MM: Sehr geehrter
Herr Prof. Homburg, wir haben zuletzt vor fast einem Jahrzehnt
Kontakt
gehabt. Was hat sich seither für Sie wesentliches in Deutschland
verändert?
Prof. Dr. Homburg: Bis Anfang 2020
eigentlich wenig. Seither erleben wir in Deutschland, aber auch fast
weltweit, sehr Merkwürdiges. Ein Virus, das nach einer bekannten Studie
von John Ioannidis, publiziert übrigens von der WHO, kaum gefährlicher
ist als andere bekannte Viren, stellt die Welt geradezu auf den Kopf.
MM: Zuletzt waren Sie in den Medien
aufgrund Ihrer Kritik an den Maßnahmen zu Corona. Worin mündet Ihre
Hauptkritik?
Prof. Dr. Homburg: Ich halte die
ergriffenen Maßnahmen, insbesondere den Lockdown, für unverhältnismäßig
und stehe mit dieser Kritik wahrlich nicht allein. Die Politik wägt
Nutzen und Schäden der Maßnahmen aus meiner Sicht nicht vernünftig ab,
sondern ist fixiert auf das Ziel, ein bestimmtes Virus um jeden Preis zu
bekämpfen. Gesundheitliche Schäden durch abgesagte Operationen, die
Zerstörung von Unternehmen und Arbeitsplätzen, Sterben in Einsamkeit für
Alte oder psychische Schäden für Kinder - all dies scheint überhaupt
keine Rolle zu spielen.
MM: In diesem Zusammenhang sind Sie auch
im Vorstand des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit,
Freiheit und Demokratie, e.V.“, kurz MWGFD. Was ist dabei Ihre Rolle?
Prof. Dr. Homburg: Die stärkste Kritik
an den Maßnahmen kommt von Medizinern, weil sie die Lage natürlich
besser beurteilen können als Laien. Unser Verein setzt sich für
objektive Aufklärungsarbeit ein und ist daher starken Anfeindungen
ausgesetzt. Ich bin für die Vereinsfinanzen zuständig und für das, was
man neudeutsch "Compliance" nennt, also die Befolgung aller Gesetze und
Vorschriften, damit uns niemand unter einem Vorwand ausschalten kann.
Viele gute Initiativen sind an diesem Punkt leider gescheitert.
MM: Wie beurteilen Sie die Entwicklung,
wenn es in der medialen Landschaft offensichtlich nur noch eine Meinung
gibt und alle Abweichler mehr oder weniger als Rechte betitelt werden?
Prof. Dr. Homburg: Seit dem Frühjahr
wird jeder medial an den Pranger gestellt, und zwar mit abstrusen
Argumenten, der Kritik am Lockdown übt. Mir geht es da nicht anders als
vielen Forschern im In- und Ausland. Wie man auf die Idee verfallen ist,
solche Kritiker, auch wenn sie mit Zahlen operieren und wissenschaftlich
argumentieren, als Rechte abzuqualifizieren, ist mir schleierhaft. In
unserem Verein MWGFD stufen sich etliche als links ein. In Wahrheit hat
die Frage der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseinschränkungen
überhaupt nichts mit rechts oder links zu tun.
MM: Sie waren bereits bei der
Bankenkrise gegen staatliche Förderungen der Banken. Welche Auswirkungen
wird es haben, wenn einige wenige westliche Länder so viel Geld drucken
können, wie sie wollen und das in der Corona-Krise auch tun?
Prof. Dr. Homburg: Ohne in Einzelheiten
zu gehen ist klar, dass sich die Lage der Staatsfinanzen überall
dramatisch verschlechtert hat und immer weiter verschlechtert.
Wirtschaftliche Probleme können durch Subventionen und Kurzarbeitergeld,
alles schuldenfinanziert, nur kurzzeitig übertüncht werden. In Wahrheit
stecken wir in der größten Rezession der Nachkriegszeit, und zwar nicht
wegen des Coronavirus, sondern wegen der verfehlten Politikmaßnahmen. Am
Ende schlägt Adam Riese zurück, das ist sicher, und dann wird auch die
Stimmung in der Bevölkerung umschlagen.
MM: Sie haben bei unserm ersten
Interview zur Frage einer Pharmaindustrie, die idealerweise dafür sorgen
müsste, dass immer weniger Medikamente benötigt werden, ausweichend
geantwortet: "Ich nenne als drastischeres Beispiel nicht die Pharma-,
sondern die Drogenindustrie." Würden Sie heute noch so antworten
angesichts der bevorstehenden angedrohten indirekten Impfpflicht?
Prof. Dr. Homburg: Da sprechen Sie ein
weiteres wichtiges Problem an. Die Schnellentwicklung von Impfstoffen,
vorbei an allen traditionellen Sicherheitsvorschriften, halte ich für
einen weiteren großen Fehler. Öffentlich wird über die kurzfristigen und
langfristigen Risiken neuartiger kaum erprobter Impfstoffe zu wenig
gesprochen. In Wirklichkeit drohen hier Gefahren, die die Gefahren durch
das Virus selbst deutlich übersteigen.
MM: Werden Sie sich impfen lassen?
Prof. Dr. Homburg: Ich bin kein
prinzipieller Impfgegner, aber einer wenig erprobten mRNA-Impfung werde
ich mich nicht freiwillig unterziehen. Die Frage ist nur, ob mir etwas
anderes übrig bleibt. Wenn Grundrechte wie Berufsausübung oder Reisen
von einer Impfung abhängig gemacht werden, entspricht das einem
faktischen Impfzwang. Ich würde dann überlegen, ob ich mich dem durch
Auswanderung entziehen kann.
MM: Im Rahmen Ihres Widerstandes gegen
die Corona-Maßnahmen haben Sie viele neue Leute kennen gelernt, die Sie
sonst wohl kaum getroffen hätten. Hat das Ihre Weltsicht bereichert?
Prof. Dr. Homburg: Absolut, wobei ich
vier Personengruppen hervorheben möchte. Erstens Ärzte und Juristen, die
den Lockdown tendenziell kritischer sehen als andere. Zweitens
Geisteswissenschaftler, die mir zahlreiche Stücke und Werke schicken,
oft mit sehr differenzierten und tiefen Gedankengängen. Drittens Bürger
der ehemaligen DDR und osteuropäischer Herkunft. Sie sind sensibler für
Situationen, in denen die Regierung von sämtlichen Leitmedien unkritisch
unterstützt wird, und zwar mit absurden Argumenten. Übrigens erreichen
mich auch sehr viele Zuschriften von Nichtakademikern, die einerseits
oft ein besseres Gespür haben als verkopfte Akademiker und andererseits
tendenziell stärker unter den Maßnahmen leiden. In den USA nennt man den
Lockdown "nuke on the poor", also Atombombe auf die Armen. Kleine
Selbständige und einfache Arbeiter sind stärker getroffen als
Ministerialbeamte, Regierungsmitglieder oder Abgeordnete, die allesamt
voll bezahlt werden und nicht um ihre Existenz fürchten müssen.
MM: Was ist Ihre Hoffnung für die
Zukunft?
Prof. Dr. Homburg: Man soll nie
vorschnell in Pessimismus verfallen. Es hat schon größere Krisen gegeben
als die jetzige, deshalb habe ich Hoffnung, dass sich letztlich alles
zum Guten wenden wird.
MM: Prof. Homburg, wir danken für das
Interview.
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