MM: Sehr geehrter Herr
Baab. Wie wird aus einem bekannten und erfolgreichen
Mainstream-Journalisten ein ausgestoßener Verschwörungstheoretiker?
Baab:
Der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ ist ein denunziatorischer
politischer Kampfbegriff ohne jeglichen analytischen Wert. Er hat zum
Ziel, Andersdenkende aus dem demokratischen Debattenraum auszugrenzen.
Das Ziel dieses Begriffes ist die Ächtung von Dissens. Dissens ist aber
das Lebenselixier der Demokratie. Alle Neuerungen und Verbesserungen
entstehen aus der Unzufriedenheit mit dem erlebten Zustand, also aus
Dissens. Ohne Dissens gibt es keinen Fortschritt. Wer andere als
„Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet, verzichtet auf intersubjektiv
überprüfbare, rational nachvollziehbare Sachargumente und will den
demokratischen Debattenraum zerstören. Er handelt also antidemokratisch
und vertritt die Interessen der herrschenden Machteliten. Deshalb habe
nicht ich mich verändert, sondern andere versuchen, eine staatstragende
Position auf antidemokratische Weise durchzusetzen. Hier handelt es sich
meist um Akademiker, die ihr Geld damit verdienen, den Mächtigen gegen
Geld zu Diensten zu sein. Deshalb nennt sie der Dichter Bertolt Brecht
auch „Kopflanger“. Wie ein Handlanger dem Facharbeiter die Werkzeuge
reicht, so reichen akademische Kopflanger den Mächtigen ihre
Rechtfertigungslügen. Der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ hat zum
Ziel, von den tatsächlichen Problemen abzulenken, die Bevölkerung zu
spalten und die eigene Herrschaft zu sichern.
MM: Was war Ihre
Motivation zur Reise in den Donbass, wo sonst kaum westliche
Journalisten zu finden sind und wenn doch, dann als Kollaborateure
Putins gelten?
Baab:
Ich habe die Ukraine bereist, weil ich dort Freunde habe. Die erste
Reise führte mich im Herbst 2021 zu meinen Freunden in die Westukraine.
Dort haben sie mich bei meinen Recherchen unterstützt. Dabei ist der
Plan entstanden, im Folgejahr in den Donbass zu reisen. Denn ich folge
der journalistischen Handwerksregel: Auch die andere Seite soll gehört
werden. Allerdings kam der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der
Russischen Föderation dazwischen. Wir sahen keine Möglichkeit, durch die
Front zu gelangen. Also habe ich einen anderen Reisebegleiter – Sergey
Filbert – und eine andere Route gewählt: Über Russland in den Donbass.
Damit gehöre ich – neben Régis Le Sommier aus Paris – zu den wenigen
Journalisten, die auf beiden Seiten recherchiert haben. Genau deshalb
wurde ich öffentlich an den Pranger gestellt und beruflich beschädigt.
Während mein langjähriger Arbeitgeber – die ARD – noch im ersten
Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre mit Christoph Maria Fröhder einen
ausgezeichneten Reporter in Bagdad hatte, also auf beiden Seiten
vertreten war, verzichtet sie heute auf Reporter im Donbass. Dies
leistet einer Anlehnung an ukrainische Propaganda und Nato-Narrative
Vorschub. Die deutschen Medien verzichten weitgehend darauf, sich mit
der russischen Seite im Donbass zu beschäftigen. Damit machen sie sich
selbst zum willigen Werkzeug westlicher Propaganda. Alleine schon
deshalb muss jeder als „Putin-Versteher“ diskreditiert werden, der auch
die andere Seite hört. Nicht ich habe handwerkliche Fehler gemacht; die
Presse selbst verletzt ihre eigenen Handwerksregeln.
MM: Eigentlich sollte
man sich immer auch dadurch ein gerechtes Bild verschaffen, idem man
beide Seiten eines Konfliktes gleichberechtigt anhört. Was ist
geschehen, dass die Öffentlich-Rechtlichen heutzutage ein Narrativ
festlegen und die Gegenseite kaum noch zu Wort kommen lassen?
Baab:
Baab: In drei
völkerrechtswidrigen Angriffskriegen – Serbien und Kosovo 1999 bei der
KFOR, in Afghanistan 2002 bei der ISAF und im Krieg in der Ukraine bei
den Organisatoren im Donbass – habe ich an Pressekonferenzen und
Briefings der Besatzungsbehörden teilgenommen. Dabei habe ich auch
selbst das Wort ergriffen und meine Eindrücke erläutert, beispielsweise
mit Blick auf die Minenlage, die Gefahren von Feuereinwirkung an
bereisten Orten oder die Stimmung in der Bevölkerung.
Die britische Reporterin
Elizabeth Wiskemann hat 1936 über die Propaganda der Nazis im Danziger
Korridor berichtet. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sie mache mit
der SA oder der SS gemeinsame Sache. Die University of Edinburgh ehrt
sie heute als Kriegsheldin. Die Kriegsberichterstatterin Martha Gellhorn
arbeitete während des Zweiten Weltkriegs „embedded“ in die
US-Streitkräfte im Rang eines Hauptmanns. Niemand hat ihr jemals
vorgeworfen, sie habe sich von der US-Armee instrumentalisieren lassen.
Peter Scholl-Latour hat im Vietnamkrieg 1973 auf der Seite des Vietkongs
gedreht. Niemand hat ihm vorgehalten, er verbreite kommunistische
Propaganda.
An Pressekonferenzen
teilzunehmen, Informationen auszutauschen, auch über die Stimmung in der
Bevölkerung, ist in einem Kriegsgebiet eine Überlebensfrage. Deshalb
rede ich auch mit Russen. Als Journalist rede ich ständig mit Menschen,
die anderer Herkunft oder anderer Meinung sind. Das ist Kern meiner
Arbeit. Damit mache ich mich nicht mit ihnen gemein. So werden
Informationen recherchiert.
Neu ist, dass
Schreibtischbewohner in Redaktionen und Akademien, die von der
Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten und den betroffenen
Ländern keine Ahnung haben und sich ausrechnen können, dass sie selbst
nie an der Front landen, aus der Komfortzone heraus Reportern im
Kriegsgebiet in den Rücken fallen und sie damit zusätzlichen Gefahren
aussetzen. Dies zeigt, in welchem Maß im heutigen Journalismus ethische
Maßstäbe missachtet werden, wie weit sich die Berichterstattung von der
Realitätsprobe vor Ort hin zum postfaktischen Skandalisieren verschoben
hat und wie tief die Berichterstattung der Mainstream-Medien, auch der
öffentlich-rechtlichen, in das Propagandasystem der NATO verstrickt ist.
MM: Die Folgen ihrer
Reisen und der anschließenden öffentlichen Verurteilung Ihrer Person
beruhend auf falschen Tatsachenbehauptungen waren ja
nicht nur der Verlust des Lehrauftrages an der Uni, sondern auch
fehlende Aufträge der etablierten Medien. Hat sich das rückblickend
gelohnt?
Baab:
Man hat tatsächlich versucht, meine berufliche Existenz zu vernichten.
Aber das ist nicht gelungen. Denn ich bin finanziell völlig unabhängig.
Deshalb nehme ich von niemandem Weisungen entgegen, weder aus Moskau
noch aus Berlin oder Washington. Mit meiner klaren Haltung habe ich
vielen jungen Journalistinnen und Journalisten der alternativen Medien
ein Beispiel gegeben, wie man so etwas macht, während die angepassten
Journalisten der Mainstream-Medien als das dastehen, was sie sind:
angepasste Figuren, die sich nicht entblöden, NATO-Propaganda zu
verbreiten statt mit dem eigenen Kopf zu denken und im Wege der
Recherche den Dingen auf den Grund zu gehen. Und noch etwas: Bei vielen
Lesungen und Diskussionen in ganz Deutschland, von Uckermünde bis
München, habe ich festgestellt: Die öffentliche Meinung der Bevölkerung
steht der veröffentlichten Meinung der Presse diametral gegenüber. Hier
wird deutlich, dass die Presse gegen die Interessen und die Meinung der
Bevölkerung anschreibt. Der bekannte Reporter Peter Scholl-Latour hat
2014 gesagt: „Wenn Sie sich einmal anschauen, wie einseitig die hiesigen
Medien, von taz bis Welt, über die Ereignisse in der Ukraine berichten,
dann kann man wirklich von einer Desinformation in großem Stil sprechen,
flankiert von den technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters,
dann kann man nur feststellen, die Globalisierung hat in der Medienwelt
zu einer betrüblichen Provinzialisierung geführt“ (Quelle
Telepolis).
Dies kann ich nur
bestätigen. Deshalb erscheint es mir klug, sich zunächst in die
Geschichte des Konflikts im Donbass und der Ukraine einzuarbeiten.
Stattdessen betreiben Medien wie der MDR, 3sat und die Sächsische
Zeitung die Ächtung von Dissens. Dissens aber ist das Lebenselixier der
Demokratie. Ohne Dissens gibt es keinen Fortschritt. Die Staatshörigkeit
und der antidemokratische Verfolgungsdruck, den die Mainstream-Medien
gegen Mahner und Warner wie Prof. Dr. Ulrike Guérot, Prof. Dr. Michael
Meyen, Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz oder mich entfalten, zeigt, dass
der demokratische Debattenraum genau da zerstört wird, wo man Hoffnung
auf seine Verteidigung haben sollte: in akademischen und
journalistischen Kreisen. Dies zeigt auch, dass eine Regierung sehr
lange gegen den Friedenswillen des eigenen Volkes anregieren kann, wenn
die Presse zum Werkzeug staatlicher Propaganda degeneriert ist.
MM: Sie haben
erfolgreich gegen den Verlust des Lehrauftrages geklagt. Zwar haben Sie
juristisch gewonnen, aber was nützt das jetzt?
Baab:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein gehört zu den
wenigen Urteilen, die klar im Sinne des Grundgesetzes gesprochen wurden.
Entgegen den Hinweisen von Seiten der Propaganda-Medien steht in der
Urteilsbegründung deutlich, dass man einen Journalisten nach der in Art
5 Grundgesetz festgelegten Meinungs- und Informationsfreiheit nicht
dafür bestrafen dürfe, dass er seine Arbeit macht. Der Kammer war klar,
dass hier Grundrechte abgewogen werden. Die Universität Kiel hat darauf
verzichtet, die nächste Instanz anzurufen, damit ist das Urteil
rechtskräftig. Man darf aber vermuten, dass die Universität Kiel ein
Grundsatzurteil vermeiden wollte. Der Grund liegt auf der Hand: Nach
einer aktuellen Studie gibt es in Deutschland, Österreich und der
Schweiz mindestens 50 Professoren, die in den vergangenen vier Jahren
aufgrund von der Staatslinie abweichenden Meinungen relegiert worden
sind – in allen Fällen unter Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren. Wir
reden hier nur von ordentlichen Professoren. Rechnet man den
akademischen Mittelbau und die Lehrbeauftragten dazu, dann käme man wohl
auf hunderte, wenn nicht tausende Fälle. Mit einem Grundsatzurteil
beispielsweise des Bundesverwaltungsgerichts hätte die Praxis beendet
werden müssen, die Universitäten von „Dissidenten“ systematisch zu
säubern. Hier geht es immer darum, dass die den Machteliten ergebenen
akademischen Kräfte ein Exempel statuieren wollen, um durch die
Erzeugung von Angst bei Anderen vorauseilenden Gehorsam zu erzwingen.
Genau hier liegt der Nutzen des Gerichtsurteils: Das Urteil stärkt den
Glauben an die Verfassung und damit den Rechtsstaat. Und es stärkt
unseren Glauben. Mohammed predigt den Menschen, auf Allah zu vertrauen
und keine Angst zu haben. Auch in der Bibel ist der häufigste Satz des
Neuen Testamentes: „Fürchtet Euch nicht!“ Die Angst ist es, vor der wir
uns fürchten müssen.
MM: Die herrschende
Meinung hat Sie insbesondere im Fall der Ukraine getroffen. Aber
ähnliche Mechanismen scheinen auch bei Corona, Klima, Palästina und
anderen Themen vorzuherrschen. Wie kann Ihr "Werkzeugkasten
zur Kritik der herrschenden Meinung" hilfreich sein, mit der
herrschenden Meinung umzugehen?
Baab:
In meinem Buch schreibe ich, dass Recherchieren ein oppositionelles
Konzept darstellt. Wir recherchieren, um Missstände öffentlich zu machen
und damit den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Das ist in allen
Ländern und in allen Konflikten wichtig. Dass die Machteliten eingehegt
werden müssen, hat mit unserer jahrhundertelangen Erfahrung mit dem
Missbrauch von Macht zu tun. Wenn die Mächtigen dazu neigen, ihre Macht
zu missbrauchen, dann muss ihre Macht begrenzt, es müssen ihr Zügel
angelegt werden. Wenn wir Karl Marx lesen, dann finden wir den Hinweis,
dass die herrschende Meinung immer auch die Meinung der Herrschenden
ist. Deshalb müssen wir auch skeptisch und wachsam sein, was die
herrschende Meinung betrifft. Sie ist durchsetzt von der Propaganda der
Mächtigen, das Volk kommt ja meist nicht zu Wort. Es sind die
antidemokratischen Kräfte, die uns vorschreiben wollen, was wir zu
denken haben, und dazu setzen sie alle ideologischen Staatsapparate ein,
die sie zur Verfügung haben. Die Schulen sollen uns zu folgsamen
Staatsbürgern machen; in Universitäten werden die Theorien gelehrt, die
den Mächtigen nützlich sind, und andere in den Hintergrund gedrängt; in
den Medien hören wir, dass wir Opfer bringen sollen für den Krieg, und
wir hören es von Leuten, die nie im Krieg waren und die Welt aus dem
zivilisatorischen Schonraum ihrer Schreibtische beurteilen. Dagegen
müssen wir uns zur Wehr setzen. Denn die Völker wollen keinen Krieg,
sondern Frieden, in der Ukraine, in Palästina, überall in der Welt.
Immer sind es die Mächtigen, die Kriege anzetteln und die armen Schweine
darin verbluten lassen.
MM: Rückwirkend
betrachtet waren Sie ja auch schon zuvor ein "Verschwörungstheoretiker".
Denn allein der Titel ihres Buches "Im Spinnennetz der Geheimdienste.
Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?"
deutet darauf hin, dass Sie die herrschende Meinung hinterfragen. Warum
waren damals die Reaktionen nicht so heftig wie heute?
Baab:
Damals haben die Mainstream-Medien versucht, das Buch einfach
wegzuschweigen. Deshalb habe ich mit den sogenannten Alternativen Medien
Interviews dazu gemacht. Das hat man mir übelgenommen. Aber heute hat
sich die Situation verschärft. Das zeigt, dass die bundesdeutsche
Demokratie in einer ernsten Krise ist, sie degeneriert immer mehr zu
einer Fassadendemokratie, in der die Machteliten tun, was sie wollen,
das Volk aber nur noch scheinbar etwas zu sagen hat. Diese
Transformation der Demokratie ist in der Fachwelt vielfach beschrieben
worden. Der britische Soziologe Colin Crouch spricht von
„Post-Demokratie“. Heute sind die Versuche, Dissidenten auszugrenzen und
ihre Existenz zu vernichten, so stark wie noch nie in der Geschichte der
Bundesrepublik. Die parlamentarische Demokratie in Deutschland hat ein
ernstes Problem.
MM: Bereits 1985 haben
Sie die Krise der Parteiendemokratie vorhergesagt. Was müsste sich heute
ändern, damit wir aus dem Dauerkrisenmodus heraustreten können?
Baab:
Sie haben gut recherchiert. Was heute fehlt, ist eine
außerparlamentarische Opposition, die den Politikern des herrschenden
Parteien-Kartells deutlich macht, dass sie wieder nach dem Friedensgebot
des Grundgesetzes handeln müssen. Solange es diesen Druck der Straße
nicht gibt, werden die Mächtigen nicht nachlassen im Versuch, das Land
immer tiefer in den Ukraine-Krieg hineinzuziehen und das Land
wirtschaftlich vollständig zu ruinieren. Neulich hatte ich hier in
Berlin an einer Tagung teilgenommen. Es handelte sich um
sozialdemokratische Politiker. Sie sprachen mit Blick auf die aktuelle
wirtschaftliche Rezession von „produktiver Zerstörung“, wie sie der
Ökonom Joseph Schumpeter beschrieben hat. Aber Schumpeter sprach von dem
Wandel der Betriebe und der Volkswirtschaft zu neuen Technologien,
während heute die deutsche Wirtschaft die Abwanderung von Betrieben und
einen Prozess der De-Industrialisierung erlebt. Diese Politiker
verstehen nicht, was wirklich geschieht: Die deutsche Wirtschaft
schrumpft, weil die Sanktionen gegen Russland wie ein Boomerang wirken.
Unternehmen wandern ab, weil sie hier nicht mehr profitabel arbeiten
können. Deutschland gerät in den Windschatten der ökonomischen
Entwicklung, weil die Regierung dem Kurs der USA zur Abgrenzung von
China folgt, statt die Chancen des chinesischen Marktes zu nutzen. Als
Konjunktur-Lokomotive Europas fällt Deutschland zunehmend aus. Damit ist
der ökonomische Selbstmord Europas eingeleitet. Gleichzeitig hat die
Ampelkoalition einen Angriff auf den Wohlstand der Bevölkerung
gestartet, mit hohen Energie- und Verbraucherpreisen, mit sinkenden
Reallöhnen. Aber solange der deutsche Michel weiterschläft, wird sich
daran nichts ändern.
MM: Trauen Sie sich
auch an die Hintermänner jener Spinnenetze heran, die möglicherweise an
der Spitze des die Welt beherrschenden Wirtschaftssystems zu suchen
sind?
Baab:
Wer den Tiefen Staat für eine anonyme Macht im Nirgendwo hält, ist in
meinen Augen ein Dummkopf. Manche Kollegen, die mich kritisieren,
glauben wohl tatsächlich, der Tiefe Staat, das sei, wenn sich fünf Leute
nachts um drei in der Tiefgarage treffen. Das ist Unfug. Die eigentliche
Elite, das sind in Deutschland vielleicht 1.000 bis 2.000 Leute.
Minister, Staatssekretäre, Parteichefs, Spitzenbeamte, hohe Militärs,
Richter an Bundesgerichten, Wirtschaftsfunktionäre, Manager von
Investment-Fonds, Chefredakteure und Spitzenjournalisten. Die fällen die
Entscheidungen, die unser aller Leben bestimmen. In Berlin-Mitte haben
wir diese Leute auf einem Quadratkilometer. Sie essen in denselben
Restaurants, gehören denselben Tennis- oder Golfclubs an, wohnen in
denselben Vierteln, kaufen in denselben Läden ein. In seinem Buch „The
Deep State“ hat Mike Lofgren beschrieben, wie sich dadurch eine
Meinungs- und Entscheidungsblase bildet, in diskreten Clubs, beim
Abendessen, über den Gartenzaun hinweg, bei einem Glas Sekt am
Wochenende. Man lebt ähnlich, hat eine ähnliche Perspektive auf die Welt
und betrachtet sich selbst als Angehörige der Elite, die sich von „denen
da draußen“ unterscheidet. Man hält sich für eine In-Group, die etwas zu
sagen hat und den anderen da draußen gerne mal den Weg weisen darf. Die
Hintermänner – das ist etwas ganz Profanes. Alle diese Leute haben ein
gemeinsames Interesse: Dass es so weiterläuft wie bisher. Denn das nützt
ihnen, sie leben gut davon. Den anderen erklären sie, dass man ruhig den
Riemen etwas enger schnallen kann, damit das Land „kriegstüchtig“ wird.
MM: Herr Baab, wir
danke für das Interview. |