MM: Sehr geehrter Herr Wolff, nach eigenen
Angaben wurde der IWF gegründet zur Stärkung eines gesunden globalen
Währungssystems. Ist das schief gegangen oder war das vorgegebene Ziel
von vornherein nicht aufrichtig?
Wolff: Der IWF hat nie der Stärkung
eines gesunden Weltwährungssystems gedient. Sein Ziel bestand von Anfang
an in der Durchsetzung der wirtschaftlichen und finanziellen Interessen
der USA.
MM: Wenn damals die Dominanz der USA
über die Welt eines der Hauptziele zur Neuordnung des Finanzsystems war,
wer garantiert uns heute, dass die aktuellen Verwerfungen und
Neuordnungen nicht dem gleichen Ziel dienen?
Wolff: Die meisten aktuellen
Verwerfungen und Neuordnungen dienen dem Ziel, die globale Dominanz der
USA aufrecht zu erhalten. Um den anhaltenden Niedergang der
US-Wirtschaft und den Verfall des US-Dollars zu stoppen, zwingt die Wall
Street das Weiße Haus, Konflikte in aller Welt anzuheizen und Kriege zu
führen. Das Ergebnis ist eine Politik globaler Destabilisierung, wie wir
sie zurzeit in Syrien, der Ukraine und im Irak erleben.
MM: Sie unterteilen die historische
Entwicklung des IWF in vier Phasen, die einhergehen mit Kriegen,
Putschen und allerlei mörderischen Umwälzungen. Aktuell befinden wir uns
nach Ihrer Analyse in der vierten Phase, die Sie als „Austeritätspolitik“
bezeichnen. Was ist darunter zu verstehen?
Wolff: Die größten Finanzinstitutionen
der Welt standen 2007/2008 vor dem Zusammenbruch. Durch ihre Rettung
entstanden in den Haushalten der Staaten riesige Löcher. Um diese zu
stopfen, wurden nicht etwa die Verursacher der Krise zur Verantwortung
gezogen, sondern die Steuerzahler, also die arbeitenden Menschen. Ihnen
wurde gesagt, sie hätten über ihre Verhältnisse gelebt und müssten von
nun an den Gürtel enger schnallen. Die Politik der Austerität ist nichts
anderes als die von der Finanzelite erzwungene und von Politikern
angeordnete Senkung des Lebensstandards der arbeitenden Menschen.
MM: Bei solch einem umfassenden Raubzug,
wie Sie es nennen, muss es ja auch "Schuldige" geben. Sind diese
benennbar?
Wolff: Schuld ist vor allem die
ultrareiche globale Finanzelite, die die wichtigsten Finanzinstitutionen
unserer Zeit – weltweit operierende Hedgefonds, Großbanken und
Versicherungskonzerne - beherrscht. Schuld sind ebenso alle Politiker,
die diese Finanzelite unterstützen, und die Medien, die die Menschen
tagein tagaus entweder falsch informieren oder von den wirklichen
Problemen ablenken.
MM: Für Ihre Recherchen sind Sie weder
in die Datenbank des IWF noch des CIA eingedrungen. Wenn die
Erkenntnisse offen vorliegen, so dass diese nach einer intensiven
Recherche publik gemacht werden können, warum wissen dann unsere
maßgeblichen Politiker von diesen dingen nichts und schützen uns davor?
Wolff: Wer heute als Politiker an die
Macht kommen will, muss sich vollständig dem Diktat der Finanzmärkte
unterwerfen. Wer das nicht tut, ist zum Scheitern verurteilt. Deshalb
zieht die Politik nur solche Menschen an, die den eigenen Vorteil über
ihr soziales Gewissen stellen. Diese Politiker schützen die Menschen
nicht, im Gegenteil: Die Menschen müssen sich vor diesen Politikern
schützen.
MM: Und wie soll der Bürger in
Deutschland sich vor seinen Politikern schützen?
Wolff: So wie in allen anderen Ländern
auch: Indem er den von Politikern und Medien verbreiteten Unwahrheiten
nicht länger glaubt. Nur wenn er beginnt, sich eigenständig zu
informieren, wird er erfahren, dass sich die Welt keinesfalls auf dem
allseits verkündeten „Pfad der wirtschaftlichen Erholung“ befindet,
sondern vor einer Phase gewaltiger wirtschaftlicher Einbrüche,
politischer Erschütterungen und militärischer Konflikte steht, in denen
der Lebensstandard der arbeitenden Menschen im Weltmaßstab – mit aktiver
Unterstützung des IWF - weiter gesenkt werden wird. Wer sich vor diesem
kommenden Unheil schützen will, muss es zuerst einmal klar und deutlich
erkennen.
MM: Russland, China und einige andere
Länder versuchen sich von der US-Dominanz zu befreien. Müssen wir mit
heftigem Widerstand in Weltkriegsmaßstäben rechnen, wenn die USA ihre
Dominanz schwinden sieht?
Wolff: Die schwindende Dominanz der USA
ist der mit Abstand gefährlichste Faktor in der Weltpolitik von heute.
Die Regierung in Washington versucht, den Niedergang des eigenen Landes
mit militärischen Mitteln aufzuhalten. Wie weit sie dabei gehen wird?
Ich erinnere an den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im
Jahr 1945. Der Befehl für diesen beispiellosen Massenmord an Zivilisten
kam aus dem Weißen Haus.
MM: Gott bewahre ... aber wie können wir
unser eigenes System, unsere eigene Heimat dahingehend verändern, dass
wieder das soziale Gewissen an Bedeutung gewinnt?
Wolff: Dazu ist eine grundlegende
Vermögensumverteilung erforderlich. Die arbeitenden Menschen stehen vor
einer historischen Herausforderung: Sie müssen das weltweit größte
Problem der Menschheit – die Explosion der sozialen Ungleichheit –
beenden. Das wird nur gehen, wenn sie die gegenwärtige Scheindemokratie
durch eine wahre Demokratie ersetzen und dem Chaos der Märkte durch
global abgestimmte wirtschaftliche Planung ein Ende bereiten.
MM: Sie zeigen in Ihrem Buch das Dilemma
der Staatsverschuldung, denn wenn Staaten beginnen, die Folgen ihrer
Schulden auf die Bevölkerung abzuwälzen, dauert es nicht lange, bis
nationalistische und Sündenböcke erzeugende Ressentiments zu brodeln
beginnen, wie wir es ja neuerdings auch in Deutschland erleben.
Allerdings sind die USA der mit Abstand meist verschuldete Staat, wird
der IWF am Ende auch die USA zerstören?
Wolff: Dazu ist der IWF gar nicht nötig.
Die USA sind nicht nur das sozial ungleichste Land der Erde, sondern
auch das Land, indem der Graben zwischen Arm und Reich von Jahr zu Jahr
am stärksten wächst. Knapp 250 Jahre nach ihrer Gründung steuert die
Weltmacht USA auf soziale Auseinandersetzungen zu, die entweder in einer
Diktatur des Militärs oder der äußersten Rechten wie der Teaparty münden
oder das gegenwärtige System hinwegfegen werden.
MM: Ohne zu viel aus dem Inhalt des
Buches zu verraten, endet Ihr Buch mit dem Kapitel "Deutschland und der
IWF - Schwarze Schwäne am Horizont" Das Buch "Der Schwarze Schwan: Die
Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse" ist ausgerechnet von dem
Börsenhändler Nassim Nicholas Taleb geschrieben worden und steht für ein
völlig überraschend eintretendes Ereignis, das sich aber im Nachhinein
einfach erklären lässt. Gibt es denn Hoffnung auf positive für die
Menschheit nützliche Überraschungen?
Wolff: Die größte Hoffnung auf die
Zukunft ist die heute fast grenzenlos mögliche Kommunikation. Diktaturen
aller Art können sich nur an der Macht halten, wenn es ihnen gelingt,
die Wahrheit dauerhaft zu unterdrücken. Die stärkste Triebkraft für eine
positive Veränderung der Welt liegt in der Verbreitung der Wahrheit. Ich
hoffe, dass mein Buch über den IWF dazu beitragen kann.
MM: Worüber wird Ihr nächstes Buch
handeln?
Wolff: Mein nächstes Buch wird sich mit
dem Zusammenhang zwischen dem Todeskampf des US-Dollars und der von den
USA betriebenen Politik der globalen Destabilisierung beschäftigen.
Diese Politik kostet Tag für Tag Tausende unschuldiger Menschen das
Leben und ist in meinen Augen ein historisches Verbrechen, dessen innere
Logik unbedingt publik gemacht werden muss.
MM: Sehr geehrter Herr Wolff, wir danken
für das Interview.
|