MM: Sehr geehrter Herr López, wie haben Sie
zum Islam gefunden? López:
Der Islam ist die stärkste und solideste aller
Religionen, ihre Gesetze finden in allen Bereichen des Lebens Anwendung.
Der Islam ist befreiend. Ich fand den Weg zu Gott, weil Er ihn mir
eröffnete. Ein großer Dank gilt meinen Brüdern in Qom (Iran), wo ich
mich eine Zeit aufgehalten habe.
MM: Im Rahmen Ihrer Arbeiten haben Sie auch
mit den Syrien-Konflikt zu tun. In der westlichen Welt wird behauptet,
dass es sich um einen Bürgerkrieg handelt. Ist das auch die Ansicht der
Forschung?
López: Ich
weigere mich die These, dass es sich hier um einen Bürgerkrieg handelt,
zu akzeptieren. Es ist so falsch, wie wenn man sagen würden, dass die
Sonne nachts aufgeht. Was hier passiert, ist eine internationale
Aggression konstruiert durch die NATO, dem US-Außenministerium und dem
israelischen Geheimdienst, der das Zusammenbringen der Golfmonarchien
Saudi-Arabien und Katar, mit den Regierungen von Jordanien und der
Türkei steuert, um die Belagerung und Zerstörung von Syrien
voranzutreiben. Es ist kein Geheimnis, das mit den vorangegangenen,
angeblichen Volksdemonstrationen im März 2011 der Konflikt begann. Der
ehemalige US-Botschafter in Damaskus, Robert Ford, war eifrig dabei, in
die verschiedensten Provinzen des Landes zu reisen, um sich mit
Oppositionsführern zu treffen und um die Proteste zu finanzieren.
Während der Manifestationen gab es immer wieder bewaffnete Übergriffe.
Sie schufen Chaos und Gewalt, weil sie gut durchdacht waren und begannen
eine Destabilisierung zu erzeugen. Diese wiederum machte den Weg frei
für organisierte so genannte Dschihad-Gruppen, bewaffnet und trainiert
vom Westen, die bereits an den Grenzen von Jordanien im Süden, der
Türkei im Norden und dem Irak im Osten warteten. Bekannt ist auch, dass
die selbsternannte Freie Syrische Armee, meist von Überläufern aus der
syrischen Armee bestehend, von Paris finanziert wurde. Dies
beschleunigte den Prozess der Destabilisierung. Es Bürgerkrieg zu
nennen, bezogen auf die Menge der ausländischen Invasoren in Syrien, ist
eine pathologische Folge der fehlgeleiteten Erforschung. Heißt es z.B.
Persischer Golf oder "Arabischer Golf"? Es ist dem Leser überlassen, den
richtigen Ursprung zu wählen. Man sollte nicht auf den Zug der
Wahrheitsleugner aufspringen.
MM: Was aber bezweckt wird mit der
Zerstörung, mit dem Zerfall von Syrien bezweckt?
López:
Einige sprechen von der „Pipeline“-Theorie, aber lassen Sie mich auch
eine andere Theorie beleuchten und einen Schritt weiter gehen und über
den Plan eines Groß-Israels reden. Zunächst möchte ich die erste Theorie
kurz zusammenfassen: Es handelt sich hierbei um eine Pipeline von fast
4.800 Kilometern Länge, die das Emirat von Katar auf US-Initiative im
Jahre 2009 vorschlug zu bauen, um Gas nach Europa durch Saudi-Arabien,
Jordanien, Syrien und der Türkei zu liefern. Man beabsichtigte Russlands
Kontrolle über den Energiemarkt in Europa und damit eine der
Haupteinnahmequellen (die Belieferung Europas mit Gas) wegbrechen zu
lassen, Putin dadurch in Bedrängnis zu bringen und letzten Endes zu
schwächen. Der syrische Präsident Bashar al-Assad lehnte das Projekt ab,
weil es gegen die Interessen seines Verbündeten war. Obama übernahm die
Aufgabe, den nicht kooperierenden, syrischen „Diktator“ zu stürzen und
signalisierte den saudischen Fürsten und Katarern Geld, um den so
genannten Islamischen Staat zu stärken.
MM: Wie sah der Plan aus, Putin zu
schwächen?
López: Man
begann zwei Fronten, die Putin schwer zu schaffen machen sollten, zu
inszenieren bzw. aufzubauen: die Ukraine, deren Regierung in Kiew die
volle Unterstützung der USA und der NATO im Rücken hat und die zweite
Front Syrien mit dem so genannten Islamischen Staat und einer Vielzahl
von Oppositionsgruppen, die begannen das Regime in Damaskus zu
bekämpfen, um es am Ende zu stürzen und die Kontrolle über Syrien zu
gewinnen. Inzwischen wurde wegen dieses Pipeline-Projektes mehr Blut
vergossen, als in anderen vergleichbaren Szenarien zuvor in der
Geschichte. Noch kein einziger Meter ist gebaut und dieser verheerende
Krieg in Syrien zählt jetzt schon 12 Millionen Vertriebene und 270.000
Tote.
MM: Sie erwähnte eine weitere Theorie
...
López: Gemäß einer anderen Theorie
versucht der Westen die syrische Regierung in die Knie zu zwingen, um
kleine, schwache Staaten zu schaffen, die die Sicherheit Israels nicht
gefährden oder eben um die Möglichkeit einer Expansion Israels zu
begünstigen. Der Westen hat noch nie mit Respekt auf diesen Teil der
Welt gezeigt. Hier finden wir Spuren seiner kolonialen Vorgehensweise.
Ein stolzes Volk wird seiner uralten Kultur beraubt und ausgeblutet.
Weil Syrien es ablehnte ein Lakai der Westmächte zu sein, wurde es zur
Zerstörung verurteilt. Womit man nicht gerechnet hat, ist der Widerstand
des syrischen Volkes, das seit mehr als vier Jahren allen Hetzkampagnen
und terroristischen Aggressionen zum Trotz, sein Land verteidigt.
MM: Sie sprachen auch von Groß-Israel.
Was hat das mit der Syrienkrise zu tun?
López: Wir müssen bei der Tatsache
beginnen, dass das Motiv der imperialistischen Politik in Syrien und dem
Irak, manchmal entgegen allem Anschein, eine große Menge Rauch ist, um
zu verwirren und um von den wirklichen Plänen, der wirklichen Strategie
abzulenken bzw. diese zu ignorieren. Folgen Sie den verschiedenen
historischen Mustern zur Kolonialisierung dieser Region, die nach dem
Zweiten Weltkrieg mit dem Sykes-Picot-Abkommen begann. Fahren Sie dann
mit den Richtlinien des israelischen Yinon Plans (1982) über die
Schaffung von Groß-Israel fort, der das Zerstückeln aller Nachbarländer,
um sie rechts- und hanldungsunfähig zu machen, beinhaltet. Nachfolgend
die Franco-Amerikanische Anpassung, festgehalten in den Karten von
Oberst Peters (2006), eine Aufteilung des Iraks und Syrien auf der
Grundlage von ethnischen und religiösen Unterschieden. Der
Juppé-Davutoglu Plan (2011): die Errichtung eines Pseudo-Kurdistan
(außerhalb der Türkei und unter der Vorherrschaft des reaktionären
Barzani) und die Karte von Wright, mit kleinen Variationen der
Peters-Karten (2013). Die Absicht ist, wie schon gesagt, Bashar al Assad
zu stürzen und ein sektiererisches, radikalislamisches Regime zu
installieren, das aber gleichzeitig unterwürfig ist und als Marionette
des Imperialismus agiert.
MM: Doch sind die Türken nicht gegen ein
Kudistan?
López: Das Projekt Kurdistan, entwickelt
durch den Imperialismus und seiner Verbündeten, der Türkei, Frankreich,
Israel und England enthält zwei Grundelemente. Erstens, nach dem Willen
von Erdogan sollen die türkischen Kurden in das Hoheitsgebiet des neuen
Kurdistans außerhalb der Türkei geschickt werden. Und zweitens soll es
geleitet und von dem, was sich im Moment die irakisch kurdische
Regionalregierung nennt, kontrolliert werden. Dieser so genannten
Regierung steht der reaktionäre und pro-imperialistischen Barzani vor,
der an seiner Macht auf illegale Art und Weise festhält und sich
weigert, Neuwahlen, obwohl durch sein eigenes Gesetz festgelegt,
durchzuführen. Aber es gibt einen neuen und überraschenden Faktor, der
diese Angelegenheit beeinflusst. Das imperialistische Projekt, die
Schaffung von Kurdistan, geht jetzt weit über die Grenzen des
historischen Kurdistans hinaus und umfasst nun auch neben dem kurdischen
Gebiet, arabische und assyrische Landstriche, einschließlich Raqqa und
die gesamte Nordseite des Euphrat sowie irakische Gebiete. Können Sie
die Bombardierung von Raqqa und Nordsyrien durch die Verbündeten
aufgrunddessen miteinander verknüpfen?
MM: In der UN-Resolution 2254 des
Sicherheitsrats vom 18. Dezember 2015 wurde eine "Roadmap" zum
Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen vereinbart, bei der
Terrororganisationen wie die Al-Nusra-Front ausgeschlossen sind. Dennoch
gibt es immer wieder Medienberichte, wonach die Al-Nusra-Front von der
Westlichen Welt unterstützt wird. Wie realistisch sind unter solchen
Umständen Waffenstillstandsverhandlungen?
López: Nur
zwei Monate nachdem Russland mit den militärischen Gegenangriffen auf
den Islamischen Staat begann, haben sich die fünf Großmächte, die den
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kontrollieren, auf die erste
Resolution zur Gründung eines Fahrplans für einen Waffenstillstand und
einen demokratischen Übergang vom Regime von Bashar al-Assad geeinigt.
Putins Strategie, die die Unterstützung der USA und der Türkei für die
Dschihadisten eindeutig aufgedeckt hat, hat Obama zu diesem Schritt
gezwungen. Alle Versuche, den Syrien-Konflikt auf diplomatischem Wege zu
lösen, sind bisher gescheitert bzw. ins Leere gelaufen, waren schlicht
unwirksam. Warum? Das Spiel ist bereits am Anfang verloren, weil man den
Fahrplan für einen dauerhaften Frieden in Syrien ohne Beteiligung von
Damaskus erstellt hat. Das wäre aber eine Grundvoraussetzung gewesen. Es
wurde aller Welt eine "Roadmap" präsentiert, aber die Zerstörung der
syrischen Infrastruktur und das Töten von hohen Beamten durch den IS und
anderen Terrorgruppen geht munter weiter. Zuerst müsste man diese und
eine unbekannte Anzahl anderer US-Verbündeter Kampftruppen und Söldner
ausschalten. Solange man dies nicht tut, haben wir einen klaren Trend,
wohin diese Resolution 2254 führen wird, nämlich ins Nichts. Man sollte
endlich davon weg kommen, den Fokus auf die Absetzung von Präsident
Assad zu legen.
MM: Der so genannte Islamische Staat wird
zumindest im offiziellen Rahmen von allen Westlichen Staaten als
Terrororganisation verurteilt. Gleichzeitig gelten das Saudische
Königshaus als Hauptfinanzier der Terroristen als engste Verbündete der
Westlichen Welt. Gibt es keine europäischen Staaten, die diesen
Widerspruch nicht mehr mitragen wollen?
López: Wenn
es um das Gleichgewicht der Kräfte in Syrien geht, kann man ohne
Umschweife eindeutig sagen, das wir auf der einen Seite die Vereinigten
Staaten, Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und Israel haben, die mit
allen Mitteln versuchen, den syrischen Präsidenten zu stürzen . Ihnen
gegenüber stehen Russland, Iran (und Hizbollah) und China, die das
Regime von Al-Assad stützen.
MM: Über China hört man im Westen wenig
diesbezüglich ...
López:
Jüngst startete auch China seine erste Anti-Terrorismus Aktion,
verabschiedet am 28. Dezember 2015 durch den Nationalen Volkskongress,
und wird Spezialkräfte zur Unterstützung der Syrischen
Volksbefreiungsarmee im Kampf gegen den islamischen Staat entsenden.
Nach Angaben der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua, rechtfertigt die
chinesische Regierung ihre Intervention, mit Zustimmung des Regimes in
Damaskus, um die globale Sicherheit, durch zahlreiche Angriffe
kompromittiert, zu sichern.
MM: Und welche Rolle haben die Europäer?
López:
Europa arbeitet eng mit den Golfstaaten in Fragen der Sicherheit,
Energie und Handel zusammen. Sie ist der größte Handelspartner des
Golf-Kooperationsrates, in dem Saudi-Arabien ein Schlüsselmitglied ist.
Außerdem ist das Königreich einer der wichtigsten Partner Israels.
Obwohl es einen gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union
vom 8. Dezember 2008 (2008/944/GASP) gibt, der die Regeln zur Kontrolle
der Ausfuhr von Militärtechnologie und -ausrüstung beinhaltet, hält man
sich nicht daran und verkauft weiter Waffen in die besagten Länder und
verstößt somit gegen die Kriterien zwei, vier und sechs. Saudi-Arabien
ist der Hauptakteur in der feindlichen Politik gegen den Iran (wie wir
den jüngsten Ereignissen, durch die Hinrichtung des Geistlichen Nimr
al-Nimr Baqir, einer geplanten, politischen Hinrichtung, entnehmen
können), während es das Sektierertum fördert. Obwohl viel Rauch gemacht
wird, um die Menschen zu verwirren und die wirkliche Strategie zu
verschleiern, ist Europa (und Washington) dem Königreich Saudi-Arabien
nicht so ungleich mit ihrer "verborgenen Unterstützung".
MM: Eine andere Einnahmequelle sollen die
Ölverkäufe sein, die mit ganzen Ölkolonnen von Tankern transportiert
werden. Wie muss man sich das vorstellen? Wissen die Geheimdienste mit
ihren Statteliten wirklich nicht, wer das Öl in solchen Mengen kauft?
Und falls sie es doch wissen, warum haben sie nichts dagegen getan, bis
die Russen eingegriffen haben?
López: Wenn
Sie über die Geheimdienste (militärische/zivile) sprechen, sprechen Sie
dann über die Schlüsselakteure in diesem Schmuggel-Spiel? Sind wir
wirklich schon so naiv zu glauben, dass sie blind sind? Die westlichen
Geheimdienste dienen dazu, ein gemeinsames Interesse und eine bestimmte
Agenda zu schützen, in diesem Fall ist es das Interesse der NATO
(Hauptdarsteller). Mein geschätzter französischer Kollege, Journalist
und Politologe Thierry Meyssan hat dazu unter anderem folgendes
geschrieben: „Bei der Erschaffung des IS wurde das Erdöl aus dem Irak in
die Türkei durch die türkischaserbaidschanische Gesellschaft Palmali
Shipping Agency JSC, die dem türkischen Milliardär Mubariz Gurbanoglu
gehört, exportiert. Im Februar 2015 nahm der Sicherheitsrat der UNO die
Resolution über das Verbot des Handels mit dem IS an und die türkische
Regierung schuf einen eigenen Betrieb mit dem Sohn Erdoğans an der
Spitze, die BMZ Limited. Sie exportiert das Erdöl sowohl über
Erdölleitungen, als auch mit Lastkraftwagen. Dieses Erdöl ist für den
Weitertransport über das Meer nach Israel bestimmt, wo man ihm falsche
Dokumente über seine Herkunft ausstellt und es in die EU reexportiert.
Ein anderer, kleinerer Teil geht direkt aus der Türkei in die Ukraine,
wo es Poroschenko abnimmt, ohne Fragen zu stellen.“ Der enorme
Öl-Verkehr durch Konvois von Lastwagen in die Türkei, die in den Ebenen
am Horizont verschwinden, wurde nun aufgedeckt. Den USA ist dieser
Verkehr bisher nie aufgefallen – falsch – sie haben bisher einfach
nichts dagegen unternommen, ganz im Gegenteil. Es gibt Berichte nachdem
diese, die besagten Konvois mit Hubschraubern geschützt bzw. begleitet
haben. Bei bevorstehenden Bombardierungen gab es Warnungen, um die
Fahrer als flüchtende ihrer Trucks darstellen zu können. Es gab eine
ausdrückliche Aufforderung von irakischen Parlamentariern, gegen diesen
Verkehr vorzugehen, aber man weigerte sich dieser nachzukommen.
MM: Wie ist es denn mit dem deutschen
Wissen über die Geschehnisse?
López:
Natürlich haben die Geheimdienste jede Art von Werkzeug zur Verfügung,
um alle gewünschten Informationen zu bekommen. Erinnern Sie sich an
einen vertraulichen Bericht des Bundesnachrichtendienstes vom Oktober,
der feststellte, dass der IS viel weniger aus dem Verkauf von Öl als
bisher berichtet wurde, verdient. Der Islamische Staat verkaufte zu
diesem Zeitpunkt ein Barrel Öl für 25 $ auf dem Schwarzmarkt, ein
Bruchteil des damaligen regelmäßigen Weltmarktpreises von 80 $. Die
BND-Analyse schätzte außerdem die Ölproduktion auf 28.000 Barrel pro
Tag, von denen lediglich 10.000 Barrel in den Export gelangten. Man ging
davon aus, dass mehr als 50 Prozent der IS-Ölverarbeitungskapazitäten
durch Luftangriffe zerstört worden sein. Zudem fehlten überall
ausländische Experten, die für die Ölproduktion nötig sind. Diese
geringen Mengen würden dem Islamischen Staat jährliche Einnahmen aus dem
Ölexport von rund 100 Millionen $ bringen, weit weniger als die
ursprünglich vom US Central Command geschätzten $ 1000000000
(Süddeutsche Zeitung [München], 6. November 2014). Kann ich Sie zurück
fragen: Ist die Türkei (NATO Verbündeter) vielleicht nur in den Irak
einmarschiert, um Erdogans ISIS-Öl-Schmuggelrouten zu schützen? Was ist
mit dem Kurdischen Barzani-Clan? Was ist mit Bilal Erdogan und dem
gesamten Familien-Clan?
MM: Das werden wir nicht beantworten
können. Aber wir danken recht herzlich für das Interview. |