MM:
Sehr geehrter Herr Melzer, die Organisation „Jüdischen Stimme für einen
gerechten Frieden“ unterstützt Boykottbewegungen gegen Waren aus den
besetzten Gebieten in Palästina, um ein Zeichen zu setzen gegen
Besatzung und Apartheid. Warum sorgt solch eine Aktion, die einstmals
gegen Südafrika völlig normal war, für so viel Ärger und führt sogar zur
Kündigung eines deutschen Bankkontos?
Melzer: Die
Antwort darauf ist sehr einfach: Weil die BDS-Kampagne inzwischen sehr
erfolgreich geworden ist und den Israelis weh tut. Benjamin Netanjahu
selbst hat vor kurzem gesagt, dass die BDS-Bewegung für Israel
gefährlicher sei als der Iran uns seine Atombombe. Und was die
Kontokündigungen betrifft, so vermute ich, dass die Banken von Israel
erpresst werden. Alle Banken sind an internationale
Geschäftsverbindungen interessiert und haben Angst davor als
„Antisemitisch“ verleumdet zu werden, was ihre internationalen
Beziehungen stören würde. Deshalb schlägt man auf diejenigen, die sich
vermeintlich nicht wehren können. Es ist doch absurd und perfid seitens
einer Commerzbank mir mein Konto nach 40 Jahre Geschäftsverbindung aus
politischen Gründen zu kündigen.
MM:
Aufgrund Ihres politischen Einsatzes für einen gerechten Frieden in
Palästina stehen sehen Sie sich immer wieder mit dem Vorwurf des
Antisemitismus konfrontiert. Was antworten Sie darauf?
Melzer: Ich bin ein Gegner der
zionistischen Ideologie und somit für die Israelis ein Antizionist und
das interpretieren sie als Antisemit. Zionismus ist aber eine pure
Ideologie, wie z.B. Kommunismus, und genauso wie man Antikommunist sein
kann, kann man auch Antizionist sein. Antisemitismus ist aber purer
Rassismus und da ich weiß, dass ich kein Rassist bin, können die
Vorwürfe, wie neulich von Charlotte Knobloch, ich sei eine „berüchtigter
Antisemit“, mich nicht treffen.
MM:
Warum fällt es der deutschen Politik so schwer zwischen Juden im
Allgemeinen und der Politik Israels zu unterscheiden?
Melzer: In Deutschland fällt der
Vorwurf des Antisemitismus, wegen der belasteten deutschen Geschichte,
auf fruchtbaren Boden. Israel weiß das und erpresst damit die deutsche
Politik und die deutschen Politiker. Deutsche Politik fraternisiert
lieber mit denjenigen Juden und vor allem Israelis, die ihr einen
Persilschein ausstellen und sie von der Schuld der Vergangenheit
freisprechen, sofern sie Israel blind und kritiklos unterstützen. Es ist
ein Geschäft auf Beiderseitigkeit, ein Geben und Nehmen. Die Israelis
bekommen Geld und vor allem Waffen (U-Boote) und geben Ruhe über die
Vergangenheit. Die deutsche Politik ist da verlogen und falsch und wird
sich eines Tages rächen.
MM:
Bis vor Kurzem herrschte in Deutschland die Meinung, dass die aktuelle
israelische Regierung zwar ein Problem darstelle, aber die Bevölkerung
Frieden wolle und die einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Etwas
verstörend wirkte da die jüngste Meldung, dass die Mehrheit der Israelis
für die Freilassung eines Sanitäters sei, der vor laufender Kamera einen
wehrlosen Gefangenen hingerichtet hatte. Ist die Vorstellung, dass die
israelische Bevölkerung einen gerechten Frieden will, noch haltbar?
Melzer: Diese Vorstellung war immer
schon falsch. Die israelische Bevölkerung war schon immer in der
Mehrheit rassistisch und antiarabisch und Opfer der zionistischen
Gehirnwäsche. Ich habe darüber in diesen Tagen ein Buch von Ilan Pappe
verlegt, mit dem Titel: Was ist los mit Israel? Darin erklärt er auf 160
Seiten in zehn Kapitel warum die Lage so ist wie sie ist.
MM:
Viele
jüdische Organisationen in Deutschland treten vor allem als öffentliche
Verteidiger und Vertreter der israelische Politik in der Öffentlichkeit
auf. Die Lehre der Menschlichkeit und Nächstenliebe des Judentums werden
hingegen kaum vermittelt. Ist das Judentum keine Erlöserreligion für
alle Menschen?
Melzer: Das Judentum ist eine Religion
und wie alle anderen Religionen will es die Menschen erlösen und nur das
Gute. Aber die Juden sind Menschen und wie alle anderen Menschen fehlbar
und bestehen aus guten und schlechten Menschen, aus Rassisten und
Liberalen, aus dummen und klugen. In Israel haben sich die Mehrheit der
Rassisten, der Dummen und der schlechten Juden versammelt. Und die
Israelis sind da nicht besser als alle anderen, als z.B. die Deutschen,
die auch zum Völkermord fähig waren. Es geht also nicht um das Judentum,
es geht um die Juden.
MM:
Kann
Israel in seiner heutigen Form jemals ein wirklich demokratischer Staat
sein, wenn einem Teil der Bevölkerung nur Bürgerrechte zweiter Klasse
zugebilligt werden und wenn stets dafür gesorgt werden muss, dass
Nichtjuden mit israelischer Staatsbürgerschaft niemals zunehmen im
Staat, weil sonst der jüdische Charakter verloren gehen könnte?
Melzer: In seiner heutigen Form
natürlich nicht. Aber es kann sich ändern. Wir haben solche Änderungen
in jüngster Zeit erlebt. Es geht nicht um das „Können“, sondern um das
„Wollen“. Wenn Israel es will, wird Israel es können. Wie sagte schon
Theodor Herzl: Wenn ihr wollt, bleibt es kein Märchen.
MM: Das Kolonialgebilde Israel unterschiedet sich von den
klassischen Kolonialsystemen dadurch, dass die Kolonialisten selbst
nicht glauben, dass sie Besatzer sind. Wie kann man es ihnen erklären?
Melzer: Das
ist wohl des Pudels Kern. Man kann es ihnen nicht erklären, weil sie
nicht wissen und nicht wissen wollen, dass sie Kolonialisten sind. In
allen anderen Beispielen (Australien, Süd-Afrika, USA, etc.) wissen die
„Weißen“, in der Regel die Europäer, dass sie Kolonisten sind und ein
Land besetzt und kolonisiert haben, das ihnen nicht gehört. In Israel
ist es anders. Die Israelis sind davon überzeugt, dass das Land seit
mehr als 3000 Jahren ihnen gehört und sie nur „zurückgekommen“ sind.
Obwohl die Fakten eine ganz andere Sprache sprechen und man heute mit
Sicherheit weiß, dass die Palästinenser eigentlich die Nachkommen der
biblischen Juden sind, die im Land geblieben sind, predigt die
zionistische Propaganda immer noch das Märchen von der Vertreibung der
Juden bzw. von ihrer Verschleppung durch die Römer in die Diaspora. Den
Beweisen von Genuntersuchungen etc. wollen sie nicht glauben. Erklären
wird man es ihnen nicht können und je länger es dauert und je mehr neue
Generationen von Juden im Land geboren werden, desto mehr werden sie
davon ausgehen, dass es ihr Land war und ist und auf ewig bleiben wird.
MM: Der klassische Kolonialismus
endete damit, dass entweder die Kolonialisten rausgeschmissen wurden
(wie die Franzosen in Algerien), oder die Kolonialisten die
Kolonialisierten assimiliert haben (wie in den USA und Australien), oder
wie Kolonialisten und Kolonialisierte eine politischen Weg des
Miteinander gefunden haben (wie in Südafrika). Bei Israel scheinen alle
diese Wege völlig ausgeschlossen, da Israel sich nicht über die
Staatsbürgerschaft definiert, sondern über eine Rasse bzw. eine
Religion. Warum fällt es deutschen Politikern so schwer zu verstehen,
dass Israel den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes
mit Füßen tritt und daher nicht die gleichen Werte vertritt, die hier so
hoch gehalten werden sollen?
Melzer: Weil
anscheinend die Werte hier doch nicht so hoch gehalten werden. Vor allem
tritt Israel mit Füssen den Artikel 1: Die Würde des Menschen ist
unantastbar. Es ist eben Politik ohne Moral und eine solche Politik ist
letztendlich zum Scheitern verurteilt. Die Politiker in Deutschland
sehen nur, was sie sehen wollen. Es ist wohl nicht opportun auch für die
Rechte der Palästinenser einzustehen. Obwohl Deutschland einen großen
Teil der Schuld trägt, die den israelisch-palästinensischen Konflikt
verursacht hat.
MM:
Sie wollen Israel vor Gericht stellen um unsere Bundeskanzlerin Merkel
aufzuwecken, was werfen Sie der Bundeskanzlerin vor?
Melzer: Eben
das, was ich bereits erwähnt habe: Heuchelei, Betrug am
palästinensischen Volk. Palästinas Sicherheit müsste Deutschland
Staatsräson sein, oder zumindest auch sein. Davon ist aber in der
deutschen Außenpolitik nichts zu merken und auch die Innenpolitik ist
geprägt durch einen Kotau vor den Israelis. Man leckt ihre
blutbeschmierten Stiefel und hofft dadurch die deutsche Schuld zu
tilgen. Es gibt aber keine deutsche „Schuld“ mehr, es gibt nur noch eine
deutsche „Schande“, die nicht aufhört, solange diese verlogene Politik
fortgeführt wird.
MM: Sie haben in einem Artikel über den Krieg 1967 geschrieben, dass
die damaligen Soldaten "weinten und töteten – töteten und weinten".
Heute seien die Soldaten zu einer "herzlosen, verstandlosen, morallosen
Masse von Roboter-Krieger geworden, die von der jüdischen Tradition
nichts wissen und nichts wissen wollen." Wie konnte es zu solch einer
Entwicklung kommen?
Melzer: Die
israelische Armee von heute ist nicht mehr die Arme der sechziger Jahre,
die hauptsächlich aus Offizieren aus der Kibbutz-Bewegung geführt wurde.
Es ist eine grausame und herzlose Armee geworden. Nicht zuletzt ist auch
die massive Einwanderung russischer Juden daran schuld und auch die
Tatsache, dass die Gesellschaft in Israel religiöser und orthodoxer wird
und die Offiziere heute nicht mehr aus den Kibbutzim kommen, sondern aus
den orthodoxen Parteien. Es sind meistens Käppiträger und werden auch
als solche genannt. Die israelische Gesellschaft bewegt sich mehr und
mehr nach rechts und Israel ist auf dem besten Weg eine Oligarchie zu
werden.
Israel steht heute am Abgrund und wird nur noch
von der USA und den Europäer gestützt. Keiner weiß wie lange noch, aber
alle sprechen sie davon, dass Israel früher oder später untergehen wird.
MM: Herr Melzer, wir danken für das Interview.
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