Im Namen des Erhabenen  

  Interview mit Abi Melzer

 

Muslim-Markt interviewt
Abi Melzer, deutsch-jüdischer Autor und Verleger
27.1.2017

Abraham Melzer (Jahrgang 1945) ist in Israel aufgewachsen und ist mit 13 Jahren zusammen mit seinen Eltern nach Deutschland ausgewandert. Nach dem Besuch der Oberschule kehrte er nach Israel zurück und leistet seinen Militärdienst ab. Nach einem Jahr wurde er vorzeitig aus der Armee entlassen und kehrte nach Deutschland zurück, um den Buchverlag seines Vaters Joseph Melzer zu unterstützen. Der 1958 gegründete Verlag war zunächst auf Judaica und von Nationalsozialisten verbotene Bücher spezialisiert, konnte sich aber auf Dauer nicht halten. Ab 1970 versuchte Abraham Melzer nach einer Reihe von Neugründungen den Verlag in dem Schwerpunkt politisches Sachbuch zu führen.

Abraham Melzer schrieb selbst einige Bücher und begann zunehmend über den Konflikt mit den Palästinensern nachzudenken. Im Laufe der Jahre konzentrierte er sich auf diese Thema, so dass der Schwerpunkt seines heutigen Verlages im so genannten Nah-Ost-Konflikt liegt. Auch Zeitschriften zum Thema wurden aufgebaut. Schon früh erkannte er, dass der Zionismus in seiner heutigen Form dem Judentum Schaden zufügen wurde, und stellte sich mit Wort und Tat dem entgegen. Zu den Autoren des Verlages zählen unter anderem der Cap Anamur-Gründer Rupert Neudeck mit dem Buchtitel „Ich will nicht mehr schweigen“ und der israelische Journalist Gideon Levy von der Zeitung Ha'aretz und Dr. Hajo G. Meyer mit seinem Titel: "Das Ende des Judentums: Persönliche Betrachtungen über Judentum, Holocaust und Israel".

1988 gründete Abraham Melzer die politische Zeitschrift DER SEMIT, die bis 1992 unregelmäßig in gedruckter Form erschien. 2012 stellte Abraham Melzer seine Verlagstätigkeit ein. Seither erscheint DER SEMIT nur noch online. Im Jahr 2015 erschien im Zambon Verlag sein Buch "Merkel Erwache - Israel vor Gericht - Essays eines antizionistischen Juden" mit einem Vorwort von Moshe Zuckermann. Abraham Melzer ist auch als Übersetzer aus dem Hebräischen tätig und hat zuletzt eine Heinrich Heine-Biographie des israelischen Publizisten Yigal Lossin aus ins Deutsche übertragen und verlegt. Im März 2010 erschien im Melzer Verlag der Goldstone-Bericht über den so genannten Gaza-Krieg.

Abraham Melzer ist Mitglied in der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost".

MM: Sehr geehrter Herr Melzer, die Organisation „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden“ unterstützt Boykottbewegungen gegen Waren aus den besetzten Gebieten in Palästina, um ein Zeichen zu setzen gegen Besatzung und Apartheid. Warum sorgt solch eine Aktion, die einstmals gegen Südafrika völlig normal war, für so viel Ärger und führt sogar zur Kündigung eines deutschen Bankkontos? 

Melzer: Die Antwort darauf ist sehr einfach: Weil die BDS-Kampagne inzwischen sehr erfolgreich geworden ist und den Israelis weh tut. Benjamin Netanjahu selbst hat vor kurzem gesagt, dass die BDS-Bewegung für Israel gefährlicher sei als der Iran uns seine Atombombe. Und was die Kontokündigungen betrifft, so vermute ich, dass die Banken von Israel erpresst werden. Alle Banken sind an internationale Geschäftsverbindungen interessiert und haben Angst davor als „Antisemitisch“ verleumdet zu werden, was ihre internationalen Beziehungen stören würde. Deshalb schlägt man auf diejenigen, die sich vermeintlich nicht wehren können. Es ist doch absurd und perfid seitens einer Commerzbank mir mein Konto nach 40 Jahre Geschäftsverbindung aus politischen Gründen zu kündigen.

MM: Aufgrund Ihres politischen Einsatzes für einen gerechten Frieden in Palästina stehen sehen Sie sich immer wieder mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. Was antworten Sie darauf?

Melzer: Ich bin ein Gegner der zionistischen Ideologie und somit für die Israelis ein Antizionist und das interpretieren sie als Antisemit. Zionismus ist aber eine pure Ideologie, wie z.B. Kommunismus, und genauso wie man Antikommunist sein kann, kann man auch Antizionist sein. Antisemitismus ist aber purer Rassismus und da ich weiß, dass ich kein Rassist bin, können die Vorwürfe, wie neulich von Charlotte Knobloch, ich sei eine „berüchtigter Antisemit“, mich nicht treffen.

MM: Warum fällt es der deutschen Politik so schwer zwischen Juden im Allgemeinen und der Politik Israels zu unterscheiden?

Melzer: In Deutschland fällt der Vorwurf des Antisemitismus, wegen der belasteten deutschen Geschichte, auf fruchtbaren Boden. Israel weiß das und erpresst damit die deutsche Politik und die deutschen Politiker. Deutsche Politik fraternisiert lieber mit denjenigen Juden und vor allem Israelis, die ihr einen Persilschein ausstellen und sie von der Schuld der Vergangenheit freisprechen, sofern sie Israel blind und kritiklos unterstützen. Es ist ein Geschäft auf Beiderseitigkeit, ein Geben und Nehmen. Die Israelis bekommen Geld und vor allem Waffen (U-Boote) und geben Ruhe über die Vergangenheit. Die deutsche Politik ist da verlogen und falsch und wird sich eines Tages rächen.

MM: Bis vor Kurzem herrschte in Deutschland die Meinung, dass die aktuelle israelische Regierung zwar ein Problem darstelle, aber die Bevölkerung Frieden wolle und die einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Etwas verstörend wirkte da die jüngste Meldung, dass die Mehrheit der Israelis für die Freilassung eines Sanitäters sei, der vor laufender Kamera einen wehrlosen Gefangenen hingerichtet hatte. Ist die Vorstellung, dass die israelische Bevölkerung einen gerechten Frieden will, noch haltbar?

Melzer: Diese Vorstellung war immer schon falsch. Die israelische Bevölkerung war schon immer in der Mehrheit rassistisch und antiarabisch und Opfer der zionistischen Gehirnwäsche. Ich habe darüber in diesen Tagen ein Buch von Ilan Pappe verlegt, mit dem Titel: Was ist los mit Israel? Darin erklärt er auf 160 Seiten in zehn Kapitel warum die Lage so ist wie sie ist.

MM: Viele jüdische Organisationen in Deutschland treten vor allem als öffentliche Verteidiger und Vertreter der israelische Politik in der Öffentlichkeit auf. Die Lehre der Menschlichkeit und Nächstenliebe des Judentums werden hingegen kaum vermittelt. Ist das Judentum keine Erlöserreligion für alle Menschen?

Melzer: Das Judentum ist eine Religion und wie alle anderen Religionen will es die Menschen erlösen und nur das Gute. Aber die Juden sind Menschen und wie alle anderen Menschen fehlbar und bestehen aus guten und schlechten Menschen, aus Rassisten und Liberalen, aus dummen und klugen. In Israel haben sich die Mehrheit der Rassisten, der Dummen und der schlechten Juden versammelt. Und die Israelis sind da nicht besser als alle anderen, als z.B. die Deutschen, die auch zum Völkermord fähig waren. Es geht also nicht um das Judentum, es geht um die Juden.

MM: Kann Israel in seiner heutigen Form jemals ein wirklich demokratischer Staat sein, wenn einem Teil der Bevölkerung nur Bürgerrechte zweiter Klasse zugebilligt werden und wenn stets dafür gesorgt werden muss, dass Nichtjuden mit israelischer Staatsbürgerschaft niemals zunehmen im Staat, weil sonst der jüdische Charakter verloren gehen könnte?

Melzer: In seiner heutigen Form natürlich nicht. Aber es kann sich ändern. Wir haben solche Änderungen in jüngster Zeit erlebt. Es geht nicht um das „Können“, sondern um das „Wollen“. Wenn Israel es will, wird Israel es können. Wie sagte schon Theodor Herzl: Wenn ihr wollt, bleibt es kein Märchen.

MM: Das Kolonialgebilde Israel unterschiedet sich von den klassischen Kolonialsystemen dadurch, dass die Kolonialisten selbst nicht glauben, dass sie Besatzer sind. Wie kann man es ihnen erklären?

Melzer: Das ist wohl des Pudels Kern. Man kann es ihnen nicht erklären, weil sie nicht wissen und nicht wissen wollen, dass sie Kolonialisten sind. In allen anderen Beispielen (Australien, Süd-Afrika, USA, etc.) wissen die „Weißen“, in der Regel die Europäer, dass sie Kolonisten sind und ein Land besetzt und kolonisiert haben, das ihnen nicht gehört. In Israel ist es anders. Die Israelis sind davon überzeugt, dass das Land seit mehr als 3000 Jahren ihnen gehört und sie nur „zurückgekommen“ sind. Obwohl die Fakten eine ganz andere Sprache sprechen und man heute mit Sicherheit weiß, dass die Palästinenser eigentlich die Nachkommen der biblischen Juden sind, die im Land geblieben sind, predigt die zionistische Propaganda immer noch das Märchen von der Vertreibung der Juden bzw. von ihrer Verschleppung durch die Römer in die Diaspora. Den Beweisen von Genuntersuchungen etc. wollen sie nicht glauben. Erklären wird man es ihnen nicht können und je länger es dauert und je mehr neue Generationen von Juden im Land geboren werden, desto mehr werden sie davon ausgehen, dass es ihr Land war und ist und auf ewig bleiben wird.

MM: Der klassische Kolonialismus endete damit, dass entweder die Kolonialisten rausgeschmissen wurden (wie die Franzosen in Algerien), oder die Kolonialisten die Kolonialisierten assimiliert haben (wie in den USA und Australien), oder wie Kolonialisten und Kolonialisierte eine politischen Weg des Miteinander gefunden haben (wie in Südafrika). Bei Israel scheinen alle diese Wege völlig ausgeschlossen, da Israel sich nicht über die Staatsbürgerschaft definiert, sondern über eine Rasse bzw. eine Religion. Warum fällt es deutschen Politikern so schwer zu verstehen, dass Israel den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes mit Füßen tritt und daher nicht die gleichen Werte vertritt, die hier so hoch gehalten werden sollen?

Melzer: Weil anscheinend die Werte hier doch nicht so hoch gehalten werden. Vor allem tritt Israel mit Füssen den Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Es ist eben Politik ohne Moral und eine solche Politik ist letztendlich zum Scheitern verurteilt. Die Politiker in Deutschland sehen nur, was sie sehen wollen. Es ist wohl nicht opportun auch für die Rechte der Palästinenser einzustehen. Obwohl Deutschland einen großen Teil der Schuld trägt, die den israelisch-palästinensischen Konflikt verursacht hat.

MM: Sie wollen Israel vor Gericht stellen um unsere Bundeskanzlerin Merkel aufzuwecken, was werfen Sie der Bundeskanzlerin vor?

Melzer: Eben das, was ich bereits erwähnt habe: Heuchelei, Betrug am palästinensischen Volk. Palästinas Sicherheit müsste Deutschland Staatsräson sein, oder zumindest auch sein. Davon ist aber in der deutschen Außenpolitik nichts zu merken und auch die Innenpolitik ist geprägt durch einen Kotau vor den Israelis. Man leckt ihre blutbeschmierten Stiefel und hofft dadurch die deutsche Schuld zu tilgen. Es gibt aber keine deutsche „Schuld“ mehr, es gibt nur noch eine deutsche „Schande“, die nicht aufhört, solange diese verlogene Politik fortgeführt wird.

MM: Sie haben in einem Artikel über den Krieg 1967 geschrieben, dass die damaligen Soldaten "weinten und töteten – töteten und weinten". Heute seien die Soldaten zu einer "herzlosen, verstandlosen, morallosen Masse von Roboter-Krieger geworden, die von der jüdischen Tradition nichts wissen und nichts wissen wollen." Wie konnte es zu solch einer Entwicklung kommen?

Melzer: Die israelische Armee von heute ist nicht mehr die Arme der sechziger Jahre, die hauptsächlich aus Offizieren aus der Kibbutz-Bewegung geführt wurde. Es ist eine grausame und herzlose Armee geworden. Nicht zuletzt ist auch die massive Einwanderung russischer Juden daran schuld und auch die Tatsache, dass die Gesellschaft in Israel religiöser und orthodoxer wird und die Offiziere heute nicht mehr aus den Kibbutzim kommen, sondern aus den orthodoxen Parteien. Es sind meistens Käppiträger und werden auch als solche genannt. Die israelische Gesellschaft bewegt sich mehr und mehr nach rechts und Israel ist auf dem besten Weg eine Oligarchie zu werden.

Israel steht heute am Abgrund und wird nur noch von der USA und den Europäer gestützt. Keiner weiß wie lange noch, aber alle sprechen sie davon, dass Israel früher oder später untergehen wird.

MM: Herr Melzer, wir danken für das Interview.

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