MM: Sehr geehrter Herr Shahrokny, Sie sind
seit einigen Monaten im Ruhestand. Wie viel Ruhe und Abstand finden Sie
zum Sender, den Sie sieben Jahre geleitet haben?
Shahrokny: Ja, so ist es. Ich bin seit genau dem 01. Khordad 1396
(22. Mai 2017) im Ruhestand. Das bedeutet aber keinesfalls, dass ich
mich aus dem aktiven Leben zurückgezogen hätte. So ist es nicht. Ich
gehe ein-, zweimal in der Woche in die Redaktion, denn ich habe ein sehr
gutes Verhältnis zu den alten Kolleginnen und Kollegen. Außerdem tue ich
für den Sender auch etwas, abgesehen davon, dass ich auch von Zuhause
aus Einiges mache.
MM: Während Ihrer Tätigkeit als Journalist,
ist es Ihnen gelungen, Interviews mit einer Reihe von wichtigen
Persönlichkeiten aus der Politik, Wissenschaft, Religion, Kultur und
Medien zu führen. Wer waren die bekanntesten?
Shahrokny:
Ich bin sehr dankbar für die vielen Interviewpartner im Laufe der Zeit.
Dazu zählen unter anderem der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang
Thierse, Ex-Außenminister Joschka Fischer,
Ex-Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung, die damalige
Grünen-Vorsitzende Frau Claudia Roth, der Philosoph Hans-Georg Gadamer,
Kardinal Christoph Schönborn aus Österreich mit dem ich mehrere
Interviews führen durfte, unzählige Interviews mit dem inzwischen
verstorbenen Dr. Peter Scholl-Latour, Dr. Peter Gauweiler, Willy Wimmer
und dem langjährigen palästinensischen Vertreter in Deutschland Abdullah
Frangi, um nur einige zu nennen.
MM: Erzählen Sie uns einige besonders
eindrucksvollen Erinnerungen aus Ihren Interviews?
Shahrokny: Es
gibt eine Reihe von Erinnerungen, die ich hier, in diesem Interview,
nicht alle erzählen kann, denn das würde den Rahmen des Interviews
sprengen. Aber vielleicht zwei Erinnerungen, an die ich immer wieder
denke, und die ich gelegentlich erwähne, wenn ich so ähnlich gefragt
werde, wie Sie mich eben fragen:
In der Amtszeit von Präsident Chatami, hat man
viel über das Thema „Dialog der Kulturen und Zivilisationen“ gesprochen.
Uns, in der Redaktion, war es sehr gelegen, das Thema aus verschiedenen
Blickwinkeln zu behandeln und zu beleuchten. Es ging also darum,
Philosophen, möglichst Deutsche, zu finden und zu interviewen, die das
Thema „Dialog“ auch wirklich darstellen können.
MM: Wenn haben Sie dann gefunden?
Shahrokny: Wer
war unter den zeitgenössischen Philosophen besser, als der renommierte
Philosoph Hans-Georg Gadamer. Es war dann nicht schwierig, ihn ans
Telefon zu bekommen und mit ihm über das damals so wichtige Thema zu
sprechen. Prof. Gadamer definierte mit sehr einfachen, aber doch
bedeutungsvollen Sätzen den Dialog sowie Bedingungen, die vorherrschen
müssen, um einen echten Dialog führen zu können. Das ist das eine.
MM: Und was war das zweite Erlebnis?
Shahrokny: Das
zweite, an das ich mich immer noch gerne erinnere, war ein Interview mit
dem damaligen Bundestagpräsidenten, Wolfgang Thierse. Das war genau
einen Tag vor dem Iran-Besuch von Herrn Ex-Bundespräsidenten und seiner
Delegation. Ich habe das Interview mit einem Gedicht aus dem berühmten
östlichen Diwan von Goethe, über die Beziehungen zwischen „Morgenland“
und „Abendland“ begonnen. Offenbar war er davon so beeindruckt, dass er
mich über seinen Berater um ein Treffen bat. Am nächsten Tag, das war an
einem Samstag, kam es auch zu diesem Treffen. Dort stellte ich fest, wie
einfach und unbürokratisch es ist, so einer wichtigen Persönlichkeit zu
begegnen.
MM: Gab es auch Tabu-Themen, die Sie lieber
nicht angesprochen haben?
Shahrokny: Ja, es
gibt immer und überall Themen, über die man nicht frei reden kann, wie
man es will. Das gehört auch mit zu diesem Beruf. Aber, dazu gibt es
auch Umwege, Alternativen, wo man dann das Thema nicht direkt anspricht,
sondern über eben Umwege. Ob dann aus dieser Situation heraus ein
informatives Interview entstehen wird, bleibt dahingestellt.
MM: Wie ist Ihr Eindruck im Verlauf der
Jahre, hat sie die Interview-Situation gegenüber deutschen
Gesprächspartnern eher erleichtert oder erschwert im Laufe der Zeit?
Shahrokny: Es
hing immer von der Zeit. Es gab eine lange Zeit, die mir Gespräche mit
den deutschen Gesprächspartnern spaß gemacht haben. Man konnte fast
jeden Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer ans Telefon bekommen und
mit ihm völlig frei über alle möglichen Themen sprechen. Wenn ich z.B.
bei der Pressestelle im Bundestag anrief, und um ein Interview mit einem
bestimmten Abgeordneten bat, wurde ich ohne Schwierigkeiten
durchgestellt.
MM: ... das war aber nicht immer so ...
Shahrokny: Es gab
aber auch eine Zeit, in der es schwierig wurde. Man lehnte Gespräch ab.
Als mir das nach einigen gescheiterten Versuchen klar geworden ist, habe
ich es dann gar nicht weiter versucht. Ein Interview-Partner, der für
einen öffentlich-rechtlichen Sender arbeitete, erzählte mir, dass ihm
indirekt mit dem Rauswurf gedroht wurde, falls er mir weiter Interview
gibt. Das war für mich eine schlechte Erfahrung. Denn ich habe jahrelang
in Deutschland gelebt, ich schätze das Land und das Volk und möchte
nicht, dass es etwas gibt, das Anlass zu Konflikten liefert.
MM: Welchen Ratschlag geben sie iranischen
Journalisten auf den Weg, die mit Deutschland zu tun haben?
Shahrokny: Die
deutsche Sprache zu beherrschen und die deutsche Kultur richtig kennen
zu lernen. Das ist die Grundvoraussetzung für ein echtes Kommunizieren.
MM: Was planen Sie für Ihren Ruhestand?
Shahrokny:
Wie Sie sicherlich festgestellt haben, arbeite ich
in der Redaktion noch weiter, wenn auch nicht in derselben Intensität
wie früher. Nun habe ich auch etwas Zeit fürs Lesen. Ansonsten bin ich
mehr als früher mit der Familie zusammen.
MM: Herr Shahrokny, wir danken für das
Interview und wünschen einen gesegneten Ruhestand. |