Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Ricarda Lang
 

Muslim-Markt interviewt
Ricarda Lang, eine der Anwältinnen der so genannten Sauerlandgruppe

7.5.2009

Ricarda Lang (Jahrgang 69) kommt aus Oberhausen hat von 1991 bis 1995 Rechtswissenschaften an der FU-Berlin und an der Uni Regensburg studiert. Seit 1997 ist sie Volljuristin und ausschließlich im strafrechtlichen Bereich tätig. Einem breiten Publikum bekannt wurde sie in der täglichen Fernseh-Gerichtsshow "Richter Alexander Hold" in Sat.1. In 2005 schied sie auf eigenen Wunsch aus der Sendung aus.

Seit Beginn ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin ist sie ausschließlich auf dem Gebiet des Strafrechts tätig. Greift der Staat in die Rechte ihrer Mandanten ein, sieht sie die Verteidigung dieser Rechte als ihre wichtigste Aufgabe. Seit vielen Jahren verteidigt sie in strafrechtlichen Großverfahren, Ermittlungsverfahren und Strafverfahren mit politischem Bezug.

Ihre Mandanten kommen zu ca. 90 % aus dem arabischen Raum.

Im so genannten Terrorprozess zur Sauerlandgruppe ist sie die Verteidigerin von Adem Y.

MM: Sehr geehrte Frau Lang, wie kommt eine deutsche Frau dazu, so viele Araber zu verteidigen, haben Sie denn keine Angst vor "Islamisten" und Männern, die ihnen nicht die Hand geben?

Lang: Angst habe ich nicht vor Menschen, sondern vor anderen Instanzen. Wenn sich ein Mandant aus religiösen Gründen daran gehindert fühlt mir die Hand zu geben, dann halte ich es für selbstverständlich dies zu akzeptieren und nicht zu hinterfragen. Ich habe mir im Laufe der Jahre angewöhnt, um meinen Mandanten jegliche Rechtfertigung zu ersparen, abzuwarten ob mir eine Hand entgegengestreckt wird oder nicht. Im übrigen mache ich mir darüber keine Gedanken und ziehe keine Schlussfolgerungen, sondern bin der Überzeugung, dass es jeder so handhaben sollte wie er es gerne möchte.

MM: Im größten Terrorismusprozess der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren verteidigen Sie ausgerechnet einen Angeklagten, der sich geweigert hat vor einem deutschen Richter aufzustehen mit der Begründung, er würde nur vor Allah aufstehen. Hat er denn keine Schwierigkeiten, sich von einer Frau verteidigen zu lassen und steht ihr Mandant wirklich nur vor Allah auf und begrüßt z.B. alle seine Verwandten und Bekannten stets im Sitzen?

Lang: Ich habe schon einige u.a. mutmaßliche Al-Qaida Mitglieder verteidigt, die sich alle ganz bewusst für mich als Verteidigerin entschieden haben. Die meisten meiner Mandanten sind sehr höflich und sprechen mein Geschlecht nicht an. Im übrigen sind meine Mandanten in der Lage zu differenzieren, dass ich nicht als Frau mit ihnen Kontakt habe, sondern im Rahmen meiner Eigenschaft als Verteidigerin. Manche Mandanten wählen auch ganz bewusst eine Frau.

Ich gehe davon aus, dass mein Mandant hinter seiner religiösen Überzeugung steht, was uns allen als Privatpersonen auch einen gewissen Respekt abverlangen sollte. Als Verteidigerin empfehle ich meinem Mandanten selbstverständlich ein anderes Verhalten und mache ihn auf die Konsequenzen aufmerksam. Ich sehe es allerdings nicht als meine Aufgabe an meinen Mandanten in dieser Frage zu “knechten“ oder Druck auf ihn auszuüben, sondern er allein entscheidet. Die Begrüßung von Verwandten und das Aufstehen vor einem Gericht kann meines Erachtens nicht vermischt werden.

Inzwischen wurde auch eine Lösung gefunden: Mein Mandant wird erst immer in den Gerichtssaal hineingeführt, wenn alle Prozessbeteiligten anwesend sind und schon sitzen.

MM: Der zuständige Richter hat aufgrund des demonstrativen Sitzenbleibens eine Ordnungsstrafe von zwei Wochen verhängt. Ist solch eine Strafe rechtlich zwingend notwendig oder hätte er auch anders reagieren können? Und welche "erzieherische" Bedeutung hat solch eine "Ordnungsstrafe" angesichts einer ohnehin schon bestehenden eineinhalbjährigen Untersuchungshaft, weiteren zwei Jahren Untersuchungshaft während des Prozessverlaufs und einer Strafandrohung von über zehn Jahren? Würden dann am Ende noch zwei Wochen rangehängt werden?

Lang: Nein, der Vorsitzende Richter hätte das Verhalten meines Mandanten auch ignorieren können. Das Verhalten des Vorsitzenden zeigt, dass es um einen gewissen Autoritätsanspruch geht. Er will die Oberhand behalten und er gibt mit harter Hand vor wie er gedenkt den Prozess zu führen und zu gestalten. Die Untersuchungshaft wird für die Ordnungshaft unterbrochen. Es wurde bereits mit dem Beschluss der Ordnungshaft die sofortige Vollziehung angeordnet und die Untersuchungshaft unterbrochen. Die Ordnungshaft kann nicht auf eine eventuelle Freiheitsstrafe angerechnet werden, im Gegensatz zu der Untersuchungshaft. Ordnungshaft ist nur bis zu 2 Jahren möglich.

Man sieht an den neusten Entwicklungen, dass ein andere Handhabung durch das Gericht möglich ist. In den Niederlanden hat ein Kollege, Mohammed Enaid, ein Urteil erstritten, indem ihm als Rechtsanwalt und gläubiger Muslim zukünftig gestattet wird, sich nicht mehr zu erheben, wenn das Gericht den Gerichtssaal betritt.

MM: Für den juristisch nicht so versierten muslimischen Beobachter gibt es in diesem Fall einige Geschehnisse, die sie nicht verstehen, weshalb wir um Nachsicht bitten, wenn unsere Fragen zu naiv erscheinen. Ursprünglich galt auch in Deutschland - selbst in solch spektakulären Fällen - die Unschuldsvermutung bis zur rechtskräftigen Verurteilung. Daher wurde z.B. der vollständige Name der Betroffenen geschützt. Aber während wir den Nachnamen Ihres Mandanten nicht ausschreiben, ist er in sämtlichen Medien nachzulesen und wird zuweilen auch schon als Terrorist ohne den Zusatz "mutmaßlich" bezeichnet. Ist die Justiz der medialen Vorverurteilung gewachsen?

Lang: Ich hoffe.

MM: Etwas missverständlich erschien für manche Zuschauer auch der Presseauftritt des Staatsanwaltes vor den Fernsehkameras nach dem Prozessauftakt, da manche Formulierung wie eine Tatsachenbehauptung gegen die Angeklagten erschien, die in dem Prozessverlauf ja erst bewiesen werden soll. Sie selbst verfügen über umfangreiche Medienerfahrungen. Warum gibt es in solch einer Situation kaum eine kritische Stimme, die zu mehr Fairness und Rechtstaatlichkeit selbst gegen Menschen aufruft, die solch schwerer Verbrechen beschuldigt werden? Müsste sich ein Rechtsstaat idealerweise nicht gerade dadurch auszeichnen, das er eben in keinster Weise vorverurteilt, weder medial, noch von Seiten des Richters, noch von Seiten der Staatsanwaltschaft?

Lang: Die Vertreter des Generalbundesanwalt sind aufgrund der Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass es zu einer Verurteilung der Angeklagten kommen wird, daher wurde auch Anklage erhoben.

MM: Ihr Mandant wird u.a. beschuldigt Mitglied einer Terrororganisation zu sein, dessen Existenz selbst seriöse deutsche Sicherheitskreise zumindest anzweifeln. Der Staatsanwalt geht aber einen Schritt weiter und behauptet, dass jene Organisation zudem Verbindungen zu al-Qaida hätte. Müsste nicht erst einmal nachgewiesen werden, dass es jene Organisation tatsächlich gibt und falls das geschehen sollte, wie kann man beweisen, dass jemand nicht Mitglied jener Organisation sei? Wird hier nicht die Beweislast zuungunsten der Angeklagten auf den Kopf gestellt?

Lang: Natürlich muss im Rahmen der Beweisaufnahme nachgewiesen werden, dass die Organisation existiert und sie Kontakte zu AQ hat. Hierbei stellt sich aber auch sofort die nächste Frage: Inwieweit existiert AQ noch im Sinne einer terroristischen Vereingung gemäß §§ 129 a, 129 b StGB.

MM: Eine weitere wichtige Rolle im Verfahren spielen diverse V-Leute, die anscheinend weit mehr als eine unbedeutende Mitläuferrolle eingenommen habe. Nehmen wir einmal an, dass nachgewiesen wird, dass viele der Dinge, die Ihren Mandanten vorgeworfen werden, gar nicht möglich gewesen wären ohne die V-Leute, welche Auswirkungen hätte das auf den Prozessverlauf?

Lang: Sollte nachgewiesen werden, dass durch V-Leute bestimmte strafbare Handlungen ermöglicht oder sogar hervorgerufen wurden, muss sich das auf die Strafzumessung auswirken.

MM: Nach wie vor ist eines des Stützpfeiler der freiheitlichen Grundordnung Deutschlands die Unabhängigkeit der Justiz. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, als wenn hier ein enormer politischer Druck existieren könnte, auch um möglicherweise einige Gesetzesvorhaben durchzubringen. Wie schätzen Sie die Situation diesbezüglich ein?

Lang: Machiavelli hat bedauerlicherweise bereits 1531 empfohlen: “Um die Machtausübung zu bewahren, ist es notwendig, sich zu gewissen Zeiten des Terrors zu bedienen.“

MM: Wie kann sich eigentlich ein aus vergleichsweise einfachen Verhältnissen stammender Mandant eine so renommierte und sicherlich auch nicht kostengünstige Staranwältin leisten?

Lang: Nachdem mein Mandant sich für mich als Verteidigerin entschieden hat, habe ich beantragt, dass ich als Pflichtverteidigerin beigeordnet werde. Dass heißt, dass der Staat meine Pflichtverteidigergebühren bezahlt. Auch in meinem letzten Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (135 Hauptverhandlungstage, Tatvorwurf Mitgliedschaft bei AQ) wurde ich als Pflichtverteidigerin beigeordnet. Hier findet beim Bundesgerichtshof aufgrund der Revision der Verteidiger mündliche Revisionshauptverhandlung statt.

MM: Abschließende Frage: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Verfahren?

Lang: Das best möglichste für meinen Mandanten zu erreichen, denn nur diesem bin ich verpflichtet.

MM: Frau Lang, wir danken für das Interview

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