MM: Sehr geehrter Herr
Dr. Haider, was war Ihre Motivation ein 430-Seitiges Werk mit noch mehr
Quellen angaben zu schreiben?
Dr. Haider:
Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen. Als wir vor 10 Jahren
nach Deutschland kamen, stellten wir fest, dass die Religion in dieser
Gesellschaft eher marginalisiert ist und sie überwiegend säkular geprägt
ist. Es schien uns, dass diese Gesellschaft die Gläubigen sogar als
primitiv und asozial betrachtet. Das war eine Überraschung für uns. Wir
konnten nicht verstehen, wie die Leute ohne Gott leben können. Dann
stellten wir fest, dass diese Gesellschaft eine islamfeindliche Haltung
einnimmt, was sie leider daran hindert, diese Religion kennenzulernen,
geschweige denn an sie zu glauben. Wir haben gesehen, wie Politiker,
Autoren oder Denker, die zur Islamfeindlichkeit verdeckt oder offen
aufrufen, gefeiert werden.
MM: Die Ursachen dafür
sind sicherlich vielfältig ...
Dr. Haider:
Ich verstehe, dass es hierbei mehrere Faktoren gibt, aber einer davon
war die falsche Darstellung oder Vorstellung des Propheten Muhammad,
sodass eine billige Zeitung wie Charlie Hebdo den Propheten Muhammad
(Friede sei mit ihm, s.) in einem schlechten Licht darstellen konnte.
Die Darstellung in der Gesellschaft über den Propheten war nicht anders
als diese Zeitung. Es ist uns klar geworden, dass diese Gesellschaft die
wahre Geschichte des großen Propheten Muhammad (s.) kennenlernen muss.
Damit können wir nicht nur unseren edlen Propheten (s.) verteidigen,
sondern auch dazu beitragen, dieser Gesellschaft zu helfen, ihre
sozialen Probleme zu lösen und den allgemeinen Verfall der Werte zu
beseitigen.
MM: Warum publizieren
Sie unter dem Pseudonym "Aaron van Altenberg"?
Dr. Haider:
Die Idee war, ein Buch oder eine Biographie über das Leben des Propheten
Muhammad (s.) zu verfassen, das sich an Laien ohne Berufserfahrung
richtet und speziell auf den deutschsprachigen Raum abzielt. Ich wollte
die breiteste Zielgruppe erreichen, die ich kann. Daher habe ich beim
Schreiben eine Strategie gewählt, um die größtmögliche Anzahl von Lesern
anzusprechen. Aufgrund meiner Vorstellung von dieser Gesellschaft
kristallisierte sich in meinem Kopf heraus, dass die Leute hier ungern
etwas von Autoren wie Ali, Ahmed, Hassan oder Muhammad hören möchten, da
sie diesen keinen Vertrauen schenken, sondern lieber Sven, Stefan,
Marcus … Aus diesem Grund wollte ich nicht, dass mein Name ein Hindernis
darstellt, um diesen Leuten die wahre Geschichte des Propheten Muhammad
(s.) näherzubringen, und habe ich unter einem Pseudonym geschrieben, das
den Europäern vertraut ist.
MM: Was bedeutet der
im deutschen so ungewöhnlich klingende Titel "Weißer und Erdvater"?
Dr. Haider:
'Weißer' bezieht sich auf den Gedichtvers: 'Und ein Weißer, der mit
seinem Gesicht die Menschen um Regen bittet. Er ist eine Zuflucht für
die Waisen und ein Schutz für die Witwen.' im berühmten Gedicht von
Abi Talib (a.). Damit meinte er den Propheten Muhammad (s.). Es bedeutet
nicht hell oder weiße Haut, sondern spirituell rein und ohne Fehler. Was
mich interessiert, ist, dass der Prophet Muhammad (s.) dieses Gedicht
mochte. Daher wollte ich ihn so nennen, wie sein Onkel (a.) ihn nannte
(siehe Seite 85 im Buch).
MM: ... und
Erdvater?
Dr. Haider:
'Erdvater' bedeutet Abu Turab, und diese Übersetzung habe ich von
Nöldeke übernommen. Abu Turab ist Ali bin Abi Talib (a.), wie es bekannt
ist. Der Prophet (s.) nannte Ali bin Abi Talib (a.) Abu Turab. Ali
mochte diesen Namen sehr.
Das heißt, das Buch könnte
auch 'Muhammad und Ali' heißen. Meiner Meinung nach, geht der Islam
hauptsächlich um diese zwei heiligen Personen (s.). Es war mir bewusst,
einen indirekten Titel für das Buch zu wählen, um es für die Leser hier
einfacher zu machen, die den ehrlichen Namen des Propheten Muhammad (s.)
auf dem Cover nicht haben möchten, da es ihnen unangenehm sein könnte,
falls sie es im Zug oder in der Bibliothek lesen würden.
MM: Warum haben sie
für die Beschreibung des Lebens des Propheten Muhammad ausgerechnet die
Roman-Form gewählt?
Dr.Haider:
Das Phänomen, dass relativ viele Leute in Deutschland Bücher lesen, habe
ich weder im Libanon noch in meinem Heimatland gesehen. Man sieht viele
Jugendliche oder Erwachsene, die Bücher in öffentlichen Verkehrsmitteln
lesen. Die meisten Bücher, die sie lesen, sind belletristische,
abenteuerliche oder romantische Romane. Ich wollte diese gute Gewohnheit
in der Gesellschaft ausnutzen und ihnen das Leben des edlen Propheten
Muhammad (s.) in Romanform präsentieren, um sie zu ermutigen, dieses
Buch zu lesen. Die klassische Schreibweise vieler islamischer Gelehrter
macht es für Laien schwierig, deren Bücher zu verstehen, was dazu führt,
dass deren Bücher nur für islamische Wissenschaftler zugänglich sind.
Einer der Schwerpunkte beim Schreiben dieses Buches war die Verwendung
der Romanform. Das ist auch eine Besonderheit dieses Buches. Ich
behaupte nicht, dass das Buch ein Roman über den Propheten Muhammad (s.)
ist. Aber es ist eine spannende Schreibmethode, die der Romanmethode am
nächsten kommt, kann aber nicht 100% Roman sein, sonst verletzt man die
Glaubwürdigkeit der historischen Texte.
MM: Auf dem
Buchrücken geben Sie an, dass der Quran und die Ahl al-Bait (die
Auserwählten in der Familie des Propheten) ihre Quellen waren. Was
unterscheidet diese Darstellung von bisherigen Biographien in deutscher
Sprache?
Dr. Haider:
Die vorhandenen Biographien stammen überwiegend aus sunnitischen
Quellen. Bei diesen wurden die Überleiferungen (Hadithe) von Ahl al-Bait
nicht berücksichtigt. Dies hat dazu geführt, dass die Biographien, wie
z.B. die prophetische Biographie von Ibn Hischam (abhängig von Ibn
Ishaq), die prophetische Biographie von Ibn Kathir und der versiegelte
Nektar und die anderen, nicht korrekte Überlieferungen oder sogar
verfälschte Erzählungen enthalten. Das ist ein wesentliches Problem beim
Schreiben von Biographien des Propheten Muhammad (s.). Da die
sunnitischen Biographien bekannter sind als die wenigen schiitischen
Biographien, verließen sich viele Orientalisten auf sie und lieferten
eine falsche Geschichte des Propheten Muhammad (s.).
MM: Nennen Sie ein
Beispiel.
Dr. Haider:
Einige Beispiele sind: Der Prophet wollte sich angeblich umbringen, als
Gabriel ihn für ein paar Monate nicht ansprach, Gabriel drückte den
Propheten gewaltig fest, damit er den Koran lesen konnte, der Prophet
hörte Musik mit seiner Frau Aischa oder der Prophet heiratete Aischa,
als sie 6 Jahre alt war und vieles mehr. Die Feinde des Islams nahmen
diese Biographien und benutzten sie, um den Propheten Muhammad (s.) zu
beschämen und zu verspotten. Auf der anderen Seite haben wir die
schiitisch verfassten Biographien. Sie sind nicht viele und wurden etwas
später geschrieben. Viele von ihnen sind für islamische Wissenschaftler
gedacht und nicht für Laien. Viele berufen sich auf schiitische Quellen,
die zwar pro-Ahl al-Bait sind, aber ihnen fehlen die
Überlieferungsketten, was sie schwach macht.
MM: Welches war Ihre
Hauptquelle?
Dr. Haider:
Von den jetzigen Gelehrten, der die umfangreichste Biographie des
Propheten Muhammad (s.) verfasst hat, war Ja'far Murtada al-'Amili, der
Al-Sahih Men Sirat Al-Nabi Al-Azam in 35 Bänden geschrieben hat und
basierend auf mehr als 1600 Quellen. Er nahm große Rücksicht auf die
Vorschriften zur Überprüfung der Hadithe. Sein Buch fand in
wissenschaftlichen Foren große Beachtung und wurde in der Islamischen
Republik Iran als bestes Buch seines Jahrgangs ausgezeichnet. Ich glaube
jedoch, dass einfache Menschen ein so riesiges Buch nicht bewältigen
können, daher habe ich es als Hauptquelle genommen und es in einem
einzigen Buch zusammengefasst.
MM: Geben Sie uns
ein Beispiel für die Diskrepanz zwischen der in der westlichen Welt
wahrgenommenen Person des Propheten und der realen Person, die Sie
versuchen aufzuklären.
Dr. Haider:
Die westliche Sicht auf den Propheten Muhammad (s.) ist leider sehr
schlecht. Zum Beispiel in den Worten des französischen Historikers und
Schriftstellers Ernest Renan, der sagte: "Die Christen haben eine
seltsame Geschichte über Muhammad geschrieben. Es ist eine Geschichte
voller Hass und Verachtung für ihn. Sie behaupteten, dass Muhammad vor
einer goldenen Statue niederkniete, die die Dämonen für ihn versteckten,
und Dante beschuldigte ihn der Gottlosigkeit in seiner Erzählung der
Hölle. Der Name Muhammad wurde bei ihm und anderen zum Synonym für das
Wort Ungläubiger oder Häretiker. In den Augen der mittelalterlichen
Schriftsteller war Muhammad manchmal ein Zauberer, manchmal ein
abscheulicher Sünder und ein Dieb, der Kamele stahl. Und in der Neuzeit
wurde er beschuldigt, das gestohlen zu haben, was in der Tora und dem
Evangelium steht, wie Abraham Geiger in seinem Buch "Was hat Muhammad
vom Judentum gelernt?" (Bonn 1833) und Hirschfeld in "Das
jüdische Element im Koran" (Berlin 1878)."
Der amerikanische
zionistische Pastor Jerry Falwell sagte in seiner Fernsehsendung:
"Ich glaube, dass Muhammad ein Terrorist war. Ich glaube, dass Christus
ein Beispiel für Liebe gesetzt hat, wie Moses es getan hat, und ich
glaube, dass Muhammad ein gegenteiliges Beispiel gesetzt hat. Er war ein
Dieb und ein Wegelagerer." Jerry Vines beschrieb unseren Propheten
Muhammad (s.) in der jährlichen Versammlung der Baptistenkirche, die in
St. Louis im US-Bundesstaat Missouri abgehalten wurde, mit den Worten:
"Ein Perverser, der Kinder bevorzugt und vom Teufel besessen ist."
MM: Das war vor dem
Terroranschlag auf das World Trade Center, wurde es danach nicht noch
schlimmer?
Dr. Haider:
Nach den Ereignissen des 11. September wuchs die westliche
Feindseligkeit gegenüber dem Islam und dem Propheten des Islam auffällig
und ging von bloßer Verleumdung und Verzerrung zu Handlungen und
Einschränkungen über; von den beleidigenden dänischen Karikaturen zur
Verbot des Hijabs in Schulen und des Niqabs in öffentlichen Orten in
Frankreich; zur Beschränkung des Minarettbaus in der Schweiz; zum
beleidigenden Film über die ehrenwerte Person des Gesandten in Amerika.
Die Orientalisten
beschuldigten den Propheten Muhammad der Sinnlichkeit, um seinen Ruf zu
schädigen, wie der französische Orientalist "Maxime Rodinson" in seinem
Buch "Muhammad" und "Hamer Borgstal" in seinem Buch "Bilder aus dem
Leben der großen muslimischen Herrscher".
Sie beschuldigten ihn auch,
nach seinem eigenen Willen zu urteilen und keine Offenbarung zu
erhalten, wie es in Jalawur's Buch "Der Fortschritt der
wissenschaftlichen Mission" steht. Sie sagten auch, dass er durstig nach
Blut und Mord sei. Damit haben sie den Propheten Muhammad nicht nur von
der Stufe der Prophetie herabgesetzt, sondern ihn auch unter das Niveau
eines gewöhnlichen anständigen Menschen gestellt.
MM: Dem wollten Sie
offenbar mit Ihrem Buch etwas entgegen setzen
Dr. Haider:
Ich wollte in meinem Buch den Propheten (s.) darstellen, wie er
tatsächlich war. Er braucht kein Lob von mir. Es reicht aus, wenn man
seine Lehre und Taten erzählt und sie für sich selbst sprechen lässt.
Ich wollte den Leuten nur ein unvoreingenommenes Werk präsentieren, das
ihre Augen öffnet und sie ermutigt, den Propheten (s.) ohne Vorurteile
kennenzulernen. Was die Muslime betrifft, so glauben wir, dass er der
letzte von Gott gesandte Prophet ist, frei von Fehlern und durch
göttliche Offenbarung geleitet.
MM: An welchen
Projekten wollen Sie in Zukunft mitarbeiten? Dr. Haider:
Wenn Sie mit 'Projekten' Buchprojekte meinen, würde ich sagen, dass ich
mich weder als Autor sehe noch als jemand, der das Wissen hat, Bücher zu
schreiben. 'Weißer und Erdvater' war ein reines Geschenk Gottes, und
dafür bin ich unendlich dankbar. Aber neben meiner Karriere als Arzt
plane ich, auf jede erdenkliche Weise im islamischen Aufruf engagiert zu
bleiben, so wie Gott mir gegenüber bevorzugt hat. MM: Dr. Haider, wir
danken für das Interview. |