MM: Was war
Ihre Motivation zum Schreiben ausgerechnet eines Romans zum Thema
"Terrorismus"? Nickel:
Ich stellte mir schon immer die Frage, was treibt Menschen dazu,
derartig grausame Taten auszuüben. Taten, die so unfassbar sind, dass
das Begreifen der Ausübung schwer fällt. Der heutige Terrorismus ist ja
nicht eine neue Erfindung.
- Es gibt Menschen, die einzig ihre Macht
ausüben wollen und denen jedes Mittel Recht ist, über andere Gruppen
zu herrschen.
- Es gibt Menschen oder Gruppen, die ihre
Weltanschauung, sei es christliche oder rassistischer Natur, Anderen
aufzwingen wollen.
- Die neuerliche Form des Terrorismus könnte
meiner Ansicht nach ein Spiegel ohnmächtiger Hilflosigkeit sein.
Menschen wehren sich gegen etwas. Aber wogegen…?
Wurde in der Antike mit dem Schwert (das
Römische Reich, die Hunnen), später dann mit Kanonen terrorisier (z.B.
Hitler), so ist es heute meine Ansicht nach die demokratische Form, mit
der die Welt erobert werden soll. Hier zählt es nicht, dass ich selbst
die Demokratie für die Momentan beste Form einer pluralistischen
Gesellschaft halte und sie zu meiner Kultur am Besten passt, sondern
dass die Vorgänge als "Segen und Wohlstand" für andere Kulturen verpackt
wird. Hier sollen in erster Linie zum Eigennutz Völker
zwangsdemokratisiert werden, wobei sich dann einer ihrer Machthaber als
Werkzeug benutzen lässt, um für sich selbst einzig Vorteile zu erzielen.
Karsai in Afghanistan ist hierfür das klassische Bespiel. Ich denke,
noch nicht mal die Amerikaner sind so naiv zu glauben, dass dort jemals
eine Demokratie im westlichen Sinn entstehen wird.
Lasst doch die Völker einfach so leben, wie sie wollen, auch wenn ihre
kulturellen Verhaltensweisen und Gesetze für uns suspekt wirken! Wenn
Jene die Demokratie in unserem Sinn wünschen, dann werden sie sich schon
melden. Es mag sein, dass es Kulturen gibt, zu denen eine andere Form
des Zusammenlebens besser passt. Bietet ihnen Hilfe an, und lasst sie
über sich selbst bestimmen. Auch wenn dann im Handel mit ihnen weniger
Profit abfallen sollte. Denn das ist meiner Ansicht nach der Kern des
Problems: Habgier und das Streben nach Wohlstand um jeden Preis! Wir
kaufen billige Nahrung und Kleidung und wissen genau, dass Andernorts
hierfür Menschen ausgebeutet werden! Heuchlerisch wird denen dann
demokratische Hilfe angeboten in der Hoffnung, dass deren Regime für
eigene Interessen genutzt werden können!
MM: Heißt das, sie billigen Terrorismus
als Gegenwehr?
Nickel: Ich billige den Terrorismus und
die grausamen Methoden in keiner Weise. Jene unmenschlichen Gräueltaten
sind für mich ein Zeichen von Kontrollverlust, der den Ausführenden zu
denken geben sollte. Es ist für mich undenkbar, wie sich Menschen noch
gut fühlen können, wenn sie derart Böses tun! Aber man sollte sich
fragen, warum es den Terrorismus eigentlich gibt. Und das war praktisch
der Auslöser dafür, warum ich das Buch „Terror“ geschrieben habe. Ich
wollte mit meinen Schilderungen darstellen, dass kein Mensch als
Terrorist geboren ist, sondern ihn die Umstände dazu getrieben haben.
Und die Hauptschuld dafür trägt die Politik und die Habgier der
westlichen Welt. Dass sich daran etwas ändern könnte, dafür ist für mich
Barack Obama ein wirklicher Hoffnungsträger. Ich hoffe sehr, dass er den
Dialog zu seinen Gegnern sucht. Noch nie ist ein Krieg auf der Welt
gewonnen worden, sondern immer nur Schlachten. Und auch der Terrorismus
wird nicht zu besiegen sein, genauso wenig, wie der Terror siegen wird.
Im Grunde wissen das beide Seiten und darum wird es Zeit, dass man
miteinander redet. Das ist der einzige Weg!
MM: Aber unter einem Jahr Obama sind
mehr Kriege geführt worden als unter Bush, mehr US-Soldaten eingesetzt
worden, mehr Waffen versendet worden und Guantanamo steht auch noch. Wird
es nicht an der Zeit zu erkennen, dass das Problem nicht an
Einzelpersonen hängt sondern Systembedingt ist?
Nickel: Ich bin überzeugt davon, dass
das Herz Obamas es ehrlich meint, jedenfalls relativ ehrlich. Er hatte
eine riesengroße Last übernommen und sich sicherlich selbst überschätzt.
Er stößt an Grenzen und auf interne Widerstände, die er in diesem Umfang
wohl nicht erwartet hatte. Aber er hat jedoch eindeutig gezeigt, dass er
Willens ist und den Dialog sucht. Ein Zeichen des guten Willens der
Gegenseite wäre jetzt sicherlich nicht schlecht. Es wäre schade und für
Obamas interne Gegner geradezu Wasser auf die Mühlen, wenn nun von den
Seiten des Gegenübers das Gefühl entsteht, dass Diese den Frieden und
das Gespräch gar nicht wollen. Ein Mühsam begonnener Prozess wäre zu
Ende, bevor er überhaupt begonnen hatte. Die neuerliche Attacke des
missglückten Terroranschlages in den USA ist jedenfalls das falsche
Signal! Es liegt sicherlich nicht an den grundverschiedenen Systemen der
Seiten sondern an der gegenseitigen Achtung und dem respektvollen Umgang
der unterschiedlichen Systeme, deren Akzeptanz und Toleranz sowie der
Einsicht, den Anderen weder ändern noch besiegen zu können.
MM: Dazu wäre zwar noch Einiges zu
entgegnen, aber kommen wir zu Ihrem Buch. Was können Sie uns über den Inhalt
des Bucher verraten, ohne die Spannung des Lesers zu mindern?
Nickel: Ein gehasster Mensch wird am
Ende geliebt. Ein Terrorist opfert sein Leben, um ein Mädchen jüdischer
Abstammung zu retten. Er stirbt in ihrem Schoß und ihn umspült dabei
Glück. Die Botschaft dieses Buches sollte sein: Liebe ist stärker als
Hass und gewinnt am Ende immer!
MM: Haben Sie selbst denn keine Angst
vor einem "Islamistischen Terroristen" in Ihrer Gegend?
Nickel: In der Region, in der ich mit
meiner Familie lebe, ist eigentlich weniger vom Terror betroffen. Ich
habe eher etwas Sorge, dass ich für meine offenen und ehrlichen Worte,
die einzig von Liebe und Frieden zeugen, von verblendeten Fanatikern
attackiert werden könnte. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ich durch
meinen Kontakt und den Dialog mit der muslimischen Kultur den
Bundesverfassungsschutz auf mich aufmerksam gemacht habe. Ich will ja
nichts unterstellen, aber Jener, der sich in diesem Bereich "tummelt",
der könnte in dem Bereich "Generalverdacht" eingeordnet werden.
Vielleicht geschieht es ja schon, dass ich im Übereifer unter dem
"demokratischen Aspekt" abgehört und überwacht werde.
Eher Sorge bereitet mir die Verwahrlosung der Menschheit. Wenn man die
Evolutionstheorie nach Charles Darwin zugrunde legt, wo sich alles in
der Natur durchsetzt und vermehrt, was zweckmäßig ist und dem Überleben
dient, und ich dann gleichzeitig an die Verkommenheit von Gierbankern,
Politikern, die nur an Eigennutz denken, ermisst, dann wird mir Angst
und Bange. Wenn sich diese Spezies des Bösen in der Entwicklung
durchsetzt, dann gute Nacht! Doch mein Glaube daran, dass das Gute
letztendlich siegt, beruhigt mich ungemein.
MM: Vor diesem Buch haben Sie sich mehr
auf das Thema "Behinderung" konzentriert. Wie geht Ihrer Meinung nach
die Gesellschaft mit Behinderten um?
Nickel: In allen Bereichen des Lebens
gibt es starke und schwache sowie gesunde und kranke Individuen. Im
Gegensatz zum Tier- und Pflanzenreich hat uns Menschen der Schöpfer mit
Fähigkeiten ausgestattet, die uns von den Anderen abheben. Warum Er das
getan hat, darüber lässt sich spekulieren. Doch dass Er es getan hat,
muss seinen Sinn haben. Auch die Möglichkeit, geistige Werte zuzuordnen
und damit umzugehen muss seine Bedeutung haben. Ob in der
Naturwissenschaft oder in der Physik oder sonst wo gibt es nichts, was
nicht irgendwo her kommt und einen Ursprung hat. Insofern hat der Mensch
auch die Fähigkeit, sich um Schwache und Kranke zu kümmern.
Ich bin mir sicher, jeder Schwache und Kranke ist nicht gern schwach und
krank. Und anstatt dankbar für die Gnade des normalen Daseins zu sein,
weicht die Gesellschaft oftmals behinderten und psychisch kranken
Menschen aus, nur weil sie etwas anders aussehen oder sich anders
verhalten, als der "Normale". Ich habe unter geistig Behinderten viele
nette Menschen kennengelernt. Dies war jedoch nur deshalb möglich, weil
ich mich für sie öffnete. Meine Vision ist es, das schwach, psychisch
krank oder Behindertsein von der Gesellschaft als Normalität akzeptiert
wird. Dass uns der Schöpfer diese Möglichkeit gegeben hat ist etwas, was
die Menschen dazu nutzen sollten, sich weiter zu entfalten.
MM: Kann es sein, dass eine gewisse
Dosis Unwissenheit verantwortlich für Ängste der Gesellschaft in so
unterschiedlichen Bereichen wie Behinderung oder Terrorismus ist, obwohl
beide Themen nichts miteinander zu tun haben?
Nickel: Unwissenheit führt immer dazu,
dass der Mensch scheu ist und ausweicht. Fremdes ist immer mit Angst
verbunden. Angst, Ungewohntes könnte einem Nachteile bringen, einen
ratlos machen oder einem Mehrarbeit aufladen. Dabei ist es doch so
einfach, diese Unwissenheit in Wissen und Information umzugestalten. Man
braucht sich nur zu öffnen.
Es gibt eine Vielfalt von religiösen Richtungen, die alle ihre eigenen
Methoden und Rituale entwickelt haben, Gott zu würdigen. Anstatt sich zu
bekriegen und die eigenen Lehren als die einzig Wahren zu halten, sollte
man sich besser achten und voneinander profitieren. Man stelle sich
einmal vor: Der Eskimo möchte dem Eingeborenen im Dschungel plötzlich
seine Kultur, Denkweise und Methoden aufzwingen. Wäre doch echt witzig
oder…? Also lasst den Eskimo Eskimo sein und den Eingeborenen das, was
er ist und denkt. Die Methoden und Rituale hat nun mal jede Kultur für
sich selbst passend gemacht. Was natürlich nicht heißen soll, dass man
sich nicht über den Anderen informieren sollte. Macht aus Unwissenheit
Wissen über das Andere und akzeptiert es!
MM: Ihre Vorstellung stößt aber dort auf
Grenzen, wo Kulturen aufeinander treffen. Und das ist in einer
globalisierten Welt fast überall der Fall. Wie sollen denn Kopftuch
tragende Muslimas und Nichtmuslims in Deutschland, die Angst vor der
Kopftuch tragenden Frau haben, miteinander umgehen?
Nickel: Aus witterungsbedingten
Umständen hatte schon meine Mutter ein Kopftuch getragen. Erst das
künstlich Hochspielen und gewisse Verbote jenes Tuches haben das Ganze
doch erst unnötig ins Gespräch gebracht. Aus Normalität ist plötzlich
ein Kleidungsstück geworden, das zur Abgrenzung und zum Aufbau von
Vorurteilen und Ängsten geworden ist. Von meiner Tochter weiß ich, dass
in der Schule junge Muslimas, die sich einst nabelfrei und mit
Bauchpiercings zeigten, nun Kopftücher tragen. Einzig, weil es nun mit
Verboten umgeben ist. Und das alles von übereifrigen Politikern, die
sich gern ins Gespräch bringen, ausgelöst. Meiner Ansicht nach kann sich
jeder Mensch kleiden, wie es ihm gefällt, so lange er dadurch Andere
nicht belästigt oder verletzt. Und wenn dadurch Jemand seine Anschauung
zeigt, so ist das völlig in Ordnung. Wenn ein Mensch so einem Kopftuch
etwas Derartiges andichten möchte, dass es verboten werden sollte, so
sollte er seine Denkweise auf den Prüfstand stellen.
MM: Was sind ihre nächsten Projekte?
Nickel: Ich habe bereits zwei weitere
Romane vollendet. Ich denke mal, dass sie in absehbarer Zeit erscheinen
werden. Eine Vision von mir ist, dass sich einmal ein türkischer Verlag
findet, der das Buch "Terror" übersetzt und veröffentlicht, da ich eine
freundschaftliche Beziehung zur Türkei empfinde. Meine Frau und ich
waren schon oft da und hatten uns nie wohler gefühlt als dort.
MM: Herr Nickel, wir danken für das
Interview.
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