es bemerkt, auch große Teile all derjenigen nicht, die sich als "links" oder als Teil der Friedensbewegung verstehen. Natürlich nagt das alles an unseren Kräften. Aber es beflügelt uns, wenn wir erkennen, dass wir mit der Demontage der Propaganda einen kleinen Beitrag leisten können, einen Krieg wie den gegen den Iran, der Millionen Tote und Verletzte zu fordern droht, eine Spur unwahrscheinlicher werden zu lassen.

Und wir sehen einen hohen Nutzen darin zu erkennen, wie die Kräfte der Desinformations- und Desorientierungsapparate, also die Kräfte der Anti-Aufklärung operieren, mit welchen Strategien sie vorgehen: Diskreditierung von kritischen Gedanken, Schaffen von Spielwiesen, auf denen politisches Engagement erlaubt ist und gewürdigt wird, Schaffen von Tabuzonen, bei deren Betreten zugeschlagen wird, d.h. diejenigen, die es wagen, die verbotene Zone zu betreten, in inquisitorischer Weise abgestraft werden. Das alles ist uns besonders mit unserer Veranstaltung im Frankfurter Club Voltaire plastisch vor Augen geführt worden.

MM: ... doch manchmal fallen Ihnen ja auch "Linke" in den Rücken ...

Fikentscher & Neumann: Ja, das stimmt. Ein Phänomen, dem wir in der letzten Zeit zunehmend begegnen, ist das der Diskussionsverweigerung. Menschen – auch aus dem antifaschistischen Spektrum – die wir lange Zeit sehr zu schätzen wussten, fallen uns in den Rücken, indem sie plötzlich jede Kommunikation mit uns ausschlagen, weil sie uns in einer verbotenen Zone wähnen. Es erinnert an Aufzeichnungen einer uns persönlich bekannten jüdischen NS-Zeugin: Sie hatte als Kind Nachbarn, die sich ihr gegenüber wie Großeltern verhielten. Von einem Tag zum anderen wechselten sie die Straßenseite und sagten nicht einmal mehr "Guten Tag".

Es ist keineswegs so, dass die Kräfte der Anti-Aufklärung nur in den Organisationen und Medien zu finden sind, in denen sie zunächst zu vermuten wären, z.B. in Parteien wie der CDU oder bei Zeitungen oder Fernsehsendern aus dem Hause Springer. Nein, es ist fest davon auszugehen, dass diese Kräfte der Anti-Aufklärung ganz gezielt in den Parteien, Medien und Vereinigungen auch des linken Spektrums, also der potenziell kritischen Intelligenz ihr Unwesen treiben. Das haben wir gesehen im Club Voltaire, bei dem es gelungen war, jemanden an der Spitze zu etablieren, der – bis zu seinem Rücktritt kurz vor unserer Veranstaltung – in entscheidenden Fragen dem erklärten Anspruch der Aufklärung entgegengewirkt hat. Ähnliches sehen wir bei einer großen Zahl von Organisationen. Wichtige Organe der Aufklärung sind in diesem Sinne umkämpft. Das wundert in keiner Weise, wenn man weiß, welche riesigen Summen von Staaten mit imperialen Gelüsten in das Geschäft der Desinformation und Desorientierung investiert werden.

„Geht ohne Zögern weiter diesen aufrechten Gang. Es ist manchmal nicht ganz einfach, aber es ist der einzige Weg - ich weiß es und ihr wisst es.“ Das schrieb uns der Journalist und Filmemacher (Deadly Dust) Frieder Wagner. Wir ziehen uns herbe Kritik zu, besonders aus dem angeblich "linken" Lager, aber wir erhalten ebenso große Anerkennung insbesondere von Menschen, die wir in ihrem Wirken sehr schätzen und mit denen gemeinsam wir noch viel breiter wirken können. Die schönste Motivation ist, wenn wir Zuspruch erhalten, weil in unserer Arbeit eine Erkenntnis und darin ein Wert entdeckt wird. Außerdem zeigen Beispiele aus Geschichte, dass mangelndes Mitwirken in Politik und Gesellschaft zur Katastrophe führen kann - und das nicht nur auf die deutsche NS-Vergangenheit bezogen.

MM: Sie sprachen von Spielwiesen und Tabuzonen. Können Sie veranschaulichen, was damit gemeint ist?

Fikentscher & Neumann: Eine Spielwiese findet sich z.B. im Zusammenhang mit Protesten gegen die so genannten Nazi-Aufmärsche. Diese Proteste sind gewissermaßen erlaubt. Sie finden breite Anerkennung. So wird viel Engagement in Aktivitäten mit Ventilfunktion gebunden. Und Hans Christoph Stoodt, einer der Hauptaktivisten der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt und einer unserer Hauptkontrahenten in der Auseinandersetzung um die Veranstaltung im Club Voltaire, konnte nach einer der unzähligen so genannten Nazi-Aufmärsche (in Friedberg am 7.11.2009) schreiben: „Friedberg hat einen weiteren Punktsieg gegen die Nazis errungen. Entscheidende Erfolgsbedingung dafür war die große Geschlossenheit und Entschlossenheit, mit der die GegendemonstrantInnen auftraten ... von Friedberg lernen heißt siegen lernen!“ Doch das sind Siege auf (künstlich) geschaffenen Nebenschauplätzen. Sie sollen nicht verlassen werden. Und diejenigen, die zum Protest aufrufen, sollen als Demokraten, als die Guten erscheinen. Dass die NPD, die bei vielen Nazi-Aufmärschen dabei ist, geheimdienstdurchsetzt ist, ist bekannt. Wenn wir uns vorstellen, dass solche Parteien und Gruppierungen von den Diensten auch gesteuert sind, wird klar, auf welche Weise die Spielwiesen und ihre Regeln geschaffen werden. Dann wird klar, dass hier Feldversuche "in vivo" durchgeführt werden, die mitunter zu Bürgerkriegsszenarien ausufern und den Spielplanern wichtige Erkenntnisse bringen.

Zur Tabuzone, in die man unter Strafe nicht eindringen darf, wird alles, was außerhalb der erlaubten Spielwiese liegt. Wir sehen es z.B. am Verhalten des erwähnten Anti-Nazi-Aktivisten. Er lässt sich auf Argumente, wie Elias Davidsson und auch wir sie vortragen, nicht ein. Er blendet die Erkenntnis aus, dass die Gefahr nicht in erster Linie von den offen aufmarschierenden "Nazis" ausgeht, sondern von den etablierten Kräften in Regierungen und anderen "etablierten" Organisationen. Als Bildungsbürger baut er sich sein "Glasperlenspiel" und will nicht sehen, dass die eigentlich gefährlichen Kräfte nicht offen mit dem Etikett "Nationalsozialist" oder "Nazi" über die Straße laufen. Sie verstecken sich hinter einem Schleier, den es zu lüften gilt. Denn hinter einem Schleier von Freiheit und Humanität verbergen sich diejenigen, die verantwortlich sind für die Planung und Führung von Kriegen mit hunderttausenden von Toten und für die Anwendung faschistischer Methoden, wie z.B. gegenüber der palästinensischen Bevölkerung. Das ist unser Verständnis von Aufklärung. Wenn überhaupt jemals das Wort "Sieg" angemessen sein sollte, dann allenfalls dann, wenn Faschismus und Krieg besiegt sind.

„Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“ Das haben 1945 KZ-Überlebende geschworen. Das ist ein Grundsatz auch unseres Denkens, der universelle Gültigkeit haben muss. Wenn Kriege der USA oder Israels gerechtfertigt werden – wie es die so genannten Anti-Deutschen tun – dann ist das nicht hinzunehmen. Dann ist das alles andere als "links". Vielmehr ist nachvollziehbar, wenn die Hip-Hop-Band "Die Bandbreite" die Anti-Deutschen als "Faschos" bezeichnet. Nicht nachvollziehbar ist dagegen, wenn jemand, der sich "Antifaschist" nennt, sich über diese Klassifizierung erregt.

MM: Nun gibt es kaum ein Thema, bei dem Sie sich nicht gegen die "Linie" der "Hofberichterstattung", wie wir es nennen, richten, seien es falsche Übersetzungen von Aussagen des iranischen Präsidenten, die Merkwürdigkeit von Haiders Ableben oder Ihre Kritik an Verbrechen, die von Israel begangen wurden bis hin zu Protesten gegen einen G-soundsoviel-Gipfel. Warum glauben Sie nie den "offiziellen" Darstellungen?

Fikentscher & Neumann: Unter der Politik der Oberfläche liegen meist knallharte Strategien, die für den Normalmenschen kaum sichtbar werden und die in der Regel als erschreckend und unvorstellbar abgelehnt werden. So erinnern die Bilder um die angeblich gefälschten Präsidentschaftswahlen im Iran 2009 an die manipulierten Bilder von Unruhen im April 2002 in Venezuela nach dem Umsturzversuch gegen die Regierung von Hugo Chávez. Der Privatsender RTCV hatte Anhängern der Regierung unterstellt, auf „unbewaffnete oppositionelle Demonstranten“ geschossen zu haben (Ekkehard Sieker in "junge Welt", 1.8.2007 über die Finanzierung der NGO Reporter ohne Grenzen).

Wir haben erkannt, dass besonders in Fällen, bei denen es um Fragen imperialer Macht geht, bezüglich der Berichterstattung höchste Vorsicht angebracht ist. Das hat sich wieder und wieder gezeigt. Oft bedarf es nur eines geringen Ausmaßes von Recherche, und es lässt sich erkennen, dass die "offiziellen" Darstellungen in den Medien voller Widersprüche sind, so dass klar ist, dass etwas teilweise oder ganz grundsätzlich nicht stimmen kann.

Zur Zeit begegnen wir in den "offiziellen" westlichen Darstellungen dem US-amerikanischen Präsidenten als der "Lovemark" Obama, der – wie sein Vorgänger – ungebremst die Rüstung vorantreibt, Präventivkriege vorbereitet und dafür sogar den Präventiv-Friedensnobelpreis zugesprochen erhalten hat. Die Erscheinung des heutigen US-amerikanischen Präsidenten ist mit Sicherheit kein "Zufallsprodukt", sondern das leibhaftige Beispiel einer gelungenen Imagekampagne: Eine "Lovemark" ist ein Werbeerzeugnis, „zu dem Verbraucher eine tiefe, bedingungslose Verbindung aufgebaut haben“, inklusive Gefühlen wie „Respekt und Liebe“ (Sieker, w.v.). So hatte Kevin Roberts als Chef der weltführenden Werbeagentur Saatchi & Saatchi vor US-Militärgeheimdiensten bereits 2005 als parallele Version zum "Krieg gegen Terror" den "Kampf für eine bessere Welt" angeraten - mit den gleichen Zielen und den gleichen Waffen versteht sich.

Und erst recht wird klar, dass höchste Vorsicht geboten ist, wenn wir uns das Zusammenspiel von Medien, Nachrichtenagenturen, Nachrichtendiensten, PR-Unternehmen, verdeckt operierenden Menschenrechts- und anderen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und regelrechten staatlichen (Des-)Informationseinrichtungen vor Augen führen. Dann wird klar, wie einfach es ist, in dieses Geflecht – für die Öffentlichkeit fast unbemerkt – Desinformation einzuschleusen. Es reicht aus, wenn eine Menschenrechtsorganisation in Serbien ein Video "findet", um damit das Massaker von Srebrenica zu "beweisen". Es reicht aus, wenn in der so genannten Taliban-Hochburg Kandahar in Afghanistan ein Video "gefunden" wird, auf dem eine Person zu sehen ist, die angeblich Osama bin Laden ist, und dieses Video – ganz offen – vom Pentagon in Umlauf gebracht wird, um zu "beweisen", dass Osama bin Laden für das Verbrechen des 11. September 2001 verantwortlich ist. Es reicht aus, über die weltweit operierenden Nachrichtenagenturen falsche Übersetzungen von Äußerungen des iranischen Präsidenten in Umlauf zu bringen, um dem Iran-Feindbild einen entscheidenden Schub zu versetzen.

MM: Der Ihnen oft vorgeworfene Antisemitismus ist angesichts der Vielzahl von jüdischen Unterstützern wie Thomas Immanuel Steinberg, Evelyn Hecht-Galinski, Abraham Melzer und dem bereits erwähnten Elias Davidson sicherlich nur als haltloses Totschlagargument einzustufen. Wie aber bewerten Sie den Vorwurf des Antizionismus gegen Sie?

Fikentscher & Neumann: In der Tat müssen wir den Vorwurf des Antisemitismus weit von uns weisen. Antisemitismus hieße, Menschen wegen ihrer Herkunft geringer zu schätzen als andere. Das liegt uns absolut fern.

Die Frage ist, ob "realer Zionismus" auch in einer friedfertigeren Variante denkbar ist, als in Form einer rein kolonialen Besatzungsmacht, die sich an keine internationalen Regeln und Gesetze hält. Wenn die gleichen Stimmen, die so selbstverständlich für den mythologisch überlieferten territorialen Anspruch der über alle Welt verstreuten jüdischen Menschen eintreten, auch für die territorialen Rechte beispielsweise der nordamerikanischen Indianer eintreten würden, wäre zumindest der Omnipotenz-Anspruch relativiert.

Der Vorwurf des Antizionismus hat allerdings seine Berechtigung, wenn mit Zionismus eine Politik gemeint ist, die jetzt seit über 60 Jahren von Israel praktiziert wird und die einer Gruppe von Menschen das Recht abspricht, dort zu leben, wo sie geboren und aufgewachsen sind, und sie als Menschen zweiter Klasse betrachtet, sie systematisch ausgrenzt, vertreibt und deren Recht auf Leben mit Füßen tritt. In diesem Sinne gesehen können wir auch die Position des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad teilen, der – vergleichbar der Überwindung der Apartheid in Südafrika – die Überwindung des zionistischen Besatzer-Regimes in Palästina herbeisehnt. Das muss das Ziel eines jeden Humanisten sein. Die Überwindung des Zionismus heißt für uns – ähnlich der Überwindung der Apartheid in Südafrika – nicht Ausgliederung von Menschen zweiter Klasse in Reservate, sondern die Schaffung eines Staates, in dem alle auf seinem Gebiet aufgewachsenen und lebenden Menschen die gleichen Rechte haben.

In der Kritik des derzeitig praktizierten Zionismus sehen wir uns in guter Gesellschaft: da sind die Friedenspreisträger Uri Avnery, Reuben Moskovitz, die Frauen in Schwarz, Felicia Langer, und viele, viele weitere. Mit Gush Shalom existiert eine breite Friedensbewegung im Staat Israel. Aber auch in Deutschland und Europa wirken sehr bemerkenswerte Menschen, darunter der ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinschaft in Schleswig-Holstein, der Psychologieprofessor Rolf Verleger in der Vereinigung "European Jews for a Just Peace" EJJP (europäische Juden für einen gerechten Frieden). All diese friedliebenden Stimmen haben jedoch kaum eine Chance auf Gehör im "Schweigekartell" der deutschen – auch der so genannten öffentlich-rechtlichen – Massenmedien.

Aber auch die "linken" Medien – wir hatten schon erwähnt, dass diese als Organe der Aufklärung umkämpft sind – spielen oft keine rühmliche Rolle. Organe, die teils nach großen historischen Vorbildern benannt sind - nach Vorbildern, die aufgrund ihrer kritischen Äußerungen ins Exil gehen mussten oder im KZ umgekommen sind – blocken ab und verschließen sich, wenn es um Themen geht, die innerhalb der Linken nicht konsensfähig erscheinen. Große Reserviertheit schlug uns z.B. bei einem Artikel entgegen, der sich aus ungewöhnlicher Perspektive mit dem Terror des so genannten "Schwarzen September" bei den Olympischen Spielen 1972 befasst (http://www.arbeiterfotografie.com/israel/index-israel-0021.html). Er hat es nicht in die etablierten Medien, aber auch nur bruchstückhaft in die "linken" Medien geschafft. Ebenso stieß die Veröffentlichung der Erkenntnisse über die Falschübersetzung der Äußerungen Ahmadinedschads oder über den 11. September vielfach auf entschiedenen Widerstand.

MM: Für einen Außenstehenden sind Auseinandersetzungen in der Szene zuweilen etwas unübersichtlich, insbesondere wenn dann auch noch alle Beteiligten behaupten "Linke" zu sein und weitere Schubladen, wie "Antideutsche" oder "Antifaschisten" hinzukommen. Wie kann man das entwirren und wofür - nicht wogegen - treten Sie eigentlich ein?

Fikentscher & Neumann: Die Verwendung dieser Schubladen-Begriffe ist in der Tat ein Problem. Zum Problem werden die Begriffe, wenn sie für einseitige Interessen instrumentalisiert und zweckentfremdet werden. Wenn "antifaschistisch" bedeutet, den Blick fast ausschließlich auf die (eigene) Vergangenheit zu richten, und nicht auf die Verbrechen der Gegenwart, oder nur auf die Verbrechen bestimmter Länder, wird der Begriff zum Bestandteil eines verlogenen Ablenkungsmanövers. Ähnliches gilt für den Begriff "antideutsch". Wenn "antideutsch" bedeutet, die menschenverachtende Politik der USA und Israels zu rechtfertigen, wird klar, dass "Anti-Deutsche" nichts weiter sind als eine Facette im Instrumentarium dieser imperialen Mächte. Auch der Begriff "links" wird pervertiert, wenn sich mit diesem Etikett Kräfte tarnen, die Krieg und andere Formen der menschenverachtenden Politik rechtfertigen.

Aber jenseits der Pervertierung der Begriffe können wir – und damit lässt sich auch die Frage beantworten, wofür wir eintreten – uns selbst durchaus als "links", "antifaschistisch" und auch als "antideutsch" bezeichnen: "links" im Sinne des Strebens nach einer friedlichen, sozialen, gerechten Gesellschaft, "antifaschistisch" im Sinne des Strebens nach einer Welt ohne menschenverachtende Geringschätzung, Unterdrückung und Vernichtung menschlichen Lebens und "antideutsch" im Sinne des Strebens nach einem Staatswesen ohne Großmachtambitionen, sondern vielmehr nach einem Deutschland, das das Wort Frieden nicht nur im Munde führt, sondern auch danach handelt. Damit sind unsere Vorstellungen einer menschenwürdigen Welt zwar nicht allumfassend beschrieben, aber sicher doch im Kern.

In der Auseinandersetzung um den Club Voltaire wurde oft der Begriff "Querfront" bemüht. Wir entdecken eine vielleicht noch weitaus gefährlichere "Parallelfront", d.h. eine Front der Unterwanderer in allen vertrauten "linken" Bereichen - bis hin zur Gründung von (Splitter-)Parteien und "Bewegungen". Namen zu solcher Art Operationen - auch auf dem internationalen Parkett - sind LaRouche und Soros. Es ist zwar bekannt aber - wie üblich - nicht sonderlich verbreitet (Sieker, w.v.) dass der US-Multimilliardär George Soros den osteuropäischen "Umbruch" finanzierte.

In diesen Tagen werden wir Zeuge eines so genannten "Weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltfreiheit", durchgeführt von den "Siloisten" und der nach dem Argentinier Silo gegründeten "Humanistischen Bewegung" (von der deutschen Humanistischen Union als "Anti-Humanisten“ bezeichnet), die auch "Netzwerke" und Parteien betreibt. Welcher normale Mensch, der nicht Vorteile aus dem militärisch-industriellen Komplex zieht, ist denn nicht für Frieden und Gewaltfreiheit? Also findet dieser Marsch breite Beteiligung prominenter und bedeutender ZeitgenossInnen. Der Marsch beruft sich auf Gandhi, verfolgt aber neben dem allgemeinen Bekenntnis zu Frieden und Gewaltfreiheit kaum konkrete Ziele und benennt keine Verantwortlichen für Krieg und Gewalt. So drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um ein weiteres, höchst umfangreiches Feldexperiment handelt.

MM: Bei einem Feldversuch bzw. Feldexperiment scheinen die Beteiligten nicht zu wissen, dass sie daran teilnehmen. Haben Sie weitere Beispiele?

Fikentscher & Neumann: Ja, aber es ist ein Beispiel etwas anderer Art. Von einem "Experiment Demokratie" spricht General Tommy Franks, Kommandant der US-Truppen bei den Überfällen der USA auf Afghanistans 2001 und Irak 2003, in einem Interview im Dezember 2003: „Das Schlimmste was passieren kann, ist eine Verknüpfung zwischen Massenvernichtungswaffen und Terrorismus... Das führt dann dazu, dass die westliche, freie Welt das verliert, was wir am meisten schätzen: die Freiheit, in der wir in diesem großartigen Experiment, das wir Demokratie nennen, ein paar hundert Jahre gelebt haben... Das bedeutet ...ein terroristischer Zwischenfall mit Massen von Opfern irgendwo in der westlichen Welt - vielleicht in den USA - veranlasst unsere Bevölkerung, unsere eigene Verfassung in Frage zu stellen und zu beginnen, unser Land zu militarisieren...“ Daraus lässt sich zum wiederholten Mal erkennen, wie überlebenswichtig es ist, die Hintergründe "terroristischer Zwischenfälle" aufzudecken und zu untersuchen, ob es sich um "False-Flag-Operationen" handeln könnte.

Sollte es also Impfungen gegen kritisches Denken geben, werden diese nicht per Kanüle verabreicht - eher über (elektronische) Kanäle. Wir treten ein, für ein unabhängiges Denken, für echten Journalismus, der ganz selbstverständlich allen Unklarheiten auf den Grund geht, und für die Freiheit der Kunst. Das Beschweigen und die Denk- und Gesprächsverweigerung halten wir für einen Ansatz von Selbstaufgabe. Versuchen wir eine Projektion: im Deutschland der 1930er und 40er Jahre hätte sich trotz der allzeit präsenten NS-Propaganda ein Verbreitungsweg für die Aufklärung politischer Verfolgung, Morde bis hin zur "Vernichtung" Hunderttausender in den so genannten Arbeitslagern gefunden. Wie viele der Menschen, die dieser Gedanke überhaupt erreicht hätte, würden ihn mit dem (zugegeben damals nicht gebräuchlichen Begriff) Verschwörungstheorie abgetan haben? Wie die Realität damals aussah, wissen wir heute. Ein Gedenken zu pflegen, das nicht in der Lage ist, aus diesen schrecklichen Umständen zu lernen, ist fatal.

MM: Selbst wenn sich viele mit solchen Idealen identifizieren könnten, kann der Begriff "Arbeiter" in Ihrem Verband - die Begriffsfindung entstand im Kontext der 20er- und 30er-Jahre als Gegenpol zur damals "offiziellen" Berichterstattung - doch missverstanden werden. Sind Sie z.B. gegen "Selbständige" bzw. ist der Ansatz heute noch zeitgemäß?

Fikentscher & Neumann: Über den Begriff Arbeiterfotografie hat es in der Vergangenheit umfangreiche vereinsinterne Debatten gegeben. Aber seit vielen Jahren sind wir uns einig, dass wir den historischen Bezug nicht aufgeben wollen. Wir knüpfen an dem Verständnis der Arbeiterfotografie der 20er und 30er an, der es darum ging, ein Gegenbild zur etablierten, bürgerlichen Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu schaffen. Das heißt nicht, dass wir ein Verband nur für Arbeiter sind, und auch nicht, dass wir ausschließlich die Interessen von Arbeitern vertreten würden. Um das deutlich zu machen, haben wir uns gewissermaßen einen zweiten Namen gegeben, der den Begriff Arbeiterfotografie ergänzt bzw. erläutert: "Forum für Engagierte Fotografie". So steht es z.B. auf der Zeitschrift, die wir als Verband Arbeiterfotografie herausgeben. Und so haben wir auch unsere Galerie benannt, die wir seit 1990 in Köln betreiben.

Jedes neugeborene Lebewesen hat - gemäß der Gattung Mensch - grundlegende Fähigkeiten. Wie der Weg der Entwicklungsmöglichkeit sich gestaltet, hängt nicht zuletzt von den gesellschaftlichen Bedingungen ab.

Sehen wir ArbeiterInnen als Entwicklungsstufe an, als Keimzelle eines gesamtgesellschaftlichen Wesens, dann ist es von allergrößter Bedeutung, auf die bestmögliche Versorgung und das Wohlergehen der kleinsten Einheit zu achten. Sicher ist es ein uralter Kinder- und Menschheitstraum, ohne Kriminalität, ohne Hass, ohne Hunger, ohne Gier leben zu können. Je weiter die Gesellschaften sich "zivilisieren", desto weiter scheinen diese Ideale in die Ferne zu rücken. Gemäß unserer Verbandssatzung werden wir „dazu beitragen, soziale und politische Konflikte auf gesellschaftliche Perspektiven zu orientieren“ und dabei die „Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Menschen, ihren politischen Kampf, aber auch ihre Persönlichkeit, ihre Ideen und Freuden in den Mittelpunkt stellen“.

MM: Sehr geehrte Frau Fikentscher, sehr geehrter Herr Neumann, wir danken für das Interview.

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