Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit V. Tschapke
 

Muslim-Markt interviewt
Volker Tschapke - Präsident der Preußischen Gesellschaft Berlin Brandenburg
2.11.2015

Dipl.-Ing. Volker Tschapke ist 1947 in Iserlohn geboren. Nach Abitur und Wehrdienst (Leutnant d. R.) studierte er an der Universität Braunschweig Bauwesen und schloss sein Studium zum Dipl.-Ing. 1975 ab. Seither arbeitet er beruflich im Bereich des Bauwesens und ist bis heute beratend tätig. Er wirkt in zahlreichen Beiräten, Vorständen, Fachausschüssen und Gremien der Baubranche. Seit Gründung des Vereins 1996 ist er Präsident der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V.

Volker Tschapke ist verheiratet, Vater von drei Kindern und lebt im Großraum Berlin.

MM: Sehr geehrter Herr Tschapke, wie kommt jemand, der in Iserlohn geboren ist, dazu, Präsident der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg zu werden?

Tschapke: Eigentlich heißt es ja, waschechte Berliner stammen aus Breslau, also aus Schlesien. Ich bin da eine Ausnahme, denn schon in meiner Kindheit und Jugend spürte ich, dass meine Bestimmung das preußische Berlin sein wird. Ob es die Prägung im Elternhaus und Familienkreis war, das Internat mit Abitur, bei dem es auch um Preußen ging, meine aktive Zeit im Corps Frisia Braunschweig und nicht zuletzt beim 3. Panzerbataillon 14 der Bundeswehr – überall bereicherte sich mein Wissen um preußisches Gedankengut. 1993 war es dann soweit, da ereilte mich der Ruf nach Berlin. Ich folgte ihm am 1. April, dem 178. Geburtstag von Fürst Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, dem großen Kanzler und Schöpfer der ersten Einheit Deutschlands. Ihm und Friedrich dem Großen fühle ich mich seitdem besonders verbunden.

MM: Die Preußische Gesellschaft will durch Bewahrung bzw. Reaktivierung der inzwischen sprichwörtlichen preußischen Tugenden gegen den allgemeinen Werteverfall und zunehmende Orientierungslosigkeit der Gesellschaft ankämpfen. Finden Sie hierbei hinreichend Gehör bei einer Jugend, für die der Begriff Preußen eher einen historischen Charakter hat?

Tschapke: In dieser vermaledeiten, beinahe geschichtslosen Zeit hat bei vielen Jugendlichen der Begriff Preußen nicht mal mehr einen historischen Bezug. Sie bringen ihn bestenfalls mit dem Fußballverein Preußen Münster in der Westfalen-Liga und dem Eishockey-Club Charlottenburg Preussen Berlin e.V. in Verbindung. Immerhin aber existiert in Berlin die aktive Landsmannschaft Preußen, eine akademische Studentenverbindung mit Studenten jeder Fachrichtung, Herkunft und Religion, vor der ich einen Vortrag über unsere Gesellschaft und natürlich über Preußen selbst gehalten habe. Weiterhin treu bleibe ich Braunschweig und dortselbst dem Corps Frisia und der Braunschweiger Burschenschaft Germania, die mich ebenfalls baten, mit ihnen über Preußen und Co. zu plaudern. Selbstkritisch merke ich an, dass der Versuch, mit der Nachwuchs-Gruppierung „Junge Preußen“ unseren Verein aufzufrischen, der Wiederbelebung bedarf. Ganz allgemein gesprochen: So wichtig der historische Zeitraum von 1933 bis 1945 im Weltmaßstab und vor allem für Deutschland auch ist, eine Totalfixierung darauf gefällt mir nicht, wenn damit mehr als 1000 Jahre deutscher Geschichte – auch der preußischen - zugedeckt werden.

MM: Jene Fixierung auf einen kurzen Abschnitt der Geschichte könnte auch damit zusammenhängen, dass Deutschland noch nicht frei ist, wie es sehr deutlich im Artikel 146 des Grundgesetzes nachlesbar ist? Wie kann Deutschland geistig befreit werden, bevor es auch rechtlich frei wird?

Tschapke: Ich erkenne in dem Artikel 146 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht das, was Sie herauslesen, und kann demzufolge Ihrer Interpretation nicht folgen. Was die von ihnen angesprochene geistige Freiheit betrifft, belegt doch schon unser Interview, wie es um sie steht.

MM: Religiöse Menschen, ob nun Muslime oder Christen, empfinden es als größte Tugend und Ehre, dem Schöpfer allen Seins zu dienen. Warum sollte der Dienst am Vaterland "größte Ehre" bedeuten, wie Sie es als "Initialzündung für eine geistige Erneuerung Deutschlands" fordern?

Tschapke: Pardon – ist das Vaterland für religiöse Menschen nicht ebenfalls eine Schöpfung Gottes? Wird mit seiner geistigen Erneuerung nicht letztlich dem Schöpfer gedient? Das Vaterland resp. der Staat regelt das individuelle wie gesellschaftliche Leben. Er ist gerufen, zwischen dem Privaten und Öffentlichen eine Harmonie zu erreichen. In einer kaputten Ordnung, wie wir sie in unserer Geschichte kennen gelernt haben und wie uns Spuren davon auch heute missfallen, lässt es sich für Religiöse wie für Atheisten resp. Nichtgläubige schlecht oder nicht leben. Deshalb ist die Preußische Gesellschaft vor fast zwanzig Jahren gegen Sittenverfall und Werteverluste in der Gesellschaft angetreten. Religiöse Mitglieder erkennen, dass dies im Sinne des Schöpfers aller Dinge geschieht.

MM: Zweifelsohne ist Heimat und Vaterland (in den meisten muslimischen Sprachen heißt es Mutterland) eine religiöse Größe. Muslime beten sogar anders in der Heimat als fern der Heimat. Aber jene Größe wird zum einen als eine Art geistige Größe verstanden und zum anderen nicht durch historisch verschiebbare Staatsgrenzen beeinflusst. Wenn Sie heute von Preußen sprechen, ist das mit irgendwelchen historischen Gebietsansprüchen verbunden?

Tschapke: Wir sprechen In Deutschland von Vaterland und von Muttersprache, bedenken also an hervorragender Stelle beide Elternteile. Übrigens ist auch die Bezeichnung „Mutterland“ in Gebrauch. Die sich zu meinem und anderer Leidwesen immer stärker ausprägende Säkularisierung der Gesellschaft, der damit ein lebenswichtiger Kompass genommen wird, lässt auch den Begriff „Vaterland“ aus dem religiösen Kontext verschwinden. Ich weiß nicht, wie viele Christen den Begriff Vaterland überhaupt noch als religiöse Größe einstufen - das (irdische) Vaterland als Stätte, an die sich alle Segnungen und Verheißungen Gottes knüpfen. Sicherlich nicht mehr viele.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Spreche ich von Preußen, beziehe ich mich – im Bewusstsein ständigen auch territorialen Wandels – je nach Gegenstand der Erörterung territorial auf das Preußen von Friedrich I., auf das von Friedrich dem Großen oder das in der Zeit Bismarcks, in der ja der Wandel des Königreiches Preußens zu einem Teilstaat des Deutschen Reiches stattfand. Historisch begründete Gebietsansprüche zu stellen, scheint heute modern. Manche bemühen dabei sogar die Bibel. Was von Deutschland nach dem Willen der Siegermächte USA, Großbritannien und Sowjetunion infolge des Zweiten Weltkrieges abgetrennte Gebiete betrifft, verweise ich auf die Feststellung vom Völker- und Menschenrechtler, Historiker und Autor Professor Dr. Dr. Alfred M. de Zayas. Er urteilt unmissverständlich: „Alle Vertreibungen sind völkerrechtswidrig, und sie waren es bereits in den Jahren 1944 bis 1948. Sie müssen unzweideutig verurteilt und in der Zukunft unmöglich gemacht werden. Darum muss das Recht auf die Heimat allgemeine Anerkennung finden.

MM: Was viele nicht wissen, ist die teils gegen die betroffenen Einwohner durchgesetzte Ansiedlung von Ausländern - heute nennt man sie Migranten - in der preußischen Geschichte, die zu gegenseitigen geistigen Befruchtungen geführt hat. Ist ein Preuße also kein Rassist, oder anders gefragt: Kann es Ihrer Ansicht nach einen Preußen mit z.B. türkischem Migrationshintergrund geben?

Tschapke: Offen gestanden: Die Frage, ob ein Preuße ein Rassist sein könne, stellt sich mir zum ersten Mal. Sie hat mich direkt ein wenig erschreckt, so weit entfernt liegt der Gedanke daran. Nein, ein wahrer Preuße zeichnet sich durch Toleranz aus. Einer unserer Ehrenmitglieder stammt aus einer französischen Hugenotten-Familie: Lothar de Maizière. Nicht nur deshalb berichtet die Preußische Gesellschaft regelmäßig in Foren, in Vorträgen oder in Artikeln der monatlichen Rundbriefe über das Toleranzedikt vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, mit dem er 1685 in Frankreich verfolgten Hugenotten in Brandenburg eine freie und sichere Niederlassung bot. Nicht weniger als Zehntausende nahmen das großherzige Angebot an und entwickelten sich im Laufe der Jahre zu echten Preußen, ohne z.B. ihre religiösen Bräuche aufzugeben. Staunen werden Heutige, wenn sie hören, dass damals jeder fünfte Einwohner von Berlin – ein Hugenotte war!

Friedrich der Große setzte die Toleranzpolitik fort. Auch und gerade im Blick auf das osmanische Volk. Er sagte und handelte entsprechend: "Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie ausüben, ehrliche Leute sind; und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir Moscheen und Kirchen bauen." In seinem Sinne denke ich: ja, es kann Preußen – wie die Geschichte vielfach belegt - mit türkischem Migrationshintergrund geben.

MM: Das ehrt sie sehr, dass der Gedanke an Rassismus Sie erschreckt. Aber meine Wenigkeit, der ich durch mein Studium an der TU Claustahl (eine sehr verbindungsreiche Universität) und auch spätere Einladungen zu Vorträgen viele Erfahrungen mit Verbindungen hatte, weiß, dass die Mitglieder die Menschen nach wie vor in "Franken" und Araber, Türken usw. aufzuteilen pflegen und diese dabei auch in einer Art Schubladendenken bewerten, was mit der Grund dafür ist, dass die meisten Jugendlichen eher abgeschreckt sind. Können Sie solche Gedankengänge für die Preußische Gesellschaft Berlin Brandenburg ausschließen?

Tschapke: Für die Preußische Gesellschaft als Verein schon, für jedes einzelne Mitglied enthalte ich mich einer entsprechenden Bewertung, weil wir Gesinnungsprüfungen und Gesinnungsbewertungen ablehnen. Wir halten es mit der preußischen Toleranz. Sie wird sichtbar auch daran, dass wir in unserer Preußischen Gesellschaft von Anfang an keinen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschen, zwischen West- und Ostberlinern gemacht haben. Versuche einiger, dies zu tun, sind wir mit Entschiedenheit entgegengetreten.

MM: Neben den zahlreichen internen Problemen zur Integration auf beiden Seiten fällt es vielen muslimischen Migranten heutzutage schwer, sich in ein Gemeinwesen zu integrieren, das eine unverbrüchliche Nibelungentreue mit jedem Verbrechen der USA und Israels aufrecht erhält. Wie kann die preußische Toleranz hier helfend eingreifen?

Tschapke: Ich bitte Sie: Beileibe erschöpft sich das deutsche Gemeinwesen in toto nicht in einer unverbrüchlichen Nibelungentreue mit den USA und Israel und schon gar nicht mit Verbrechen. Wer so denkt, hat die Nachfahren der Preußen und der weiteren deutschen Stämme noch nicht erkannt. Man glaube nicht, dass die Aussagen mancher Politiker – und seien es Spitzenleute – sowie Mainstream-Medien – und erfreuten sie sich großer Auflagen und Einschaltquoten - deckungsgleich mit dem Denken und den Aussagen aller Menschen im Lande sind. Toleranz alleine, so wichtig und edel sie ist, reicht zu Veränderungen nicht aus. Aufklärung im Sinne von Friedrich dem Großen und von Immanuel Kant tut not, gepaart mit staatsmännischer Klugpolitik eines Bismarck.

MM: In der Geschichte Preußens gibt es bis hin zu Elitesoldaten zahlreiche integrierte Muslime, mit denen die Gesellschaft gut auskam, ohne dass die Betroffenen ihren Glauben verändern mussten. Was können wir daraus für die heutige schwierige Situation der muslimischen Minderheit in Deutschland lernen?

Tschapke: Die Grundregel vom Großen Kurfürsten und von Friedrich dem Großen weist auch heute in die richtige Richtung: Toleranz, gepaart mit Geduld, und zwar auf beiden Seiten. Glaube bitte keiner, dass sich die Hugenotten vom ersten Tag oder Jahr ihrer Ankunft in Brandenburg-Preußen gleich wie zu Hause fühlen konnten bzw. als Einheimische angesehen wurden – trotz Glaubensbrüderschaft nicht! Das dauerte viele Generationen. Mein Wissen von, mein Verständnis für und meine Achtung vor der Weltreligion Islam rührt aus eigenen Erfahrungen und mannigfaltigen Erkenntnissen her, die ich in vielen Jahren beruflicher Tätigkeit als Bauingenieur und damit auch in zahllosen persönlichen Begegnungen in Ägypten, Algerien, den Emiraten, Syrien und der Türkei gesammelt habe. Andere müssen diese Erfahrungen erst erwerben. Auf beiden Seiten.

Lassen Sie mich bitte den preußischen Dichter Theodor Fontane zitieren, der eingewanderten Hugenotten-Familie entstammt. Diese Zeilen aus einem seiner Dankgedichte möchte ich den Muslimen in Berlin, Brandenburg und Deutschland ans Herz legen:

Wohl pflegten wir das Eigne, der Gemeinde
Gedeihn und Wachstum blieb uns Herzenssache,
Doch nie vergaßen wir der Pflicht und Sorge,
Dass, was nur Teil war, auch dem Ganzen diene.
Mit fleiß'ger Hand, in allem wohl erfahren,
Was älterer Kultur und wärm'rer Sonne
Daheim entspross und einem reich'ren Lande –
So wirkten wir.

MM: Worin sehen Sie die weiteren Aufgaben der Preußischen Gesellschaft Berlin Brandenburg?

Tschapke: Genau in denen, die ich Ihnen in unserem schönen Interview genannt habe. Diese sind in Satzung und Programmatik aufgeführt. Ich empfehle Interessierten die Lektüre unter www.preussen.org.

MM: Herr Tschapke, wir danken für das Interview.

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