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Interview mit Paul Schreyer


Muslim-Markt interviewt
Paul Schreyer - Buchautor und Journalist

18.2.2014

Paul Schreyer, Jahrgang 1977, ist freier Journalist, unter anderem für die Magazine "Telepolis" und "Global Research". 2006 veröffentlichte er sein erstes Buch zusammen mit seinem Vater, dem Schriftsteller Wolfgang Schreyer: "Die Legende - Was am 11. September geschah", ein Roman mit 80-seitigem Faktenanhang. Seither erschienen von ihm zwei weitere Sachbücher zum Thema 9/11, zuletzt im Jahr 2013 "Faktencheck 9/11 - Eine andere Perspektive 12 Jahre danach". Der Muslim-Markt ist auf ihn aufmerksam geworden durch seinen Telepolis-Artikel: Die Dimension der Lüge.

Herr Schreyer lebt in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee.
(Foto mit freundlicher Genehmigung von paul-schreyer.de)

MM: Aus der Tatsache, dass Sie zusammen mit Ihrem Vater ein Buch geschrieben haben, vermuten wir, dass Sie ein gutes Verhältnis zu ihm haben und sicherlich sowohl über die Weltkriege als auch über das DDR-Leben viel von ihm erfahren haben. Was haben Sie aus der DDR-Zeit mitgenommen?

Schreyer: Zunächst das Wissen um politische Zensur und um die Arbeitsweise von Geheimdiensten gegenüber missliebigen Oppositionellen. Meine Eltern wurden beide massiv von der Stasi bespitzelt, unser Telefon wurde abgehört. Mit diesem Hintergrund ist man sensibler gegenüber aktuellen Missständen.

MM: In Ihrem Artikel "Die Dimension der Lüge" enden sie mit der erstaunlichen Bemerkung: "Der Ausweg - Abkehr vom Lügen - ist weniger einfach als er klingt. Denn er erfordert zugleich nichts weniger als einen Systemwechsel. Es kann nicht fortan einfach die Wahrheit gesagt werden, das ökonomische System zugleich aber beibehalten" ... Ist denn ein Systemwechsel in der Dimension, wie Sie es beschreiben ohne Revolution oder Weltkrieg überhaupt denkbar?

Schreyer: Entscheidend ist, dass sich zunächst einmal innerhalb der Gesellschaft darüber verständigt wird, wie ein besseres System überhaupt gestaltet werden kann. Das muss ja erst einmal debattiert werden, in einem großen öffentlichen Rahmen. Und diese Debatte gibt es überhaupt erst in Ansätzen. Der gesellschaftliche Diskurs, so wie er in den großen Medien abgebildet wird, ist immer noch von einer Fülle von Tabus und Denkverboten begrenzt, die jede echte Veränderung unmöglich machen.

MM: Ein Bewusstseinswandel ist in weiten Teilen der westlichen Welt, insbesondere auch in Deutschland, derzeit zumindest nicht absehbar. Fast jeder weiß, dass ein Hochhaus (World Trade Center 7) nicht durch einen Brand derart in sich zusammen fallen kann, und fast jeder könnte sich denken, dass zuvor Sprengstoff angebracht worden sein muss, aber niemand traut sich derartige Gedanken zu Ende zu denken. Sie haben sehr ausführlich darüber recherchiert und geschrieben. Haben Sie denn auch festgestellt, dass es ein Widerstandspotential gibt, all diese Lügen nicht mehr hinzunehmen?

Schreyer: Man spürt zumindest, dass ganz allgemein der Unmut zugenommen hat. Auch wenn sich das bislang nur in der virtuellen Welt der Internetforen äußert - der Zorn gegenüber immer mehr Lügen in Politik und Medien ist real. Zu World Trade Center 7, dem dritten Turm, der am 11. September 2001 in Manhattan einstürzte, ist zu sagen, dass sehr viele Menschen eben tatsächlich noch nie davon gehört haben. Die begründete Skepsis bei 9/11 ist ja weiterhin eines der großen Tabus in den Medien. Richtig ist aber auch, dass der Druck, die Anschläge neu zu untersuchen, zunimmt. In den USA, um mal ein Beispiel zu nennen, gibt es seit dem vergangenen Jahr eine professionell organisierte Informationskampagne, finanziert über Spenden, namens "ReThink 9/11". Die Kampagne hat 2013 in vielen großen Metropolen weltweit Plakatflächen angemietet, um dort öffentlichkeitswirksam über den ungeklärten Kollaps des dritten Turms zu informieren. Es geht zunächst um solide Information, wie sie viele große Medien bei diesem Thema ihrem Publikum leider verweigern.

MM: Sie wollten mit Ihren Büchern über 9/11 eine öffentliche Debatte hier in Deutschland anregen, zumal die Anschläge noch immer als Rechtfertigung für viele umstrittene politische Entscheidungen, von Afghanistan bis zur inneren Sicherheit dienen. Warum ist solch eine Debatte so schleppend im Gang?

Schreyer: Versetzen Sie sich einfach einmal in einen etablierten Journalisten, sagen wir beim ZDF oder beim SPIEGEL oder der ZEIT. Wenn einer von denen sich plötzlich hinstellen würde und sagt, man solle 9/11 neu untersuchen, dann müsste er ja auch zugleich erklären, warum ihm das erst jetzt, nach über zwölf Jahren einfällt. Warum er so lange geschwiegen und vielleicht sogar Lügen verbreitet hat. Es steht sicher 100 zu 1, dass derjenige dieses Thema lieber für den Rest seines Lebens zur Seite schiebt - oder eben die Gegenseite sogar verleumdet. Das gleiche gilt natürlich für Politiker. Sicher ist für eine echte öffentliche Aufarbeitung von 9/11 auch ein Generationswechsel nötig.

MM: Bei den jüngsten Entwicklungen in der Politik wird der Anschlag 9/11 gar nicht mehr benötigt. Deutschland wird jetzt auch in Afrika, im Mittelmeer und Teilen Asiens "verteidigt", ganz ohne dass es eine Bedrohung für Deutschland aus diesen Ländern gäbe. Und die große Koalition - immerhin von mehr als zwei Dritteln der Wähler gewählt, marschiert im Gleichschritt. Was können wir alle gemeinsam tun, um für ein friedvolles Deutschland einzutreten?

Schreyer: Man sollte immer wieder an den Wortlaut des Grundgesetzes erinnern, wonach die deutschen Streitkräfte ausschließlich "zur Verteidigung" aufgestellt werden, wie es dort im Artikel 87a deutlich heißt. Dieses Prinzip verbietet ja schon per Definition einen Auslandseinsatz, denn verteidigen kann man nur dort, wo ein Nachbar die eigenen Landesgrenzen übertritt.

MM: Aber das ist kaum noch relevant ...

Schreyer: Kurz nach dem Mauerfall in den 90er Jahren wurde das in der Praxis aufgeweicht mit den ersten "Out of Area"-Einsätzen der Bundeswehr, den so genannten "humanitären Missionen". Seither heißt es, man würde den Schutz der Menschenrechte anderswo verteidigen, Brunnen bohren in Afghanistan etc. Die ganze Argumentation dieser angeblichen "Schutzverantwortung" krankt aber schon an ihrer Selektivität. Denn es sollen ja eben nicht in allen Ländern gleichberechtigt die Menschenrechte geschützt werden, sondern nur in denen, die dem westlichen Militärbündnis als Feinde gelten. Und zum Feind wird in der Regel, wer ökonomisch oder geostrategisch bedeutsam ist, mit diesem Bündnis aber nicht so zusammenarbeitet, wie man sich das dort vorstellt.

MM: Deutschen wurde Jahrzehntelang eingeredet, dass sie die Erben der Bösen seien, was nicht unbedingt zu einer Hochstimmung im Volk geführt hat. Jetzt kommen Politiker daher und sagen: "Wir sind die Guten", um Soldaten überall in die Welt zu entsenden und beim weltweiten Machtpoker mitzumischen. Ist es da so unverständlich, dass die Bevölkerung sich einlullen lässt? Wie können wir Deutsche das Gefühl von "Güte" in uns entwickeln, ohne die Verbrechen des Imperialismus mitzutragen?

Schreyer: Indem wir versuchen, mögliche Manipulationen zu erkennen. Das erwähnte Prinzip der "Schutzverantwortung", im englischen "Responsibility to Protect", sollte sehr kritisch diskutiert werden. Im Kern ist es ein politischer Marketingbegriff, mit dem militärische Interventionen zu einem Akt der Menschenliebe umgelogen werden. Mancher wird es überhört haben,

MM: ... doch sicher nicht der Bundespräsident ...

Schreyer: ... aber selbst Bundespräsident Gauck hat sich in seiner umstrittenen Rede kürzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz so geäußert. Gauck sagte dort, ich zitiere einmal wörtlich (Bundespraesident.de): "Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Konzept der Schutzverantwortung im Grundsatz anerkannt. Trotzdem bleibt es umstritten, und die internationale Diskussion geht weiter. Das ist gut so, denn es gilt, den potentiellen Missbrauch des Schutzkonzepts zu expansionistischen oder gar imperialen Zwecken auszuschließen." Eben darum geht es. Nur dass das, was Gauck hier als "Missbrauch" bezeichnet, für die großen Player der eigentliche Zweck des ganzen Konzeptes ist. Wer das versteht, der lässt sich auch nicht mehr so leicht von politischen Phrasen einfangen.

MM: Und warum verstehen es so wenige Bundestagsabgeordnete?

Schreyer: Gute Frage. Die sollte man vielleicht einmal an diejenigen, zum Beispiel im Auswärtigen Ausschuss, direkt richten. Für die kann ich nicht sprechen. Fakt ist zumindest, dass die Frage der "Schutzverantwortung" bislang kein großes Thema in der Öffentlichkeit ist. Die Debatte findet im Hintergrund statt, auf Fachkonferenzen, in Denkfabriken und Lobbygruppen. Da wird das aufbereitet und die meisten Abgeordneten bekommen dann nur die Ergebnisse zu sehen. Bei der Frage "Was weiß ein Abgeordneter" sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Als ich vor zwei Jahren zum Beispiel an einer Recherche zur Funktionsweise des Geldsystems arbeitete und dazu auch eine ganze Reihe von Fachpolitikern aus dem Finanzausschuss des Bundestages persönlich befragte, von CDU, SPD, FDP, der Linken und den Grünen, da gab es kaum eine Handvoll, die wussten wie Geldschöpfung und Kreditvergabe tatsächlich funktionieren. Und die saßen schon im Finanzausschuss. Das soll aber keine billige Politikerschelte sein. Den Schuh müssen sich alle anziehen, die irgendwie in der politischen Öffentlichkeit auftreten - gerade auch die Journalisten.

MM: Was ist Ihre Zukunftshoffnung diesbezüglich und woran arbeiten Sie?

Schreyer: Information. Ich hoffe, dass Information etwas bewirken kann. Und ich arbeite daran.

MM: Herr Schreyer, vielen Dank für das Interview.

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