Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit S.A. Elsadek
 

Muslim-Markt interviewt
Sascha Abdulkarim Elsadek - Betreiber des YouTube Kanals "Herz der Spiritualität"
25.4.2022

Sascha Abdulkarim Elsadek (Jahrgang 1982) ist Sohn einer deutschen Mutter und eines palästinensischen Vaters, der im Zuge der Islamischen Revolution im Iran die Schia kennen gelernt und sich dann zur Rechtsschule der Ahl-ul-Bait bekannt hat. Die Familie zog einige Zeit nach dem Ende des Irak-Iran-Krieges in die Islamische Republik Iran um ihrem Kind eine segensreiche Ausbildung zu ermöglichen.

Sascha Abdulkarim Elsadek ist im Iran aufgewachsen, hat dort seine Schulausbildung absolviert und ist heute Student der Theologie-Seminare in Qom.

Um während des Studiums seine Deutschkenntnisse zu nutzen, hat er den YouTube Kanal Herz der Spiritualität gegründet und veröffentlicht darin spirituelle Videos aus dem Iran mit deutschen Untertiteln. Seine Mutter unterstützt ihn bei der Übersetzungsarbeit.

MM: Sehr geehrter Elsadek, zunächst die Frage: Wie ist die aktuelle Corona-Lage im Iran?

Elsadek: Die Infiziertenzahl hatte bis vor dem Aufkommen von Omikron stark abgenommen, steigt nun stetig wieder an. Zur Einhaltung der Gesundheitsprotokolle wird zwar aufgerufen, aber sehr strenge Maßnahmen wurden seitens der Regierung eher nicht getroffen. Die Maßnahmen werden von etwa 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung eingehalten.

Sie waren bisher in Deutschland kaum bekannt, wie es viele in Qom studierende deutschsprachige sind. Wie viele deutschsprachige schätzen Sie studieren an den Seminaren in Qom?

Elsadek: Laut meiner Informationen sind es ungefähr 50 Brüder, über die Schwestern habe ich so gut wie keine Informationen, schätze aber, dass diese ebenfalls ca. 50 sind. Außer drei Brüder haben alle einen Einwanderer-Hintergrund. Die drei Originaldeutschen sind Konvertiten.

MM: Wie muss man sich das Studium vorstellen? Können sie uns einige Einblicke dazu geben?

Elsadek: Wird man an der al-Mustafa Universität akzeptiert, beherrscht aber die persische Sprache nicht, so muss man zuerst an einem Sprachlehrgang (6-12 Monate, bei Vorkenntnissen kürzer) für persische Sprache teilnehmen. Ist die Fachrichtung an der al-Mustafa Universität gewählt, so beginnt man zunächst für zwei Semester einen Grundstudiengang. Ab dem dritten steigt man dann in seinen gewählten Fachbereich ein. Ich selbst wählte die Kalam-Wissenschaft. Wenn man dies abgeschlossen hat, kann man mit dem Master-Studium beginnen, unter der Voraussetzung, dass man die Aufnahme-Prüfung besteht. Ich bestand diese im Bereich der Kalam-Wissenschaft. Hat man das Master-Studium absolviert, so besteht die Möglichkeit an einer Aufnahmeprüfung für das Doktorstudium teilzunehmen.

MM: Wie finanzieren die Studenten, deren Studium teilweise ein Jahrzehnt dauert, ihr Studium in der Regel?

Elsadek: Sie bekommen von der al-Mustafa Universität ein Gehalt, das allerdings zumeist nicht für die Finanzierung des Lebensunterhalts ausreicht, entweder sie werden von ihrer Familie aus ihrem Heimatland finanziert, bringen erspartes Geld mit sich oder arbeiten nebenbei.

MM: Die ersten deutschsprachigen Geistlichen kehren nach Deutschland zurück, aber einige bleiben auch im Iran. Wie kommt das und was machen sie dann im Iran?

Elsadek: Ich lebe schon seit vielen Jahren hier im Iran, bin mit einer Iranerin verheiratet und habe eine Tochter. Mit anderen Worten, Iran ist zu meiner Heimat geworden. Zur Zeit konzentriere ich mich während meines Studiums auf die Übersetzungsarbeit von Büchern und auf Aktivitäten im Bereich der sozialen Medien.

Ich stellte diese Frage auch einem Bruder, ebenfalls Deutscher, ich zitiere ihn: „Ich bleibe in Iran, denn auch ich habe eine iranische Frau und eine Tochter. Aufgrund meiner Erfahrungen in Tabligh sehe ich in Iran viel Arbeit. Vor allem sollten sich die Universitäten und die Hauzas näher kommen. Doch das ist ein weiter Weg, denn es gibt nur wenige Theologen, die die Sprache der Universitäten sprechen. Auch ich sehe mich als Deutscher bei Tabligh in einer besonderen Funktion, denn die Iraner hatten stets eine sehr gute Beziehung zu Deutschen, was mir die Möglichkeit gibt die Herzen der Iraner zu gewinnen und so den Islam im Iran zu stärken.“

MM: Welche Gelehrten gehören zu den beliebtesten in Qom?

Elsadek: Viele von ihnen sind beliebt, wenn ich aber ein paar Namen nennen soll, dann beispielsweise Ayatollah Jawadi Amoli, Ayatollah Misbah Yazdi (vor kurzem gestorben), Ayatollah Makarem, Sayyid Kamal al-Haidari usw.

MM: Wie kam es zu der Idee des YouTube-Kanals Herz der Spiritualität?

Elsadek: Ungefähr vor zwei Jahren wurde im iranischen Fernsehen im Monat Ramadan eine Sendung ausgestrahlt mit dem Titel, „Das Leben nach dem Leben“, in der Personen mit Nahtoderlebnissen interviewt wurden. Mich persönlich berührten diese geschilderten Erlebnisse tiefgehend. So entschied ich mich die Interviews auf Deutsch zu übersetzen und auf einen dann von mir gegründeten You Tube-Kanal hochzuladen. Auch aufgrunddessen, weil diese Art von Erfahrungen von Muslimen bisher so gut wie nie veröffentlicht wurden. Ich wollte sie unbedingt mit anderen deutschsprachigen teilen. Aber dabei blieb es nicht, denn es gibt soviel schönes und lehrreiches auf persisch, das man unbedingt auch deutschsprachigen Muslimen näher bringen sollte. Grundsätzlich geht es um Inhalte spiritueller islamisch schiitischer Färbung, mögen dadurch auch Nicht-Muslime angezogen werden, so Gott will.

MM: Wir sehen immer wieder Ausschnitte aus Lehrstunden, die Imam Chamenei erteilt. Welche Voraussetzung muss man erfüllen, um an jenen Lehrstunden teilnehmen zu dürfen?

Elsadek: Um an diesen Lehrstunden teilnehmen zu dürfen, muss man zumindest die Stufe 10 der Hawzah (Paye-ie dahom, Kefayatain) absolviert haben, also eine gewisse wissenschaftliche Kompetenz aufweisen.

MM: Die letzten 40 Jahre war Iran das am übelsten sanktionierte Land der Erde. Das scheint heutzutage durch Russland eingeholt zu werden. Wie wird die Ukraine-Krise im Iran und speziell unter den Studenten diskutiert?

Elsadek: Wie dieses Thema unter den Studenten diskutiert wird, darüber kann ich im Moment nichts sagen, da ich zur Zeit in dieser Hinsicht nicht viel Kontakt habe. Aber was die iranische Gesellschaft betrifft, so denke ich mal, dass es grob gesehen zwei Hauptrichtungen gibt, einmal jene, welche einerseits die Auslandspolitik der Islamischen Republik Iran im Mittleren Osten kritisieren und andererseits ihre antirussische Ansicht wegen der Syrien-Krise bei der Bewertung der Rolle Russlands in der Ukraine miteinbeziehen und mit dem ukrainischen Volk sympathisieren. Dann gibt es aber auch jene Richtung, die die Rolle Russlands in der Syrien-Krise als positiv bewerten und Russlands Aktion im Ukraine Krieg für notwendig erachten, um Amerika und der Nato entgegenzuwirken, allerdings dem ukrainischen Volke vollstes Mitleid entgegenbringen. Es gibt natürlich auch noch andere Ansichten.

MM: Falls jemand in Deutschland einerseits gerne die Lehre der islamischen Befreiungstheologie studieren möchte aber andererseits unsicher ist, ob er in das kalte Wasser Iran springen soll, was empfehlen Sie ihm?

Elsadek: Er soll ohne nachzudenken springen. Er wird bestimmt aufgefangen werden.

MM: Herr Elsadek, wir danken für das Interview.

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