Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Prof. Homburg
 

Muslim-Markt interviewt
Prof. Dr. Stefan Homburg - Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover
19.11.2020

Prof. Dr. Stefan Homburg (Jahrgang 1961) hat nach seinem Abitur in Düsseldorf das Studium der Volkswirtschaftslehre, Mathematik und Philosophie an der Universität zu Köln als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes begonnen und 1985 als Diplom-Volkswirt abgeschlossen. 1987 folgte an gleicher Stelle die Promotion mit Auszeichnung zum Dr. rer. pol. und 1991 die Habilitation an der Universität Dortmund. Zwischen 1985 und 1990 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Akademischer Rat in Köln und Dortmund und begann seine Laufbahn als Professor 1990 an der Universität Bonn im Bereich Wirtschaftstheorie. Ab 1992 wurde er zum Professor für Finanzwissenschaft an die Universität Magdeburg berufen und ab 1997 zum Professor für Öffentliche Finanzen an die Leibniz Universität Hannover, wo er heute noch lehrt. 

Während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war er bis 2003 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, ein Jahr lang Mitglied der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat (bis 2004) und drei Jahre lang Mitglied des Nachhaltigkeitsrats (RNE) der Bundesregierung (bis 2007). Er war Herausgeber der "Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" bzw. "Perspektiven der Wirtschaftspolitik" des Vereins für Socialpolitik. Acht Jahre lang war er zudem Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (bis 2007) und arbeitet seit 2003 zudem als Steuerberater und sitzt in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen. Er ist Autor unzähliger Bücher und Veröffentlichungen.

Während der ausgerufenen COVID-19-Pandemie 2020 hat er öffentlich Kritik an den Regierungsmaßnahmen geäußert. In diesem Zusammenhang war er Vorstandsmitglied im Verein „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V.“ (MWGFD e.V.), dem inzwischen die Gemeinnützigkeit aberkannt worden ist. Im Jahr 2013 unterstützte er Bernd Lucke und dessen Partei Alternative für Deutschland (AFD).

Der Muslim-Markt hat Prof. Dr. Stefan Homburg bereits im Jahr 2012 interviewt.

Prof. Dr. Stefan Homburg ist verheiratet und lebt im Großraum Hannover.

MM: Sehr geehrter Herr Prof. Homburg, wir haben zuletzt vor fast einem Jahrzehnt Kontakt gehabt. Was hat sich seither für Sie wesentliches in Deutschland verändert?

Prof. Dr. Homburg: Bis Anfang 2020 eigentlich wenig. Seither erleben wir in Deutschland, aber auch fast weltweit, sehr Merkwürdiges. Ein Virus, das nach einer bekannten Studie von John Ioannidis, publiziert übrigens von der WHO, kaum gefährlicher ist als andere bekannte Viren, stellt die Welt geradezu auf den Kopf.

MM: Zuletzt waren Sie in den Medien aufgrund Ihrer Kritik an den Maßnahmen zu Corona. Worin mündet Ihre Hauptkritik?

Prof. Dr. Homburg: Ich halte die ergriffenen Maßnahmen, insbesondere den Lockdown, für unverhältnismäßig und stehe mit dieser Kritik wahrlich nicht allein. Die Politik wägt Nutzen und Schäden der Maßnahmen aus meiner Sicht nicht vernünftig ab, sondern ist fixiert auf das Ziel, ein bestimmtes Virus um jeden Preis zu bekämpfen. Gesundheitliche Schäden durch abgesagte Operationen, die Zerstörung von Unternehmen und Arbeitsplätzen, Sterben in Einsamkeit für Alte oder psychische Schäden für Kinder - all dies scheint überhaupt keine Rolle zu spielen.

MM: In diesem Zusammenhang sind Sie auch im Vorstand des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V.“, kurz MWGFD. Was ist dabei Ihre Rolle?

Prof. Dr. Homburg: Die stärkste Kritik an den Maßnahmen kommt von Medizinern, weil sie die Lage natürlich besser beurteilen können als Laien. Unser Verein setzt sich für objektive Aufklärungsarbeit ein und ist daher starken Anfeindungen ausgesetzt. Ich bin für die Vereinsfinanzen zuständig und für das, was man neudeutsch "Compliance" nennt, also die Befolgung aller Gesetze und Vorschriften, damit uns niemand unter einem Vorwand ausschalten kann. Viele gute Initiativen sind an diesem Punkt leider gescheitert.

MM: Wie beurteilen Sie die Entwicklung, wenn es in der medialen Landschaft offensichtlich nur noch eine Meinung gibt und alle Abweichler mehr oder weniger als Rechte betitelt werden?

Prof. Dr. Homburg: Seit dem Frühjahr wird jeder medial an den Pranger gestellt, und zwar mit abstrusen Argumenten, der Kritik am Lockdown übt. Mir geht es da nicht anders als vielen Forschern im In- und Ausland. Wie man auf die Idee verfallen ist, solche Kritiker, auch wenn sie mit Zahlen operieren und wissenschaftlich argumentieren, als Rechte abzuqualifizieren, ist mir schleierhaft. In unserem Verein MWGFD stufen sich etliche als links ein. In Wahrheit hat die Frage der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseinschränkungen überhaupt nichts mit rechts oder links zu tun.

MM: Sie waren bereits bei der Bankenkrise gegen staatliche Förderungen der Banken. Welche Auswirkungen wird es haben, wenn einige wenige westliche Länder so viel Geld drucken können, wie sie wollen und das in der Corona-Krise auch tun?

Prof. Dr. Homburg: Ohne in Einzelheiten zu gehen ist klar, dass sich die Lage der Staatsfinanzen überall dramatisch verschlechtert hat und immer weiter verschlechtert. Wirtschaftliche Probleme können durch Subventionen und Kurzarbeitergeld, alles schuldenfinanziert, nur kurzzeitig übertüncht werden. In Wahrheit stecken wir in der größten Rezession der Nachkriegszeit, und zwar nicht wegen des Coronavirus, sondern wegen der verfehlten Politikmaßnahmen. Am Ende schlägt Adam Riese zurück, das ist sicher, und dann wird auch die Stimmung in der Bevölkerung umschlagen.

MM: Sie haben bei unserm ersten Interview zur Frage einer Pharmaindustrie, die idealerweise dafür sorgen müsste, dass immer weniger Medikamente benötigt werden, ausweichend geantwortet: "Ich nenne als drastischeres Beispiel nicht die Pharma-, sondern die Drogenindustrie." Würden Sie heute noch so antworten angesichts der bevorstehenden angedrohten indirekten Impfpflicht?

Prof. Dr. Homburg: Da sprechen Sie ein weiteres wichtiges Problem an. Die Schnellentwicklung von Impfstoffen, vorbei an allen traditionellen Sicherheitsvorschriften, halte ich für einen weiteren großen Fehler. Öffentlich wird über die kurzfristigen und langfristigen Risiken neuartiger kaum erprobter Impfstoffe zu wenig gesprochen. In Wirklichkeit drohen hier Gefahren, die die Gefahren durch das Virus selbst deutlich übersteigen.

MM: Werden Sie sich impfen lassen?

Prof. Dr. Homburg: Ich bin kein prinzipieller Impfgegner, aber einer wenig erprobten mRNA-Impfung werde ich mich nicht freiwillig unterziehen. Die Frage ist nur, ob mir etwas anderes übrig bleibt. Wenn Grundrechte wie Berufsausübung oder Reisen von einer Impfung abhängig gemacht werden, entspricht das einem faktischen Impfzwang. Ich würde dann überlegen, ob ich mich dem durch Auswanderung entziehen kann.

MM: Im Rahmen Ihres Widerstandes gegen die Corona-Maßnahmen haben Sie viele neue Leute kennen gelernt, die Sie sonst wohl kaum getroffen hätten. Hat das Ihre Weltsicht bereichert?

Prof. Dr. Homburg: Absolut, wobei ich vier Personengruppen hervorheben möchte. Erstens Ärzte und Juristen, die den Lockdown tendenziell kritischer sehen als andere. Zweitens Geisteswissenschaftler, die mir zahlreiche Stücke und Werke schicken, oft mit sehr differenzierten und tiefen Gedankengängen. Drittens Bürger der ehemaligen DDR und osteuropäischer Herkunft. Sie sind sensibler für Situationen, in denen die Regierung von sämtlichen Leitmedien unkritisch unterstützt wird, und zwar mit absurden Argumenten. Übrigens erreichen mich auch sehr viele Zuschriften von Nichtakademikern, die einerseits oft ein besseres Gespür haben als verkopfte Akademiker und andererseits tendenziell stärker unter den Maßnahmen leiden. In den USA nennt man den Lockdown "nuke on the poor", also Atombombe auf die Armen. Kleine Selbständige und einfache Arbeiter sind stärker getroffen als Ministerialbeamte, Regierungsmitglieder oder Abgeordnete, die allesamt voll bezahlt werden und nicht um ihre Existenz fürchten müssen.

MM: Was ist Ihre Hoffnung für die Zukunft?

Prof. Dr. Homburg: Man soll nie vorschnell in Pessimismus verfallen. Es hat schon größere Krisen gegeben als die jetzige, deshalb habe ich Hoffnung, dass sich letztlich alles zum Guten wenden wird.

MM: Prof. Homburg, wir danken für das Interview.

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