MM: Sehr
geehrte Schwester im Islam Tina Zeynab, wir fangen mit der Frage an, die
Sie wohl am häufigsten beantworten müssen. Wie findet eine 17-jährige
Katholikin zum Islam?
Slawinski-Hussain: Ich habe mich bereits
früh für meine Religion (damals die christliche) interessiert. Im Alter
von zwölf Jahren habe ich durch eine muslimische Klassenkameradin die
Gemeinsamkeiten beider himmlischen Religionen erkannt, doch war Jesus
(a.) für mich zu jenem Zeitpunkt, der letzte für mich greifbare Prophet.
Während der intensiven Auseinandersetzung mit meinem Glauben, die
sicherlich in meinen polnischen Wurzeln begründet liegt, habe ich
während des Abiturs Alt-Hebräisch bei einem Pastor gelernt. Beim
Übersetzen der Bibel und der privaten Lektüre des Qu'ran habe ich mich
immer mehr zur Sprache und zur Beziehung Allahs zu den Menschen
angezogen gefühlt. Innerlich hat mich dies aber sehr verwirrt, denn ich
hatte Gott gegenüber zwar keine Bedenken, denn dieser war der Selbe, dem
ich durch den Qu'ran lediglich noch näher gekommen bin.
MM: Sie hatten doch schon vorher eine
Beziehung zu Jesus und Maria ...
Slawinski-Hussain: Ja das stimmt.
Allerdings musste ich meinen Glauben an Jesus (a.) überdenken und habe
mich dann mit dem Siegel aller Propheten Muhammad (s.)
auseinandergesetzt. Doch trotz der intensiven Auseinandersetzung mit
dieser mich damals bereits faszinierenden Person konnte ich keinen
emotionalen, persönlichen Zugang zu ihm erlangen. Durch einen
schiitischen Klassenkameraden habe ich dann die Geschichte von Imam
Husain (a.) und seiner tapferen Schwester Zeynab (a.) gehört, welche
mich so gerührt und bewegt hatte, so dass ich wissen wollte, wer dieser
Imam Husain (a.) war, und anschließend wer die weiteren Mitglieder der
Prophetenfamilie Ahl-ul-Bait (a.) waren. Diese vortrefflichen,
gottesfürchtigen, reinen und gerechten Menschen haben mir durch ihre
Liebe zum Propheten (s.) eben diese Liebe vorgelebt. Es dauerte keine
zwei Tage, und einen aufrüttelnden Traum, nachdem ich die Geschichte
Imam Husains (a.) in Kerbela hörte, bis ich das Gebet erlernt hatte und
das islamische Glaubensbekenntnis gesprochen habe.
MM: Wie haben ihre Verwandten und Freude
reagiert?
Slawinski-Hussain: In der heutigen Zeit,
in der der Islam durch die Medien mehr als nur verteufelt wird, ist es
nicht verwunderlich, dass meine Familie und Freunde mit meinem Übertritt
zum Islam durchaus ihre Probleme hatten. Dabei spielten aber auch
kulturelle bzw. traditionelle Sichtweisen eine immense Rolle. Dennoch
kann ich heute nach nunmehr sieben Jahren als Muslima sagen, dass
zumindest meine engere Familie mich unterstützt und hinter mir steht.
Sicherlich gibt es immer noch Missverständnisse oder auch Unverständnis
für die einen oder anderen Sachen, doch haben sie sich mittlerweile an
meine Entscheidung gewöhnen müssen. Durch meine Entscheidung das
Kopftuch zu tragen, haben sich dann zunächst die Probleme in meinem
Umfeld wieder verschärft, doch mit der Zeit haben auch diese sich zum
größten Teil gelegt. Was meinen Freundeskreis anbelangt, muss ich sagen,
dass viele meine Entscheidung damals nicht verstanden und den Kontakt zu
mir abgebrochen haben. Ganze zwei Freundschaften sind aus dieser Zeit
geblieben, dennoch bin ich sehr dankbar, wie sich mein Leben seither
entwickelt hat. Heute bin ich gesegnet mit Freunden und Geschwistern,
die mich auf meinem Weg unterstützen und meine Entscheidungen mittragen
und mich so nehmen wie ich bin.
MM: Einmal abgesehen von den religiösen
Motiven, stellt es nicht eine unglaubliche Umstellung für eine
Jugenddamensauswahlspielerin im Fußball dar, mit allen diesen Dingen zu
brechen? Was würden Sie Mädchen in ähnlichen Situationen mit ähnlichen
Konflikten empfehlen?
Slawinski-Hussain: Ich habe bereits vor
meiner ‚Konvertierung‘ zum Islam aufgehört Fußball zu spielen. Zum einen
waren es körperliche Gründe, die mich dazu bewegten mich aus dem
Leistungssport zurückzuziehen, zum anderen lag es daran, dass ich nur
bei der Auswahl in einer Frauenmannschaft gespielt hatte, doch im Verein
eine Sondergenehmigung von DFB hatte, die mir erlaubte, zwei Jahre
länger mit den Jungen in der C-Jugend zu spielen. Diese Tatsache führte
immer mehr dazu, dass ich mich unter den heranwachsenden Männern während
des körperlichen Duells zunehmend unwohl gefühlt habe, was zu der
Entscheidung führte mit dem Fußball aufzuhören.
MM: Und wie stehen sie heute zu
Damenfußball?
Slawinski-Hussain: Es ist noch nicht
allzu lange her, dass die iranischen Frauenfußballmannschaft wegen des
Tragens des Hidschabs aus dem Wettbewerb disqualifiziert wurde, doch
mittlerweile erlaubt die FIFA das Tragen des Hidschabs und auch die
Iranische Mannschaft ist wieder bei den Wettbewerben zugelassen. Und von
einer Freundin weiß ich, dass sie als junges Mädchen liebend gern
Fußball spielen wollte, doch dass sie wegen ihres Kopftuches nur im Tor
stehen durfte, was sie sehr deprimierte. Meines Erachtens nach ist der
Rahmen, in dem Fußball stattfindet, zum Teil nur schwer mit den
islamischen Moralvorstellungen zu vereinbaren. Trinkgelage und eine
aggressive Stimmung während und nach den Spielen sind nicht nur
Phänomene im Männersport. Deshalb wäre es doch mal eine Idee, eine
muslimische Frauen-Fußballmannschaft zu gründen. Sportlicher Erfolg und
auch der Mannschaftsgeist sind so wichtige Erfahrungen, die ich machen
konnte, die mir bis heute noch bei Gruppenarbeiten oder auch Arbeiten im
Vorstand helfen. Wenn der Rahmen also nicht passen sollte, dann muss man
sich selber einen geeigneten Rahmen schaffen und nicht kleinbei geben.
MM: Wie kam es zu der Gründung des
Islamischen Hochschulbundes Bremen (IHB)?
Slawinski-Hussain: Der IHB ist aus der
Not entstanden. Wir Frauen haben an der Uni Bremen das große Glück den
Frauenraum als Raum für das tägliche Gebet und Rückzugsort nutzen zu
können. Den Männern hingegen blieb für das Verrichten der Pflichtgebete
ein kahles, dreckiges und kaltes Treppenhaus im vierten Stock eines
Gebäudes der Uni. Nicht nur das dies kein geeigneter Ort ist, um sich
Allah zu nähern, es wurden ihnen auch mehrmals die Gebetsteppiche
entwendet. Im Winter war es eiskalt und bei Dunkelheit ging das Licht
nach wenigen Minuten aus. Anfragen beim Rektor der Uni von
Einzelpersonen haben nichts genützt, sodass sich anfangs eine handvoll
Muslime dazu entschlossen hatten, Unterschriften zu sammeln. So kamen
immer mehr Geschwister zusammen, die gemeinsam diese Situation ändern
wollten. Zum Wintersemester 2012/2013 wurde schließlich in Kooperation
mit den christlichen Hochschulgruppen und dem International Office der
„Raum der Stille“ in einem der Hauptgebäude der Uni Bremen eröffnet, der
nun, liebevoll gestaltet, die Möglichkeit bietet sein Gebet zu
verrichten.
MM: Welche Aufgaben haben Sie in der
Schura Bremen?
Slawinski-Hussain: Die Schura Bremen
vertritt die Belange der Muslime im Lande Bremen. Ich persönlich möchte
vor allem die Belange der muslimischen Frauen klären. Außerdem
beschäftige ich mich mit den Bereichen Bildung, Soziales und Jugend. So
suchen wir bei Problemen in den Schulen den direkten Kontakt zu den
Senatoren und deren Vertretern. In dem Bereich Öffentlichkeit übernehme
ich organisatorische Aufgaben und bereite gemeinsam mit meinen Kollegen
Veranstaltungen etc. vor.
MM: Beruflich bereiten Sie sich auf eine
Lehrtätigkeit vor. Glauben Sie denn, dass Sie in Deutschland mit
Kopftuch lehren werden dürfen?
Slawinski-Hussain: Ich hoffe es
inständig.
MM: Und was ist, wenn Deutschland
diesbezüglich weiterhin stur bleibt?
Slawinski-Hussain: Dann müssen wie
Alternativen schaffen oder Alternativen finden. In Österreich ist es
ohne Probleme möglich als Lehrerin, gar als Dozentin an der Uni das
Kopftuch zu tragen, weshalb sollte es hier nicht auch möglich sein?
Beide Gesellschaften sind sich sehr ähnlich und alle Bedenken, die in
Deutschland diesbezüglich herrschen, werden dort widerlegt. Zudem gibt
es in Österreich auch islamisch geprägte Schulen, von denen eine sogar
Interesse an einer Zusammenarbeit mit mir gezeigt hat. Dennoch bin ich
der Meinung, dass wir hier in Deutschland alles versuchen sollten, um
Frauen mit Kopftuch das Lehren zu ermöglichen (in einigen Bundesländern
ist dies ja durchaus möglich). Es gibt so viele intelligente, motivierte
junge Frauen mit Kopftuch, die wie ich auf Lehramt studieren. Wir sind
Teil dieser Gesellschaft und möchten dieser Gesellschaft etwas
zurückgeben. Will dieser Staat wirklich gut ausgebildete Akademikerinnen
verlieren und diese entweder unterdrücken oder dazu drängen
auszuwandern? Und ohne Zweifel brauch diese Gesellschaft uns mehr denn
je.
MM: So ganz nebenbei sind sie auch
Mutter. Wie bekommen sie es hin, dass sie neben dem Studium und den
vielen islamischen Aktivitäten auch noch ein Kind erziehen, bzw. worauf
ist Ihrer Meinung dabei zu achten?
Slawinski-Hussain: Ich würde sagen, ich
bin vor allem Mutter! Ein Kind haben zu dürfen, es aufwachsen zu sehen
und zu versuchen es zu einem gerechten und selbstbestimmten Menschen zu
erziehen ist eine Lebensaufgabe, in die man erstmal hineinwachsen muss.
Daneben bin ich aber noch so vieles andere, und genau das ist wichtig,
denn eine Frau ist so vieles mehr. Sie ist Vorbild, Unterstützerin,
Ehefrau, Mutter, Tochter, Managerin usw.
Es ist nicht immer einfach alles unter einen
Hut zu bekommen, da bedarf es viel Organisationsgeschick und
Arbeitsteilung. Ich habe Gott sei Dank einen ebenso aktiven Mann, der
mich zu all meinen Aktivitäten ermutigt und mich in jeglicher Hinsicht
unterstützt. Gemeinsam legen wir unsere Zeitpläne so, dass unser Kind
immer von einem von uns versorgt wird. Außerdem mache ich all das, was
ich tue, auch im Hinblick auf mein Kind. Ich will ihr ermöglichen, dass
sie in einer gesunden Gesellschaft leben kann, in der sie aktiv
mitwirken kann.
MM: Schwester Tina Zeynab, wir danken
für das Interview. |