MM: Sehr
geehrter Bruder im Islam Ahmed Rusznak, in nunmehr 14 Jahren Leben als
Muslim dürfte die wohl am häufigsten gestellte Frage an Sie die sein,
warum sie Muslim geworden sind. Leider können auch wir Ihnen diese Frage
nicht ersparen.
Rusznak: Ja, ich muss Ihnen Recht geben.
Es ist die am häufigsten gestellte Frage in meinem Leben geworden. Also
nach einem Jahrzehnte langem dahinleben ohne Gott, hat sich in mir ganz
langsam die Frage nach dem Sinn des ganzen Daseins gestellt. Es fehlte
ganz einfach etwas. Mir war lange nicht bewusst was das sein könnte und
gerade in dieser Zeit lerne ich Muslime kennen, die mir von Allah,
seinem Gesandten und vieles andere mehr erzählen. Erst einmal ein
orientalisches Märchen für mich, dann aber ... Ich kann es bis heute
nicht erklären, aber irgendwie habe ich mich zu interessieren begonnen,
habe Fragen gestellt, habe mich informiert und, und, und. Das ist
eigentlich die ganze Geschichte, nichts abenteuerliches, eigentlich
nichts besonderes und doch für mein Leben, das größte und beste
überhaupt, Dank der Gnade Allahs.
MM: Wie haben Ihre Verwandten und
Bekannten Ihr neues Bekenntnis aufgenommen?
Rusznak: Einige wenige haben mich für
verrückt erklärt, die meisten haben meinen Schritt aber akzeptiert.
Heute ist mein Glauben und meine Lebenseinstellung in den meisten Fällen
kein Thema mehr.
MM: Heute arbeiten Sie für das "Islamischen
Informations- und Dokumentationszentrum Österreich". Was ist das für
eine Institution und wie wird sie finanziert?
Rusznak: Das IIDZ – Austria ist ein
gemeinnütziger Verein, der als Ansprechpartner für Muslime in allen
Lebensbereichen dient. Integration, Menschen- und Frauenrechte sind uns
ein gewichtiges Anliegen. Unsere Einnahmen aus Spenden, Förderungen,
Mitgliedsbeiträgen und der Halal Zertifizierung gehen zu 100 Prozent in
diese Aktivitäten. Alle Mitarbeiter des IIDZ – Austria arbeiten
ehrenamtlich.
MM: Ein wichtiges Anliegen dabei ist es, das
Angebot an Halal-Produkten für die zunehmende Zahl an Muslimen in
Österreich zu erhöhen. Wie schaffen Sie hierbei eine möglichst breite
Akzeptanz unter Muslimen?
Rusznak: Nach der Vorstellung der ersten
vom IIDZ – Austria zertifizierten Produkte, hat es eine Flut von
Anfragen gegeben. Ein gewisses Misstrauen war zu spüren. Mit der
Beantwortung dieser Anfragen, mit Aussendungen, öffentlichen
Stellungnahmen, mit einer eigenen Website und natürlich mit der
Akkreditierung unserer Organisation in den Vereinigten Arabischen
Emiraten, in Singapur, in Malaysia und in der Türkei haben wir ein
solides Grundvertrauen in unsere Arbeit erreichen können. Die von uns
ausgearbeitete Halal Norm ONR 142000 hat dann auch die letzten Zweifler
überzeugt und unseren guten Ruf als Halal-Zertifizierer bestätigt.
MM: Aktuell arbeiten Sie an einem Projekt
bezüglich "Islamic Banking". Was ist darunter für Österreich zu
verstehen?
Rusznak: Eigentlich ist dieses Projekt
nicht auf Österreich begrenzt. Aber natürlich werden wir vorerst hier im
Land unsere Schwerpunkte setzen. „Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein!“ könnte man bei diesem Projekt beginnen. Neben der Ernährung
gibt und gab es die größten Unsicherheiten im ganz alltäglichen Umgang
mit Geld. Was ist halal, was ist haram? Und hier möchten wir auch mit
einer Islamic Banking Norm Klarheit schaffen. Die Banken sollen und
müssen auf die wachsende Nachfrage nach islamisch korrekten Produkten
reagieren. Sie wollen das auch, nur das „Wie“ war bisher die Hürde. Zum
Wohle unserer Brüder und Schwestern im Islam, versuchen wir, gemeinsam
mit islamischen Autoritäten, Bankfachleuten und mit dem Austrian
Standards Institute, Richtlinien zu erarbeiten. InschAllah!
MM: Könnte solche ein Engagement nicht auch
langfristig Alternativen zu dem zinsbelasteten kapitalistischen System
aufzeigen, das systembedingt so viele Probleme verursacht?
Rusznak: Ganz sicher sogar. Wenn wir uns
die derzeitige Wirtschaftskrise anschauen, muss uns das klar sein.
Hemmungslose Gier, Spekulation mit nichtexistenten Dingen und Waren,
Zinsspiralen und noch vieles mehr. Das System hat klar seine Schwächen
und Grenzen aufgezeigt.
MM: Kommen wir zurück zu Ihren Erfahrungen als
österreichischer Muslim. Sie sind ja Muslim geworden, bevor es Begriffe
wie Islamophobie gab. Wie gehen Sie mit den veränderten
Rahmenbedingungen für konvertierte Muslime um?
Rusznak: Ich bin nicht glücklich mit dem
Ausdruck "Islamophobie". In erster Linie werden die Menschen, also die
Muslime misstrauisch "beäugt". Und daher ist eine ausgeprägte,
muslimische Vorbildfunktion eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein
einwandfreies Zusammenleben. Und hier gibt es noch eine Menge an
Nachholbedarf. Daran müssen wir arbeiten, vielleicht sogar um einiges
härter als andere. Erst wenn wir das geschafft haben wird der Glauben,
also unser Islam, nicht mehr in unsinnige Debatten einfließen. Nehmen
wir die Sure 109:6 des gnadenreichen Koran als Grundlage: „Euch euer
Glaube und mir mein Glaube“. So soll und muss es sein.
MM: Sie reisen auch viel nach Deutschland. Gibt
es einen für Sie spürbaren Unterschied zwischen dem muslimischen Dasein
in Deutschland und Österreich?
Rusznak: Prinzipiell nicht. Die Probleme
aber auch die Möglichkeiten sind identisch.
MM: Was empfehlen Sie heute Menschen, die zwar
von der Faszination des Islam angezogen werden aber Angst haben, von der
Gesellschaft abgelehnt zu werden?
Rusznak: Einfach nicht beirren lassen
und den Glauben nicht als Schutzschild vor sich hertragen. Nur in
unseren Herzen hat der Islam Platz und wenn er dort fest verankert ist,
kann keine Macht der Welt uns beirren.
MM: Sehr geehrter Bruder im Islam Ahmed Rusznak,
wir danken für das Interview. |